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Tuesday, September 30, 2014

BUCH II - Kapitel XXII - Christian und Anastasia Fanfiction

Kapitel XXII
Ein langer Weg nach Hause


„Oh mein Gott! Was sollen wir tun? Christian?”
„Seien Sie still! Ich muss mich konzentrieren!” sage ich entschieden zu Ros.
„Ich habe Angst!“
„Ros!“ warne ich sie und die einzige Antwort, die ich von ihr bekomme, ist ein leises Wimmern. Ihre Augen sind weit aufgerissen und starr. Sie zittert, als wäre sie soeben nur in Unterwäsche in der Arktis unterwegs. Ihre Lippen bewegen sich. Jedoch dringt kein Laut hervor. Sie betet.
Es ist schwer Charlie Tango zu steuern, wenn das Heck außer Kontrolle ist. Das Fenestron System im Heck des EC135 soll für eine bessere Stabilisierung im Vergleich zu anderen Helikoptern seiner Klasse sorgen. Um Himmels Willen, dieser Helikopter wird selbst für extreme Rettungssituationen in ganz Europa verwendet! Dieser Helikopter bietet Platz für sieben Passagiere und ist für circa 3 Tonnen ausgelastet! Da nur Ros und ich im Moment an Board sind und keine schwere Last, sollte dies doch positiv in unserem momentanen Dilemma auswirken.



„Christian! Ich will nicht sterben! Ich will nach Hause zu Gwen! Bitte!“ kreischt sie und verliert die Kontrolle. Rauch dringt aus der Klimaanlage. Zügig schalte ich sie aus, um zu verhindern, dass wir noch mehr Rauch einatmen.

Ich will auch nach Hause zu Anastasia! Rasch tätschele ich meine Jacke an der Stelle, an der ich die kleine Geschenkbox trage. Diese kleine Box in meiner Tasche ist der einzige Rettungsanker, den ich im Moment habe, nah an meinem Herzen – die einzige Verbindung zu Anastasia. Der Gedanke sie nicht mehr zu halten, zu küssen, sie nie mehr zu lieben ist qualvoll, unerträglich, herzzerreißend. Und was noch schlimmer ist, ist die Vorstellung, dass jemand anderes meinen Platz übernehmen wird, sie halten und trösten wird, wenn ich weg bin! Er wird ihr beruhigende Worte ins Ohr flüstern, ihre Hand halten, um sie zu besänftigen und sie umarmen. Das ist die schlimmste Qual, die ich jemals erdulden musste!

„KEINE VERDAMMTE CHANCE!“ schreie ich und Ros springt auf ihrem Sitz. Ich bin entschlossener denn je, diesen Vogel zu landen. Zwischen all den blickenden Lichtern und den summenden Alarmsignalen blicke ich auf den Höhenmesser. Gott sei Dank ist er immer noch sehr exakt! Ich konzentriere mich völlig auf mein Instrumentenbrett, um abzuschätzen, was außer Betrieb ist und was ich mit den mir verbleibenden Tools anstellen kann. Ich versuche mir mein Notfalltraining wieder in Gedanken zu rufen.

Die zwei Radarhöhenmesser befinden sich unter dem Heckausleger. Es wird für präzise Lösungsansätze verwendet. Das Feuer im Heck brennt noch immer. Ich weiß nicht, in welchem Teil das Feuer brennt, aber ich nehme an, dass es an der Hubschraube ist. Unser rettendes Element könnten die Blätter im Heck sein, die unregelmäßig eingebaut sind und mir somit ein paar Minuten Zeit zusätzlich verschaffen. Ich muss meine Aufmerksamkeit umlenken. Ich will nicht in Panik ausbrechen! Wenn ich das tue, könnte es tödlich für uns beide enden. Und ich bin der einzige, der dieses Ding fliegen kann! Wie soll ich mich konzentrieren … Wie soll ich mich konzentrieren … Konzentrieren!

„Ros!“

Ihre Antwort ist ein zusammenhangloses Wimmern.

„Ros! Fragen Sie mich etwas!“

„Was?“

„Konzentrieren Sie sich! Fragen Sie mich irgendeine beschissene Frage!“

„Sind Sie verrückt geworden?“

„Nein, noch nicht! Ich muss mich konzentrieren und Sie auch! Fragen Sie mich etwas … frag mich …” Ich zerbreche mir den Kopf und plötzlich geht mir ein Licht auf, „Fragen Sie mich, warum die Rotorblätter unregelmäßig in der Hubschraube platziert sind!“

„Was?”

„Wollen Sie zurück zu Gwen?“
„J ….jj…ja“

„Dann MACHEN SIE es verdammt noch mal!“ sage ich und sie springt auf ihrem Sitz. Sie sieht mich an, als hätte ich den Verstand verloren. Ich muss mich konzentrieren! Sie muss sich konzentrieren! Mein Gehirn funktioniert besser, wenn ich mehrere Aufgaben gleichzeitig erledige! Ich muss diese Panik loswerden.

„Mr. Grey, warum …“, sie hält inne und wimmert. Sie schnieft, „Warum sind die Blätter im … ähm …“

„In der Hubschraube!“

„… in der Hubschraube unregelmäßig platziert?“

„Gute Frage, Ros!“ sage ich und sie schenkt mir ein weinerliches ‚Was zur Hölle‘-Lächeln.

„Diese deutschen Ingenieure sind so verdammt gescheit!“ sage ich und ziehe am Joystick, um an Höhe zu gewinnen. Mit verzerrter Stimme füge ich hinzu, „Sie haben sich gedacht, dass die Blätter, wenn man sie gleichmäßig anordnet, eine harmonische Vibration oder Blattsteigung kreieren, die sehr penetrierend ist“, sage ich und versuche Geschwindigkeit aufzunehmen, obwohl die verdammten Triebwerke ausgefallen sind. Charlie Tango zittert als hätte er die Grippe!

„Sie haben festgestellt, dass die Blätter einen Verbindungspunkt herstellen, wenn man die Distanz auflockert – Es bringt die Resonanz zum Schweigen. Die Auslöschung dieses Geräusches könnte heute das entscheidende Element sein, das unser Leben rettet!“ sage ich mit schriller, rasselnder Stimme, da das Rütteln des Helikopters meine Sprache beeinflusst.

Hoffnung blitzt in ihren Augen auf. 

Uprising by Muse

„Wirklich, wie denn?“ sagt sie schniefend.

„Selbst wenn ich ein paar Blätter verliere, sollten mir die restlichen Blätter dabei helfen, den Helikopter bis zur Landung zu stabilisieren. Da die Blätter vom Heck ummantelt sind, habe ich eine zusätzliche Stabilisierung und zudem werden sie bei einem möglichen Aufprall nicht so leicht beschädigt“, sage ich rasch und zeige zur Decke, „Sie sind nicht so lang wie andere Helikopter Blätter, die die erhöhte Interferenz innerhalb des Terrain auflösen. Sie wissen schon, wie wenn man Bäume berührt oder ähnliche Hindernisse.“ Natürlich ist das Wunschdenken, angenommen dass das Heck nicht wegbricht. Ich höre Ros schroffen Atem über die Kopfhörer.

Ich bleibe still und versuche mich zu konzentrieren, schnell zu konzentrieren.

Okay! Ich kann es schaffen! Ich kann es schaffen! Ich will zu meiner großen Liebe zurückkehren! Ich will Anastasia wieder sehen! 

Break the Spell by Daughty

Der Höhenmesser zeigt 50 Meter an. Wir steigen immer schneller herab und drehen uns sehr langsam! Verdammt! Verdammt! Ich muss dem Helikopter mit Hilfe des vertikalen Stabilisators seitlichen Auftrieb verschaffen. Das sollte den Helikopter nach rechts drehen. Ich habe verdammten Rückenwind, der nicht gerade hilfreich ist. Und wenn ich die Drehung stabilisieren und den Auftrieb nutzen kann, gibt es vielleicht nur einen minimalen Aufprall!

„Mr. Grey? Christian!“ sagt Ros panisch.

„Ros“, sage ich und schlucke. „Hören Sie zu. Ich muss dafür sorgen, dass wir geradeaus fliegen, um die Maschine in Stromlinienform zu bringen.

 „Oh, ok …”, sagt sie, während sie sich heftig die Augen mit ihrem Handrücken abwischt.

„Es ist ein ziemlich kurzes Flugzeug. Im Heck eines Helikopters wird meist ein großer vertikaler Stabilisator eingebaut, um einen beträchtlichen seitlichen Auftrieb zu erzeugen und das Fluggerät während des Fluges zu stabilisieren“, sage ich zu ihr und ich könnte genauso gut Schwedisch mit ihr sprechen. Sie versteht natürlich kein Wort, von dem, was ich sage. Aber es beschäftigt sie und mich selbst und hält mich davon ab, vom Kurs abzukommen. Es hilft mir dabei, mich auf den bevorstehenden Aufprall zu konzentrieren.

„Die Ingenieure haben sich Gedanken gemacht, was passiert, wenn der Fenestron bei einer Katastrophe vollständig ausfällt.“ Als sie das Wort ‚Katastrophe‘ hört, stößt sie einen gequälten Laut aus. „Die Ingenieure waren der Ansicht, dass man theoretisch in der Lage sein müsste, den Helikopter normal weiter fliegen zu können, wenn man eine Geschwindigkeit von 130 km/h aufrecht hält. So sollte man immer noch die volle Kontrolle über den Helikopter haben.“
„Wirklich? Was ist ein Fenestron?” fragt sie und versucht hoffnungsvoll zu bleiben, ihren Geist zu beschäftigen.

„Das ist das Heckrotorsystem.“

„Aber wir schweben. Können Sie die 36 m/S erreichen, um die Geschwindigkeit zu halten, weil Sie gesagt haben …“, sagt sie mit feuchten Augen, „ … Sie haben gesagt, dass Ihre beiden verdammten Triebwerke ausgefallen sind!“

Ich halte mich am Joystick fest, als würde daran unser Leben abhängen; naja genau genommen tut es das wirklich … Der Helikopter sollte mit zwei Autopiloten ausgestattet sein. Wenn der erste ausfällt, tritt der zweite automatisch in Kraft. Wunderschön. Aber keiner hat verdammt noch mal daran gedacht, dass beide Triebwerke beim Schweben und geringer Geschwindigkeit ausfallen. Also muss ich meine Segelfertigkeiten anwenden, um diesen Stein aus 40 Metern sicher herunter zu bringen! Es sei denn ich schaffe es, einen Druck nach vorn zu erzeugen.

„Die Innenradien an beiden Seiten des Flugzeuges sind dafür gedacht, mich bei der Stabilisierung von Charlie Tango zu unterstützen und dabei zu helfen, bei normaler Geschwindigkeit, die bei etwa 225 bis 230 km/h liegt, gerade zu fliegen.“

„Verdammt, großartig, Mr. Grey! Aber im Moment scheint Ihr Vogel seine Flügel verloren zu haben!“

Ich blicke auf die Wetteranzeige, um den Wind zu überprüfen. Ich drücke den Knopf für das digitale Radar. Es gestattet mir, die digitale Karte zu zeigen, sodass ich mich in die richtige Richtung drehen kann, um den Rückenwind zu unserem Vorteil zu nutzen. Mein Bodennäherungswarnsystem bleibt die ganze Zeit über angeschaltet. Das ist ein verbessertes Warnsystem, um den Piloten zu informieren, wenn das Flugzeug sich in unmittelbarer Gefahr befindet, gegen den Boden oder ein Hindernis zu fliegen. Es ist eine Gelände Datenbank. Im Moment suche ich nach einem Ort, an dem ich einen minimalen Aufprall beim Landen haben werde und ich habe nicht die Wahl.


