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Friday, May 16, 2014

BUCH II - Kapitel IX - Christian und Anastasia Fanfiction

Kapitel IX
Nimm mich wie ich bin




Meine Augen verengen sich zu Schlitzen, als ich Sawyers schießfreudige Reaktion sehe und sage ihm, dass alles in Ordnung ist. Ich betrete das Foyer und augenblicklich wirkt Sawyer betreten. Er steckt seine Waffe weg und lässt mich eintreten.
„Taylor übertreibt“, sage ich, um Anastasia zu besänftigen und strecke ihr meine Hand entgegen. Anastasia sieht geschockt, verängstigt, besorgt und beunruhigt aus. Ihr Blick wandert über meinen Körper, überprüft jeden Zentimeter davon, bemerkt meine geöffneten Hemdknöpfe und versucht auszumachen, ob ich verletzt bin. Ich versuche die Anspannung in meinem Körper zu verbergen, schaffe es aber nicht. Ich sehe mein Mädchen bekümmert an, ich mache mir Sorgen um sie.

„Es ist alles in Ordnung, Baby“, sage ich, gehe auf sie zu und öffne meine Arme, um sie in eine schützende Umarmung zu ziehen. 

(Hysteria by Def Leppard) 

Nun ist sie sicher und geborgen in meinen Armen. Diese letzte Stunde hat mich um einiges altern lassen. Ich habe Angst, dass Anastasia irgendetwas zustoßen könnte, wie gering es auch sein mag. Ich wollte sie beschützen, aber gleichzeitig Leila finden, damit sie die Hilfe bekommt, die sie benötigt und die Gefahr, die möglicherweise von ihr ausgeht, beseitigt wird.

„Ich habe mir solche Sorgen gemacht“, flüstert sie und scheint sich in meiner Umarmung endlich sicher zu fühlen. Die Anspannung weicht aus ihrem Körper. Sie saugt meinen Duft in sich auf, spürt meine Präsenz und umarmt mich fester.

„Ich weiß. Wir sind alle etwas nervös.“

Sawyer verlässt das Foyer, um sich mit dem Rest des Sicherheitsteams zu beratschlagen.

„Ehrlich, Mr. Grey, Ihre Exfreundinnen erweisen sich als ziemliche Herausforderung“, murmelt sie. Ihre scherzhafte Aussage entspannt mich, nach dem Schrecken, den wir gerade erlebt haben. Ich habe mir solchen Sorgen gemacht, dass diese Angelegenheit neuen Druck auf Anastasia aufbauen könnte, und das nach allem, was Elena bei der Spendengala getan hat. Ich habe gerade erst bemerkt, dass ich eine unglaubliche Angst in mir hatte, dass Anastasia mich verlassen würde, wenn sie für sich entscheiden würde, dass sie meine Exfreundinnen unerträglich findet.

„Ja, das stimmt“, sage ich und stimme ihr damit zu. Ich muss in beiden Angelegenheiten die Kontrolle bewahren. Nachdem ich sie nun in meinen Armen gehalten habe und ihre Wärme spüre, fühle ich mich schließlich sicher genug, sie hier bei mir zu haben. Ich lasse sie los, doch nur um ihre Hand in meine zu nehmen. Während ich sie ins Wohnzimmer führe, erkläre ich ihr, was Taylor und seine Leute machen: „Taylor und seine Männer überprüfen sämtliche Schränke. Ich glaube nicht, dass sie hier ist.“

„Warum sollte sie hier sein? Das ergibt keinen Sinn“, fragt sie. Ich habe keine Antwort auf ihre Frage und ich sehe auch keinen Grund, warum sie hier in meinem Apartment sein sollte.
„Genau“, antworte ich.

„Könnte sie denn reinkommen?“ fragt Anastasia. Das Sicherheitssystem im Apartment ist auf dem neuesten Stand, ich wüsste nicht, wie sie hereingelangen könnte.

„Ich wüsste nicht, wie. Taylor ist manchmal übervorsichtig“, sage ich, da ich Taylors totale Hingabe zu seinem Job kenne.

„Hast du im Spielzimmer nachgeschaut?“ fragt Anastasia mit leiser Stimme. Ich weiß, was sie damit andeuten will. Leila war oft genug mit mir in meinem Spielzimmer, als meine Sub. Und natürlich kommen die Gedanken an mich und Leila ungebeten in Anastasias Kopf. Ich weiß, wie eifersüchtig sie ist. Ich runzele die Stirn, antworte jedoch auf ihre Frage:

„Ja, es ist verschlossen. Taylor und ich haben es überprüft“, sage ich und erinnere mich wieder an Taylors Überreaktion.

Sie atmet schaudernd ein, als würde sie die Anspannung und Angst der letzten Stunde damit wegwaschen wollen.  Ich möchte, dass sie sich entspannt.

„Möchtest du einen Drink?“ frage ich sie.

„Nein“, sagt sie und schließlich weicht auch das letzte bisschen Adrenalin, das ihr der Stress beschert hat, aus dem Körper. Sie ist hundemüde und kaum noch in der Lage auf ihren Füßen zu stehen.

„Komm. Lass mich dich ins Bett bringen. Du siehst erschöpft aus”, sage ich, als wäre sie ein kleines Kind. Ich nehme ihre Hand und führe sie in mein Schlafzimmer.
Sie nimmt ihre Handtasche und legt sie auf die Kommode, ehe sie deren Inhalt ausleert. Als sie nach einem Stück Papier greift, hält sie es mir hin. „Hier“, sagt sie, „Keine Ahnung, ob du ihn lesen willst. Ich werde nicht darauf eingehen.“

Ich lese mir den kurzen Text durch und was dort steht, verärgert mich:


Vielleicht habe ich Sie falsch eingeschätzt.
Und Sie täuschen sich definitiv in mir. Rufen Sie mich an, wenn Sie
mehr erfahren wollen – wir könnten uns zum Lunch treffen. Christian
möchte nicht, dass ich mit Ihnen spreche, doch ich würde Ihnen sehr
gern helfen.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich gebe Ihnen wirklich meinen
Segen, aber wenn Sie ihm wehtun … Er hat genug Verletzungen erlitten.

Rufen Sie mich an unter der Nummer: (206) 279-6261

Mrs. Robinson

Vor Anastasia, die bereits rot sieht, wenn sie allein den Buchstaben „R“ hört oder sieht, möchte ich den Inhalt dieses Briefes keineswegs auswerten.

„Ich wüsste nicht, welche Informationen sie dir geben könnte“, sage ich abweisend. Ich werde mich deswegen noch mit ihr unterhalten und sie zurechtstutzen. „Ich muss mit Taylor sprechen“, sage ich, um das Thema zu wechseln. Ich möchte nicht, dass sie sich den Kopf über Elena zerbricht und noch ihren eigenen Beitrag zu dieser verdammten Nacht leistet.

„Komm, ich mach dir den Reißverschluss von deinem Kleid auf“, sage ich und blicke sie an. Sie sollte ins Bett gehen. Sie sieht todmüde aus.

„Wirst du die Polizei wegen dem Wagen benachrichtigen?“ fragt sie mich, während ich den Reißverschluss ihres Kleides öffne. Diese Option besteht für mich gar nicht. Ich streiche ihr loses Haar zur Seite und meine Finger streichen über ihren nackten Rücken.

„Nein, ich werde die Polizei nicht verständigen. Leila braucht Hilfe, keine Polizei. Wir müssen unsere Bemühungen, sie zu finden, verdoppeln“, sage ich, beuge mich herunter und küsse sie auf die Schulter. Ich möchte nicht, dass Anastasia sich darüber Sorgen macht. Das ist mein Problem, welches ich nun bis an unsere Türschwelle gebracht habe. Leila macht zurzeit einiges durch und ich muss ihr unbedingt Hilfe verschaffen; das schulde ich ihr. Ich kann sie sich nicht selbst überlassen. Doch mir gefällt es nicht, dass auch Anastasia nun in die Sache hereingezogen wurde. Ich weiß, dass sie ziemlich eifersüchtig werden kann. Sie ist bereits eifersüchtig auf Elena, und jetzt auch auf Leila, die sogar schon zu ihr auf Arbeit gekommen ist, um sie zu treffen. Ich wollte dieses Problem bereits lösen, bevor es so weit hätte kommen können. Meine oberste Priorität zurzeit ist Leila zu finden und ihr Hilfe zu beschaffen und natürlich den Schaden bei Anastasia so gering wie möglich zu halten.

„Geh ins Bett“, weise ich Anastasia an und mache mich auf den Weg zu Taylor. Dieser wartet stoisch in meinem Büro.

„Taylor, was haben Sie gefunden?“

„Keine Spur von ihr, Sir.“

„Glauben Sie, dass sie das Haus betreten hat?“

„Wir haben keinerlei Einbruchsspuren gefunden, Sir. Wir haben das Apartment zweimal durchsucht. Keine Spur. Ich habe mir die Farbe auf dem Auto angesehen. Sie wurde auf Öl-Basis hergestellt, Sir, und sie ist weiß, das bedeutet, dass sie schnell trocknet. Der Luftfeuchtigkeit in Seattle nach zu urteilen, würde ich sagen, dass die Farbe etwa vor 3 Stunden oder auch etwas mehr auf Miss Steeles Auto gekippt wurde. Sie könnte schon über alle Berge sein“, sagt er und ich nicke. Taylor sieht besorgt aus.

„Aber?“ hake ich nach und meine Augenbrauen kräuseln sich. Taylors Instinkte versagen nie und ich bin ganz aufmerksam.

„Sie hat diese Fähigkeit uns immer zu entwischen, Sir. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie Ihnen oder Miss Steele auf irgendeine Art und Weise folgt. Sie hat dafür gesorgt, dass wir alle weg sind, als sie den Schaden angerichtet hat. Ihr Timing ist bestimmt kein Zufall. Sie wusste, dass wir weg sind und sie hat sicherlich vermutet, dass es für längere Zeit ist, da wir alle so schick angezogen waren. Das hat ihr die nötige Zeit gegeben, einen Plan zu schmieden, Farbe zu besorgen, das Auto zu verunstalten und die Reifen zu zerstechen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass sie nicht weit weg vom Escala ist. Aber ‚wo‘ ist die Frage. Es ärgert mich, dass wir sie noch nicht finden konnten“, sagt er und verlagert nervös sein Gewicht vom einen auf den anderen Fuß.
„Was noch?“ frage ich mit entschiedener Stimme.

„Entschuldigung, Sir?“

„Taylor, Sie arbeiten seit vier Jahren für mich. Sie kennen mich gut und ich habe gelernt, sie wie ein Buch zu lesen. Sie und ich können mit einem einzigen Blick kommunizieren. Da ist noch etwas anderes. Ich möchte wissen, was das ist!“ Er nickt.
„Ich denke bereits darüber nach, seitdem sie hergekommen ist und vor Gail eine Szene gemacht hat. Leila hat ihre Taktik geändert. Zuerst wollte sie nur Ihre Aufmerksamkeit. Jetzt schenken Sie ihr Ihre Aufmerksamkeit. Nun möchte Sie Ihnen zeigen, was sie alles kann. Sieh den Schmerz, den ich verursachen kann, erwäge, was noch kommen kann. Für sie ist es wie ein Katz und Maus Spiel. Ich bin mir bloß nicht sicher, ob sie die Katze oder die Maus ist! Sie spielt beides. Und dann ist da noch die Tatsache, dass sie unsäglichen Kummer in sich trägt. Darüber mache ich mir auch Sorgen, weil es sie labil macht. Es interessiert sie nicht, was passiert. Das bereitet mir große Sorgen. Aber sie ist stabil genug, um einen Plan zu schmieden, egal wie übereilt und spontan dieser auch sein mag.“ Anastasias angsterfülltes Gesicht kommt mir wieder in den Sinn. Ich schließe meine Augen und atme tief ein. Die letzten paar Stunden, seitdem Elena uns mit ihrer Scheiße belastet hat, waren grauenhaft.

