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Saturday, November 30, 2013

BUCH 1 - Kapitel XXVIII - Christian und Anastasia Fanfiction

Eine Begegnung mit der Vergangenheit

Kapitel XXVIII

Übersetzer: Janine Heistmann



Innerhalb der nächsten Stunde sind wir am Flughafen. Ich bin stinksauer auf Leila, weil sie versucht hat, sich umzubringen. Irgendetwas muss mit ihr passiert sein. Sie war so ein lebhaftes und lustiges Mädchen. Was ist passiert? Sie war doch verheiratet. Ob sie das immer noch ist?

Da das Flugzeug immer noch nicht abgehoben ist, rufe ich meinen Sicherheitsbeauftragten an.

„Welch“, sagt er.

„Welch, hier ist Grey. Hören Sie zu. Ich habe eine wichtige Aufgabe für Sie. Ich möchte, dass Sie herausfinden, was mit Leila passiert ist.”

„Welche Leila, Sir?“

„Sie haben bereits alle notwendigen Informationen. Hanson war der Nachname, den sie getragen hat, als sie verheiratet war. Sie ist meine Ex. Sie ist heute in meinem Apartment aufgetaucht und hat versucht sich vor Mrs. Jones die Pulsadern aufzuschlitzen. Mrs. Jones hat sie ins Krankenhaus gebracht und sie werden sie dort behalten, bis ich da bin. Ich möchte über die Umstände Bescheid wissen, warum sie so etwas gemacht hat.“

„Hatten Sie Kontakt zu ihr, Sir?“

„Nein, wir hatten keinerlei Kontakt. Ich habe sie seit fast drei Jahren nicht mehr gesehen. Es waren wahrscheinlich 2 Jahre und acht oder neun Monate. Sie hat geheiratet. Ihre Familie wohnt irgendwo im Osten. Aber  Sie verfügen bereits über all diese Informationen in Ihren Akten. Ich möchte, dass Sie mit ihrem Ehemann und ihrer Familie in Kontakt treten. Lassen Sie mich wissen, wenn sie etwas herausfinden.“

„Ja, Sir.“

„Sagen Sie mir sofort Bescheid, wenn sie etwas herausfinden. Ich will Informationen, zuverlässige Informationen. Und das innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden.“

„Ja, Sir“, sagt er und ich lege auf.

Dann rufe ich Mrs. Jones an.

„Hallo, Mr. Grey“, meldet sie sich.

„Mrs. Jones. Wohin haben sie Leila gebracht?“

„Ins University of Washington Medical Center, Sir. Es ist das beste Krankenhaus der Stadt und hat eine stationäre Psychiatrie.“

„Okay. Wie geht es ihr?“ frage ich.

„Der Schnitt war nur oberflächlich. Sie schätzen ihren Geisteszustand ab. Bisher denken die Ärzte, dass sie vielleicht ein Trauma durchlebt hat. Aber da ich keine Angehörige bin, geben sie mir nicht viele Informationen. Ich warte einfach hier, Sir.“

„In Ordnung. Sorgen Sie dafür, dass sie im Krankenhaus bleibt, bis ich da bin.”

„Ich werde sehen, was ich tun kann, Sir. Aber da ich nicht mit ihr verwandt bin, werde ich wohl nicht in der Lage sein, sie zu stoppen, wenn Verwandte hier auftauchen oder sie sich entschließt zu gehen“, sagt sie.

Aufgebracht fahre ich mir mit der Hand durchs Haar. Natürlich hat sie Recht.

„Danke, Mrs. Jones. Tun sie, was sie können. Behalten Sie sie im Auge.”

„Ja, Sir“, sagt sie. Gerade als ich auflegen will, kommt mir meine eigentliche Frage wieder in den Sinn.

„Mrs. Jones, ich hatte ganz vergessen zu fragen … Wie ist Leila hereingekommen, was hat sie gesagt und gemacht?“

„Oh. Sie kam zur Vorderseite des Hauses und hat geklingelt. Ich wusste wer sie war und habe ihr erlaubt, hochzukommen. Sie war völlig zerzaust und hat gefragt, ob sie mit Ihnen sprechen kann. Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, Sir. Aber sie war so schmutzig, sie hat bestimmt Tage oder sogar Wochen nicht geduscht. Ihre Kleidung sah zwei Nummern zu groß aus und war ebenfalls schmutzig. Sie sah sehr verloren und verzweifelt aus. Ihr Blick war nicht fokussiert.“ Vor Schmerz schließe ich die Augen. Leila! Was ist mit dir passiert?

Misery - Maroon 5



„Und was ist dann passiert?“ forsche ich nach.