(Gelände)

„Ja und nein, Ros! Jedes Triebwerk steuert das Getriebe und den Heckrotor. In anderen Helikoptern gibt es einen abweichenden Aufbau des Heckrotors. Dieser Helikopter hat eine ganz wichtige Besonderheit. Durch den Luftstrom im Hauptrotor treibt das Getriebe selbst dann noch den Heckrotor an, wenn beide Triebwerke ausfallen!“ sage ich. Meine Zähne klappern durch das Rütteln von Charlie Tango.

„Verdammt! Halleluja! Heute ist der Tag gekommen, an dem wir es testen werden! Beide Triebwerke sind ausgefallen und zudem ist ein Feuer im Heck ausgebrochen! Ihr Vogel schüttelt und bebt wie bei einem Erdbeben in Los Angeles! Wenn Sie uns trotz dieser Probleme landen, werden ich diesen verdammten Ingenieuren persönlich meinen Dank aussprechen, dass sie so vorausschauend in ihrer Planung waren!“

Das gefällt mir schon besser. Mit Wut kann ich umgehen. Nur nicht mit Nervosität, Aufregung, Kontrollverlust und Gekreische, wenn Charlie Tango kurz davor ist, abzustürzen! Ich muss die Kontrolle über diesen Flieger bewahren und komischerweise hilf mir Ros‘ Wut dabei, mich zu konzentrieren.

„Also, Ros, beide Triebwerke steuern das Getriebe, das Getriebe treibt den Hauptrotor und den Heckrotor, und ein Triebwerk würde auch noch beide Aufgaben übernehmen. Selbst ohne die Triebwerke wird das Getriebe weiterlaufen. In einigen Helikoptern hört der Heckrotor auf sich zu drehen, wenn das Triebwerk ausfällt. Aber nicht in diesem Vogel! Es gibt einen Grund, warum ich 4,6 Millionen Dollars dafür bezahlt habe!“ Es wird ausschlaggebend für mich sein, wie ich diesen Helikopter bald landen werde, ohne auf den verdammten Boden zu crashen! Ich muss ihn in der Vorwärtsbewegung halten und den Rumpf des Helikopters seine Arbeit verrichten lassen.

„Ich hoffe wirklich, dass sie diese Theorien auch getestet haben, Boss! Wenn wir es nicht sicher auf den Boden zurück schaffen, dann haben Sie verdammt noch mal viel zu viel für dieses Hubschrauber bezahlt! Ich will zurück zu Gwen! Ich sage ja nicht, dass wir es nicht schaffen, aber damit Sie es wissen, Sie waren der verdammt beste Boss, den ich je hatte. Sie sind ein Sklaventreiber, aber immer fair. Sie sind voll in Ordnung, Boss!“ sagt sie schniefend mit ihrer kratzigen Stimme.

„Sie müssen wirklich mit dem Rauchen aufhören, Ros!“

„Wirklich? Jetzt sagen Sie mir, dass ich mit dem Rauchen aufhören soll? Ich würde am liebsten eine ganze Packung rauchen, wenn wir gelandet sind und ich habe nicht einmal eine einzige dabei! Haben Sie mir nicht etwas Nettes zu sagen, jetzt wo wir sterben werden?“ fragt sie mit feuchten Augen.

„Wir werden nicht sterben!“

„Und woher wollen Sie das verdammt noch mal wissen?“

„Weil ich eine Freundin habe, der ich einen Heiratsantrag gemacht habe! Ich will nicht, dass irgendein anderer Scheißkerl meinen Platz einnimmt, sie tröstet, ihre Hand hält und sie umarmt, weil ich heute gestorben bin! Ich will ihre Antwort hören! Ich möchte hören, wie sie ‚Ja‘ zu mir sagt! Ich will nicht, dass José oder Ethan meine Freundin fickt, nur weil ich nicht mehr da bin! Ich liebe sie! Sie ist meine Frau!“

„Wow! Sie sind wirklich nicht schwul, Boss!“

„Danke! Ihr Gaydar ist zurück im Geschäft …”, sage ich und sie schenkt mir ein weinerliches Lächeln.

Sie murmelt irgendeinen anderen Scheiß, aber ich blende Ros kratzige Stimme in meinem Kopf aus. Ich will zurück zu Anastasia! Ich sehe ihr wunderschönes Gesicht, die Intensität ihrer blauen Augen, wenn sie mich ansieht und spüre ihre Arme, wenn sie mich hält. Ich will zurück in ihre Arme, will sie umarmen und sie küssen. Ich möchte jetzt nicht sterben. Ich möchte, dass sie meinem Heiratsantrag zustimmt. Ich brauche es … Ich muss einfach zu ihr zurück.

Ich beschleunige.

„Ros, halten Sie sich fest! Wir werden mit etwa 130 Km/h aufprallen. Ich werde in den letzten Sekunden versuchen, die Geschwindigkeit zu kontrollieren. Es wird ausschlaggebend sein, die Geschwindigkeit hochzuhalten bis wir kurz über dem Boden sind, da die Triebwerke nicht funktionieren. Dann werde ich die Geschwindigkeit völlig drosseln!“

Ros sieht fassungslos aus.

„Ros!“ schreie ich entschlossen und sie springt in ihrem Sitz, als wäre sie gerade in ihren Körper zurückgekehrt.

„Ja?“ wimmert sie.

„Sehen Sie mich an! Wir werden nicht sterben! Wir gehen beide nach Hause zurück!” sage ich und halte die Geschwindigkeit hoch. Mit Hilfe des EGPWS untersuche ich das Gelände. Ich muss so nah wie möglich am Boden sein. Ich sehe es vor uns und drehe den Helikopter, um ihn zu stabilisieren. Dabei nutze ich den vertikalen Stabilisator. Ich versuche den Wind dabei zu nutzen, die richtige Richtung einzuschlagen.

„15 Meter, Ros! Wir steigen schnell herab.“

(Silver Lake)

Ich nutze den horizontalen Stabilisator und das Heckleitwerk und nutze den Wind, um uns durch die verbliebene Kraft des Getriebes treiben zu lassen. Ich versuche den Bäumen auszuweichen und finde eine relativ ebene Fläche mit minimalem Aufprall. Diese Stelle befindet sich knapp neben dem Sumpfgebiet. Ein Stück Land frei von Schutt, Bäumen oder großen Steinen. Der verdammte Drehmoment hat auch sein Limit erreicht. Die Anzeige leuchtet auf. Um Himmels Willen! Natürlich ist sie am Limit, ich habe keine Motorleistung! Der Haupt- und der Heckrotor laufen nur noch über das Getriebe, das nebenbei gesagt, auch in Flammen steht, wie meine beschissene Seele!

„5 Meter!“ schreie ich, um Ros vorzuwarnen. Sie umklammert die Seiten ihres Sitzes.

Ich drossele die Geschwindigkeit komplett und überlasse dem Motor die Aufgabe uns mit seiner verbliebenen Leistung nach unten zu bringen. Ich nutze den Wind, um den Stabilisatoren dabei zu helfen uns in einem Stück auf den Boden zu bringen.

„2 Meter bis zum Aufprall!“

„Oh, bitte Gott!“ schreit Ros.

„Ich liebe dich, Ana! Ich werde dich immer lieben!“ flüstere ich. Ich merke, wie der Hauptrotor zum Stehen kommt und wir schlagen auf dem Boden auf wie bei einem Erdbeben mit 6.0 auf der Richterskala. Wir rutschen über das Gras und Charlie Tango kippt auf seine Rechte. Ich höre, wie die Rotorblätter auf etwas treffen - ein brechendes Geräusch. Aber der Aufprall der Rotorblätter hilft dem Helikopter nach vorne zu kippen und erzeugt eine gleichmäßige und entgegengesetzte Kraft, um den Helikopter aufzurichten. Schließlich kommt der Helikopter zum Stehen. Er kippt ein letztes Mal nach vorn, aber das Gewicht des Hecks zieht die Nase nach oben. Wir werden während dem Aufprall einige Male auf unseren Sitzen kräftig durchgeschüttelt. Mir zieht es die Luft aus den Lungen. Ich kann für eine Minute nicht atmen, als hätte man meine Lungen plattgedrückt wie Pfannkuchen! Ich weiß nicht, ob meine Rippen geprellt oder gebrochen sind. Meine Brust tut so sehr weh, als hätte mich eine Armee von Claude Bastilles zusammengeschlagen! Mein Hals ist lädiert, weil der Gurt hineingeschnitten hat. Eine kleine Erhöhung im Gelände stockt unsere Bewegungen und das Heckleitwerk berührt den Boden, während die Nase hoch in die Luft zeigt. Ich versuche flach zu atmen. Es tut weh.

„Ros! Geht es dir gut?“ frage ich, nachdem sich meine Lungen endlich mit Luft gefüllt haben. Sie hat eine blutige Nase und Kratzer an ihren Armen. Sie ist aufgewühlt und außer Atem, aber am Leben. Gott sei Dank! Sie sieht mich mit entsetzten Augen an; ihr Gesicht hat sich ihrer Haarfarbe angepasst. Blut läuft aus ihrer Nase und tropft auf ihre Bluse. Ohne viel Federlesen wischt sie es mit ihrem Handrücken ab und schmiert sich dabei das Gesicht voll.

„Oh mein Gott, Christian! Ich habe gedacht, wir werden sterben! Ich dachte …”, sagt sie, erstickt fast an ihren Worten und beginnt zu schluchzen.

Ich schalte die gesamte Elektronik aus, um zu verhindern, dass sich das Feuer im gesamten Helikopter ausbreitet.

„Ros, schnallen Sie sich ab. Wir müssen hier raus!“

Ich schnalle mich schnell ab und springe aus Charlie Tango heraus. Ich gehe zum Heck und öffne die Hecktüren auf der Hinterseite des Helikopters. Ich schnappe mir den eingebauten Feuerlöscher und lösche zügig das Feuer im Heckrotor. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals! Meine Hände zittern. Die letzten acht Minuten waren die längsten in meinem Leben. In den letzten paar Sekunden habe ich gedacht, ich sehe Anastasia nie wieder. Ich dachte, ich wäre nicht mehr von dieser Welt und die Vorstellung nicht mehr im selben Universum wie sie zu sein, war der fürchterlichste Schmerz, den ich je gefühlt habe …

Ros stolpert aus Charlie Tango und landet im Dreck auf der Erde. Bleistiftrock und 10 Zentimeter Jimmy Choo High Heels sind nicht gerade für die Natur bestimmt. Ungeschickt tappst sie auf mich zu und ihre High Heels sinken immer wieder in die Erde ein. Mit entsetzten Augen blickt sie auf den Rauch, der aus dem Heck hervorkommt und wendet ihren Blick dem Rest von Charlie Tango zu. Sie erblickt die zerbrochenen Rotorblätter, den schmalen Krater, den Charlie Tango geschaffen hat, wie das Heck den Boden berührt und das bisschen Rauch, dass nun, da das Feuer im Heck gelöscht ist, hervordringt.

„Mr. Grey! Sie sind wirklich ein verdammt talentierter Pilot!“ sagt sie und ehe ich mich versehe, schlingt sie die Arme um meinen Hals. Sie umarmt mich und ich stehe peinlich berührt mit dem nun leeren Feuerlöscher in meiner rechten Hand da.