Ich hätte gedacht, Anastasia würde weglaufen, nachdem mir Taylor von der Begegnung erzählt hatte. Glücklicherweise hat Elena nicht das ausgeplaudert, wovor ich mich gefürchtet habe. Auch die Zeit, in der sie mit Dr. Flynn getanzt, hat mich beunruhigt. Aber John ist professionell und schließlich bezahle ich ihn gut. Er breitet die Belange seiner Patienten nicht vor deren Nahestehenden aus.

„Mittlerweile sind sie zu viert und können viermal so viel Kraft aufwenden, um sie zu finden, Taylor. Ich möchte nichts dem Zufall überlassen. Sawyer wird Anastasia überall hin folgen. Ihre Sicherheit hat oberste Priorität. Leila muss unbedingt gefunden werden. Finden Sie heraus, ob sie zu Freunden, die hier leben oder ihrer Familie im Osten, Kontakt aufgenommen hat. Ich habe genug andere Dinge, über die ich mir Sorgen machen muss. Dieses Problem muss schnellstmöglich gelöst werden!“ sage ich. Taylor nickt stoisch.

„Wenn Sie mich nicht mehr brauchen, Sir, würde ich jetzt gern in mein Büro gehen und die anderen auf den neusten Stand bringen.“

„In Ordnung“, sage ich kurz und Taylor verlässt mein Büro.

Ich fahre mir mit den Händen durchs Haar. Wo könnte Leila sein? Was will sie von Anastasia? Ich hatte vor und auch noch nach ihr andere Subs. Warum Anastasia? Mein Telefon klingelt und durchbricht die nächtliche Stille in meinem Büro. Ich zucke zusammen. Wer zum Teufel ruft mich mitten in der Nacht an? Ist das ein weiterer verdammter Notfall? Als hätte ich diese Nacht nicht schon genug davon gehabt.

Ich blicke auf mein Telefon und sehe, dass es Elena ist. Großartig! Diese Nacht wird immer besser!

„Was?“ blaffe ich ohne weiteres ins Telefon. Sie ist überrascht von mir zu hören.

„Oh, Christian, ich habe nicht gedacht, dass du noch wach sein würdest. Es tut mir leid, dass ich so spät anrufe.“

„Also, ich bin wach und bin stinksauer auf dich! Ich habe dir gesagt, dass du Anastasia in Ruhe lassen sollst und was tust du? Hinter meinem Rücken gehst du zu ihr und hinterlässt ihr eine Nachricht, wohlwissend, dass ich davon erfahren werde! Was wolltest du ihr damit sagen? Welche Informationen, die ich ihr nicht selbst geben kann, wolltest du ihr geben?“ Ich merke, wie sie am anderen Ende der Leitung erschaudert.

„Uhm … ich wollte mit dir sprechen“, sagt sie.

„Um zwei Uhr nachts? Ich weiß nicht, warum du mich um diese Zeit sprechen musst. Ich habe dir nichts zu sagen …“, ich koche vor Wut. Nicht nachdem sie hinter meinem Rücken Kontakt zu Anastasia aufgenommen hat, obwohl ich ihr gesagt habe, sie soll sie in Ruhe lassen. Ich hasse es, wenn Leute mich hintergehen.

„Ich weiß, wie spät es ist. Ich dachte, du würdest schlafen und ich wollte dir eine Nachricht hinterlassen. Ich kann morgen noch einmal anrufen, wenn du möchtest …“

„Du kannst es mir auch jetzt sagen. Du musst mir keine Nachricht hinterlassen.“

„Ich wollte nicht, dass Anastasia so schlecht von mir denkt. Sie kennt die Grundfehden unserer Beziehung nicht. Und sie hat mich falsch eingeschätzt. Es ärgert mich, dass sie mich als pädophil betrachtet. Du weißt, dass ich das nicht bin, Christian! Ich wollte dir nur helfen und das waren die einzigen Mittel, die ich kannte! Und ich werde es nicht hinnehmen, dass Anastasia dich verletzt! Hör mir zu, Christian … sie hat das Potenzial dich ziemlich schlimm zu verletzen!“ sagt sie, aber ich unterbreche sie.

„Nein, hör du lieber mir zu. Zuerst habe ich dich gebeten und jetzt werde ich mich noch einmal klar und deutlich ausdrücken. Lass sie in Ruhe! Sie hat nichts mit dir zu tun. Verstehst du?” sage ich mit bedrohlicher Stimme.

„Christian, bitte. Du bist mir ungemein wichtig!” fleht sie mich an.

„Ich weiß, dass ich dir wichtig bin. Aber ich meine es ernst, Elena. Lass sie in Ruhe. Muss ich es dir noch ein drittes Mal sagen?“

„Du hast schon genug durchgemacht, Christian! Du weißt gar nicht, was sie dir alles antun kann, sollte sie dich noch einmal verletzen. Ich weiß, dass du es nicht ertragen könntest. Ich habe das dringende Bedürfnis, dich zu beschützen!“

„Hörst du mich?“ frage ich aufgebracht.

„Ja. Ist ja gut! Ich werde sie in Ruhe lassen“, sagt sie resigniert.

„Gut. Gute Nacht!“ Ich knalle das verdammte Telefon auf meinen Schreibtisch.

Die Wut bahnt sich ihren Weg durch meinen Körper; Ich bin kurz davor, irgendetwas zu zerbrechen. Ich lege meinen Kopf in meine Hände. Ich habe mein Limit erreicht. Ich hasse es, wenn andere sich in mein Leben einmischen. Leila tut es, weil sie wegen ihrem Kummer das Gefühl hat, sich an mir rächen zu müssen und Elena tut es, weil sie ein falsches Verlangen hat, mich beschützen zu müssen! Und dann ist da noch Anastasia, die sich inmitten dieses Shitstorms befindet und ich habe solche Angst, dass sie mich wegen dieser ganzen Probleme verlassen wird. An meiner Tür klopft es leise. Wer zum Teufel ist das denn jetzt?

„Was?“ knurre ich wie ein wütendes Biest, das bereit ist, alles und jeden hinter dieser Tür mit einem einzigen gigantischen Bissen zu verschlingen.  Langsam öffnet sich die Tür. Ich blicke auf und sehe einen Schimmer des Himmels mitten in meiner persönlichen Hölle. In diesem Moment, als ich ihre blauen, spähenden Augen erblicke, finden mein Gesicht und meine Seele Trost. Ich will nicht, dass sie sich vor mir fürchtet. Ich bin nun ganz behutsam. Ich bin so verdammt müde und erschöpft. Ich möchte einfach nur mein Mädchen halten und in diesem Hurrikan zur Ruhe kommen.

Als sich mein Verstand langsam beruhigt, blinzele ich, um das auszulöschen, was mich die ganze Zeit geärgert hat und blicke auf die Schönheit vor mir. Anastasia trägt eines meiner T-Shirts und sieht darin aus wie ein Teenager.

„Du solltest dich in Satin und Seide kleiden, Anastasia“, sage ich völlig außer Atem, als hätte ich an einem Marathon teilgenommen. „Aber auch in meinem T-Shirt bist du wunderschön.“ Sie wird rot und ihre Wangen werden von dieser reizenden Farbe geziert.

„Du fehlst mir. Komm ins Bett“, flüstert sie sanft. Ihre Stimme ist wie ein Lockruf, wie der Ruf einer Sirene. 

(Bliss by Muse)

Ich kann dem Drang nicht widerstehen, erhebe mich von meinem Stuhl und gehe auf sie zu. Meine Augen sind voller Versprechungen und Begierde für sie, aber sie sind dennoch von dieser übriggebliebenen Tristesse getrübt, die die Ereignisse dieses Abends hinterlassen habe. Sie ist wie mein Kerzenlicht in der dunkelsten Ecke meiner Seele. Sie ist der einzige Funke Hoffnung, auf den ich mich konzentrieren kann. Ich fühle mich zu ihr hingezogen und ohne sie bin ich verloren. Wenn man wie ich in der Dunkelheit geboren wurde, wird sie zu deinem Begleiter. Das ist alles, was man dann kennt. Es ist aber angenehm, da man nichts anderes kennt. Und die Rettungsversuche waren allesamt erfolglos. Mein Körper hat sich möglicherweise aus dieser Dunkelheit befreit, aber meine Seele nicht. Nicht, bis ich dieses kleine Fünkchen Licht gesehen habe. Es war nicht stark, nur ein Punkt in der Dunkelheit, der nach mir gerufen hat, mich leise zu ihm geführt hat. Ich bin hilflos, aber ich bin dennoch zu diesem kleinen Kerzenschein gegangen. Als ich es erreicht habe, hat es mich verzehrt, mich in seiner Gewalt gehalten und mir nur Gutes versprochen, mich aus dem Käfig der Dunkelheit gezogen und mich mit seinem Licht vereint. Genauso mühelos befreit sie mich von meinen dunklen Gedanken, meiner Wut und meinem Elend.

„Weißt du, wie viel du mir bedeutest?“ murmele ich kaum hörbar und versuche meine Angst, sie zu verlieren, zu verstecken. „Wenn dir durch meine Schuld etwas zustoßen würde …“, Den Rest meiner Gedanken kann ich nicht mehr in Worte fassen; es ist einfach zu schmerzhaft, sich solch einen Gedanken vorzustellen. Ich versuche meinen Kummer unter Kontrolle zu halten, indem ich meine Stirn runzele, aber der Schmerz ist allgegenwärtig. Ich habe schon einmal fast verloren, als sie sechs Tage lang weg war, und jetzt war sie nur 10 Minuten entfernt von mir. Wenn irgendetwas passiert wäre und Anastasia und ich nicht mehr im selben Universum existieren würden, würde ich schlichtweg vor Qual sterben! Ich würde meine nun schon zur Hälfte zurückerlangte Seele verlieren. Ich brauche sie mehr als meinen nächsten Atemzug! Sie ist mir zu wichtig. Ich bin kaum in der Lage sie anzusehen, als würde sie jeden Moment vor meinen Augen verschwinden, einfach verdampfen.

„Mir passiert schon nichts“, sagt sie mit beruhigender, melodischer Stimme und versucht mich zu beschwichtigen, obwohl sie doch selbst so zerbrechlich ist. Sie sieht mich an und ich erkenne die Liebe in ihrem Blick, während sie ihre Hände ausstreckt, um sanft über mein Gesicht zu streichen. Sie fährt mit ihren Fingern durch meinen einen Tag alten Bart auf meinen Wangen.

„Dein Bart wächst schnell“, flüstert sie und führt mich damit aus der Gefahrenzone.