„Sie hat gefragt, wo sie sind oder ob sie zu Hause sind.“

„Was hat sie genau gesagt?“

„Sie sagte, ‚Wo ist der Meister?‘ Daraufhin habe ich geantwortet, ‚Er ist nicht in der Stadt.‘ Dann sagte sie, ‚Lügen Sie mich an, Mrs. Jones. Will er nicht mit mir sprechen?‘ Ich sagte ‚Natürlich lüge ich nicht. Er ist nicht einmal in Washington.‘ Dann hat sie gesagt. ‚Ich habe den Meister geliebt. Aber es war nicht genug, er hat mich einfach nicht geliebt.‘ Ich habe sie gefragt, ob ich ihr irgendwie helfen kann oder ob sie etwas braucht. Sie sagte ‚Nichts, gar nichts. 

I Who Have Nothing - Haley Reinhart

Der Meister ist düster. Zu düster. Ich will einfach nur zu meinem Liebling. Ohne ihn bin ich niemand.’ Und dann hat sie wie aus dem nichts dieses kleine Messer hervorgezogen und ihr Handgelenk aufgeschlitzt. Ich musste sie erst überwältigen, um ihr das Messer aus der Hand zu nehmen. Wahrscheinlich wäre ich nicht mal in der Lage dazu gewesen, wenn sie nicht so schwach gewesen wäre. Sie muss viel Gewicht verloren haben. Ich habe ihr zu Hause Erste Hilfe geleistet und sie dann ins Krankenhaus gebracht, Sir.“

„Gute Entscheidung, Mrs. Jones. Danke, für alles, was Sie für sie getan haben.“

„Ich wünschte, ich könnte mehr tun, Sir. Als sie sie aufgenommen haben, habe ich Bescheid gesagt, dass sie keine Verwandten hier in der Stadt hat und ich ihre Freundin bin. Aber wie Sie wissen, sie ist eine erwachsene Frau und ich kann nicht mehr machen, als mir das Gesetz erlaubt. Ich werde alles tun, um sie hier zu halten, bis Sie eintreffen, Sir. Ich weiß, dass sie psychiatrische Hilfe wegen ihres versuchten Suizids bekommt. Dennoch weiß ich nicht viel.“

„Danke, Mrs. Jones“, sage ich. Ich bin völlig ratlos. Jemand anders leidet, weil ich so abgefuckt bin.

Als nächstes rufe ich Dr. Flynn an.

„John, Christian hier“, begrüße ich ihn.

Er hört die Dringlichkeit in meiner Stimme und fragt besorgt,  „Christian, geht es dir gut?“

„Ja, mir geht’s gut“, antworte ich.

„Geht es um Anastasia?“ fragt er. Darauf stoße ich einen Ton der Erleichterung aus. Zum Glück geht es Anastasia gut.

„Nein, es geht nicht um sie. Es geht um Leila.”

„Um Leila?“ fragt er.

„Ja, meine Ex, mit der ich vor fast drei Jahren etwas hatte.“

„Was ist mit ihr?“

„So wie es aussieht, ist sie in meinem Apartment aufgetaucht und hat versucht sich vor den Augen von Mrs. Jones umzubringen. Ich war gerade in Savannah, Georgia, um Anastasia zu besuchen. Mrs. Jones hat es geschafft, sie zu überwältigen und sie ins Krankenhaus gebracht. Aber sie wird wohl eine psychologische Behandlung brauchen.“

„Wo ist sie im Moment?“

„Sie ist im Washington Medical Center.“

„Es ist eine der besten Einrichtungen. Aber ich weiß nicht allzu viel über die psychiatrische Abteilung. Vielleicht ist sie gut und sie haben sehr gute Ärzte. Aber immerhin ist es ein Krankenhaus und nicht auf psychologische Behandlungen spezialisiert.“

„Gut reicht mir nicht, John. Ich will das Beste. Im Moment ist sie ein sehr krankes Mädchen, das eine Menge Hilfe braucht. Die Tatsache, dass sie extra in meinem Apartment aufgetaucht ist, um das zu tun, sagt mir, dass ich irgendetwas falsch gemacht habe. Ich muss ihr Unrecht getan haben. Aber um Himmels Willen. Es ist fast drei Jahre her! Habe ich sie so sehr verletzt, dass sie so lange gewartet hat und nun versucht hat, sich in meinem zu Hause umzubringen?”