Mit einer Hand tätschele ich ihren Rücken, ehe ich mich am Hals kratze und erwägend sage, „Also, ich hatte Dinner Pläne für heute Abend. Wenn wir jetzt aufbrechen, schaffe ich es sicherlich noch pünktlich.“ Sie lässt mich los und sieht mich kopfschüttelnd an.

„Ich hatte wirklich Angst. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie solche Angst und Sie waren wie immer voll bei der Sache, auch wenn es ziemlich verrückt war. Sie haben es geschafft, dass ich mich konzentriere, Mr. Grey. Wissen Sie, was ich für einen krassen Gedanken kurz vor dem Aufprall hatte?“

„Sagen Sie es schon …“

„Vor kurzem habe ich so einen belanglosen Artikel über die schlimmsten Ängste der Menschen gelesen. Wissen Sie, wie sie so viele Menschen befragt haben und solche Zahlen hervorgebracht haben. Wissen Sie, was die schlimmsten Ängste der Menschen sind?“

„Sterben?“ frage ich schaudernd.

„Nein! Das hätte ich auch gedacht. Aber es war das Sprechen in der Öffentlichkeit! Sterben steht nur an zweiter Stelle. Ich habe es auch immer gehasst, vor einer großen Menge zu sprechen. Aber in den letzten Minuten habe ich meine Meinung geändert.“

Ich sehe Ros ausdruckslos an. „Also Ros, obwohl es nicht meine Lieblingsbeschäftigung ist, vor einer großen Menge zu sprechen; würde ich doch lieber Ihre Trauerrede halten, als jeden Tag in einem Sarg zu liegen.“

Ros sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an und wirft mir einen verächtlichen Blick zu. Aber dann bricht sie in erlösendes Gelächter aus und sagt, „Dito, Boss!“ und bringt mich damit auch zum Lachen.

„Ich habe hier einen Erste Hilfe Koffer. Vielleicht wollen Sie sich das Blut vom Gesicht wischen“, sage ich leise und deute mit einem Nicken auf ihren Kopf. Sie nickt und ich reiche ihr die Verpackung. Mit den sterilen Tüchern reinigt sie ihre Wunden.

„Wir müssen Hilfe rufen, Mr. Grey“, sagt Ros, nachdem sie sich halbwegs zusammengeflickt hat.

„Wir können den Funk nicht benutzen. Der Aufprall hat fast alles zerlegt und viele Verbindungen sind zerbrochen. Ich könnte den Funk anschalten und ein erneutes Feuer riskieren, aber wir haben keinen Feuerlöscher mehr. Also ist der Funk keine Option.“

„Ich habe mein Handy, aber wir können nicht mal 911 anrufen, da ich keinen Empfang habe“, sagt sie und schneidet eine Grimasse. Nein … Verdammt! Wir können nicht so lange warten, bis jemand bemerkt, dass wir verschwunden sind. Wir sind mitten in der Pampa, weit weg von der nächsten Straße. Es könnte Stunden oder Tage dauern bis sie uns finden! Und ich muss zurück nach Seattle oder dieser Scheißkerl José wird sich über meine Freundin hermachen wie die Ameisen!

„Verdammt! Ich habe auch keinen Empfang!“ sage ich verärgert.

„Warten wir? Taylor weiß schließlich, dass wir auf dem Rückweg sein sollten.“

„Wir können nicht warten, Ros! Es wird womöglich ewig dauern, bis sie uns finden. Zudem wird es dann bereits dunkel sein. Ich bin mir sicher, dass Sie die Nacht nicht in der Wildnis verbringen wollen. Außerdem haben wir nichts zu essen und nur einen Liter Wasser für uns beide. Es wird dauern, bis sie uns finden. Wir wissen nicht, wie das Wetter sich entwickelt, ob es regnet. Ich will dem Wetter nicht ausgesetzt sein. Vor allem nicht, wenn ich sehe, wie Charlie Tango so im 45° Winkel daliegt.“

„Mr. Grey! Sie sind Christian Grey! Glauben Sie wirklich, dass es den ganzen Tag und die ganze Nacht dauern wird, bis man Sie findet? Sie können einen Helikopter aussenden, um nach uns zu suchen …“

„Das setzt voraus, dass sie wissen, dass wir verschwunden sind. Das werden sie erst in ein paar Stunden wissen und es wird dunkel sein. In der Dunkelheit wird es für jeden fast unmöglich sein uns zu finden. Zudem werden wir unsere Gesichter morgen überall in den Nachrichten sehen. Solche Publicity möchte ich nicht. Wie viel Akku haben Sie noch auf Ihrem Handy?“

„Etwa 75%.”

„Meiner liegt bei fast 90. Zuerst nehmen wir Ihr Handy. Das GPS wird uns zur nächsten Straße führen und wir werden einen Fahrer überzeugen, uns zurück nach Seattle zu fahren. Wie viel Geld haben Sie dabei?“

Sie zieht ihr Portemonnaie hervor und zählt. „Ich habe zweihundertachtundsiebzig Dollars bei mir.“

Ich werfe ebenfalls einen Blick in meine Geldbörse und sehe, dass ich dreihundertfünfundzwanzig Dollars bei mir habe. Okay, insgesamt haben wir also 603$. Damit sollten wir jemanden bestechen können uns zurück nach Seattle zu fahren. Vorausgesetzt wird finden die Straße.

„Nehme Sie nur Ihre Tasche und Ihr Handy. Wir laufen. Wenn wir bleiben, werden sich unsere Akkus entleeren und wir haben keine Navigation. Im Moment können wir wenigstens das GPS nutzen, bis die Batterien zur Neige gehen. Dann haben wir vielleicht schon die Straße erreicht“, sage ich.

„Haben Sie etwas zu Essen, Mr. Grey?“

„Nein“, sage ich und presse meine Lippen aufeinander. Sehe ich aus wie ein Supermarkt? Ich habe nicht die ganze Nacht geöffnet! Ich trage keine heimlichen Reserven mit mir herum.

Sie greift in ihre Tasche und sagt, „Ich habe einen Schokoriegel. Ich schätze, den müssen wir uns teilen, bis wir etwas gefunden haben.“

„Prima. Geben Sie mir Ihr Handy“, sage ich und sie reicht es mir.

Ich schalte das GPS ein und ermittele unsere Position auf der Karte.

(Silver Lake Map)


„Wir sind hier“, sage ich und zeige auf die Karte. „Auf der südöstlichen Seite des Sees. Wir müssen einen Highway finden, um ein Auto anzuhalten. Wir werden trampen oder was auch immer wir tun müssen, damit uns jemand zurück nach Seattle bringt“, sage ich und verfolge mit meinem Finger die Route.

„Die nächste Hauptstraße ist der Sprit Lake Memorial Highway. Das ist also unser Ziel. Wir werden einen Weg finden und nordwärts laufen, um den Sprit Lake Memorial Highway zu erreichen“, sage ich. Sie blickt auf ihre fast ruinierten High Heels herab und seufzt.

„Okay, Boss. Gehen Sie vor“, antwortet sie.

******

Ich bin der erste, der sich dazu bekennt, High Heels an einer Frau zu lieben, vor allem an meiner Frau. Ich finde, dass es sehr sexy und feminin ist und ein Must Have in jeder Garderobe einer Frau sein sollte. Das gilt genauso für Bleistiftröcke. Sie haben etwas sehr weibliches. Er betont die weiblichen Rundungen perfekt und formt ihren Körper. Aber im Moment würde ich Ros lieber in Flip Flops und einem Kartoffelsack, als in diesen High Heels und dem Bleistiftrock sehen. Voller Abneigung blicke ich sie an. Das hält uns unglaublich auf und ich will doch so schnell wie möglich zu Anastasia zurück. Die Zeit tickt und wir laufen bereits seit über drei Stunden! Das Wasser ist bereits leer und Ros jammert mir die Ohren voll, wie sehr ihre Füße wehtun. Und dieses Schneckentempo frustriert mich! Ihr Bleistiftrock ist eng und im Moment finde ich ihn nur noch lästig und unpassend.

„Ehrlich Ros! Ich bin kurz davor diese Schuhe in die nächste Ecke zu werfen! Sie halten uns total auf. Ich würde auch meine Schuhe ausziehen, damit Sie sie tragen können. Lassen Sie uns einfach schneller gehen! Da wir auf einer Pflasterstraße gehen, werde ich solange in meinen Socken laufen, bis sie zerrissen sind.“

„Mr. Grey. Das sind 2500 Dollars Jimmy Choos!“ Was haben Frauen nur immer mit ihren Schuhen, selbst in der ärgsten Not?




„Im Moment würde ich sie nicht einmal kostenlos und von Mr. Choo persönlich haben wollen! Sie halten uns auf!“

„Ich bin überrascht, dass hier keine Autos langfahren. Lebt hier denn niemand?“

„Ich weiß es nicht. Wir befinden uns nicht direkt auf dem Trampelpfad. Wir werden aber bald am Highway sein“, sage ich und blicke auf ihre Schuhe und ihre geschwollenen Füße. „Es dauert vielleicht noch eine Weile. Mein Angebot mit den Schuhen steht immer noch.“

„In Ordnung! Ich nehme Ihr Angebot an. Aber Sie dürfen meine Babys nicht wegwerfen! Ich werde sie saubermachen. Ich hasse es, sie so voller Dreck und Staub zu sehen.“

Schließlich halten wir an, ich ziehe meine Schuhe aus und Ros ihre Heels. Sie klopft den Schmutz ab und summt leise, „Meine Babys, Mommy wird euch wieder sauber machen!“

„Verdammt, Ros! Ich möchte nicht hören, wie Sie mit Ihren Schuhen sprechen, als wären es Puppen! Das passt nicht zu Ihrem knallharten Auftreten.“

„Mr. Grey, wissen Sie wem ich mit diesen Babys alles in die Eier treten könnte?“ sagt sie und reibt mit ihren Händen vorsichtig über das Wildleder ihrer Schuhe.

„Und nebenbei sind sie Teil meiner Tarnung. Wenn ich die ganze Zeit auf meinem Besen reiten würde, wären sie schon über alle Berge. Selbst Miss Frosty trägt die besten High Heels. Erzählen Sie mir nicht, dass Ihre kleine Miss nicht auch ab und zu Mal ein paar Heels anzieht!“ sagt sie grinsend.

Ich sehe sie teilnahmslos an, mein Blick ist eisig. Kapitulierend hebt sie ihre Hände. Ich gebe ihr meine Schuhe und sie zieht sie an. Ihre Füße schwimmen quasi darin.

„Oje, Mr. Grey! Welche Schuhgröße haben Sie denn?“

„45”, antworte ich rundheraus. Sie grinst, schüttelt ihren Kopf, sagt jedoch nichts.



Sie nimmt jeden Schuh in eine Hand. Ihre Tasche hängt über ihrer Schulter. Ich halte ihr Handy und führe uns zum Highway. Ich ziehe mein Jackett aus. Langsam beginne ich zu schwitzen. Ihr Handy Akku ist bereits im roten Bereich. Rasch präge ich mir die Straße und die Richtung ein, in die wir gehen müssen, bevor die Batterie vollständig leer ist. Meins ist auch nicht besser. Immer noch kein Signal. Das ist der schlimmste Tag meines Lebens! Taylor sollte heute eigentlich seine Tochter besuchen, nachdem er mich abgesetzt hat. Seine Ex hat ihm erzählt, dass ihre Tochter wohl eine Blinddarmentzündung hat. Anscheinend sind auch aller schlechten Dinge drei. Charlies Tangos Absturz, Taylors Tochter und ich frage mich, was wohl das dritte sein könnte. José!