Ihr Zeigefinger streicht so sanft wie immer über meine Unterlippe, ehe sie mit ihrem Nagel ganz wenig Druck aufbringt und die Linie meiner Lippen nachzeichnet. Ihre Finger wandern zu meiner Kehle hinab. Dann verwendet sie zwei Finger für dieselbe Aufgabe. Dann drei. Und dann vier. Ihre Finger wandern über meine Kehle zu meinem Hals und an der Grenze zu meiner verbotenen Zone entlang. Meine Augen sind weit aufgerissen, während ich auf sie hinab sehe, von ihrem Zauber gefangen bin. Sie fasst mich wirklich an. Ich bin ganz reglos. Ein Mond, der seinen Planeten umkreist. Völlig gefesselt. Ihre Finger erreichen schließlich meinen Hemdkragen und wandern die Linie der Knöpfe langsam und gemächlich auf und ab.
„Ich werde dich nicht anfassen. Ich will nur dein Hemd aufknöpfen“, flüstert sie, beruhigt mich und lindert meine Ängste. 

(By Your Side by Tenth Avenue North) 

Ich kann nicht. Es ist immer noch schwer für mich. Meine Augen werden noch größer vor Angst, aber ich möchte in ihrer Nähe bleiben. Ich stehe reglos da und ich will sie meinen Körper erkunden lassen. Langsam und zögernd öffnet sie den obersten Knopf und zieht dabei den Hemdkragen und den Stoff von meiner Haut weg, sorgfältig darauf bedacht, mich nicht zu berühren. Sie wiederholt diesen Prozess beim zweiten Knopf. Mein Blick ruht gebannt auf ihr. Wie Ikarus zur Sonne. Immer noch ängstlich, aber nicht in der Lage dem Sog zu entkommen. Ich bin ihren Händen schonungslos ausgeliefert. Sie öffnet einen weiteren Knopf. Dann noch einen. Sie ist ganz auf ihre Aufgabe konzentriert. Als sie auch diesen geöffnet hat, wendet sie sich den nächsten in der Reihe zu. Sobald sie diesen geöffnet hat, kommt die restliche Lippenstiftlinie zum Vorschein. Sie lächelt und blickt zu mir auf.

„Zurück auf vertrautem Gebiet“, sagt sie und zeichnet weiter die Linie mit den
Fingern nach, bevor sie den letzten Knopf öffnet. Mein Atem geht nur noch ganz flach. Warum zur Hölle ist das so beängstigend und heiß zugleich? Dann zieht sie das Hemd aus meiner Hose, zieht es völlig auseinander und entblößt damit meine Brust. Sie entfernt die Manschettenknöpfe, eine sexy, sinnliche Bewegung auf einmal.

„Darf ich dir aus dem Hemd helfen?“, fragt sie mit leiser, begieriger, sinnlicher Stimme. Ich bin sprachlos; solch Obszönität, ganz aufmerksam. Ich kann nur noch nicken. Sie streckt sich und zieht das Hemd über meine Schultern. Mein Hemd hängt nur noch an meinen Händen, die ich mit einem Zug befreie. Nun bin ich von der Hüfte aufwärts nackt. Das ist nun wieder vertrautes Gebiet für mich. Ich bin wieder in meinem Element und grinse auf Anastasia herab.

„Was ist mit meiner Hose, Miss Steele?“ frage ich süffisant.

„Im Schlafzimmer. Ich will dich in deinem Bett“, sagt sie mit verheißungsvoller Stimme.

„Tatsächlich? Miss Steele, Sie sind wirklich unersättlich“, sage ich vergnügt.

„Warum wohl?“ sagt sie unschuldig, greift nach meiner Hand und übernimmt damit die Führung. Sie führt mich weg von dem ganzen Elend, dass sich meterhoch in meinem Büro stapelt und führt mich ins Schlafzimmer.  Automatisch merke ich, dass irgendetwas anders ist. Es ist kalt. Normalerweise halten wir die Temperatur im Apartment konstant. Mein Blick wandert zügig durch den Raum und ich bemerke schließlich die geöffnete Balkontür. Ich runzele die Stirn und blicke Anastasia fragend an.

„Du hast die Balkontür aufgemacht?“ frage ich.

„Nein“, antwortet sie genauso überrascht wie ich. Dann ändert sich ihr Gesichtsausdruck. Das Blut weicht aus ihrem Gesicht, sie wird blass, kreidebleich. Ihr Mund öffnet sich. Was ist passiert? Was beschäftigt sie?

„Was?“ blaffe ich und kann die Ungewissheit kaum ertragen. Ich starre sie an.

„Als ich aufgewacht bin“, sagt sie, hält inne und versucht sich zu erinnern, „war jemand hier drin“, flüstert sie und zeigt zum Ende des Bettes. „Ich dachte, ich hätte mir das bloß eingebildet.“

„Was?“ brülle ich entsetzt. Ich haste zur Balkontür, sehe hinaus und suche die Umgebung nach irgendeinem Anzeichen ab. Sie ist hier. Irgendwo in der Nähe! Und verdammt! Sie war in meinem Schlafzimmer, während mein Mädchen dort geschlafen hat! Fuck! Sie hätte sie verletzen können. Ich gehe zurück in den Raum und verschließe die Tür. „Bist du sicher? Wo?“ frage ich mit verzerrter Stimme. Angespannt blicke ich ihr in die Augen.

„Ich glaube, eine Frau. Es war dunkel, und ich war noch im Halbschlaf“, erklärt sie. Meine Ängste haben sich bestätigt. Leila ist hier irgendwo.

„Zieh dich an“, herrsche ich sie an. „Auf der Stelle!“ schreie ich und sie springt.

„Meine Sachen sind oben“, jammert sie.

Ich gehe zu meiner Kommode und ziehe eine meiner Jogginghosen heraus.

„Zieh die an“, befehle ich ihr.

Dann ziehe ich eines meiner T-Shirts hervor und ziehe es an. Ich greife nach dem Telefon und wähle Taylors Nummer. Er antwortet nach dem ersten Klingeln.

„Verdammt, sie ist hier“, zische ich, bevor er überhaupt ‚Hallo‘ sagen kann. 

(Dangerous by Michael Jackson)

Taylor knallt das Telefon hin und ist wenige Sekunden später, gefolgt von Ryan, in meinem Schlafzimmer.

In wenigen Worten erkläre ich ihm, was passiert ist; wie Leila hier in meinem Schlafzimmer war und wie wir die Balkontür offen vorgefunden haben. Taylor ist ganz professionell. „Wie lange ist das her?“, fragt er Anastasia.

„Etwa zehn Minuten“, sagt sie und klingt schwach.

„Sie kennt die Wohnung wie ihre Westentasche“, sage ich. „Ich bringe Anastasia weg. Sie versteckt sich hier irgendwo. Finden Sie sie. Wann kommt Gail wieder?“ frage ich.

„Morgen Abend, Sir.“

„Sie darf keinen Fuß in die Wohnung setzen, bevor diese nicht gründlich überprüft ist. Verstanden?“ blaffe ich und verliere fast den Verstand.
                                                                                     
„Ja, Sir. Wollen Sie nach Bellevue?“

„Ich werde meine Eltern nicht in die Sache hineinziehen. Reservieren Sie irgendwo was für mich“, weise ich ihn an.

„Ja. Ich gebe Ihnen telefonisch Bescheid.“

Dann dreht sich Anastasia zu mir und sagt das Idiotischste überhaupt.

„Reagieren wir nicht alle ein bisschen über?“

Meine Augen glühen wie Asche und wenn ich damit Feuer schießen könnte, würde ich es vermutlich tun. Ich starre sie an und kann meine Wut kaum verbergen. „Sie könnte eine Waffe haben«, knurre ich. Glaubt sie, ich würde ihr Leben aufs Spiel setzen?

„Christian, sie stand am Fußende des Bettes und hätte mich ganz leicht erschießen können, wenn sie das gewollt hätte.“

Einatmen. Ausatmen. Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn. Scheiße! Es funktioniert nicht.

„Ich bin nicht bereit, das Risiko einzugehen. Taylor, Anastasia braucht Schuhe!“ Taylor macht sich auf den Weg, um Schuhe aus ihrem Zimmer zu holen.

Zügig gehe ich zu meinem Kleiderschrank und lasse Anastasia unter Ryans wachsamen Augen und seinem Schutz. Ich hole eine Kuriertasche aus Leder hervor und fülle sie mit Sachen, die ich in den nächsten Tagen tragen könnte. Ich nehme auch meine Jeansjacke, die Anastasia tragen kann. Ich ziehe meine schwarze Anzughose aus, meine Jeans und ein Nadelstreifenjackett über mein weißes T-Shirt. Ich greife nach der Kuriertasche und der Jeansjacke und gehe zurück ins Schlafzimmer. Anastasia steht noch immer an derselben Stelle. Ich lege ihr die Jeansjacke um die Schultern.
  



„Komm“, sage ich, nehme ihre Hand besitzergreifend in meine und gehe mit schnellen Schritten, sodass ich Anastasia quasi hinter mir her ziehe.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich hier irgendwo versteckt hält“, murmelt sie, während sie noch einen Blick auf die Balkontür wirft.

„Es ist eine große Wohnung. Du weißt nicht, wie groß.“

„Warum rufst du sie nicht einfach … und sagst ihr, dass du mit ihr reden möchtest?“ fragt Anastasia.

„Anastasia, sie ist psychisch labil und hat möglicherweise eine Waffe“, sage ich. Warum sollte ich dieses Risiko eingehen?

„Das heißt, wir laufen einfach weg?“ fragt sie ungläubig.

„Erst einmal – ja.“

„Angenommen, sie versucht, Taylor zu erschießen?“ fragt sie besorgt.

„Taylor kennt sich mit Waffen aus“, sage ich missbilligend. „Er ist allemal schneller als sie.“

„Ray war beim Militär. Er hat mir das Schießen beigebracht.“

Ich drehe mich um und sehe Anastasia fassungslos an. Ein weiterer Waffenliebhaber in meinem zu Hause?

„Du mit einer Waffe?“ frage ich entsetzt. Das habe ich nicht gewusst.

„Ja“, sagt sie  beleidigt, als hätte ich gesagt, dass sie einer Waffe nicht würdig oder unfähig wäre. Gewissermaßen kann ich mir eine Waffe in ihren reizenden Händen auch nicht vorstellen. Diese Neuigkeit muss ich erst einmal verdauen. „Ich kann schießen, Mr. Grey, also nehmen Sie sich vor mir in Acht. Sie müssen sich nicht nur über verrückten Exsubs Gedanken machen.“

Es ist süß, dass meine Freundin nicht komplett hilflos ist. „Das werde ich im Hinterkopf behalten, Miss Steele“, antworte ich trocken und lächele sie an. Ihre Hartnäckigkeit und ihre unbeirrte Art sind einfach ohnegleichen.

Als wir das Foyer erreichen, wartet Taylor dort mit einem kleinen Koffer mit Anastasias Sachen und ihren schwarzen Converse Sneakers in der Hand. Ein schüchternes Lächeln breitet sich auf Anastasias Gesicht aus und kurz darauf bringt ihre persönliche Aura auch Taylor zu einem beschwichtigenden Lächeln. Sie lässt meine Hand los, geht zu Taylor und umarmt ihn. Taylor sieht plötzlich ganz verlegen aus und wird rot.