„Christian!“ sagt er entschieden. „Jetzt ist nicht die Zeit, um selbsterniedrigend zu sein. Du sagst, du hattest seit fast drei Jahren keinen Kontakt mehr zu dieser jungen Frau. In dieser Zeit kann so viel mit einem Menschen passieren. Ich denke sie ist zu dir gekommen, um nach Hilfe zu rufen. Und sie weiß, dass du vielleicht in der Lage bist, ihr diese Hilfe zu geben. Hat sie vielleicht irgendwelche lebenden Verwandten, die uns Aufschluss über ihre aktuelle Situation geben könnten?“

„Welch sucht nach ihnen.“

„Großartig. Das hilft uns vielleicht dabei, herauszufinden, was mit ihr passiert ist. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir ihr die angemessene Hilfe zukommen lassen können, wenn sie aus der Irrenabteilung des Krankenhauses entlassen wurde.“

„Ja. Sie braucht Hilfe. Ich bin auf dem Weg nach Seattle. Wir sehen uns, wenn ich wieder da bin. Inzwischen kannst du einen Platz in einer angemessen Einrichtung für sie beschaffen.“

„Das werde ich tun, Christian. Ich wünsche dir einen sicheren Flug“, sagt er besorgt.

„Danke, John“, erwidere ich und lege auf.

Wir werden gleich abheben. Das Licht für die Sicherheitsgurte brennt bereits. Gott! Die nächsten Stunden werden  qualvoll. Ich musste Anastasia zurücklassen und Leila hat versucht sich umzubringen. Warum gibt es nicht mal einen Tag, an dem nichts Unerwartetes passiert? Unbeschwerte Dinge, wie Fliegen, wie mit meiner wunderschönen Freundin zu schlafen, wie Segeln, wie ein nettes Abendessen mit meiner Freundin und ihrer Familie zu haben. Warum muss sich alles immer zum Negativen wenden?

Mein Unterbewusstsein sagt mir, dass ich Schuld bin. Ich bin zu abgefuckt! Natürlich bin ich das. Das ist ja nichts Neues, oder? Ich trage diese überwältigende Last auf meinen Schultern, eine erdrückende Schuld, die mir sagt, dass ich Leila verletzt habe. Ich bin der Grund für ihren Schmerz. Warum sollte sie nach all den Jahren in meine Wohnung kommen und versuchen sich umzubringen? Was, wenn es ihr gelungen wäre? Wie könnte ich mit dem Wissen leben, dass sich eine Ex-Sub das Leben genommen hat? Ein Sub, die doch immer so ein lustige, süße und wunderschöne Frau war. Ich habe sie nie geliebt, aber ich habe mich um sie gekümmert. Wir hatten eine schöne Zeit zusammen. Sie war eine der vier Frauen, neben Elena, mit denen ich eine längere Dom-Sub-Beziehung hatte. Sie wollte mehr, wie Anastasia, aber ich wollte nicht. Ich hatte diese tiefgreifenden Gefühle einfach nicht. Mein Interesse für sie, war lediglich sexueller Natur. Sie war eine großartige Sub. Lieber Gott! Was habe ich ihr angetan? Ich bin buchstäblich ein Hurensohn …  Wie viele Frauen habe ich sonst noch verletzt? Die Schuld frisst mich von innen auf …  Ich muss mehr über ihre Umstände erfahren und ihr die Hilfe besorgen, die sie benötigt. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem ich sie so verletzt habe.

Ich schließe meine Augen und versuche mir vorzustellen wie sie früher aussah und wie Mrs. Jones sie beschrieben hat. Es ist alles meine Schuld! Nur meine Schuld! Ich verletze die Menschen in meiner Umgebung! Ich bin nicht gut für sie. Und nur weil ich so abgefuckt bin! Ich habe Angst auch Anastasia zu verletzen. Was, wenn ich mit ihr dasselbe mache? Was würde passieren? Pures Entsetzen breitet sich in mir aus. Ich muss etwas dagegen tun. Ich muss die Situation bereinigen, die ich höchstwahrscheinlich verursacht habe. Ich lehne mich auf meinem Sitz zurück. Der Schmerz übermannt mich. Was, wenn ich Anastasia auch so zusetze? Ist sie nicht schon nach Georgia geflogen, um in Ruhe nachzudenken? Und wenn ich sie auch verletze? Ich bin total abgefuckt. Was passiert, wenn ich auch sie verletze, was wenn, was wenn sie vor mir davonläuft … für immer? Sie besitzt einen Teil meines Herzen!

Half of my Heart - John Meyer

Ach zur Hölle. Sie würde mein ganzes Herz mit sich nehmen! Ohne sie bin ich verloren! Gott verdammt, was habe ich nur für ein Chaos verursacht?

Den ganzen Flug über bin ich tief in Gedanken versunken. Taylors besorgte Stimme holt mich ins Hier und Jetzt zurück.

