Kapitel XIX
Gemeinsame Therapiesitzung
Ich
gehe zum Audi SUV, in dem Taylor auf mich wartet. Er steigt aus und öffnet mir
die Beifahrertür. Sobald ich eingestiegen bin, wähle ich Roachs Nummer.
Sofort
meldet er sich. Die Angst, die von seiner Stimme stammt, verrät mir, dass er
geglaubt hat, dass ich das Unternehmen auflösen werde.
„Roach
hier“, sagt er kleinlaut.
„Grey“,
gebe ich zurück.
„Wie
kann ich Ihnen heute Morgen helfen, Mr. Grey?” Er will sich auf meine Seite
schlagen.
„Ich
brauche ein Statusupdate bezüglich Hyde!“ herrsche ich ihn an.
„Sein
letzter Gehaltscheck und seine Abfindung werden ihm zugeschickt. Aber seine Stelle
wurde gekündigt. Er wird kein Empfehlungsschreiben von der Firma erhalten,
Sir.“
„Prima.
Und seine Assistentin, Miss Steele?“ frage ich.
„Möchten
Sie, dass wir ihre Stelle ebenfalls kündigen?“
„Natürlich
nicht!“ zische ich scharf.
„Um
Ihnen die Wahrheit zu sagen, Sir. In Hydes Abwesenheit können wir ihre
Unterstützung gut gebrauchen. Sie kennt Hydes Autoren und stand bereits mit ihnen
in Kontakt. Außerdem hat sie einige beeindruckende Synopsen über Manuskripte
von künftigen Autoren, die Hyde in Erwägung gezogen hat, geschrieben. Es wäre
zu unserem Vorteil, sie zu behalten.“
„Einverstanden“,
sage ich.
„Kann
ich Ihnen sonst noch behilflich sein, Sir?“ fragt er zaghaft.
„Das
ist alles“, sage ich und lege auf.
Als
wir am GEH ankommen, fährt Taylor in die Tiefgarage und parkt den SUV. Nachdem
er den Motor ausgeschaltet hat, steigt er aus und öffnet mir die Tür. Gemeinsam
gehen wir zu den Aufzügen. Ich drücke den Rufknopf und ohne Taylor anzusehen,
sage ich mit ungerührter Stimme, „Danke für Ihre Hilfe gestern, Taylor.“
Taylor,
der nicht daran gewöhnt ist eine Dankeschön oder ein Kompliment zu erhalten,
läuft rot an. Er verlagert vor lauter Unbehagen sein Gewicht von einem auf das
andere Bein. Nachdem er sich geräuspert hat, sagt er, „Mache nur meinen Job,
Sir.“ Zu seinen Gunsten nicke ich. Glücklicherweise öffnen sich die Aufzugtüren
und die Klingel hilft uns beiden aus dieser peinlichen Situation heraus. Das
Thema ist damit beendet.
Sobald
ich mein Büro betrete, springen Andrea und die schreckhafte Olivia auf und
verkünden im Gleichklang, „Guten Morgen, Mr. Grey!“
Rasch
nimmt Andrea ihr iPad, um mit mir die Termine des heutigen Tages zu besprechen
und hält einen Stapel Dokumente in den Händen. Aber ich hebe meine Hand, um ihr
Einhalt zu gebieten. „Ich werde Sie rufen, wenn ich Sie brauche“, sage ich
gelassen. Sie hält inne und der Fuß, den sie gerade einen Schritt vorwärts
setzen wollte, verweilt einen Moment in der Luft, ehe sie ihn wieder
zurücknimmt. Ich bemerke, wie sich ein kleines Lächeln auf Taylors Lippen
abzeichnet.
„Und
Ihr Kaffee, Sir?“
„Bringen
Sie ihn rein“, sage ich und betrete mein Büro, ohne auf ihre Antwort zu warten.
Ich schalte meinen Computer an und setze mich auf meinen Stuhl. Taylor nimmt
seinen üblichen Platz in meinem Büro ein. Als ich gerade meine E-Mail
Applikation öffnen will, klingelt mein Blackberry. Ich nehme meinen Blackberry
aus meiner Tasche und überprüfe, die Nummer. Es ist Anastasia. Besorgt nehme
ich das Gespräch entgegen, als ich mich erinnere, in welcher Stimmung ich sie
vor SIP zurückgelassen habe:
„Anastasia. Ist alles in Ordnung?“
„Ja. Sie haben mir gerade Jacks Job gegeben – zumindest
vorübergehend“, sagt sie in einem Atemzug. Häh … Ich habe erwartet, dass Roach
Anastasia bei SIP hält, aber ich habe nicht gedacht, dass er Anastasia
vorübergehend befördert.
„Du machst Witze“, sage ich völlig überrascht.
Aber das, was Anastasia mich als nächstes fragt, verblüfft mich mehr.
„Hast du die Finger da drin?“ fragt sie mich
scharf.