„Seien Sie vorsichtig“, murmelt Anastasia besorgt.

„Ja, Miss Steele“, ist das einzige, was Taylor hervorbringt. Ich mag es nicht, wenn meine Freundin anderen gegenüber ihre Zuneigung zeigt, selbst wenn es nur ist, weil sie sich Sorgen macht. Sie gehört mir, verdammt noch mal! Ich blicke Taylor abschätzend an und dieser zupft nervös und verlegen seine Krawatte zu Recht.

„Sagen Sie mir, wo ich hinmuss“, sage ich zu Taylor. Er holt seine Brieftasche aus seinem Jackett, zieht seine Kreditkarte hervor und gibt sie mir. Er wird das Hotel unter seinem Namen buchen. Großartige Idee.

„Gut mitgedacht“, sage ich anerkennend.

Ryan betritt das Foyer und wendet sich Taylor zu, „Sawyer und Reynolds haben nichts gefunden“, erklärt er. Die Wohnung ist sicher, aber ich werde kein Risiko eingehen. Die Schlösser müssen ausgetauscht werden, bevor wir zurückkönnen.

„Begleiten Sie Mr. Grey und Miss Steele zur Garage“, weist Taylor Ryan an.

Die Fahrt in die Tiefgarage ist still, fast schon unheilbringend. Es ist mitten in der Nacht. In der Garage befindet sich keine Menschenseele, da alle Bewohner des Escalas schlafen. Es ist schließlich 3:00 Uhr. Ich führe Anastasia zu meinem R8 und stelle ihren Koffer und meine Tasche in den Kofferraum. Ich kann Anastasia den Anblick ihres zerstörten Autos leider nicht ersparen. Die Reifen ihres Audis sind zerstochen, er ist von weißer Farbe überzogen. Laut Taylor wurde diese Farbe auf Öl-Basis hergestellt und nun verunstaltet sie das Auto. Es sieht so aus wie ein Missbrauchsopfer, dass unwiderruflich von einem verachteten Liebhaber zerstört wurde. Der Anblick lässt mich erschaudern. Ist es das, was Leila mit Anastasia anstellen will? Sie unwiderruflich zerstören? Wut steigt in mir auf. Ich wende meinen Blick vom Auto ab und steige in mein Auto.

„Am Montag wird ein neues Auto geliefert“, sage ich beschwichtigend zu Anastasia, aber ich kann den grimmigen Ton in meiner Stimme nicht verbergen.

„Woher konnte sie wissen, dass das mein Wagen ist?“ fragt Anastasia ratlos.

Oh, nein! Ich muss es ihr erklären! Ich rutsche nervös auf meinem Sitz hin und her und entscheide mich für die Wahrheit.

„Sie hatte auch einen Audi A3. Das Modell kaufe ich all meinen Sklavinnen – es ist eines der sichersten seiner Klasse“, versuche ich ihr zu erklären.

Anastasia blinzelt. Sie ist zu schlau, ich kann ihr einfach nichts vormachen.

„Dann war er also doch kein richtiges Geschenk zum Abschluss“, stellt sie korrekterweise fest.

„Anastasia, meinen Hoffnungen zum Trotz bist du nie meine Sub gewesen, also handelt es sich faktisch um ein Abschlussgeschenk“, sage ich, als ich das Auto aus der Parkbucht lenke und zum Ausgang fahre. Ihr Ausdruck fällt in sich zusammen. Ich kann erkennen, wie sie nachdenkt. In ihrem Blick flackern die Ausdrücke und in ihrem Kopf rattert es.

„Machst du dir nach wie vor Hoffnungen?“ fragt sie ganz leise.

Ich habe nicht die Möglichkeit ihr zu antworten. Glücklicherweise klingelt in diesem Moment das Telefon über das Bluetooth System im Auto.

„Grey“, blaffe ich zur Antwort.

„Fairmont Olympic. Auf meinen Namen“, sagt Taylor und kommt direkt auf den Punkt.

„Danke, Taylor. Und Taylor, seien Sie vorsichtig.“ Taylor hält inne. Es ist diese ‘Ich-bin-zu-schockiert-und-weiß-nicht-wie-ich-mit-der-Besorgnis-von-Grey-umgehen-soll‘-Stille. Er ist überrascht, dass ich mich um sein Wohlergehen sorge.

„Ja, Sir“, sagt er leise und überwältigt. Ich lege auf.

Zu dieser unheilbringenden Stunde, ist es menschenleer auf den Straßen. Ich fahre die Fifth Avenue in Richtung der I-5 entlang. Als ich auf die Schnellstraße auffahre, drücke ich das Gaspedal durch und fahre Richtung Norden. Ich bin unglaublich wütend. Was wäre, wenn Leila die Geduld verloren hätte, als sie Anastasia im Bett liegen sah und auf sie geschossen hätte? Meine Gedanken wandern zu unserem letzten Tag zurück. Ich habe Leila dafür bestraft, dass sie in der Nacht davor in mein Bett gekommen ist. Ich habe auf ihr Verhalten wie auf die Beulenpest reagiert. Das war auch der Tag, an dem sie, nach mehreren Hinweisen und Zeichen, erklärt hat, dass sie meine Freundin sein möchte. Ich habe sie abgewiesen. Ich wollte nie eine Freundin. Ich habe nie das Verlangen verspürt, jemanden für immer in meinem Leben halten zu wollen. Nicht bis ich Anastasia kennengelernt habe! 

(No Ordinary Love by Sade)

Meine Gefühle für sie sind so stark, dass sie mir Angst machen. Die Angst, sie zu verlieren, ist mein schlimmster Albtraum. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um das zu verhindern.

Gott! Vor meinem geistigen Auge sehe ich, wie Anastasia in der Dunkelheit schläft und sich ihrer Umgebung völlig unbewusst ist. Sie ist hilflos. Ich befinde mich im selben Haus mit vier Sicherheitsleuten, die bereits beim Militär waren und um Himmels willen, hätte sie erschossen werden können! Verdammt! Mein Blick wandert zum Rückspiegel. Folgt Leila uns? Ich werde so unruhig, als hätte ich zehn doppelte Espresso getrunken!

Mein Blick ruht auf der Straße, aber ich sehe, dass Anastasia aus dem Fenster blickt und sich die Traurigkeit in ihr ausbreitet, da ich ihre Frage noch immer nicht beantwortet habe. Ich weiß, dass sie sich Sorgen macht, dass ich sie immer noch als Sub will. Schließlich antworte ich auf ihre Frage.

„Nein. Darauf mache ich mir keine Hoffnungen mehr. Ich dachte, das wäre klar“, antworte ich mit sanfter, beruhigender Stimme.

Sie dreht sich um und sieht mich an. Ihr Blick ruht auf mir, sie sagt aber kein Wort. Sie zieht ihre Jacke enger um sich, als würde sie sich dafür schützen, auseinander zu fallen. Kälte breitet sich zwischen uns aus.

„Ich habe Angst, dass … ich dir nicht genüge.“

Gott! Nicht schon wieder! Nicht heute Nacht! Nicht nach all der Scheiße, die wir in den letzten paar Stunden durchgemacht haben.

„Du bist mehr als genug. Um Himmels Willen, Anastasia! Wie soll ich dir das noch beweisen?“

Ein paar unausgesprochene Emotionen huschen über ihr Gesicht.

„Warum hast du befürchtet, dass ich dich verlasse, als ich dir vorgeflunkert habe, Dr. Flynn hätte mir alles über dich erzählt?“

Wie soll ich ihr erklären, dass meine Seele so lange in einem Käfig gefangen war? Sie das Licht nicht gesehen hat, bis ich sie gefunden habe! Was glaubt sie denn, wie eine Person so abgefuckt werden kann, wie ich? Meine Probleme sind tief in meiner Seele verankert. Was du siehst, ist nicht gleich das, was du auch bekommst. Du bekommst nämlich eine ganze Wagenladung an Problemen mitserviert. Dinge, für die ich mich so sehr schäme, dass ich sie nicht ausspreche … die so dunkel sind. Sie wird vor mir weglaufen und das ist etwas, womit ich nicht umgehen kann! Das kann ich ihr einfach nicht erzählen. Ich seufze, als wäre in meinen Lungen nicht genug Luft für den nächsten Atemzug. Ich blicke nach draußen. Sie sieht mich immer noch an. Sucht nach einer Antwort.

„Du hast keine Ahnung, wie verdorben ich bin, Anastasia. Und du sollst es auch nicht erfahren“, sage ich. Sie sollte mir so viel Freiheit geben.

„Meinst du wirklich, ich würde dich verlassen, wenn ich es wüsste?“ fragt sie mit hoher Stimme. Ihr Ton verrät mir, was sie denkt – ‚Vertraust du mir wirklich so wenig?‘

„Hast du so wenig Vertrauen zu mir?“ fragt sie leise.

„Ich weiß, dass du gehen würdest“, sage ich und kenne meine eigenen verdammten Geheimnisse gut genug. 

(When You’re Gone by the Cranberries)

„Christian, das glaube ich nicht. Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen.“

„Du hast mich schon einmal verlassen – das möchte ich nicht wieder erleben.“ Niemals!

„Elena hat gesagt, sie hätte sich letzten Samstag mit dir getroffen“, flüstert sie. beschuldigend.

„Das stimmt nicht!“ Ich runzele die Stirn.

„Du bist also, nachdem ich dich verlassen hatte, nicht zu ihr gegangen?“ Verdammt, Ana! Du glaubst einer Frau, die du verabscheust, aber mein Wort ist dir nicht genug?

„Nein“, zische ich zurück. „Das habe ich dir doch schon gesagt. Ich mag es nicht, wenn jemand meine Aussagen anzweifelt“, tadele ich sie. „Ich bin letztes Wochenende nirgendswohin gegangen. Ich habe zuhause den Segelflieger von dir zusammengebaut und ziemlich lange dazu gebraucht“, sage ich leise. Es war ein Tag, an dem mir mein Herz und meine Seele geraubt wurden. Ich war zerbrochen. Warum sollte ich zu Elena gehen? Ich wollte da sein, wo ich Anastasia am nächsten sein konnte. Und zu diesem Zeitpunkt war der Segelflieger, den sie mir hinterlassen hat, dass was ihren Händen, ihrem Herzen, ihren Gedanken und ihrer Seele am nächsten war.

Sie sieht mich immer noch zweifelnd an.

„Elena denkt, ich würde mit all meinen Problemen zu ihr laufen, aber das stimmt nicht, Anastasia. Ich laufe zu niemandem. Dir dürfte aufgefallen sein, dass ich mich nicht jedem öffne“, sage ich und die Wut packt meine Seele und ich umklammere das Lenkrad so fest, dass das Blut aus meinen Händen weicht.

„Carrick hat mir erzählt, dass du zwei Jahre lang nicht gesprochen hast“, gibt sie preis.

„Hat er das?“ sage ich. Kann er denn gar kein Geheimnis für sich behalten?

„Ich hab ihn ausgefragt“, gibt sie zu.

„Und was hat Daddy noch gesagt?“ frage ich, um herauszufinden, was sie noch alles entdeckt hat.