„Sir? Sir, wir sind hier.“ Ich sehe ihn an. Ich bin verwirrt und durcheinander. In seinen Augen zeichnet sich Mitleid ab. Vielleicht sogar Besorgnis. Für mich? Bestimmt nicht für mich. Ich bin es nicht wert. Ich verletze die Leute nur.

„Hier?“ frage ich.

„Ja, Sir. In Seattle.”

„Danke, Taylor”, sage ich und stehe auf. Ich muss mich dringend beruhigen.

„Wohin fahren wir, Sir?” fragt Taylor, sobald wir am SUV ankommen.

„Bringen Sie mich bitte ins University of Washington Medical Center.“

„Ja, Sir.“

Unterwegs rufe ich Gayle an.

„Ja, Mr. Grey“, meldet sie sich.

„Mrs. Jones? Sind Sie immer noch im Krankenhaus?“

„Nein, Mr. Grey, bin ich nicht”, antwortet sie.

„Warum nicht?“ frage ich ein wenig zu barsch.

„Leila hat sich selbst entlassen, Sir. Da ich nicht mit ihr verwandt bin, wurde ich nicht informiert. Ich habe im Wartezimmer  gewartet. Schließich bin ich in ihr Zimmer gegangen, um zu sehen, wie es ihr geht. Aber das Bett war leer und bereits neu bezogen. Deshalb bin ich zu den Krankenschwestern gegangen, um herauszufinden, wo sie sie hingebracht haben. Ich hatte schon gedacht, sie haben sie in die Irrenabteilung gebracht. Aber die Krankenschwester hat mir gesagt, dass sie sich vor ca. einer Stunde selbst entlassen hat. Ich habe keine Ahnung, wo sie hingegangen sein könnte! Dann bin ich schnell nach Hause gefahren, um zu sehen, ob sie hier vielleicht wieder auftaucht. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll“, sagt sie.

„Sie haben alles richtig gemacht, Mrs. Jones. Sie konnten nichts machen. Danke“, sage ich und lege auf.

Taylor beobachtet mich im Rückspiegel. Er weiß, dass Leila weg ist.

„Fahren wir immer noch ins Krankenhaus, Sir?“

„Ja. Ich muss mit den Ärzten sprechen.“

„Ja, Sir.“

Ich rufe Dr. Flynn an.

„John, hier ist Christian.“

„Hallo Christian, bist du zurück?

„Ja. Tu mir bitte einen Gefallen. Komm ins University of Washington Medical Center und triff dich dort mit mir. Ich denke, dass es einfacher ist an Informationen zu kommen, wenn du da bist.“

„Wir können sie dazu bringen, ärztliche Hilfe anzunehmen.“

„Leider hat sie sich selbst entlassen. Wir können sie also zu gar nichts bringen“, sage ich ausdruckslos.

„Aha“, antwortet er. Und ich weiß, dass er mir damit sagen will, dass es sehr schwierig wird, an Informationen zu kommen.

„Ich glaube nicht, dass es ein Problem sein wird. Ich habe ihr schriftliches Einverständnis. Ich kann es mir mailen lassen.“

„Haben all deine Subs so einen Vertrag unterschrieben?“ fragt er ungläubig.

„Ja“, sage ich ausdruckslos.

„Okay“, antwortet er.

„Wir sehen uns dann am Eingang.”

Als nächstes rufe ich Welch an.

„Welch. Ich möchte, dass sie mir die Einverständniserklärung mailen, ebenso wie die medizinische, die Leila unterschrieben hat. Sie müssten in Ihren Ordnern eine Kopie haben“, weise ich ihn an.

„Ja, Sir“, antwortet er. Sechs Minuten später habe ich die notwendigen Dokumente.

35 Minuten später sitze ich gemeinsam mit John dem Leiter der Verwaltung gegenüber. Nachdem ich ihm die Dokumente vorgelegt habe, gibt er uns Auskunft über ihren Gesundheitszustand. Daraufhin gehen wir zu dem Psychiater, der Leila behandelt hat.

„Leider hatten wir nicht genügend Zeit, sie vollständig zu untersuchen. Wie Sie ja bereits wissen, hat sie sich selbst entlassen. Der versuchte Selbstmord war ihr Hilfeschrei. Sie durchlebt gerade ein Trauma, obwohl sie nicht gesagt hat, worum es geht. Der Schnitt, den sie sich zugefügt hat, ist nur oberflächlich. Und die Tatsache, dass sie zu Ihnen nach Hause gekommen ist, zeigt, dass sie Hilfe von Ihnen sucht. Ist sie allein? Hat sie niemanden?“

„Ich habe sie seit fast drei Jahren nicht mehr gesehen. Ich kann ihre Fragen nicht beantworten. Das einzige, was ich weiß, ist, dass sie geheiratet hat.“

„Wie sah sie Ihrer Meinung nach aus? Hat Sie sie um irgendetwas gebeten? Oder nach jemandem gefragt? War sie mitteilsam oder eher verschlossen?“ Dieses Mal stellt John die Fragen.