„Nein, absolut nicht, nein. Ich meine, bei allem
Respekt, Anastasia, aber du bist erst seit einer Woche dort.“ Ich habe nicht
erwartet, dass Roach ihr Hydes Stelle anbietet, sei es auch nur vorübergehend.
„Das weiß ich auch. Offenbar hatte Jack eine hohe
Meinung von mir“, sagt sie und all meine Muskeln spannen sich an. Natürlich hat
er sie bewertet. Er war bereit, in ihr Höschen einzudringen, um ihr die
perfekte Bewertung zu geben! Hydes Name senkt meine Stimmung auf ein arktisches
Level. Ich könnte den Kaffee, den Andrea mir bringt, zu Eis gefrieren.
„Ach, tatsächlich?“ murmele ich eisig. Aber ich
will nicht, dass der Name dieses Arschlochs uns heute die Stimmung verdirbt.
Ich muss zugeben, dass Anastasia ein talentiertes Mädchen ist. Ich nicke Andrea
zu und sie verlässt zügig mein Büro.
„Wenn sie der Meinung sind, dass du es hinkriegst,
Baby, bin ich es auch. Glückwunsch! Vielleicht sollten wir deine Beförderung ja
feiern, nachdem wir bei Dr. Flynn waren.“
„Hmmm …“, sagt sie und scheint über das, was ich
ihr gerade vorgeschlagen habe, nachzugrübeln. „Und du bist ganz sicher, dass du
nichts damit zu tun hast?“ fragt sie argwöhnisch. Ihr Argwohn bringt mich
augenblicklich auf. Ich bin immer ehrlich zu ihr. Ich habe ihr doch erzählt,
dass ich nichts mit ihrer Beförderung zu tun habe. Warum zweifelt sie an meiner
Aufrichtigkeit? In Gedanken zähle ich, um mein Temperament im Zaum zu halten.
Zehn … Neun … Acht … Sieben … Sechs … Fünf … Vier … Drei … Zwei … Eins …
Scheiße! Ich rauche immer noch vor Wut!
„Zweifelst du etwa an mir?“ zische ich wütend.
„Das macht mich stinksauer!“
Für einen Moment hält sie inne und schließlich
gezüchtigt, entschuldigt sie sich. „Tut mir leid, dass ich an dir gezweifelt
habe, Christian“, flüstert sie leise. Ihre Antwort erweicht mein Herz.
„Anastasia …“, dränge ich sie leise, „Wenn du
etwas brauchst, sag Bescheid. Ich bin hier. Und Ana?“
„Was?“ fragt sie.
„Benutz immer deinen BlackBerry“, erinnere ich
sie mit brüsker Stimme.
Sie seufzt und antwortet, „Ja, Christian.“
Endlich stimmt Anastasia mir einmal zu, ohne
darüber zu diskutieren. Und sie hört sich auch ziemlich gehorsam an. Ich
verheddere mich in dieser momentanen
Einsamkeit. Ich werde alles nehmen, was mir meine misstrauische Freundin zu
bieten hat. Mit diesen zwei verdammt simplen Worten bringt sie mein Herz zum
Schmelzen.
„Ich meine es ernst … Wenn du mich brauchst – ich
bin hier.“
„Ich weiß, Christian. Danke. Ich liebe dich“,
sagt sie und meine Welt ist wieder in Ordnung. Ich grinse wie ein Idiot und
mache Taylor wahrscheinlich neugierig, was sie gesagt hat.
„Ich
liebe dich auch, Baby“, erwidere ich leise.
„Wir
hören uns später.“
„Ciao,
ciao, Baby“, sage ich und wir legen beide auf.
„Taylor!“
„Ja,
Sir“, antwortet er und kommt an meinen Tisch.
„Wie
war der Name des Floristen, bei dem wir schon einmal Blumen bestellt haben?“
„Es
tut mir Leid, Sir. Ich habe es vergessen.
Vielleicht erinnert sich Mrs. Jones daran. Ich kann sie fragen, wenn Sie
möchten“, sagt er.
„Nein,
ich werde sie anrufen“, sage ich und wähle Mrs. Jones Nummer.
Es
ruft und nach dem zweiten Klingeln meldet sich Mrs. Jones.
„Ja,
Mr. Grey“, meldet sie sich in ihrer ständig präsenten Art. Taylor kann ihre
Stimme hören und ich bemerke, wie sich seine Züge erweichen.
„Mrs.
Jones, wissen Sie noch den Namen des Floristen, bei dem wir das letzte Mal
bestellt haben?“ Sie weiß natürlich, was ich meine.
„Ja,
Sir. Er heißt ‚The Primary Colors‘.“
„Danke.
Ich habe noch eine weitere Frage“, sage ich und halte einen Moment verlegen
inne. Ich räuspere mich.
„Ja,
Mr. Grey“, antwortet sie mit ihrer sanften Stimme.