„Er hat gesagt, dass deine Mom Dienst hatte, als man dich damals ins Krankenhaus gebracht
hat.“

Das ist natürlich alles richtig, aber ich bin völlig verblüfft, wie sie solche Informationen über mich so bereitwillig preisgeben können.

„Und dass das Klavierspielen und Mia dir geholfen haben“, fügt sie hinzu.

Mia. Meine Schwester war das Beste was mir in dieser Zeit passieren konnte. Ihr Name zaubert ein Lächeln auf meine Lippen. Ich erinnere mich wie klein sie war. Wie hilflos … sie war jemand, der mich brauchen konnte. Ich konnte sie beschützen. „Sie  war ungefähr
sechs Monate alt, als sie zu uns gekommen ist. Ich war begeistert, Elliot weniger. Der hatte sich ja schon mit mir auseinandersetzen müssen. Sie war einfach perfekt.“ Niedlich, liebenswürdig. Ein Baby! Ich habe sie von dem Moment, als ich sie das erste Mal gesehen habe, geliebt. Aber als ich mich an ihre ‚Unterbrechungen‘ von gestern erinnere, füge ich hinzu, „Jetzt ist sie das natürlich nicht mehr.“ Daraufhin kichert Anastasia. Einer der besten Klänge der Welt! Friedlich! Glücklich!

Ich blicke sie neckend an, „Sie finden das amüsant, Miss Steele?“

„Bei dem Fest wollte sie uns unbedingt auseinanderbringen“, antwortet sie.

Ich lache. „Ja, das kann sie ziemlich gut. Aber am Ende haben wir es doch noch geschafft“, sage ich, während ich meine Hand ausstrecke und ihr Knie drücke, um sie daran zu erinnern, wie viel Spaß es gemacht hat, das Endziel zu erreichen. Dieses Mal ist mein Lächeln echt. Ich werfe einen Blick in den Rückspiegel, um sicherzugehen, dass uns niemand folgt.

„Ich glaube nicht, dass uns jemand folgt“, sage ich und fahre von der Autobahn ab und zurück ins Zentrum von Seattle.

„Darf ich dir eine Frage über Elena stellen?“ stößt Anastasia hervor, als wir an einer roten Ampel halten. Nicht schon wieder!

„Wenn es sein muss“, sage ich besorgt.

„Du hast mir ganz am Anfang gesagt, dass sie dich auf eine Weise liebt, die du annehmen kannst. Wie hast du das gemeint?“

„Liegt das denn nicht auf der Hand?“ frage ich. Ich war sowieso schon verkorkst und würde eh in die Hölle kommen. Sie hat mich davor bewahrt, mich selbst zu zerstören.

„Für mich nicht“, antwortet sie.

„Ich konnte damals keinerlei Berührung ertragen. Letztlich kann ich es immer noch nicht. Für einen vierzehn-, fünfzehnjährigen Jungen, den die Hormone plagen, ist das ziemlich schwierig. Sie hat mir eine Möglichkeit gezeigt, Dampf abzulassen“, erkläre ich. Ich glaube wirklich, dass mich ihr Eingreifen rettete, auch wenn es mich auf andere Weise geschädigt hat. Aber Anastasia kann das nicht verstehen. Sie hat solche Qualen, die ich durchlebt habe, nicht erlebt und ich glaube nicht, dass ich es ertragen könnte, wenn sie jemand so gequält hätte, wie ich gequält wurde.

Mia sagt, du hättest dich ständig geprügelt.“

Was zur Hölle! Was ist mit diesen Leuten los, dass sie so bereitwillig Informationen über mich preisgeben?

„Herrgott“, knurre ich. „Ist diese Familie geschwätzig. Nein, du bist schuld!“ Als wir wieder an einer roten Ampel halten, drehe ich mich zu ihr und blicke sie mit zusammengekniffenen Augen an.

„Du entlockst den Menschen Informationen“, sage ich mit gespieltem Entsetzen.

„Mia hat mir das von sich aus gesagt, weil sie Angst hatte, dass du einen Streit anfängst, wenn du es nicht schaffst, mich zu ersteigern“, murmelt sie bockig.

„Oh, Baby, die Gefahr bestand gar nicht. Ich hätte es niemals zugelassen, dass ein anderer mit dir tanzt. Ich habe dir doch gesagt, dass das Tanzen für mich ein vertikaler Ausdruck einer horizontalen Mission ist.“

„Und Dr. Flynn?“ fragt sie.

„Bei dem mache ich immer eine Ausnahme.“ John ist nicht nur mein Therapeut, sondern auch mein Freund. Und natürlich weiß ich, dass er seine Frau liebt.

Schließlich erreichen wir das Fairmont Olympic Hotel und ich halte nah beim Eingang.

„Komm“, sage ich zu Anastasia, während ich aussteige und unser Gepäck aus dem Kofferraum hole. Ein Hotelangestellter eilt zu uns, steigt in meinen R8 und fährt ihn davon. Ich nehme die Hand von meinem Mädchen und mit unseren Taschen in der anderen, betreten wir die Lobby.

Wir gehen zur Rezeption. Die Empfangsdame wird rot, als sie mich sieht.

„Ich habe reserviert. Auf den Namen Taylor, zwei Leute.“ Sie ist nervös und vergisst ihr professionelles Auftreten, dass eigentlich von ihr in einem Hotel dieser Art erwartet wird. Sie überprüft ihren Computer und findet unsere Reservierung.

Sie schluckt und sagt, „Brauchen Sie … Hilfe … mit dem Gepäck, Mr. Taylor?“

„Nein. Wir kommen allein zurecht“, sage ich barsch. „Wo sind die Aufzüge?“

Die nun schon knallrote Empfangsdame zeigt uns die Richtung. Ich nehme Anastasias Hand und wir gehen durch die geschmackvoll eingerichtete Lobby zu den Aufzügen.

Der Aufzug bringt uns in die richtige Etage und wir gehen den Rest zu unserer Suite. Sie verfügt über zwei Schlafzimmer, ein offizielles Esszimmer und ein großes Piano. Standard für das, was ich immer aussuche. Im Wohnzimmer gibt es eine Feuerstelle mit Holzscheiten, in dem ein warmes, orangenes Feuer brennt.

„Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, Mrs. Taylor, aber ich könnte einen Drink vertragen“, sage ich, als ich die Tür schließe und verriegele. Nach all dem Stress brauche ich etwas hochprozentiges, was mich entspannt. Ich gehe mit den Taschen in der einen und meinem Mädchen in der anderen Hand ins Schlafzimmer. Ich stelle unsere Taschen auf den Polsterhocker vor dem übergroßen Himmelbett und kehre zurück ins Wohnzimmer, Anastasias Hand ruht noch immer in meiner. Anastasia geht zur Feuerstelle, um ihre Hände zu wärmen, als versuche sie, sich die Kälte, die die nervenaufreibenden Ereignisse der Nacht verursacht haben, auszutreiben.

Ich gehe zur Bar und inspiziere die Drinks.

„Armagnac?“ frage ich Anastasia. Dieser Brandy würde auch dem kältesten Bergsteiger auf den österreichischen Alpen einheizen. Es sollte also für uns genügen.

„Gern“, antwortet Anastasia.

„Was für ein Tag.“

Sie nickt, ohne etwas zu erwidern. Ich blicke sie besorgt an und suche nach einem Anzeichen auf Angst, Empörung, Besorgnis, irgendetwas, dass sie dazu bringen würde, vor mir davon zu laufen.

„Alles okay“, flüstert sie, um mich zu beruhigen. Kann ich überhaupt beruhigt werden? „Und du?“ fragt sie und gibt mir meine Frage zurück.

„Ich würde gern das Glas leeren und mich dann, wenn du nicht zu müde dazu bist, im Bett in dir verlieren“, sage ich mit fiebernden Augen, die aus meiner brennenden Seele leuchten und sich nach ihr verzehren. 

(I’m on Fire by Bruce Springsteen)

„Ich denke, das lässt sich machen, Mr. Taylor“, sagt sie und schenkt mir eines ihrer schüchternen, mädchenhaften Lächeln. Ich beuge mich herab und ziehe meine Schuhe und Socken aus. Als ich wieder zu Anastasia aufblicke, bemerke ich, dass sie auf ihrer Lippe kaut.

„Mrs. Taylor, kauen Sie bitte nicht auf Ihrer Lippe herum“, flüstere ich. Ich brauche sie, wenn es mir wie jetzt geht. Ich brauche sie, wenn ich wütend bin. Ich brauche sie, wenn ich traurig bin … wenn ich verzweifelt bin … ich brauche sie, wenn ich verloren bin … ich brauche sie jetzt!

Sie wird rot. Ich nippe an meinem Brandy und beobachte mein Mädchen mit hungrigen Augen.

„Du überraschst mich immer wieder, Anastasia. Selbst nach so einem Tag, bzw. eher gestern, wie heute läufst du nicht jammernd oder schreiend davon. Alle Achtung. Du bist eine sehr starke Frau“, bemerke ich mit anerkennendem Blick.

„Und du bist ein guter Grund zu bleiben“, murmelt sie. „Ich habe dir doch erklärt, dass ich dich nicht verlasse, Christian. Du weißt, was ich für dich empfinde.“

Ich wünschte, ich könnte es einfach glauben. Ich wünschte, ich könnte. Ich wünschte, deine Liebe wäre stark genug für uns beide. Stark genug, um all den Scheiß, der unter der Oberfläche, in meiner Seele ruht, durchzustehen. Ich muss einfach daran zweifeln. Wenn ich nicht mehr daran zweifele, verliere ich dich vielleicht! Das kann ich nicht ertragen! Sie sieht mich mit einem Blick an, der mich überzeugen soll. Erst einmal werden wir es dabei belassen.

„Wo willst du Josés Porträts von mir aufhängen?“ fragt sie und wechselt damit das Thema.

„Kommt drauf an“, sage ich und meine Lippen verziehen sich zu einem unterdrückten Lächeln. Ich habe Pläne. Aber im Gegensatz zu meiner Familie, habe ich nicht vor, die einfach vor der geschicktesten Schnüfflerin Seattles auszuplaudern.

„Worauf?“ hakt sie nach.

„Auf die Umstände“, sage ich, ohne etwas preiszugeben. „Die Ausstellung läuft noch, also muss ich mich nicht sofort entscheiden.“

Sie legt ihren Kopf schief, ahmt mich damit nach und kneift ihre Augen fragend zusammen.

„Sie können so streng schauen, wie Sie wollen, Mrs. Taylor. Aus mir bekommen Sie nichts heraus“, necke ich sie.

„Vielleicht muss ich die Wahrheit aus Ihnen herausprügeln?“ droht sie. Oh Baby, wie süß.

Ich hebe eine Augenbraue und sage, „Anastasia, keine Versprechungen, die du nicht halten kannst.“

„Hmm …“, entweicht es ihren Lippen. Sie nimmt ihr Glas und stellt es auf den Kamin. Dann streckt sie ihre Hand nach meiner aus, nimmt mir mein Glas aus den Händen und stellt es direkt neben ihres, auf der Kaminverkleidung.

„Das werden wir gleich sehen“, murmelt sie. Sie nimmt meine Hand, übernimmt die Führung und zieht mich in Richtung des Schlafzimmers. Ihre mutige Aktion amüsiert mich. Sie bringt mich zum Fußende des Bettes und bleibt stehen.