„Sie sah so aus, wie man sich einen niedergeschlagenen und verzweifelten Menschen vorstellt. Da ich aber nur sehr wenig Zeit mit ihr hatte, kann ich Ihnen nur etwas über die typischen Symptome sagen, Dr. Flynn. Sie war nicht wirklich entgegenkommend, hat nicht gesprochen. Ich glaube nicht, dass sie sich wirklich umbringen wollte“, erklärt er und sieht mich und John an. „Es war ein Hilfeschrei. Sie wollte Aufmerksamkeit.“

„Was meinen Sie damit, sie wollte sich nicht umbringen? Sie ist zu mir nach Hause gekommen und wollte sich die Pulsandern aufschneiden. Wenn meine Haushälterin sie nicht überwältigt hätte, wäre sie wahrscheinlich tot“, sage ich aufgebracht.

„Mr. Grey, Sie müssen verstehen. Wenn sie sich wirklich umbringen wollte, hätte sie es irgendwo getan, wo sie keiner davon abhalten kann. Aber nein! Sie hat es nicht getan. Sie ist zu Ihnen gekommen. Sie wollte Ihnen eine Botschaft überbringen, Ihnen zeigen, wie verzweifelt sie ist. Wir wissen nicht, wie diese Botschaft aussehen sollte, aber es macht den Anschein, dass sie wusste, dass Sie eingreifen würden. Neben dem Schrei nach Hilfe, war es wahrscheinlich auch ein Schrei nach Aufmerksamkeit. Wenn sie anwesend gewesen wären, als sie versucht hat, sich umzubringen, hätten sie sich sicher um sie gekümmert. Sollte sie früher nicht solche Tendenzen gezeigt haben, ist es ein klares Anzeichen dafür, dass sie vor kurzem ein Trauma durchlebt hat. Da sie zu Ihnen nach Hause gekommen ist, denke ich, dass sie wusste oder gehofft hat, dass sie ihr die Hilfe besorgen können, die sie so verzweifelt sucht.“

„Ich bin immer noch nicht überzeugt, dass es so einfach ist, Doktor“, sage ich. Wir bekommen ihre verfügbare Krankenakte und verlassen das Gebäude.

Auf dem Parkplatz drehe ich mich zu John und frage ihn, wie er die Sache sieht.

„Ich denke auch, dass sie zu dir nach Hause gekommen ist, um deine Aufmerksamkeit zu kriegen. Ein Ort, an dem sie als deine Sub agiert hat. Sie war eine Sub, mit der du eine längere Beziehung hattest, oder?“ Ich nicke. „Und da ich weiß, wie intensiv deine Beziehungen sind, wäre es für mich keine Überraschung, wenn sie mehr für dich empfindet, als du zugibst. Frauen denken anders als Männer.“

„Aber sie war nur meine Sub. Wir hatten einen Vertrag. Sie war sogar eine erfahrene Sub. Ich war also nicht ihr erster Dom oder ihr letzter.“

„Christian, es geht doch nicht um Verträge. Verträge haben keine Gefühle. Menschen haben Gefühle. Und selbst wenn es einen Vertrag gibt, hält dieser die Gefühle nicht ab. Um nochmal über die Selbstmordtendenzen zu sprechen. Wahrscheinlich ist sie nur einen Schritt davon entfernt. Man spricht dann von akuten Episoden. Circa 10 Prozent dieser Episoden sind oberflächlich und fast 90 Prozent zeigen keine sichtbaren Symptome. Du wurdest nun auf die sichtbaren Symptome aufmerksam gemacht. Aber wirklich gefährlich sind die, die man nicht sieht, Christian. Wie unbemerkte Krankheitssymptome.

Diese Tendenzen äußern sich nicht nur indem jemand sich selbst Schaden zufügt. Es ist auch möglich, dass man anderen Schaden zufügt. Deshalb willst du sie bestimmt schnell finden. Bist du sicher, dass du die Polizei nicht einschalten willst?“ fragt er.