Meine Entschlossenheit ist stärker denn je. Wir sind beide durchgeschwitzt, staubig, dreckig und schlammig. Die Sonne senkt sich. Sie wird bald untergehen. Bis dahin müssen wir es zum Highway schaffen. Ich will einfach nur nach Hause zu Anastasia und mich in ihr verlieren. Ich muss sie sehen. Ich muss mich lebendig fühlen und es gibt nichts, dass mich so lebendig fühlen lässt wie Anastasia. Ich möchte nach Hause gehen, sie ausstrecken und lieben, bis sie nach meinem Schwanz bettelt. Ich will uns an unsere Grenzen treiben und sie soll mich halten, bis ich meine Seele in mir fühle!

„Mr. Grey, der Highway!“ schreit Ros und reißt mich aus meinen Tagträumen.

„Und was jetzt?“

„Jetzt werden wir ein vorbeifahrendes Auto anhalten, das uns nach Hause bringt.“

„Habe ich noch Akkuleistung über?“ fragt sie.

„Nein, der Akku war vor etwa einer Stunde leer. Meiner leuchtet bereits rot und immer noch kein verdammtes Signal. Er wird nur noch ein paar Minuten halten“, sage ich verbittert.

„Wie spät ist es?“

„18:09 Uhr. Wir finden am besten so schnell wie möglich ein Auto, das uns zurück nach Seattle bringt. Niemand wird uns im Dunkeln mitnehmen wollen. Man weiß nie, was in der Dunkelheit lauert. Die Leute werden sich vor Fremden auf der Straße in Acht nehmen.“

„Lassen Sie uns am Straßenrand entlanggehen.“

„Welche Richtung, Mr. Grey?“

„Die I-5 liegt in dieser Richtung“, sage ich und zeige auf die Straße. In diese Richtung wollen wir also. Jemand der ebenfalls in diese Richtung fährt, könnte uns vielleicht mitnehmen. Wir haben 600$. Das könnte jemanden reizen, einen zweistündigen Umweg in Kauf zu nehmen.“ 

Wir gehen am Rand des Highways entlang. Es gibt nicht viele Autos, die an uns vorbeifahren. Und die zwei, die an uns vorbeigefahren sind, ohne anzuhalten, haben beschleunigt, als würden sie von der Polizei verfolgt werden. Wir gehen etwa 100 Meter die Straße entlang, bis wir die quietschenden Bremsen eines großen Sattelschleppers hören. Ein Truck hält neben uns, das Fenster wird heruntergekurbelt und ein Mann mittleren Alters mit schwachem Bartwuchs und einer John Deere Kappe steckt seinen Kopf heraus.



„Tach, ihr Fremden. Braucht ihr ein paar Räder unterm Hintern?“

Ros und ich bleiben stehen. Gott sei Dank!

„Ja. Wir hatten einige Meilen zurück einen Unfall und versuche nun zurück nach Seattle zu kommen. Wir würden für immer in Ihrer Schuld stehen, wenn sie uns mitnehmen. Wir könnten Sie für die Unannehmlichkeiten auch bezahlen“, sage ich.

„Überhaupt kein Ärger, Mann. Es sieht so aus, als seid ihr schon länger unterwegs. Und du hast ja nicht mal Schuhe. Hast sie deiner kleinen Lady gegeben, stimmt’s? Rein mit euch!”

Wir öffnen die Tür und ich helfe Ros dabei, in den Truck zu steigen. Ich reiche ihr ihre High Heels und ihre Tasche und klettere selber hinein.

„Danke, Mann! Ich bin Christian und das ist Ros.“

„Mein Name ist Len. Len Mattson aus South Dakota. Ihr seht ganz schön ausgetrocknet aus. Habt ihr Durst?“

„Ja!“ ruft Ros. „Haben Sie irgendetwas zu essen? Wir haben seit dem Frühstück nichts mehr gehabt. Wir können Ihnen für das Essen bezahlen.“

„Nein, nein, kleine Lady. Ich werde auf einem Parkplatz halten und wir werden etwas essen. Ich habe Sandwichs mit Fleisch und allem Drum und Dran. Wir können Truthahn oder Roast Beef Sandwichs machen. Ich teile mit euch. Seht euch meine mädchenhafte Figur an, ihr wisst schon”, sagt er witzelnd und tätschelt seinen dicken Bauch, der aussieht, als hätte er vor einem Monat ein 10 Pfund Baby geboren.

Auf einem kleinen Parkplatz am Rand der Straße macht Len, der Trucker, Halt.

„Ich habe da unten noch zusätzlichen Stauraum. Hab sogar eine Kühlbox dort. Was wollt ihr haben, ich habe Wasser und Pepsi? Ich mache die Sandwichs, ihr nehmt euch, was ihr wollt.“

„Ich nehme Wasser und eine Pepsi, wenn Sie noch eine übrig haben. Ich habe das Koffein sicher nötig“, sagt Ros.

„Ich nehme Wasser, Len“, sage ich.

Len klettert herunter und stellt sich dabei erstaunlich wendig an. Das hätte ich bei seinem ausladenden Bauch nicht gedacht. Zehn Minuten später kehrt er mit Sandwichs und Getränken für uns zurück.

„Ich mache die Sandwichs immer frisch. Das Brot wird sonst pappig. Wenn ich Hunger habe, mache ich mir welche“, sagt er.

Ich blicke Ros an und sie nickt.

„Len, nun, da Sie uns nach Seattle zurückbringen und auch noch Ihr Essen mit uns teilen, möchten wir Ihnen gerne etwas Geld geben.“

„Sohn, lass dein Geld stecken. Es nützt hier nichts. Außerdem würde es meiner kleinen Lady, Evelyn ist ihr Name, nicht gefallen, wenn ich nicht freundlich zu Fremden bin. Das machen wir in Mitchell nicht.“

„Vertrauen Sie mir, ich kann es mir leisten“, sage ich.

„Das ist schön für dich, Sohn. Ich kann mir diesen Gefallen leisten. Die Menschlichkeit ist nicht tot, zumindest nicht in Mitchell, South Dakota“, sagt er grinsend und nimmt einen kräftigen Schluck aus seiner Pepsi.

„Danke“, sage ich völlig fasziniert von der Freundlichkeit dieses Fremden.

„Len, haben Sie zufällig ein Handy?“

„Nein, junger Mann“, sagt er glucksend. „Du wirst es vielleicht komisch finden, aber ich hatte noch nie so ein Ding. Ich spare mir jeden Bissen vom Munde ab für meinen Jungen“, sagt er mit einem Leuchten in den Augen, während er von seinem Sohn spricht.

„Oh, schade. Unsere Akkus sind leer und meine Freundin macht sich bestimmt Sorgen um mich. Ich habe sie nicht angerufen.“

„Ihr zwei seid nicht zusammen?“ fragt er neugierig.

„Nein!“ sage wir wie aus einem Mund.

„Sie arbeitet für mich“, sage ich und Ros fügt hinzu, „Ich habe auch eine Freundin.“

Len verschluckt sich fast an seinem Sandwich.

„Du bist ja wie Reverend Walsh damals sagte, so wie Ruth und Naomi!“

„Ich wurde bislang nichts dergleichen bezichtigt. Aber wer sind Ruth und Naomi?“

„Um die Wahrheit zu sagen, habe ich nicht allzu sehr aufgepasst, als er darüber gesprochen hat. Ich habe im Kopf die Rechnungen gezählt. Aber erzähl das bloß nicht Evelyn, sie ist eine fromme Frau. Das ist sie wirklich.“

„Das verspreche ich. Ich werde kein Wort sagen“, entgegnet Ros.

„Ich verurteile dich nicht, verstehst du? Ich bin auch ein Sünder, das sind wir alle. Ich verstehe bloß nichts von den Gefühlen, von denen du sprichst. Aber Ma’am, Männer haben doch so viel mehr zu bieten. Du weißt, was ich meine?“ sagt er mit aufrichtiger Neugier.

„Ich habe es in der dritten Klasse herausgefunden, als Jimmy Simpson Schülersprecher werden wollte. Sein Motto lautete: ‚Stimmt für mich und ich zeige euch meinen Pullermann‘. Aus reiner Neugier habe ich für ihn gestimmt. Aber ich bin nicht daran interessiert. War ich noch nie.“

„Was du nicht sagst! Aber aus reiner Neugier. Lass mich dich eins fragen, Ma’am. Unser Christian hier ist doch ein gut aussehender junger Mann. Siehst du nichts in ihm? Nicht einmal ein kleines Funkeln?“ fragt er und beugt sich vor. Er sieht aus, als würde er eine schwierige Matheaufgabe lösen wollen.

„Nein, überhaupt nichts. Das soll keine Beleidigung sein, Christian“, sagt sie und wendet sich mir zu. „Obwohl ich natürlich weiß, dass ihm eine Menge Frauen schöne Augen machen. Und außerdem hat er eine Freundin, die er liebt“, sagt sie und beißt von ihrem Truthahn Sandwich ab. „Sind Ruth und Naomi Lesben aus Ihrem Dorf?“ fragt sie neugierig. Len kichert, als er ihre Frage hört.

„Nein, Ma’am, sie sind aus der Bibel.“

„Die Bibel berichtet von Lesben?“

„Ich sage nicht, es gibt sie oder nicht. Ich bin kein sehr gebildeter Mann. Ich erzähle euch nur, was der Pastor gesagt hat. Es könnte genauso viel Aufhebens um nichts sein. Ihr müsst wissen, ich habe nicht so gut zugehört. Es wird ziemlich langweilig, müsst ihr wissen. Er hat gesagt, dass Ruth die Schwiegertochter von Naomi war. Sie hatte noch eine Schwiegertochter, Orpah. Da hat Oprah auch ihren Namen her, die Lady, die meine Frau öfters im Fernsehen anguckt“, sagt er.

„Wie auch immer …“, unterbreche ich ihn.

„Len, ist es möglich, dass Sie gleichzeitig fahren und die Geschichte erzählen? Ich muss wirklich los.“

„Oh, ja ja!“ sagt er, schaltet den Motor an und biegt auf den Highway.

„Also es ist so“, sagt er, als hätte ich ihn nie unterbrochen. „Irgendetwas ist passiert und die Ehemänner sind gestorben, also Ruths und Orpahs, meine ich. Ruth bleibt darauf bei ihrer Schwiegermutter und der Pastor sagte, Ruth hat sich an Naomi geklammert.“

„Sie meinen also, dass sie bei ihr geblieben ist?“

„Ja, aber der Pastor hat irgendein hebräisches Wort dafür benutzt. Allem Anschein nach war es wie bei Adam und Eva.“

„Welches Wort hat er verwendet?“

„Kleine Lady, ich spreche meine eigene Sprache kaum und jetzt fragst du mich auch noch eins auf Hebräisch. Aber wie der Zufall will, erinnere ich mich daran. Es klang so ähnlich wie Dubuque, Iowa, wo mein Cousin Mark wohnt und einen Lebensmittelladen hat. Hübscher Ort. Naja wir auch immer. Das Wort war ‘dabaq’. Weil es wie Dubuque klingt, habe ich den Pastor gefragt, wie es geschrieben wird. Er hat es vor der ganzen Kirchengemeinde buchstabiert. War sehr nett von ihm. Aber nach der Predigt hat Mrs. Shubert meiner kleinen Lady Evelyn zugeflüstert, dass der Pastor diese Predigt ausgewählt hat, weil er herausgefunden hat, dass seine Lieblingsnichte Margie, die nie mit einem Jungen ausgehen würde, nicht einmal mit dem Quarterback des Football Teams, heimlich Reese Jacobsen anhimmelt!“

„Wer ist das?“ fragt Ros.