„Jetzt, wo du mich hier hast, Anastasia, was wirst du mit mir anstellen?“ frage ich sie mit leiser, neckender Stimme.

„Ich werde dich ausziehen und das zu Ende führen, was ich vorhin angefangen habe“, sagt sie und erinnert mich an ihre Tätigkeiten in meinem Büro. Sie greift nach dem Revers meines Jacketts und sehr darauf bedacht, mich nicht zu berühren, streift sie es mir über meine Schultern. Natürlich zucke ich zusammen und halte meinen Atem an. Aber ich bleibe stehen. Ich will es! Sehr sogar! Ich will so sehr, dass sie mich anfasst! Ich will ihre Berührungen nicht nur ertragen, ich will sie genießen! Ich sehne mich nach ihnen. Meine Augen haften auf ihr. Sie sind riesig und brennen sich in sie hinein. Ich bin besorgt und unsicher, aber ich brauche das. Ich brauche sie! Schließlich zieht sie mir die Jacke ganz herunter und legt sie auf den Polsterhocker.

„Und jetzt dein T-Shirt“, flüstert sie und greift nach dem Saum. Ich hebe meine Arme und trete einen Schritt zurück, während sie mir das T-Shirt über den Kopf zieht. Nun bin ich hüftaufwärts nackt, genau wie in dem Moment, als wir festgestellt haben, dass Leila eingebrochen ist. Jetzt trage ich nur noch meine Jeans, die auf meinen Hüften hängt und die Spur feiner Härchen oberhalb meiner Boxershorts offenbart. Ein Blick genügt, um Anastasias Begehren für mich zu wecken.



(attn. ILE)


„Und jetzt?“, flüstere ich mit glühendem Blick.

„Ich will dich da küssen“, sagt sie und streicht mit ihrem Finger von einem Hüftknochen zum anderen. Ihre Finger hinterlassen ein Feuer in mir und ich lechze nach ihr.

Ich atme tief ein, um den Drang und die Lust in mir auszugleichen. „Ich werde dich nicht aufhalten. Mach“, hauche ich. Sie streckt ihre Hand aus und legt meine in ihre. „Leg dich lieber hin“, sagt sie und führt mich neben das Bett. Ich bin ein wenig besorgt. Es hat noch nie jemand die Kontrolle über mich übernommen. 

(Take the Lead – Tango Scene – Asi se baila el tango

Ich habe während des Geschlechtsaktes noch nie die Zügel aus der Hand gegeben – nicht seit Elena.

Ich schiebe die Bettdecke weg und setze mich auf den Rand des Bettes. Mein Blick ruht auf Anastasia und ist voller Erwartung, Skepsis und Ernsthaftigkeit. Anastasia steht vor mir und zieht sich zuerst die Jeansjacke von ihren Schultern, ehe sie auch ihre Jogginghose auszieht. Verdammt! Ich weiß, dass sie nichts unter meinem T-Shirt trägt! Ich sehne mich so sehr danach, sie anzufassen. Ich muss mir sogar mit meinem Daumen über die Fingerspitzen streichen, um das Verlangen, sie anzufassen, zu unterdrücken. Sie blickt mich an, atmet einmal tief ein und greift dann nach dem Saum des T-Shirts, um es sich über den Kopf zu ziehen. Nun steht sie in ihrer ganzen nackten Pracht vor mir. Ich sehe sie an, als hätte ich eine Göttin vor mir. Ich kann meine Augen nicht von ihr abwenden und schlucke. Meine Lippen öffnen sich vor Begierde.

„Du bist Aphrodite, Anastasia“, flüstere ich. 

(She’s So High by Tal Bachman)

Sie streckt ihre Hände aus und umfasst mein Gesicht, neigt meinen Kopf, damit unsere Blicke sich begegnen und sie mich besser küssen kann. Es ist so unglaublich heiß! Ich kann ein tiefes Stöhnen nicht länger unterdrücken. Als wir uns küssen, habe ich mein Limit schon fast erreicht. Ich bin kurz davor, in Flammen aufzugehen. Ich umschließe ihre Hüften und eine Sekunde später liegt sie unter mir, meine Beine drängen ihre auseinander. Ihre Beine umschließen meine und hüllen mich ein. Unser Kuss dauert weiter an und ich übernehme wieder die Führung, sauge an ihrer Zunge, ihren Lippen, ihrem Mund; ich kann einfach nicht genug von ihr bekommen! Meine Hände wandern zu ihren Oberschenkeln, ihren Hüften und zu ihrem Bauch. Ich verfolge die Kontur ihres Körpers, knete ihre Haut und bringe sie dazu, mich noch mehr zu wollen. Meiner Finger gleiten weiter zu ihren Brüsten und umschließen sie, kneten daran und ziehen an ihren Brustwarzen und entlocken ihr so ein Stöhnen. Sie brennt, ist begierig und keucht vor Lust. Sie hebt ihr Becken und reibt sich an meiner wachsenden Männlichkeit, die sich immer noch in meiner Hose befindet. Meine Erektion drückt ungeduldig gegen meine Hose. Ich lasse mich ein wenig nach unten sinken und presse mich gegen sie, reibe an ihrem Geschlecht. Sie stöhnt vor Verzückung. Ich ziehe mich wieder zurück, doch ihr Becken sucht immer noch nach mir. Ich presse meine Hüften noch einmal gegen sie. Ihr erwiderndes Stöhnen zwingt mich dazu, erneut ihren Mund in Besitz zu nehmen, ihn zu erkunden und sie leidenschaftlich zu küssen. Dieser quälend langsame, leidenschaftliche Betttango hört nicht auf, ich verliere mich in ihr und sie sich in mir. All die Angst und Besorgnis ist wie verdampft und einfach verschwunden. Es gibt nur Anastasia und mich, wie wir zusammen Liebe machen – hier und jetzt.

Zögernd streckt sie ihre Hand aus, greift in meine Haare und zieht meinen Mund auf ihren, versucht in ihn einzudringen. Sie will mich erobern und mich mit ihrem Mund besitzen. Während sich ihr Mund zauberhaft mit meinen Lippen vereint, wandern ihre Finger meine Arme entlang und zu meinem Rücken. Ihre Hände gleiten in meine Jeans, kneten meine Pobacken, drücken sie nach unten, drängen mich dazu, sie zu erobern, mich mit ihr zu vereinen – eins zu sein.

„Du entmannst mich noch, Ana“, flüstere ich und löse mich von ihr. Wenn ich sie nicht sofort nehme, werde ich explodieren. Ich ziehe ein Kondompäckchen aus meiner Hosentasche und gebe es ihr, während ich damit beschäftigt bin, meine Jeans auszuziehen.

„Du willst mich, Baby, und ich will dich ganz sicher auch. Du weißt, was zu tun ist.“ 

(Sweet Child O’Mine by Guns’N Roses)

Sie zerreißt die Folie und rollt das Kondom über meine stetig wachsende Männlichkeit. Ich grinse auf sie herab und genieße das Gefühl ihrer Hände auf meiner Haut, wie sie meine Länge streichelt und darüber gleitet. Ich beuge mich herab und reibe mit meiner Nase an ihrer. Als ich in Anastasia eindringe übermannt mich dieses köstliche, erlesene Gefühl, bringt mich dazu, meine Augen zu schließen und das Gefühl, in ihr zu sein, zu genießen. Zögernd umschließt Anastasia meine Arme mit ihren Händen, wölbt ihren Rücken und wirft ihren Kopf in den Nacken, um all die Empfindungen, die ich ihr beschere, aufzunehmen. Ich bewege mich, gleite langsam in sie hinein und wieder heraus, wie ein Liebender, ganz zärtlich. Als ich meinen Körper auf sie presse, mich mit ihr verbinde und vereine, halte ich ihren Kopf in meinen Händen.

„Mit dir vergesse ich die Welt. Du bist die beste Therapie für mich“, raune ich, während meine Länge langsam in sie hinein und wieder herausgleitet, als würde sie das allerköstlichste Mahl probieren, eine erlesene und feine Köstlichkeit.

„Bitte, Christian – schneller“, bettelt sie um eine schnelle Erlösung.

„Oh, nein, Baby. Ich will es langsam“, sage ich und küsse sie, beiße zärtlich in ihre Unterlippe, während sie in meinen Mund stöhnt.

Ihre Hände wandern in meine Haare, sie sieht mich bewundernd an, passt sich meinem Rhythmus an, gibt sich mir ganz hin. Ich merke, die köstliche Spannung ihrer Muskeln, als diese beginnen, sich zusammenzuziehen. Als sie ihren Höhepunkt erreicht, rollen ihre Augen zurück und bringen mich zum stöhnen, „Oh, Ana“, und so erreiche auch ich meine Erfüllung, mit ihrem Namen als Litanei auf meinen Lippen.

Nach unserem Liebesspiel lasse ich mich auf sie herabsinken, schlinge meine Arme um sie und lege meinen Kopf auf ihren Bauch. So gehalten zu werden, fühlt sich seltsamer Weise noch intimer an als Sex. Es ist beruhigend und wertschätzend. Ich habe meine Seele noch nie offen gelegt. Noch nie so wie in diesem Moment. In diesem Moment, während Anastasia mich liebkost, mein Haar streichelt, hält sie mein Herz und meine Seele in ihren kleinen Händen. 

(Closer by Kings of Leon)

In dieser zerbrechlichen Blase fürchte ich mich davor, dies zu verlieren … Ich hatte nie gedacht, dass ich jemanden so lieben könnte, das Verlangen habe, alles von mir zu geben, einen Vorstoß zu wagen. Im Auge des Storms bin ich gelassen und heiter und das nur, weil sie mein sicherer Hafen ist. Es gibt zwei Dinge, die mir Angst bereiten: Die Angst, dass Anastasia durch mich Schaden erleiden könnte und die Angst, dass Anastasia mich verlässt. Gegen die erste Angst kann ich etwas machen. Ich kann sie beschützen. Aber die zweite, hängt allein von Anastasia ab. Und das ist auch meine größte Angst.

„Ich werde nie genug von dir bekommen. Verlass mich nicht“, murmele ich und küsse ihren Bauch.

„Keine Sorge, Christian, ich bleibe bei dir. Und ich glaube mich zu erinnern, dass ich deinen Bauch küssen wollte“, sagt sie mit schläfriger Stimme. Ihre Erklärung bringt mich zum schmunzeln. „Niemand hindert dich daran, Baby“, sage ich.

„Ich glaube, ich schaffe es nicht mehr, mich zu rühren … Ich bin hundemüde.“

Sie hatte einen ziemlich anstrengenden Abend. Ich seufze und rolle mich neben sie, ehe ich die Bettdecke über uns ziehe. Mit all meiner Liebe, vereint in einem Blick, sehe ich auf sie herab.

„Schlaf jetzt, Baby“, flüstere ich. Ich beuge mich herunter und küsse ihr Haar. Schließlich schlinge ich meine Arme um sie und wir beide driften in einen friedvollen Schlaf. 