„Nein. Sie wird sich zurückziehen und verstecken und das wird es noch viel schwerer machen, sie zu finden. Was sie braucht, ist Hilfe. Es bringt ihr überhaupt nichts, im Gefängnis zu sitzen und überhaupt keine passende Hilfe zu bekommen.“

„Christian, die Sache ist die“, erklärt er. „Diese Neigungen können nach, wie wir sagen, Depersonalisationserfahrung auftreten, wenn wir unser Selbst vergessen, uns unserer inneren Stimme nicht mehr bewusst sind. Die Patienten erleben Gefühle von Selbstentfremdung und emotionaler Taubheit. Sie verlieren sich in manchmal tragischen, manchmal aber auch völlig belanglosen Dingen. In Leila’s Fall, kennen wir den Auslöser für diese Symptomatik nicht. Finden wir diesen Auslöser, kennen wir auch die Lösung für ihre Probleme oder können zumindest eine Therapie entwickeln. Wenn die Persönlichkeit unsicher, labil, verletzlich oder apathisch wird, wie ein entwurzelter Baum, der kein Wasser mehr aufnehmen kann um sich zu versorgen, verfallen auch unsere Sitten. Das wiederum führt zu selbstzerstörerischen Neigungen, die zwar nicht klinisch auffällig sind, allerding mit Gefühlen von Schuld, Scham, Niedergeschlagenheit, Demütigung und so weiter einhergehen. Man beginnt buchstäblich in Trauer und Selbstmitleid zu ersticken. Meine größte Sorge ist allerdings, dass solche Individuen, die sich von sich Selbst und ihrem Bewusstsein entfremden, auch beginnen sich von der Vernunft, der mentalen Stimme, die uns hilft Richtiges von Falschem zu unterscheiden, zu distanzieren. So ein Individuum wäre zu unvorstellbaren Gräueltaten fähig, Fälle wie diese gibt es bereits zur Genüge. Du kennst doch die Geschichten von Eltern, die an einer Trennung, einer Kündigung oder finanziellem Verlust verzweifeln und in ihrem kalten Wahn arglose Kinder töten. In ihren Wahnvorstellungen glauben sie, ihren Opfern etwas Gutes zu tun, indem sie sie vor einer grausamen Welt retten. Der Verlust dieses mentalen Filters ist verhängnisvoll. Aus diesem Grund ist es entscheidend, dass sie schnellstmöglich gefunden wird. Verstehst du den Ernst der Lage, Christian?“, fragt er mit Nachdruck.

Ich nicke. Ich verstehe, was er mir damit sagen will. Sie könnte Anastasia Schaden zufügen! Der Gedanke daran macht mich krank, Galle steigt mir in die Kehle. 

Silence  by Beethoven

Dr. Flynn und ich verabschieden uns und Taylor fährt mich zurück zum Escala.

Ich rufe Barney an. Er ist mein IT-Fachmann.

„Barney, hier ist Grey.“

„Ja, Sir.“

„Ich möchte, dass Sie all Ihre Mittel nutzen, um Leila Hanson zu finden. Sie war verheiratet. Nehmen Sie Kontakt zu ihrem Ehemann auf. Ihre Familie wohnt irgendwo im Osten. Nehmen Sie auch mit ihnen Kontakt auf. Ich werde Ihnen die Krankenakte schicken. Sie hat versucht, sich in meinem Apartment das Leben zu nehmen!“ sage ich mit zusammengebissenen Zähnen und kann meine Wut kaum noch unter Kontrolle halten. „Finden Sie heraus, was zwischen ihr und ihrem Ehemann gelaufen ist, warum sie vielleicht zu mir gekommen ist. Finden Sie heraus, ob die Familie irgendetwas weiß, ob sich in ihrem Leben vor kurzem etwas verändert hat - Trauma, Probleme, Krankheiten – alles, was Sie finden können. Ich will, dass Sie jeden Stein umdrehen! Ich möchte alle Details und am besten sofort.“

„Ich mache mich sofort an die Arbeit“, sagt er und ich lege auf.