„Ein Mädel aus ihrer High School Klasse. Aber Reese hat Jonny Griffith geheiratet und sie haben zwei hübsche Jungs. Sie ist nicht so.“

„Es ist eine Kleinstadt. Vielleicht hat die Nichte des Pastors nicht die richtige gefunden.“

„Das glaube ich auch, Ma’am. Aber wie auch immer. Es ist ein Gerücht. Aber bis zu diesem Tag wusste ich nicht, warum der Pastor diese Predigt gehalten hat. Er hat es dabei belassen und er hat gesagt, dass es seltsam war. Das Wort ‚Spalte‘ war auch in diesem Zusammenhang. Er hat seine buschigen Augenbrauen gehoben, und das obwohl er Ire ist, Man glaubt gar nicht, dass er sonne buschigen Augenbrauen hat. Aber die hat er gehabt und ich werde diese Predigt nie vergessen. Jetzt wisst ihrs.“

„Also sind Ruth und Naomi Lesben?“

„Das ist das Merkwürdige. Naomi hat sie an Boaz verheiratet, ein weit entfernter männlicher Verwandter oder so. In diesen Tagen, war das Leben als Witwe richtig hart. Man musste also einen Ehemann haben.“

„Vielleicht waren sie nur enge Freunde. Manchmal stehen sich Freunde näher als Verwandte.“

„Vielleicht hast du Recht, Ma’am. Aber wir haben keine Chance sie zu fragen. Das war lange vor unserer Zeit. Vielleicht waren sie einfach zu treu.“

„Das ist wohlmöglich nur Wunschdenken zu Gunsten Ihres Pastors.“

„Wie es auch immer war, ich werde dich nicht verurteilen, Ma’am. Das ist Gottes Platz und ich werde nicht Gott spielen. Und außerdem habe ich einen behinderten Sohn. Meine kleine Lady kümmert sich zu Hause um ihn. Wer weiß, was ich getan habe. Gott bestraft mich dafür …“, sagt er betrübt.

Ich kneife meine Augen zusammen.

„Warum glauben Sie, dass Gott Sie mit einem behinderten Kind straft?“

„Oh, nein! Er ist keine Enttäuschung. Er ist der süßeste Junge, den man sich vorstellen kann. Er ist jetzt fünfzehn. Aber ein Vater wünscht sich, dass sein Sohn Football im Team spielt und ich möchte ihn gerne mit auf einen Trip nehmen. Aber er hat diese Krampfanfälle und die Ärzte haben nie festgestellt, warum er sie hat. Evelyn, meine kleine Lady und ich haben ihn von einem Arzt zum nächsten geschleppt und es wird nicht besser. Ich habe diesen Sattelschlepper verpfändet, damit man sich richtig um ihn kümmern kann. Aber das Geld ist weg und besser ist es auch nicht“, sagt er besorgt.

„Und warum ist es dann eine Bestrafung?“

„Sohn, sieh mich an! Ich bin 55 Jahre alt. Wir haben so lange probiert, bis wir endlich dieses Kind bekommen haben und dann  hat er diese Probleme. Und jetzt kann ich nichts dagegen machen. Als ich jünger war, muss ich irgendetwas falsch gemacht haben. Ich bin ein miserabler Vater. Man will doch für seine Familie sorgen und ihre Krankheiten heilen und ich schaffe es nicht. Dieses Kind verdient einen besseren Vater als ich“, sagt er und schüttelt seinen Kopf.

„Wie heißt er?“ frage ich plötzlich.

„Trevor“, sagt er stolz. „Süßester junger Mann, den man je treffen wird. Du natürlich ausgenommen. Evelyn unterrichtet ihn zu Hause, weil wir nicht wollen, dass er in der Schule aufgezogen wird, wenn er einen Anfall hat. Kinder können ganz schön grausam sein und du weißt, wie es für Teenager ist“, sagt er.

Ich weiß nur allzu genau, wie es ist anders zu sein.

„Ich glaube ihr Kind ist glücklich, den besten Vater zu haben, den es gibt“, sage ich zu Len und Ros blickt mich verwundert an.

„Das ist nett, dass du das sagst, junger Mann. Was hattet ihr denn eigentlich für einen Unfall? Wo ist euer Auto?“

„Wir hatten keinen Autounfall. Wir sind mit dem Helikopter abgestürzt“, sage ich, so wie es ist.

„Was du nicht sagst! Dann muss Gott dich wirklich lieben, junger Mann“, sagt er zu mir und dreht sich zu Ros und sagt, „ und du, junge Lady, bleibst bei denen, die dich lieben!“

„Ja, wir sind sehr glücklich“, fügt Ros leise zu.

Aus der Ferne erkenne ich die Silhouette von Seattle und mein Herz taumelt vor Freude, Anastasia wiederzusehen.

„Wir sind bald zu Hause, Kinder“, sagt Len aufgeregt, während der Truck über den Highway rollt und streichelt seinen übergroßen Bauch.

„Zuerst werden wir dich zu Hause absetzen, junge Lady. Wenn ich mir diese Schuhe ansehe, willst du deine Füße sicher in Bittersalz baden. Ich weiß nicht, wie ihr Stadtmädchen in diesen Dingern laufen könnt. Ich würde stolpern und mir den Hals brechen!“ sagt er glucksend.

„Tja Len, dann bin ich froh, dass es nicht Ihre Schuhe sind.“ Sie lacht und ist glücklich, bald zu Hause zu sein.

„Unsere Wohnungen sind gar nicht weit voneinander entfernt, Len“, sage ich. „Sie müssen nach Downtown Seattle fahren. Ich wohne in einem großen Gebäude namens Escala. Man kann es gar nicht verfehlen. Ros wohnt fast über die Straße.”

„Einen Steinschlag entfernt, was?“

Ich lache. „Das kann man so sagen.“

„Junge Lady, du musst mich zu dem richtigen Haus führen“, sagt Len zu Ros.

Als wir uns Ros Haus nähern, sehe ich einige Fotografen vor dem Gebäude warten. Anscheinend war es kein Geheimnis, dass Ros und ich verschwunden waren. Die Info ist an die Öffentlichkeit gelangt. Ich sehe Ros an.

„Vielleicht rufen Sie Andrea für mich an. Sagen Sie ihr, sie soll die PR-Abteilung informieren und ein Statement rausgeben, das es uns gut geht und kein Grund zur Sorge besteht. Und wenn es an die Öffentlichkeit gelangt ist, sollte sie auch meine Eltern informieren. Sie wollen es vielleicht wissen“, sage ich.

„Vielleicht? Sohn, ich nehme an, du bist noch kein Vater. Jedes Elternteil würde wissen wollen, ob es ihrem Kind gut geht, vor allem wenn es einen Unfall hatte. Sie müssen krank vor Sorge sein! Lass deine Mom und deinen Dad wissen, dass es dir gut geht“, sagt er.

„Das werde ich machen“, sage ich und lächele ihn zu seinen Gunsten an.

„Wir wissen Ihre Hilfe wirklich zu schätzen, Len! Wir haben zusammen 600$. Sind Sie sicher, dass Sie sie nicht wollen? Sie haben einen Umweg gemacht und Ihr Essen mit uns geteilt. Sie könnten das Geld für Ihr Kind verwenden.“

„Das ist nett von dir, mein Sohn, aber Evelyn würde es nicht gut finden, wenn ich dafür Geld nehmen würde. Wenn ihr jemals in unsere Gegend kommt, haltet nach Len Mattson Ausschau, Mitchel, South Dakota. Oder wenn ich auf der Straße unterwegs bin, wird euch meine Evelyn gerne bewirten.“

„Danke. Wir stehen in Ihrer Schuld“, sage ich feierlich zu ihm. Ich bin von der Freundlichkeit dieses Fremden überrascht.

Ros deutet auf ihr Haus und wird setzen sie ab.

Ich zeige Len, wo ich wohne und er hält den Truck vorm Escala. Er ist von der kleinen Schar Fotografen überrascht.

„Alle wissen, dass du verschwunden warst, mein Sohn“, sagt er und streckt seine Hand aus. „Du musst ein wichtiger Mann sein.“

„Danke, Len. Ich werde Ihre Freundlichkeit nicht vergessen.“

„Oh, das war doch nichts“, sagt er verlegen. „Ruf deine Mama an. Wir sehen uns, Sohn“, sagt er und ich schüttele seine Hand. Ich steige mit nackten Füßen, meinen Socken, meinen Schuhen, die Ros mir zurückgegeben hat und meinem Jackett in der Hand aus.

Ich winke Len zu und er fährt lächelnd davon.

„Mr. Grey! Mr. Grey! John Brattell von der Seattle Times. Was können Sie uns sagen, Sir?”

„Mr. Grey, stimmt es, dass Ihr Helikopter abgestürzt ist?“

„Mr. Grey, gab es bei Ihrem Unfall irgendwelche Verletzte, Sir?“

„Mr. Grey! Mr. Grey! Die Neuigkeiten, dass Ihr Helikopter verschwunden ist, sind überall verbreitet. Wie wurden Sie gerettet und wie sind Sie nach Hause gekommen?“

„Mein Büro wird ein offizielles Statement veröffentlichen. Gute Nacht, meine Herren“, sage ich, als Steve, der Portier, die Tür öffnet und mich hereinlässt. Gleich hinter mir schließt er sie wieder.

„Guten Abend, Sir. Ich bin froh, dass Sie wieder zu Hause sind“, sagt er und nickt.

„Ich auch“, sage ich und lache eigentümlich.

Ich drücke auf den Knopf neben den Aufzügen. Es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, bis die Aufzugtüren sich in der Lobby öffnen. Ich bin nervös, dass José und Anastasia vielleicht allein im Apartment sind. Ich hasse die Vorstellung, dass ein anderer Mann allein mit ihr ist. Im Moment winde ich mich vor Eifersucht. Aber ich habe sie so sehr vermisst, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Weiß sie, dass ich vermisst wurde? Hat sie sich Sorgen um mich gemacht? Ich will mein Mädchen einfach halten, und … Ich kann den Rest meiner Gedanken gar nicht in Worte fassen. Die Aufzugtüren öffnen sich. Ich trete ein und halte meine Socken, meine Schuhe und mein Jackett in meinen Händen. Ich gebe den Code ein und die Türen schließen sich. Die Sekunden können gar nicht schnell genug vergehen, bis ich sie wieder sehe. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich hätte heute sterben und sie zurücklassen können. Das hat etwas in mir zum Leben erweckt. Ich brauche eine Beteuerung meines Lebens, ich will sie küssen, lieben und fühlen. Genau genommen möchte ich ihr heute Nacht die Seele aus dem Leib ficken. Zum Teufel, ich will sie lieben, will sinnlich, ursprünglich, in ihr, auf ihr, um sie herum sein … einfach mit ihr zusammen sein. Ich brauche sie, wie ich meinen nächsten Atemzug brauche!