(Lullaby by Dixie Chix)

Am nächsten Morgen wache ich ganz von allein auf. Die Sonne ist bereits aufgegangen und ich blicke auf die Uhr. Es ist fast 10:00 Uhr. Ich stehe auf und ziehe mich an. Ich kehre zurück zum Bett, lege mich darauf und beobachte Anastasia beim Schlafen. Sie sieht friedlich aus, so jung und unschuldig. Ihre Sorgenfalten sind verschwunden. Am liebsten würde ich sie berühren und einfach im Arm halten, aber ich will sich nicht wecken. Plötzlich rührt sie sich ein wenig. Ich könnte Anastasia Ewigkeiten beim Schlafen zusehen. Sie blinzelt und öffnet ihre Augen schließlich einen Spalt breit. Sie sieht aus, als hätte sie einen Kater. Aber es sind nur die Nachwehen der langen Nacht, die wir hatten.

„Hi“, murmele ich und lächele sie an.

„Hi“, flüstert sie zurück und sie klingt noch ganz schläfrig.

„Wie lange beobachtest du mich schon?“ fragt sie.

„Erst seit ungefähr fünf Minuten. Ich könnte dir stundenlang beim Schlafen zuschauen, Anastasia.“ Sie lächelt und ich beuge mich nach unten, um sie zu küssen. „Dr. Greene kommt bald“, erinnere ich sie.

„Oh“, antwortet sie und es klingt so, als hätte sie es vergessen.

„Hast du gut geschlafen?“ erkundige ich mich. „Hat sich jedenfalls so angehört, du hast ganz schön geschnarcht“, necke ich sie. Natürlich schnarcht sie nicht.

Ich schnarche nicht!“ schmollt sie.

„Stimmt“, sage ich und lasse sie vom Haken.

„Hast du schon geduscht?“

„Nein. Ich habe auf dich gewartet“, antworte ich.

„Ah … okay.“

„Wie spät ist es?“

„Viertel nach zehn. Ich hab’s nicht übers Herz gebracht, dich früher zu wecken“, sage ich.

„Du hast doch mal behauptet, du hättest kein Herz.“

Das ist ein Fakt. Ich habe kein Herz. Aber wenn Anastasia bei mir ist, ist auch mein Herz hier, es schlägt, liebt, schmerzt und fühlt. Sie muss der Grund sein, warum ich eine Seele und ein Herz habe. Woraus auch immer Seelen gemacht sind, ihre und meine sind aus dem gleichen Stoff. Sie findet und bringt das zum Vorschein, was ich verloren habe. Weil sie der Hüter von beidem ist. Wo auch immer sie hingeht, dort ist auch mein Herz zu finden.

„Wir frühstücken im Zimmer – Pfannkuchen und Speck für dich. Komm, steh auf. Ich fühle mich einsam ohne dich“, sage ich und schlage auf ihr Hinterteil. Dies ist eine ziemlich effektive Methode, sie aus dem Bett zu kriegen.

Anastasia streckt sich und geht ins Bad. Ich kehre zurück ins Wohnzimmer und warte auf sie, während ich mein Frühstück esse. Sobald ich mit frühstücken fertig bin, lese ich die Sonntagsausgabe der Zeitung und trinke meinen Kaffee. Anastasia kommt aus dem Schlafzimmer. Frisch gewaschen und in einer der Hotelbademäntel. Ihr Anblick zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht.

„Iss. Heute wirst du Kraft brauchen“, necke ich sie. Ich habe große Pläne für heute.

„Wieso? Willst du mich im Schlafzimmer einsperren?“ fragt sie.

„So verführerisch das auch wäre – ich dachte, heute gehen wir raus an die frische Luft.“

„Hast du keine Bedenken wegen der Sicherheit?“ fragt Anastasia unschuldig.

Die Sorge macht sich wieder in mir breit. So sieht nun meine Realität aus und ich muss immer wachsam sein. „Da, wo wir hinwollen, ist es sicher. Und mit so etwas scherzt man
nicht“, füge ich ernst hinzu. Ich blicke Anastasia gezielt an, sodass sie den Ernst der Situation erkennt. Ich möchte nicht, dass sie die ganze Sache auf die leichte Schulter nimmt und unachtsam wird und dadurch möglicherweise auch noch verletzt wird.

Sie wird rot und blickt auf ihren Teller herab, als würde dieser die Antwort auf all unsere Probleme enthalten. Nachdem Anastasia nur wenige Bissen gegessen hat, klopft es an der Tür.

„Das wird die gute Dr. Greene sein“, brumme ich. Ich stehe auf und gehe zur Tür. Ich lasse Dr. Greene herein und führe sie ins Schlafzimmer. Dieses Mal möchte ich es erst gar nicht soweit kommen lassen, dass mich Dr. Greene extra herausbitten muss.

(Dr. Greene – eine unsere Leserinnen)

Während Anastasia und  Dr. Greene im Schlafzimmer sind, lese ich die Sonntagszeitung und einige Geschäftsberichte. Dieses Mal dauert das Gespräch aber länger als beim ersten Mal. Was machen sie nur dort drin? Mein Blick schweift einige Male über die Tür. Ich bin in der richtigen Stimmung, um einfach in den Raum zu platzen und zu sehen, was los ist. Aber die sachliche Dr. Greene würde mich sofort rauswerfen. Ich gehe im Raum auf und ab und blicke immer wieder nervös zur Tür. Es kommt noch immer keiner heraus. Ich sehe auf meine Uhr. Die Zeit scheint stillzustehen.

Schließlich kommen beide aus dem Schlafzimmer. Anastasia sieht wie betäubt aus und Dr. Greene ist schweigsam wie immer, blickt düster drein. Ihr Anblick überrascht mich und automatisch beginne ich mir Sorgen zu machen. Niemand sagt etwas. Es ist Sonntag, deshalb möchte Dr. Greene so schnell wie möglich los. Verwirrt schüttele ich ihre Hand und bringe sie zur Tür. Nachdem ich die Tür hinter ihr geschlossen habe, drehe ich mich um und blicke Anastasia argwöhnisch an. „Alles in Ordnung?“ frage ich.

Stillschweigend nickt sie. Ich lege meinen Kopf schief. Ich bin plötzlich ganz besorgt. Irgendetwas stimmt nicht mit Anastasia. Sonst ist sie nie so still. Nach Dr. Greenes letztem Besuch hat sie noch mit mir gescherzt.

„Anastasia, was ist los? Was hat Dr. Greene gesagt?“ frage ich.

Sie schüttelt ihren Kopf und scheint sich von irgendeinem Schock erholen zu müssen. „In sieben Tagen wird das Leben für dich leichter“, murmelt sie und blickt in die Ferne.

„In sieben Tagen?“

„Ja“, antwortet sie einsilbig.

„Ana, was ist?“ frage ich wieder und bin dieses Mal wirklich besorgt. 

(The Sound of Silence by Simon and Garfunkel)

Sie blickt mich mit weiten, argwöhnischen Augen an. Sie schluckt, als müsste sie irgendwelche schlechten Neuigkeiten unterdrücken und verdauen. „Mach dir keine Sorgen. Bitte, Christian, lass mich einfach in Ruhe“, antwortet sie.

Was zur Hölle? Ich soll mir keine Sorgen machen? Sie in Ruhe lassen? Sie versteckt doch etwas vor mir. Oh mein Gott! Irgendetwas stimmt nicht mit ihr! Ist sie krank?  Hat sie ein gesundheitliches Problem? Die Doktorin war so schweigsam. Diese ganze Verschwiegenheitsscheiße! Und Anastasia wird mir nichts sagen! Ich werde noch verrückt! Ich baue mich genau vor ihr auf, umfasse ihr Kinn und drücke es nach oben, sodass sie gezwungen ist, mir in die Augen zu sehen. Entschieden untersuche ich ihr Gesicht. Ihre Augen sind ganz panisch und versuchen das Geheimnis zu verstehen. Meine Sorge wächst von Sekunde zu Sekunde. Was zum Teufel ist nur los mit ihr?

„Sag es mir!“ blaffe ich sie an.

„Es gibt nichts zu sagen. Ich würde mich jetzt gern anziehen“, sagt sie und geht aus meiner Reichweite. Ich bin besorgt und aufgebracht. Sie ist nicht gerade entgegenkommend, und diese ganzen Szenarios, die sich vor meinem inneren Auge abspielen, machen mich verrückt. Gereizt fahre ich mir mit den Händen durch mein Haar.

„Lass uns duschen“, sage ich schließlich.

„Okay“, murmelt sie. Mit ihren Gedanken ist sie ganz weit weg. Ich mache mir immer größere Sorgen und bekomme langsam Angst.

„Komm”, sage ich mürrisch; greife nach ihrer Hand und halte sie fest, als würde sie jeden Moment dahinschwinden. Der Weg ins Bad ist still. Ich gehe voraus und ziehe Anastasia, deren Gedanken wahrscheinlich auf einem anderen Planten sind, hinter mir her. Es scheint ganz so, als hätte sie ihren Körper verlassen. Gott! Was ist los mit ihr?

Ich gehe ins Badezimmer, lasse Anastasias Hand los, und drehe das Wasser in der Dusche auf, ehe ich mich schließlich ausziehe. Dann wende ich mich Anastasia zu und löse den Gürtel ihres Bademantels. „Ich weiß nicht, was für eine Laus dir über die Leber gelaufen ist oder ob du nur schlechte Laune hast, weil du zu wenig geschlafen hast“, sage ich und blicke sie besorgt an. „Aber, bitte sprich mit mir, sonst befürchte ich das Schlimmste“, sage ich schließlich und offenbare ihr meine Ängste, sodass sie offen mit mir sprechen kann. Daraufhin verdreht sie einfach die Augen! Was zur Hölle? Ich starre sie an und blicke sie finster an. Meine Augen sind kaum noch zu sehen!

Sie seufzt und antwortet:

„Dr. Greene hat mich geschimpft, weil ich die Pille vergessen habe, und gesagt, ich könnte schwanger sein.“

„Was?“ stoße ich hervor. Ich kann es gar nicht fassen. Das Blut weicht aus meinem Gesicht und ich erstarre, während ich sie fragend ansehe. Langsam sickert die Gewissheit, dass sie schwanger sein könnte durch. Verdammt! Das kann doch nicht sein!

„Zum Glück bin ich es nicht. Sie hat einen Test gemacht. Es war ein Schock, das ist alles. Wie konnte ich nur so dumm sein?“ erklärt sie und eine zenterschwere Last fällt mir von den Schultern. Innerliche sacke ich zusammen. „Bist du sicher?“

„Ja“, bestätigt sie.

Erleichtert atme ich aus. „Gut. Ich kann verstehen, dass dich das aus der Fassung bringt“, sage ich erleichtert.

Sie sieht mich finster an, als wäre sie über meine Reaktion nicht gerade glücklich. „Ich hatte eher Angst vor deiner Reaktion“, sagt sie.

Ich bin verwirrt und sehe sie stirnrunzelnd an. „Vor meiner Reaktion? Na ja, natürlich bin
ich erleichtert … Es wäre höchst unachtsam und obendrein schlechter Stil, dich zu schwängern.“

„Dann sollten wir vielleicht enthaltsam leben“, blafft sie mich an. Warum ist sie wütend auf mich? Ich bin verwirrt. Ich sehe sie an und versuche das Geheimnis hinter ihrem Wutausbruch zu ergründen.

„Du hast ziemlich schlechte Laune heute Morgen“, stelle ich fest.