Als wir im Escala ankommen, gehe ich als erstes duschen. Ich möchte die ganze Spannung von mir abwaschen, wenn das überhaupt möglich ist. Ich habe Angst, dass Leila sich vielleicht etwas antut. Aber viel mehr Sorgen mache ich mir, dass sie Anastasia etwas antun könnte. Damit würde ich nicht klarkommen. Es wäre mein Fehler. Ich bin mir sicher, dass ich Leila irgendwie kaputt gemacht habe. Deshalb ist sie zu mir ins Escala gekommen. Sie wollte mehr und ich habe sie gemocht, aber ich wollte nie mehr, außer mit Anastasia. Vielleicht hat sie das Foto von Anastasia und mir gesehen, als wir auf der Abschlussfeier waren. Sie kennt diese Wohnung und sie kennt mich. Wenn sie mein Treiben über die Medien verfolgt, wird sie dieses Foto bestimmt gesehen haben. Es ist sonst überhaupt nicht meine Art, ein Foto mit einer Frau zu machen. Sie weiß, dass ich meine Dom-Sub-Beziehungen immer sehr diskret führe. Deshalb ist sie vielleicht durchgedreht. Ihr Zusammenbruch ist also meine Schuld. Ich muss sie finden und ihr Hilfe besorgen. Wie viele Frauen habe ich noch Schaden zugefügt? Heftige Schuldgefühle überschwemmen mich. Ich werde an ihnen ersticken, nicht mehr fähig sein, mein Gleichgewicht zu halten. Mein Herz schnürrt sich zusammen. Meine Gedanken wandern wieder zu Anastasia. Selbst sie konnte meine Facetten, mein abgefucktes Selbst, nicht ertragen. Sie musste sich eine Auszeit nehmen und ist für ein paar Tage zu ihrer Mutter gefahren. Ich will unsere Beziehung nicht in den Sand setzen. Dennoch muss ich erstmal dieses Problem hier lösen.

Ich gehe ins Wohnzimmer, wo Mrs. Jones mich fragt, ob ich etwas essen möchte.

„Erst muss ich noch mit Taylor sprechen. Danach werde ich etwas essen, Mrs. Jones“, sage ich.

„In Ordnung, Sir“, sagt sie höflich.

Als ich in mein Büro gehe, vibriert mein Blackberry. Genervt ziehe ich es hervor. Ich öffne die Nachricht und ein kleines Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus.




Von: Anastasia Steele
Betreff:
Gut angekommen?
Datum: 2. Juni 2011                       22:31 Uhr EST
An: Christian Grey

Sehr geehrter Herr,

bitte lassen Sie mich wissen, ob Sie sicher gelandet sind. Ich mache mir allmählich Sorgen und denke ständig an Sie.

Deine Ana X

In all diesem abgefuckten Durcheinander, ist ihre Nachricht wie ein Rettungsring, der mich davor bewahrt in meinem Elend zu ertrinken.



Von: Christian Grey
Betreff:
Tut mir leid
Datum: 2. Juni 2011                       19:35 Uhr
An: Anastasia Steele

Sehr geehrte Miss Steele,

ja, ich bin gut angekommen. Bitte entschuldigen Sie, dass ich mich nicht schon früher
gemeldet habe. Es war nicht meine Absicht, dass Sie sich Sorgen um mich machen. Aber
es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass Ihnen mein Wohlergehen am Herzen liegt. Ich
denke auch ständig an Sie und freue mich schon, Sie morgen wiederzusehen.

Christian Grey
CEO, Grey Enterprises Holdings Inc.

Zur Abwechslung tut es einmal gut zu wissen, dass sich jemand um mich Sorgen macht. Ihre Antwort kommt nach wenigen Minuten.



Von: Anastasia Steele
Betreff:
Die Situation
Datum: 2. Juni 2011                       22:39 Uhr EST
An: Christian Grey

Sehr geehrter Mr. Grey,

ich denke, es liegt auf der Hand, dass Sie mir sehr viel bedeuten. Wie könnten Sie Zweifel
daran haben?

Ich hoffe, Ihre »Situation« ist mittlerweile unter Kontrolle.

Deine Ana. X

PS: Wollen Sie mir vielleicht jetzt verraten, was ich im Schlaf gesagt habe?

Sie schafft es, mir selbst in den unerwarteten Momenten, ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Das liebe ich an ihr! Sie vermisst mich … sehr sogar. Ich wünschte, wir hätten zusammen zurück fliegen können. 

Cowboy Take Me Away - Dixie Chix

Aber ich möchte sie nicht mit dem Scheiß belasten, der hier gerade abgeht.


Von: Christian Grey
Betreff:
Verfassungsmäßiges Recht auf Aussageverweigerung
Datum: 2. Juni 2011                       19:44 Uhr
An: Anastasia Steele

Sehr geehrte Miss Steele,

es ist ein schöner Gedanke, dass ich Ihnen etwas bedeute. Leider ist die »Situation« hier
nach wie vor nicht bereinigt.
Was Ihr PS angeht – die Antwort lautet Nein.

Christian Grey
CEO, Grey Enterprises Holdings Inc.

Weil ich es aus deinem Mund hören will, wenn du wach bist, Anastasia. Ihre Antwort kommt sofort.


Von: Anastasia Steele
Betreff:
Plädiere auf Unzurechnungsfähigkeit
Datum: 2. Juni 2011                       22:47 Uhr EST
An: Christian Grey

Ich hoffe nur, es war etwas Lustiges. Aber Sie sollten wissen, dass ich für das, was im
Schlaf über meine Lippen kommt, nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.
Höchstwahrscheinlich haben Sie mich nicht richtig verstanden.