Als der Aufzug mein Penthouse erreicht, öffnen sich die Türen wieder. Die große Gruppe, die sich in meinem Apartment zusammengefunden hat, verschlägt mir den Atem. Was machen sie alle hier?

Ich höre meine Mutter meinen Namen rufen und es klingt so, als würde man ihr das Herz herausreißen:

„Christian!“ schreit sie, als würde sie ihr verlorenes Kind rufen. Als nächstes läuft meine Mutter ziemlich ungraziös auf mich zu. Sie wirft sich gegen mich, wie ein Linebacker am Superbowl Sonntag im Zweikampf! Ich habe gerade noch genug Zeit, meine Schuhe, meine Socken und mein Jackett auf den Boden fallen zu lassen, um meine Mutter aufzufangen und mich selbst auf den Füßen zu halten. Sie wirft ihre Arme um meinen Hals und küsst meine Wangen wieder und wieder, als wäre ich soeben von den Toten auferstanden. Und komischerweise fällt es mir überhaupt nicht schwer ihre Berührung zuzulassen. Sie hat mich noch nie so gehalten oder mir ihre Gefühle auf diese Weise offenbart.

„Mom? Geht es dir gut?“ frage ich perplex und blicke auf sie herab. Sie ist immer so kontrolliert und sich ihrer Wörter und Gefühle so sicher. Ich habe sie noch die Kontrolle auf diese Weise verlieren sehen. Ihre Gefühle hat sie noch nie so offen zur Schau gestellt. Naja vielleicht doch, in der Zeit, wo ich mich in der Schule geprügelt habe und ich das College abgebrochen habe. Aber selbst dann war es nie so intensiv und noch nie hat sie mir ihre Liebe so sehr gezeigt. Es verschlägt mir vollkommen die Sprache.

„Mein Sohn, ich dachte, ich würde dein wunderschönes Gesicht nie wieder sehen“, sagt sie würgend und ruft meine Ängste wieder an die Oberfläche.

„Ich bin hier, Mom“, sage ich mit angespannter Stimme und versuche sie zu beruhigen. Abwesend streichele ich ihren Rücken.

„Liebling, ich bin heute tausend Tode gestorben. Ich habe mir Sorgen gemacht, geweint“, sagt sie und schnieft gedämpft. Dann beginnt meine Mutter, Doktor Grace Trevelyan-Grey zu schluchzen und unverfroren zu keuchen. Was? Wow! Oh! Meine Mutter weint um mich! Wegen mir! Warum? Ich sehe meine Mutter an, die jetzt wie ein Kind, das sein Lieblingsspielzeug verloren hat, aussieht und ich fühle mich gezwungen sie zu beruhigen und sie in meinen Armen zu halten.

„Christian, oh Baby, ich …“ sagt sie schnaufend und hält mich noch fester. Ohne Hemmung weint sie an meinem Hals. Sie ist völlig erleichtert. Ich kann nichts erwidern. Ich verstärke einfach meinen Griff und wiege sie sanft hin und her, um sie zu beruhigen. Die Schreie meiner Mutter müssen meinen Vater alarmiert haben. Er eilt aus Taylors Büro ins Wohnzimmer. Er kommt auf uns zu.

„Oh, lieber Gott! Er lebt! Scheiße! Du bist zu Hause!” Daraufhin schließt er meine Mutter und mich in seine Arme. In seinen Augen sammeln sich die Tränen. In seiner Erleichterung versucht er sie zu unterdrücken.

Unfähig seine Antwort zu verstehen, sage ich, „Dad?“ und versuche seine Stimmung abzuschätzen. Warum? Er drückt uns heftig und streicht abwesend über meinen Rücken. Und aus irgendeinem Grund weiche ich nicht vor seiner Berührung zurück. Mit großen Schritten kommt Mia auf uns zu gerannt und wirft sich in unsere Umarmung. Schließlich zieht sich mein Vater zurück. Er schafft es nicht seine Tränen zu unterdrücken. Er schnieft, versucht sich selbst zu beruhigen und wischt sich mit dem Handrücken über seine Augen wie ein kleines Kind. Schließlich klopft er mir auf die Schulter, unfähig ein einzelnes Wort hervorzubringen. Mia und zuletzt auch meine Mutter lassen von mir ab und schließlich scheint meine Mutter langsam wieder ihre Beherrschung zurück zu erlangen und murmelt, „T‘schuldigung, Sohn.“

„Nein, Mom, es ist alles in Ordnung“, sage ich. Ihr emotionaler Ausbruch bestürzt mich.

„Wo warst du, Christian? Was ist mit dir passiert, mein Sohn?“ weint sie. Sie nimmt ihr Gesicht in die Hände, sie kann ihren Kummer wieder nicht unterdrücken.

Ich blinzele einige Male. Ich bin es absolut nicht gewöhnt, sie so zu sehen. Ist das nur wegen mir?

„Oh, Mom.” Mehr bringe ich nicht hervor. Ich ziehe sie in meine Arme und küsse ihr Haar. „Mir geht es gut, Mom. Ich bin hier. Es hat mich nur jede Menge Zeit gekostet von Portland hierher zurückzukehren. Was soll dieses Empfangskomitee?“ sage ich und blicke in die Menge. Meine Augen suchen nach einer Person, einer einzigen, bestimmten Person. Schließlich finde ich sie. Unsere Blicke treffen sich. Das ist der Anblick, nach dem ich mich den ganzen Tag verzehrt habe, meine Rettungsanker. Und ihre Hand wird von niemand geringerem als von diesem Scheißkerl José gehalten! Mein Blick ruht auf seinen Händen, die die von meinem Mädchen umschließen. Ich blinzele ihn besitzergreifend an. Automatisch lässt er ihre Hände los. Meine Lippen sind immer noch zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Den ganzen Tag über habe ich mir vorgestellt, wie jemand anderes sie in meiner Abwesenheit besänftigt. Und hier sitzt nun dieser jemand. Anastasias Augen sind rot, verquollen, und ihre Lippen sind pink, von ihrem Geschrei geschwollen.

Aber ich bin immer noch verwirrt. Was wollen diese ganzen Leute bei mir zu Hause? Was ist hier los?

„Mir geht es gut, Mom. Was ist los?“ frage ich sie. Sie nimmt mein Gesicht in ihre Hände, wie sie es auch bei einem kleinen Kind machen würde.

„Du warst den ganzen Tag verschwunden, mein Sohn! Wir haben gehört, dass …“, sie hält inne und versucht sich zu sammeln. „Wir haben gehört, dass dein Flugplan, also, dass dein Flug niemals in Seattle angekommen ist. Warum hast du uns nicht Bescheid gesagt? Irgendjemanden?“ fragt sie aufgelöst.

„Es tut mir leid, Mom. Ich habe nicht gedacht, dass es so lange dauern würde“, erwidere ich.

„Ist ja gut, aber warum hast du uns nicht angerufen?“

„Mein Handy war leer.“

„Herrgott, du hättest irgendwo anhalten können und ein R-Gespräch führen können. Warum hast du das nicht gemacht?“

„Das ist eine lange Geschichte, Mom. Hatte nicht die Möglichkeit“, antworte ich.

„Christian Grey! Tu das nie wieder! Verstehst du mich? Nie wieder!” tadelt sie mich schon fast schreiend. Ihre Augen nehmen langsam einen erleichterten Ausdruck an, obwohl die Sorge noch deutlich zu erkennen ist.

„Okay, Mom, das werde ich nicht“, sage ich und wische ihre Tränen weg, ehe ich sie erneut umarme. Als ich meine Mutter loslasse, kommt Mia auf mich zu, um mich ebenfalls zu umarmen. Doch bevor sie das tut, schlägt sie mir heftig gegen die Brust.

„Du Idiot! Weißt du eigentlich, was wir uns für Sorgen gemacht haben?“ schreit sie tränenüberströmt und umarmt mich.

„Es tut mir leid. Jetzt bin ich da, um Himmels Willen“, murmele ich. Als ich Mia loslasse, tritt mein Bruder Elliot vor. Mein Dad hält Mia in einem und meine Mutter im anderen Arm. Mein Bruder, mein Macho Bruder, tritt auf mich zu und umarmt mich zu meiner völligen Überraschung. Mit seiner Hand schlägt er mir hart auf den Rücken.

„Es tut gut dich wiederzusehen, Bro!“ sagt er barsch und versucht seine Gefühle zu unterdrücken. Es gelingt ihm aber nicht.

Anastasia sitzt wie festgefroren auf ihrem Platz. Katherine flüstert ihr etwas ins Ohr. Ich kann meine Augen einfach nicht von ihr abwenden.

„Mom, Dad“, sage ich und richte meinen Blick auf Anastasia, „Und jetzt werde ich mein Mädchen begrüßen.“ Sie nicken und gehen zur Seite.

Mein Blick ruht auf ihr. Mit langsamen, aber entschlossenen Schritten gehe ich auf sie zu. Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich sie wiedersehe. Sie steht von ihrem Platz auf, schwankt und stürzt sich in meine offenen Arme.

„Christian! Christian! Christian!” schnieft sie in meinen Armen. Schließlich durchströmt mich die Erleichterung, als ich sie endlich in meinen Armen spüre, ihren Duft, ihre Präsenz, ihre Stimme – all das erweckt meine Sinne. Ich vergrabe mein Gesicht in ihren Haaren, sauge ihren Duft ein, verschlinge sie und spüre wie in mir wieder das Leben erwacht.

„Schh,  Baby. Ich bin hier“, flüstere ich und halte sie. Endlich schafft sie es, ihren Kopf zu heben und mich anzusehen. Ich küsse sie.


„Hi, Baby“, flüstere ich gegen ihre Lippen.

„Hi“, murmelt sie zurück und versucht ihre Schluchzer zu unterdrücken.

Im Moment spüre ich nur diese überwältigende Liebe für sie. Ich will sie nicht gehen lassen.

„Hast du mich vermisst?“ frage ich.

„Ein bisschen“, sagt sie und ich muss grinsen.

„Ich denke schon“, sage ich, strecke meine Hand aus und wische ihre Tränen weg. Sie kullern aber dennoch unaufhörlich über ihre Wangen.

Ihr Gesicht nimmt einen besorgten Ausdruck an und sie beginnt wieder zu schluchzen. „Ich habe wirklich gedacht …“, sagt sie und bricht ab, „Ich dachte …“ Sie schafft es nicht, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Ich halte sie noch fester und versuche sie zu beruhigen.

„Ich weiß, Baby. Jetzt bin ich ja da. Es tut mir leid. Schh, mein Liebling. Ich erkläre es dir später”, murmele ich, um sie zu beruhigen. Ich küsse sie erneut, schmecke den salzigen Geschmack ihrer Tränen und ihre Besorgnis. Ich habe sie so sehr vermisst. Ich will sie nicht gehen lassen.

„Geht es dir gut?“ fragt sie und löst sich viel zu schnell von mir. Sie berührt meine Arme, meine Brust, meine Taille. Sie will mich spüren und ihre Berührung macht mir überhaupt nichts aus. Ich habe mich den ganzen Tag danach gesehnt, sie begehrt und hätte sie beinahe für immer verloren. Ich stehe auf der Stelle, sehe sie eindringlich an, spüre ihre Berührung, suhle mich darin. Ich gehöre ihr und sie gehört mir. Gott sei Dank! Ich bin wieder bei ihr, ich bin zu Hause.