„Es war ein Schock, das ist alles“, sagt sie beleidigt. Ich liebe sie, egal in welcher Stimmung sie ist. Gut, böse, stinksauer, traurig, launisch … alles an ihr ist heiß! Ich greife nach den Aufschlägen ihres Bademantels und ziehe sie in meine Arme, umschließe sie. Ich halte sie und genieße das Gefühl ihrer nackten Vorderseite gegen meinen nackten Körper. Ich atme ihren Duft ein und schließe meine Augen, küsse ihr Haar und drücke ihren Kopf gegen meine Brust. Ich will nicht, dass sie wütend auf mich ist.

„Ana, das bin ich nicht gewohnt“, murmele ich unsicher, da ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll. „Mein Instinkt rät mir, es aus dir herauszuprügeln, aber ich bezweifle, dass du das möchtest“, sage ich wahrheitsgemäß. Das ist nun einmal das, was ich kenne. Ich bin es nicht gewohnt, im Dunkeln zu stehen und mich mit weiblichen Eigenheiten auseinanderzusetzen, vor allem nicht mit Anastasias.

„Allerdings. Das hier ist besser“, sagt sie und schlingt ihre Arme fester um mich. Während wir so dastehen und uns gegenseitig halten, merke ich, wie ich mich langsam entspanne und sich etwas in mir verändert. Es gibt also auch andere Möglichkeiten, als die, die ich bisher gekannt habe und diese haben eine viel angenehmere Auswirkung. Als ich spüre, wie sich Anastasias Körper entspannt, löse ich mich von ihr und sage, „Komm, lass uns duschen.“




Ich ziehe ihren Bademantel aus, sodass er sich um ihre Füße auf dem Boden ergießt. Beide betreten wir die Dusche. Die Dusche ist ziemlich groß und der gewaltige Duschkopf lässt genug Wasser für uns beide herunterprasseln. Ich halte meinen Kopf unters Wasser und greife schließlich nach dem Shampoo. Ich drücke etwas in meine Handfläche und reiche Anastasia das Shampoo. Sie ahmt meine Bewegungen nach. Nachdem sie das Shampoo fast schon lustvoll in ihre Haare einmassiert hat, sieht sie ziemlich entspannt aus. Mit geschlossenen Augen lässt sie sich das Shampoo aus dem Haar waschen. Der Schaum rinnt ihren Rücken und ihre Beine herab und sammelt sich schließlich im Abfluss. Ich drücke etwas Duschgel in meine Hand und reibe meine Hände aneinander, um es aufzuschäumen. Ich strecke meine Hände aus und beginne Anastasias Körper einzuseifen. Ich beginne an ihren Schultern, weiter über ihre Arme, ihre Unterarme, über ihre Brüste und ihren Rücken. Ohne ein Wort drehe ich sie vorsichtig um; ziehe sie gegen mich, Haut an haut, und beginne ihren Bauch, zwischen ihren Beinen, ihr Geschlecht und ihren Hintern zu waschen.

Wieder drehe ich sie herum, sodass wir uns in die Augen blicken. Ihr Blick ruht bewundernd auf mir, sieht mich erwartend an.

„Hier“, sage ich und reiche ihr das Duschgel. „Ich möchte, dass du mir die Lippenstiftreste abwäschst.“ Sie blickt mich ängstlich an. Ich sehe sie fest entschlossen an.

„Entfern dich nicht zu weit von der Linie“, murmele ich nervös.

„Okay“, flüstert sie. Ich beobachte sie, ohne zu blinzeln. Sie drückt etwas Duschgel in ihre Handfläche und verreibt es zwischen ihren Händen bis es schäumt. Langsam, aber entschieden wandern ihre Hände über meine Schultern und beginnen sanft an der verbliebenen Lippenstiftlinie zu reiben. Mein Körper spannt sich an. Ich muss mich konzentrieren und schließe deshalb die Augen. Ich muss mir fröhliche Gedanken machen, damit sie ihre Aufgabe problemlos machen kann. Meine Atemzüge werden schneller und auch mein Herzschlag beschleunigt sich, als ob mein Herz versuchen würde, aus meiner Brust zu gelangen. Meine Angst wird immer größer und ich versuche den kleinen Jungen, der sich in mir versteckt, zu beruhigen. Ich erzähle ihm, dass alles in Ordnung ist. Es ist schließlich nur Anastasia, die uns liebt, sowohl den kleinen Jungen, als auch den abgefuckten Mann. Ihre Finger zittern, aber sie verfolgt entschlossen die übriggebliebene Linie auf meiner Haut. Sie seift meine Brust ganz sanft ein und obwohl die Bewegungen ganz leicht, heilsam und voller Liebe sind, merke ich, wie ich nervös schlucke, mich anspanne und meine Zähne aufeinander beiße.

Ihre Hände verlassen meinen Körper für einen kurzen Moment und geben mir die Möglichkeit mich innerlich zu entspannen. Sie gibt mehr Duschgel auf ihre Hand und fragt, „Bereit?“ mit angespannter Stimme, die gut zu meiner passt.

„Ja“, lautet meine Antwort. Sie ist nicht mehr als ein Flüstern, kaum hörbar und voller Angst.

Wieder platziert sie ihre Hand auf meiner Brust und ich bin augenblicklich wie erstarrt, ganz hilflos. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich sie wegschieben und davonlaufen sollte; weit wegrennen sollte, weit weg von ihr, aus ihrer Reichweite. Meine Atemzüge werden ganz flach und schnell, um die Angst zu lösen, aber mein Körper wird noch verkrampfter, fast schon starr. Jede ihrer Bewegungen steigert meine Angst, als würde sie jeden Moment die verbotene Zone betreten und in mein dunkles Territorium eindringen, mich verletzlich machen. Der Schmerz und die Angst sind unerträglich! Ich blicke auf sie herab und sehe wie ihr die Tränen über die Wangen strömen wie Sturzbäche und mit dem Wasserstrahl wetteifern. Ich kann es nicht ertragen, dass sie wegen mir weint. Ich bin es nicht wert.

„Nein. Bitte, weine nicht“, bettele ich mit qualvoller, leiser Stimme. 

(Don’t Cry by Guns’N Roses) 

Ich schlinge meine Arme um sie und drücke sie fest gegen mich. „Bitte, weine nicht wegen mir, Ana.“ Daraufhin fängt sie an zu schluchzen und vergräbt ihr schmerzerfülltes Gesicht an meinem Hals. Ich kann es nicht ertragen, sie so zu sehen! Ich löse mich von ihr, nehme ihr Gesicht zwischen meine Hände. Ich senke meinen Kopf und presse meine Lippen auf ihre, verliere mich ganz in diesem Kuss.

„Weine nicht, Ana, bitte“, flehe ich gegen ihre Lippen. Das ist lange her. Ich sehne mich nach deiner Berührung, kann sie aber nicht ertragen. Es ist zu viel. Bitte, bitte, nicht weinen, Baby.“

„Ich würde dich so gern anfassen. Mehr als du dir vorstellen kannst. Dich so zu erleben, so verletzt und voller Angst, Christian … das tut mir unglaublich weh. Ich liebe dich so
sehr.“

Ihre Liebesbekundung entspannt mich. Endlich bin ich wieder an meinem sichersten Ort. Mit meinem Daumen streiche ich über ihre Unterlippe. „Ich weiß, ich weiß“, flüstere ich.

„Es ist sehr leicht, dich zu lieben, begreifst du das denn nicht?“

„Nein, Ana, das begreife ich nicht“, sage ich ungläubig. An mir gibt es nichts, was man lieben könnte.

„Doch. Ich liebe dich wie deine Familie. Und Elena und Leila, obwohl sie eine merkwürdige Art haben, es zu zeigen. Du bist unserer Liebe würdig“, sagt sie.

Jedes ihrer Worte ist wie ein Messerstich in meine dunkle Seele, egal wie liebevoll sie auch sind. Ich bin der Liebe und Zuneigung der anderen nicht würdig. Von niemandem. Ich bin zutiefst schlecht! Sie weiß gar nicht, was ich am liebsten mit ihr anstellen würde! Sie hat überhaupt keine Ahnung! Würde sie mich immer noch lieben, wenn sie es wüsste?

„Hör auf“, sage ich. Ich kann ihre Worte nicht ertragen. Ich lege meinen Finger auf ihre Lippen und schüttele meinen Kopf, damit sie aufhört.  In mir tobt ein heftiger Sturm purer Qual. „Das ertrage ich nicht. Ich bin ein Nichts, Anastasia, der Schatten eines Menschen. Ich habe kein Herz.“

„Oh doch. Und dieses Herz will ich, und zwar ganz. Du bist ein guter Mensch, Christian, ein sehr guter Mann. Daran darfst du nicht zweifeln. Sieh doch nur, was du getan hast … was du erreicht hast“, sagt sie leidenschaftlich.  „Was du für mich getan, worauf du für mich verzichtet hast“, sagt sie voller Bewunderung. „Ich weiß es. Ich weiß, was du für mich empfindest“, sagt sie. Ich blicke zu ihr auf und die Angst schnürt meine Kehle zu. Es ist eine Sache, dass ich es weiß; aber eine andere, dass sie es weiß! Ich bin ihrer nicht würdig. Sie kann es nicht wissen! Sie sollte es nicht wissen!

Ich gerate in Panik, bleibe aber stehen. Ich blicke auf sie hinab und bin ganz bestürzt.

„Du liebst mich“, flüstert sie.

Sie weiß es! Sie weiß es! Meine Augen weiten sich panisch. Mein Mund öffnet sich und dennoch bin ich unfähig ein Wort herauszubringen. Ich kann nichts verleugnen, was in meiner Seele schon längst besiegelt ist. Ich bin unwürdig, gequält und in diesem Moment lege ich ihr meine Seele zu Füßen. Ich gehöre ganz ihr. Nimm mich wie ich bin, Ana.

„Ja“, flüstere ich. „Das tue ich.“ 

(Truly Madly Deeply by Savage Garden)





4 comments:

Anonymous said...

Das Kapitel ist wieder sooo klasse....
Man schaut man tief in Christians Seele und es ist als ob man seine Ängste, seine Liebe und seine Qualen regelrecht fühlen kann.
Großel Lob an die Verfasser und auch an dich...
Gruß und schönen Sonntag

Anonymous said...

Ich find es ganz toll das du dir die zeit nimmst, um das alles zu übersetzen... Vielen lieben dank dafür...Kann es kaum abwarten das es weiter geht...schau schon jeden Tag nach ob ein neues update da ist ;-) vlg

Janine Heistmann said...

Vielen lieben Dank für eure Kommentare. Ich freue mich immer wenn ich eure Meinungen lese :)
Leider müsst ihr euch noch ein wenig gedulden. Das nächste Kapitel ist gar nicht so einfach und es liegen noch einige Seiten Übersetzung vor mir.

Hinterlasst mir gern alle eure Kommentare. Das ist zusätzliche Motivation für mich und bringt mich vielleicht dazu, schneller zu übersetzen :D

Liebe Grüße

Anonymous said...

Hi Janine,
wir wollen dich doch nicht unter Druck setzten, es gibt ja (leider) auch das wahre Leben, mit dem man sich ab und an beschäftigen muß.
Ich (wir) trinken einen Eistee, und warten gespannt auf das nächste Kapitel,
schönen Sonntag