Männer in den reiferen Jahren neigen ja bekanntermaßen zur Schwerhörigkeit.

Ihre Nachricht bringt mich zum Lachen.
___________________________________________________________________________

Von: Christian Grey
Betreff:
Schuldig im Sinne der Anklage
Datum: 2. Juni 2011                       19:48 Uhr
An: Anastasia Steele

Sehr geehrte Miss Steele,

könnten Sie bitte etwas lauter sprechen? Ich kann Sie so schlecht hören.

Christian Grey
CEO, Grey Enterprises Holdings Inc.

Ich muss sie einfach necken. Mal abwarten, was sie wohl dazu sagen wird. Und für kurze Zeit vergesse ich all meine Sorgen. Nur wegen ihr.


Von: Anastasia Steele
Betreff:
Plädiere erneut auf Unzurechnungsfähigkeit
Datum: 2. Juni 2011                       22:53 Uhr EST
An: Christian Grey

Sie treiben mich in den Wahnsinn.

Meine Atmung geht plötzlich stoßweise. Sie entwaffnet mich und treibt mich gleichzeitig in den Wahnsinn. Ich sehne mich immer nach ihr.

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Von: Christian Grey
Betreff:
Das hoffe ich doch …
Datum: 2. Juni 2011                       19:58 Uhr
An: Anastasia Steele

Sehr geehrte Miss Steele,

genau das hatte ich mir für Freitagabend vorgenommen. Ich freue mich schon darauf. ;)

Christian Grey
CEO, Grey Enterprises Holdings Inc.



Von: Anastasia Steele
Betreff:
Grrr
Datum: 2. Juni 2011                       23:01 Uhr EST
An: Christian Grey

Hiermit erkläre ich offiziell, dass ich sauer auf Sie bin.

Gute Nacht

Miss A. R. Steele

Selbst wenn sie wütend ist, ist sie noch sexy!
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Von: Christian Grey
Betreff:
Wildkatze
Datum: 2. Juni 2011                       20:04 Uhr
An: Anastasia Steele

Fauchen Sie mich etwa an?
Ich habe bereits eine Katze, die das erledigt.

Christian Grey
CEO, Grey Enterprises Holdings Inc.

Ich warte auf ihre Antwort. Aber sie schreibt mir nicht zurück. Gleichzeitig starre ich meinen Computerbildschirm und mein Blackberry an und hoffe darauf, dass wenigstens einer eine Nachricht von Anastasia ausspucken wird. Ich möchte nicht, dass sie wütend ins Bett geht. Das kann ich nicht ertragen – zumindest heute nicht. Ich kann es nicht ertragen, wenn sie nicht mit mir spricht! Vor allem nicht heute, nachdem wir einen perfekten Morgen miteinander verbracht haben, ich so plötzlich aufbrechen musste, ohne mich von ihr zu verabschieden … Und dann musste ich ja noch mit einer ganzen Wagenladung Scheiße umgehen. Ich brauche sie mehr, als sie weiß oder sich vorstellen kann. Deshalb schreibe ich ihr noch eine Nachricht.
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Von: Christian Grey
Betreff:
Was du im Schlaf gesagt hast
Datum: 2. Juni 2011                       20:019 Uhr
An: Anastasia Steele

Anastasia,

was du im Schlaf gesagt hast, würde ich lieber aus deinem Mund hören, wenn du wach bist.
Deshalb will ich es dir nicht verraten. Und jetzt schlaf. Für das, was ich morgen mit dir
vorhabe, musst du ausgeruht sein.

Christian Grey
CEO, Grey Enterprises Holdings Inc.

In so kurzer Zeit ist sie ein wesentlicher Bestandteil von mir geworden. Ohne sie komme ich kaum zurecht, sie ist mein Fels in der Brandung. Sie ist mein fester Bezugspunkt. Sie ist unerschütterlich, vernünftig und so unschuldig. Sie ist mein Licht in all der Dunkelheit, ein Engel,  der gegen den Teufel in mir kämpft. Sie spricht meine verlorene Seele an und bringt sie zum Vorschein. Wenn sie bei mir ist, fühle ich mich vollkommen. Ich bin verwirrt und nervös. Ich kann ihre Abwesenheit kaum noch ertragen. Kann es nicht schon morgen sein? Ich vermisse sie so sehr … vor allem im Moment … Ich nehme sie, wie ich sie kriegen kann. 
I Want You Just the Way You Are by Billy Joel

Ich stöhne und kümmere mich wieder um die anliegenden Probleme.






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