„Mir geht es gut, Baby. Ich gehe nirgends wohin“, erkläre ich entschieden.

„Oh, Gott sei Dank, Christian!“ sagt sie und hält mich fest umklammert. „Bist du hungrig oder durstig? Möchtest du etwas?“ fragt sie in einem einzigen Atemzug.

„Ja, bin ich”, antworte ich. Sie will sich umdrehen, um mir etwas zu essen zu holen. Aber ich halte sie fest und ziehe sie zurück in meine Arme. Ich strecke ihrem ‚Freund‘ José die Hand entgegen.

„Mr. Grey“, sagt er mit gleichmäßiger Stimme.

Ich mache ein schnaubendes Geräusch, das ich so gar nicht von mir kenne. Nach dieser Gefühlsflut, die mir in den letzten Minuten entgegengebracht wurde, scheint sich mein Herz ein klitzekleines bisschen zu erweichen. „Christian, bitte“, sage ich.

„Christian“, sagt er und nickt. „Willkommen zurück. Ich bin froh, dass es Ihnen gut geht, Mann und ähm, danke, dass ich hier übernachten darf“, sagt er anerkennend.

„Kein Problem“, sage ich, obwohl es nicht meine erste Wahl war. Aber im Moment ist in meinem Universum alles in Ordnung. Ich komme damit klar. Plötzlich taucht Mrs. Jones neben mir auf. Sie sieht bekümmert aus. Sie trägt ihr Haar nicht in ihrem üblichen Knoten. Zudem hat sie graue Leggins und ein großes, graues Sweatshirt mit der Aufschrift WSU Cougars an. Sie sieht eher wie eine College Studentin als meine immer gefasste Haushälterin aus.

Sie hat auch geweint und während sie ihre Augen mit einem Kleenex abwischt, versucht sie ihre Haltung wieder zugewinnen. Sie fragt mich, „Kann ich Ihnen etwas bringen, Mr. Grey?“

Mrs. Jones war schon immer eine loyale Angestellte, aber ich hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, dass sie sich solche Sorgen um mich machen würde. Ich kann sie nur freundlich anlächeln und sage, „Kann ich bitte ein Budweiser haben, Gale, und einen Happen zu essen.“

Anastasia springt auf, um mir das Essen und das Bier zu holen.

„Nein“, ich ziehe sie zurück. Ich kann es nicht ertragen, sie gehen zu lassen. Ich habe mich die letzten acht Stunden nach ihrer Nähe gesehnt. Es war die reinste Qual für mich. „Geh nicht”, sage ich leise und ich halte sie neben mir fest.

Beruhigt sieht sie zu mir auf und sagt leise, „Okay.“

„Alter, ich bin überrascht, dass du nichts Stärkeres willst! Was zum Teufel ist mit dir passiert? Dad hat mich zuerst angerufen und gesagt, dass dein Hubschrapschrap als vermisst gemeldet wurde und“, aber meine Mom unterbricht ihn.

„Elliot!“

„Helikopter, nicht Hubschrapschrap“, brumme ich und Elliot grinst mich an. Elliot weiß, dass ich dieses Wort hasse. Die meisten Berufspiloten verabscheuen diese Bezeichnung. Helikopter sind auch als Drehflügler bekannt, da sich die Flügel oder Blätter des Helikopters drehen. Nur die Laien, die noch nicht geflogen sind, nennen sie Hubschrapschrap. Es ist genauso wie wenn man ein Flugzeug „einen  Vogel“ nennen würde. Elliot grinst, als hätte er mit seinem Witz soeben einen Home Run vollzogen.

„Ich werde euch erzählen, was passiert ist. Setzt euch doch alle“, sage ich und ziehe Anastasia zur mir aufs Sofa. Meine ganze Familie, José und Katherine, alle setzen sich und richten ihren Blick auf mich, warten gespannt, was ich zu erzählen habe. Ich nehme einen großen Schluck aus der Bierflasche, ehe ich sie zurück auf den Couchtisch stelle. Als ich meinen Kopf hebe, bemerke ich, wie Taylor den Raum sorgenvoll betritt. Mrs. Jones muss ihm Bescheid gesagt haben. Er sieht besorgt, aufgebracht und erleichtert aus, alles zur selben Zeit. Ich nicke ihm zu und er nickt ebenfalls.

„Wie geht es Ihrer Tochter?“

„Ihr geht es gut, Sir. Falscher Alarm.“

„Gut“, sage ich und bin froh, andere gute Neuigkeiten zu hören.

„Ich bin froh, dass sie wieder da sind, Sir. Ist das dann alles?“

„Wir müssen Charlie Tango abholen lassen“, antworte ich.

„Jetzt oder Morgen früh, Sir?“

„Morgen früh ist besser, Taylor“ sage ich wohlwissend, dass es schwer sein wird Charlie Tango zu lokalisieren. Und ich habe keine Lust irgendjemandem den Weg zu zeigen. Ich möchte bei Anastasia bleiben.

„In Ordnung, Sir. Sonst noch etwas, Sir?“ fragt er und ich schüttele meinen Kopf. Er wirft mir aufrichtiges Jason Taylor Lächeln zu, das so selten ist wie ein lebendes Einhorn. Er verlässt den Raum in Richtung seines Büros.

Die beharrliche Stimme meines Dads holt mich zurück.

„Christian, was ist passiert, mein Sohn?“ fragt er.

„Also gut. Heute Morgen habe ich einen Anruf von der WSU in Vancouver bekommen. Es ging um ein Problem wegen der Fördergelder. Also habe ich Ros mitgenommen, um sie als Executive im Bereich der Fördergelder einzusetzen. Sollte es noch einmal Probleme geben, kann sie diese lösen und ich muss nicht immer persönlich dorthin fahren“, sage ich. Anastasia hält meine Hand und streicht über meine Knöchel. Es fühlt sich großartig an, ihre körperliche Nähe zu spüren. Danach habe ich mich so sehr gesehnt. Dieses Verlangen hat mich einen klaren Kopf bewahren lassen. Ich war entschlossen und konzentriert.

„Als wir das Problem mit den Fördermitteln geklärt hatten, hat Ros mich gefragt, ob wir einen kleinen Umweg machen könnten. Sie wollte so gern Mount St. Helens sehen. Also haben wir auf dem Rückweg diesen kleinen Umweg gemacht, weil ich wusste, dass die Flugbeschränkung verändert wurde. Außerdem wollte ich mir auch ansehen, wie der Berg im Moment aussieht. Ich schätze, es war unser großes Glück, dass wir so tief geflogen sind. Wir waren etwa sechzig Meter über dem Erdboden und gerade als ich mich dem Silver Lake näherte, leuchteten alle Anzeigen am Instrumentenbrett auf - als würde man die Beleuchtung am Weihnachtsbaum einschalten. Alle Alarmtöne haben geschrillt. Auf der Anzeige habe ich erkannt, dass ein Feuer im Heckrotor ausgebrochen ist. Ich musste schnell meine Entscheidungen treffen, um den Helikopter zu landen. Die Elektronik war bereits zum Teil ausgefallen und die mir verbliebene musste ich zudem auch noch minimieren. Der Funk war auch schon ausgefallen. Als wir uns dem Boden genähert haben, musste ich alles ausschalten und die Maschine landen“, sage ich und erspare ihnen dem Rest des Martyriums, das wir erlebt haben.

Sie sind sowieso schon alle besorgt, da muss ich es nicht noch schlimmer machen.

„Natürlich wollte ich nicht riskieren, die Elektronik wieder einzuschalten. Unsere Handys hatten keinen Empfang. Es gab wohl keinen Mobilfunkmast in der Gegend. Aber das GPS auf dem Blackberry hat funktioniert und uns dabei geholfen, zur nächsten Straße zu finden. Es hat fast vier Stunden gedauert, bis wir die Straße erreicht haben. Ros hatte ihre High Heels an“, sage ich und erinnere mich an ihre ziemlich hohen Absätze und ihren Bleistiftrock, die uns nur im Schneckentempo vorankommen ließen.

„Handyempfang hatten wir auch nicht. Ros’ Akku hat als Erster den Geist aufgegeben und meiner dann irgendwann unterwegs.“ Ich spüre, wie sich Anastasia neben mir anspannt, als sie hört, was ich zu sagen habe. Ich ziehe sie auf meinen Schoß, um sie zu beruhigen. Außerdem brauche ich diese Nähe, ich muss sie spüren.

Und wie seid ihr dann nach Seattle zurückgekommen?“ fragt meine Mutter neugierig. Sie nimmt erfreut zur Kenntnis, dass ich vor der Familie praktisch mit Anastasia kuschele.

„Per Anhalter. Wir haben all unser Bargeld zusammengeworfen. Zusammen hatten wir über sechshundert Dollar, und wir dachten, wir müssten irgendjemanden bestechen, damit er uns herbringt, aber dann hat ein Trucker angehalten und uns mitgenommen. Er wollte unser Geld nicht und hat sogar noch sein Essen mit uns geteilt“, sage ich und erinnere mich an Len Mattsons Freundlichkeit. Im Gegenzug werde ich ihm etwas zukommen lassen.

„Es hat eine halbe Ewigkeit gedauert. Er hatte kein Handy, so unglaublich sich das auch anhören mag. Mir war schlicht und einfach nicht bewusst …“, sage ich und schaffe es nicht, meine Gefühle in Worte zu fassen. Meine Familie hat mir so viel Liebe entgegen gebracht – es ist überwältigend.

„Dass wir uns Sorgen machen? Christian! Wir alle haben beinahe den Verstand verloren!“ tadelt mich meine Mutter.

„Du warst sogar in den Nachrichten, Bruderherz!“ sagt Elliot.

„Ja. Das habe ich mir beinahe gedacht, als ich vorhin in die Lobby gekommen bin und die Horde Fotografen vor der Tür gesehen habe. Tut mir leid, Mom. Ich hätte dem Trucker sagen sollen, dass er irgendwo anhält, damit ich telefonieren kann. Aber ich wollte so schnell wie möglich nach Hause“, sage ich und mein Blick wandert wie von selbst zu José. Ich wollte nicht, dass er sich über meine Freundin hermacht.

Meine Mutter schüttelt den Kopf, als würde sie versuchen, ihre Sorgen abzuschütteln. Dann sagt sie, „Ich bin bloß froh, dass du heil wieder zuhause bist, Schatz.“

Anastasia legt ihren Kopf gegen meine Brust und atmet meinen Geruch ein. Sie will mich spüren und verstärkt ihren Griff. Ich merke, wie ihre Tränen auf meine Brust kullern und ihre stummen Schreie treffen mich tief in meinem Herzen.

„Beide Triebwerke, sagst du?“, fragt mein Vater ungläubig.

Das wäre ein ziemlich großer Zufall. Ich zucke mit den Achseln und streiche mit meiner Hand über ihren Rücken. Anastasia in meiner Nähe zu spüren, beruhigt mich. „Ja, das werden wir herausfinden.“

Anastasia entweicht ein leiser Schluchzer. Sie versucht sich zu beherrschen.

„Shhh …“, besänftige ich sie. Mit einem Finger hebe ich ihr Kinn an und bringe sie dazu, mich anzusehen. „Hör auf zu weinen, Baby“, sage ich leise.

Mit ihrem Handrücken wischt sie sich ihre Augen und ihre Nase ab, „Hör du auf, einfach spurlos zu verschwinden“, schnieft sie. Ihre Lippen beben. Ihre Liebe und Zuneigung bringen ein Lächeln auf meine Lippen.

„Ein Kurzschluss. Ziemlich seltsam, findest du nicht auch?“ Ich weiß, dass es seltsam ist.

„Ja, genau das habe ich auch schon gedacht. Aber jetzt würde ich gern ins Bett gehen und mir morgen in Ruhe über alles Gedanken machen.“

„Was ist mit den Medien? Wissen die inzwischen, dass Sie sicher und wohlbehalten nach Hause zurückgekehrt sind?“ fragt Katherine.

„Ja. Meine Assistentin Andrea und meine PR-Leute kümmern sich um die Journalisten.
Ros hat sie gleich angerufen, nachdem wir sie zuhause abgesetzt hatten.“

„Ja, Andrea hat sich sofort bei mir gemeldet und gesagt, dass du lebst“, sagt mein Vater. Ich stelle fest, dass ich ziemlich gute Angestellte habe, die sich jeder Herausforderung stellen.

„Ich muss ihr unbedingt eine Gehaltserhöhung geben. Es ist schon ziemlich spät und sie arbeitet trotzdem“, sage ich.

„Tja, meine Damen, meine Herren, ich glaube, das ist ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass mein reizendes Bruderherz seinen Schönheitsschlaf braucht“, sagt Elliot und hebt vielsagend eine Augenbraue. Ich schneide ihm eine Grimasse.
„Cary, du kannst mich jetzt nach Hause bringen. Mein Sohn ist in Sicherheit, Schatz“, sagt meine Mutter mit zarter, liebevoller Stimme.

„Ja, Liebling. Ich glaube, uns allen tut eine Mütze voll Schlaf jetzt gut“, sagt mein Vater.

„Bleibt doch bitte“, biete ich ihnen an.

„Nein, Schatz, ich will nach Hause. Jetzt, da ich weiß, dass du gesund und munter bist“, sagt sie liebevoll. Widerstrebend setze ich Anastasia auf dem Sofa ab, damit ich meine Mutter zum Abschied umarmen kann. Sie hält mich fest, lehnt ihren Kopf an meine Brust und atmet meinen Geruch ein. Sie zeigt mir ihre Liebe. Ich bin von einer tiefen innerlichen Zufriedenheit erfüllt.

„Ich hatte solche Angst um dich, Schatz“, flüstert sie.

Ich blinzele und halte sie noch fester, „Mir geht’s gut, Mom.“

Sie lehnt sich zurück und mustert mich. Als sie schließlich sicher ist, dass es mir gut geht und sie hier in meinen Armen ist, nickt sie. „Ja. Ich glaube, du hast Recht“, sagt sie und ich glaube, sie ist froh, dass ich jemanden habe, der mich halten und lieben kann. Sie wirft Anastasia einen Blick zu. Anastasia läuft rot an.

Als wir mit Mom und Dad ins Foyer gehen, ruft Mia ihnen hinterher.

„Mom, Dad, wartet auf mich!“ Sie klingt verärgert.

Katherine Kavanagh umarmt Anastasia auf ihrem Weg nach draußen. Die beiden flüstern sich etwas zu. Elliot ruft seine Freundin aus dem Aufzug. „Komm, Baby. Lass uns gehen“, drängt er sie.

„Wir reden morgen weiter, Ana. Du bist bestimmt völlig erledigt“, sagt sie zu Anastasia.

„Klar. Du auch, Kate. Immerhin hast du eine ziemlich lange Reise hinter dir.“

Sie umarmen sich ein weiteres Mal. Ethan schüttelt meine Hand und umarmt Anastasia zu meinem Missfallen. José wartet im Foyer. „Okay. Ich mache Schluss für heute. Ihr habt euch bestimmt eine Menge zu erzählen.“ Anastasia wird daraufhin rot.

„Sie wissen, wo Ihr Zimmer ist?“ frage ich ihn und er nickt.

„Ja, Ihre Haushälterin …“, sagt er und Anastasia unterbricht ihn.

„Ihr Name ist Mrs. Jones.“

„Genau. Mrs. Jones hat es mir vorhin gezeigt. Ziemlich beeindruckende Wohnung, Christian“, sagt er.

„Danke, José“, sage ich, umarme Anastasia und küsse ihr Haar.

„Ich brauche jetzt erst einmal etwas zu essen. Mal sehen, was Mrs. Jones hergerichtet hat. Gute Nacht, José“, sage ich und lasse Anastasia und José im Foyer zurück. Ich will Anastasia zeigen, dass ich ihr vertraue. Obwohl es mir ziemlich schwerfällt, da ich weiß, dass dieser Typ völlig verrückt nach meiner Freundin ist.

Ich gehe zur Frühstücksbar und ohne darauf zu achten, was ich esse, schlinge ich alles, was auf dem Teller liegt, in mich hinein. Heute Nacht möchte ich mich einfach nur noch in meiner Freundin verlieren. Als Anastasia den Raum betritt, spüre ich ein immenses Verlangen in meinem Herzen. Es ist ein Gefühl, ohne dass ich nicht mehr leben kann. Sie ist mein Grund zu leben. Für eine Weile blicken wir einander einfach nur an.

„Ihn hat’s immer noch schwer erwischt“, murmele ich.

Sie lächelt mich an und fragt, „ Und woher wollen Sie das wissen, Mr. Grey?“

„Ich erkenne die Symptome, Miss Steele. Ich glaube, ich leide unter derselben Krankheit“, antworte ich. Es nennt sich Verliebtheit.

„Ich dachte, ich sehe dich nie wieder, Christian“, flüstert sie voller Kummer. Plötzlich habe ich das immense Verlangen sie zu trösten. Ich will ihr den Kummer nehmen. „Es war gar nicht so schlimm, wie es sich anhört“, sage ich plötzlich. Sie hebt mein Jackett, meine Schuhe und meine Socken vom Boden auf und kommt auf mich zu.

Ich strecke meine Hand nach dem Jackett aus und sage, „Ich nehme es schon.“ Endlich sind wir allein. Ich bin bei Anastasia, die während dieser ganzen Tortur mein Rettungsanker war. Sie hat mir Hoffnung, Leben, Kraft und einen Grund gegeben, zurückzukehren. Ich kann die wenigen Zentimeter Abstand zwischen uns nicht mehr länger ertragen. Ich gehe auf sie zu und halte sie in meinen Armen.

„Oh, Christian!“ sagt sie keuchend und schluchzt. Die Tränen strömen über ihre Wangen auf meine Brust.

„Schh, Baby“, beruhige ich sie und küsse ihr Haar. „In den kurzen Sekunden vor der
Landung, als mich die blanke Angst gepackt hatte, konnte ich nur an dich denken. Du bist mein Glücksbringer, mein Engel, Ana“, sage ich. Jetzt habe ich es laut ausgesprochen. Ich habe ihr meine größten Ängste offenbart.

Sie schluchzt weiter an meiner Brust und umklammert mich noch fester. „ Ich dachte wirklich, ich habe dich verloren, Christian“, sagt sie mit gequälter Stimme. Als sie mich noch fester umschließt, lässt sie meine Schuhe auf den Boden fallen. Wir stehen noch eine Weile in dieser Blase da. Im Moment existiert nichts anderes, nur unsere Verbindung.

„Komm mit mir unter die Dusche“, murmele ich und ziehe an ihrer Hand. Ich muss sie spüren. Alles an ihr! Ich brauche eine lebensbejahende Erfahrung und nur sie kann mir diese bescheren!

„Okay“, antwortet sie und sieht mich an. Ihr Gesicht ist gerötet und von ihren Tränen übersät. Ihre Augen sind rot vom ganzen Weinen. Ich strecke meine Hand aus und hebe ihr Kinn mit meinen Fingern an.

„Ana Steele, sogar tränenüberströmt bist du eine wunderschöne Frau“, sage ich, beuge mich vor und küsse sie. „Und deine Lippen sind so weich.“ Ich küsse sie erneut, vertiefe unseren Kuss. Sie gibt sich hin und vereinigt sich mit mir.

Ich muss mein Jackett ablegen“, murmele ich gegen ihre Lippen.

„Lass es einfach fallen“, flüstert sie in meinen Mund.

„Ich kann nicht, Baby“, sage ich und erinnere mich an die kleine Box, die die einzige Verbindung zu ihr war. Anastasia lehnt sich verwirrt zurück.

Ich nehme die kleine Box, die sie mir gegeben hat hervor und zeige sie ihr. „Das ist der Grund“, sage ich. Ich hoffe, sie lässt sie mich öffnen. Es ist 00:03. Genau genommen ist es bereits Samstag.

„Mach es auf“, flüstert sie.


„Gott sei Dank! Ich hatte gehofft, dass du das sagst. Diese Schachtel bringt mich schon
den ganzen Tag um den Verstand“, sage ich und sie grinst mich an.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, jetzt, wo ich herausfinden werde, was die kleine Box beinhaltet. Ich löse das Band und öffne das braune Packpapier. Darin befindet sich ein rechteckiger Plastikschlüsselanhänger. Ich halte ihn hoch und bin verwirrt, was er bedeuten soll. Darauf befindet sich ein Bild der Seattle Skyline, es sieht aus wie ein LED Screen. Man sieht die Space Needle und das Wort SEATTLE ist in großen Buchstaben, die aufleuchten darauf geschrieben.

Was hat das zu bedeuten?

Ein Schlüssel zum Haus? Zu meinem Herzen? Zu ihren Herzen? Bedeutet es, dass sie mit mir einziehen wird?

 Was ist es? Ich blicke auf den Schlüsselanhänger. Dann blicke ich sie völlig verwirrt und fragend an.

„Dreh ihn einfach um, Christian“, flüstert sie atemlos.

Als ich ihn umdrehe, beginnt mein Herz zu taumeln und stoppt. Meine Augen weiten sich. In meinem ganzen Leben war ich noch nie so glücklich! Nichts, was ich je bekommen habe, hat mich so glücklich gemacht, wie dieser kleine, preiswerte Schlüsselanhänger. Jetzt ist er unbezahlbar und der Schlüssel zu meinem Glück. Meine Lippen teilen sich vor Unglauben. Ich bringe kein Wort heraus.

Das Wort ja leuchtet auf der Rückseite des Schlüsselanhängers.



„Alles Gute zum Geburtstag, Christian“, flüstert sie. Oh ja, das ist er wirklich! Ein verdammt guter Geburtstag! 

Start of Something Good by Daughtry

*****




2 comments:

Anonymous said...

Hi ,
WOW...ein Super Kapitel...
Der Absturz ist so detailliert Beschrieben....wirklich sehr gut geschrieben.
Auch der Weg zurück nach Seattle, und der Trucker...super!
Ich bin immer wieder fast sprachlos wie viel Mühe und Gedanken du/ihr Euch macht!
Danke

Anonymous said...

Hallo,

und wow das ist ein super schönews Kapitel, mit den ganzen details und gedanekn, ich liebe es und ich musste doch etwas schmunzeln über die liebe Ros und ihre Schuhe. :)

Ich danke euch wirklich sehr für diese tolle möglichkeit auch Christians sicht zu lesen.

So nun freu ich mich ehrlich gesagt aber auf seine Geburtstagsfeier und auf das treffen mit Elena Gott was er da wohl so denkt, ich bin so gespannt.

Ich hoffe das es bald kommt,
Danke noch mal für eure tolle arbeit und die viele mühe die ihr euch macht.

Lg sabrina