„Letztes
Mal haben Sie mir von der Bedeutung weißer Rosen erzählt. Gibt es noch eine
andere Blume, die für Anerkennung, Liebe und Dankbarkeit steht?“
„Natürlich,
Sir. Gemeinhin gelten alle Rosen als Symbol für Liebe und Dankbarkeit. Aber
pinke Rosen, Sir, sind unter den alten Gartenrosen die am meisten verbreiteten
und sie werden sehr stark mit diesen Gefühlen assoziiert. Zudem haben sie eine
Nebenbedeutung. Grazie, Eleganz, Anmut, und zugleich poetische Romantik.“
„Wow!
Ich hatte ja keine Ahnung! Haben sie jemals bei einem Floristen gearbeitet,
Mrs. Jones?“ frage ich.
Sie
stößt ein kleines Lachen aus. „Nein, Sir, aber ich bin eine Frau und kümmere
mich nun schon seit einigen Jahren um diverse Häuser. Dies sind Dinge, denen
die meisten gewissenhaften Frauen, Achtung schenken. Aber ich muss Sie noch auf
die Bedeutsamkeit der einzelnen Pink-Schattierungen aufmerksam machen, Sir.
Jede einzelne Schattierung liefert ihre eigene Bedeutung. Hier ein Beispiel,
Sir: Wenn Sie jemandem für etwas danken wollen, was er für Sie getan hat, dann
sollten sie ein dunkles Pink auswählen. Das ist die traditionelle Art eine
Danksagung zu übermitteln, da sie ein Symbol der Dankbarkeit und Anerkennung
sind.“
„Einen
Moment. Ich schriebe es mir kurz auf“, sage ich und angele nach einem Stift.
Taylor reicht mir seinen und ich nicke. „Fahren Sie fort, Mrs. Jones”, weise
ich sie an.
„Natürlich,
Sir. Allerdings ist ein dunkles Pink nicht die richtige Wahl, wenn es eine
innige Absicht hat. Wenn Sie damit Sanftmut und Bewunderung ausdrücken wollen,
sollten sie ein blassrosa wählen. Sie
übermitteln Eleganz und Raffinesse und vermitteln zugleich Dankbarkeit und
Bewunderung.“
„Blassrosa“,
murmele ich und unterstreiche es.
„Wenn
Sie sich für blassrosa entscheiden, Sir, würde ich Ihnen empfehlen, sie im
Strauß mit weißen Rosen mischen zu lassen. So wird die Nachricht, die sie damit
übermitteln wollen, keineswegs missverstanden.“
„Mrs.
Jones, Sie sind ein Genie!“ sage ich und lege auf. Ich bemerke, dass sich auf
Taylors Gesicht ein kaum erkennbarer selbstzufriedener Ausdruck abzeichnet.
Online
finden wir die Telefonnummer des Floristen The Primary Colors und ich rufe dort
an.
„Blumenladen
Primary Colors, Janice. Wie kann ich Ihnen helfen?“
Ich
gebe bei der Floristin meine Bestellung auf. Auf der Notiz, die ich hinzufügen
möchte, steht:
Herzlichen
Glückwunsch, Miss Steele … und alles
ganz allein geschafft!
Ohne jede Hilfe von deinem überfreundlichen,
größenwahnsinnigen CEO.
In Liebe,
Christian
Den
Liefertermin habe ich für 15:00 Uhr bestimmt. Meine Beine zittern vor
Aufregung. Ich kann ihre Reaktion kaum erwarten. Taylor hebt eine Augenbraue,
doch schnell wird sein Gesicht wieder glatt, als hätte er soeben, die Falten
auf einem Blatt gebügelt.
Ich drücke den
Knopf der Gegensprechanlage.
„Ja, Mr. Grey“,
meldet sich Andrea.
„Bestellen Sie
Barney zu mir, Andrea!“ befehle ich ihr. Als sie die Dringlichkeit in meiner
Stimme hört, verdoppelt sie ihre Bemühungen.
„Wird sofort
erledigt, Sir.“
Fünf Minuten
später höre ich ein Klopfen an meiner Tür. Barney spaziert mit seinem MacBook
Air unter dem Arm herein. Ungelenk betritt er mein Büro und ein Kabel hängt
über seinem Arm. Er trägt dunkelblaue Jeans mit Hosenträgern. An seinem Hemd
sind die obersten zwei Knöpfe geöffnet und entblößen seine haarlose Brust. Die Ärmel seines Hemdes sind mindestens
dreimal auf der einen, und vielleicht zweimal auf der anderen Seite
umgeschlagen. Außerdem trägt er schwarze Boots, solche, die normalerweise von
Polizisten getragen werden. Sie sind jedoch nur am Knöchel verschnürt und es
macht den Eindruck, dass er seine Jeans hinein gesteckt hat. Die Kappen seiner
Boots blühen wie eine Frühlingsblume über dem Bund seiner Jeans. Ich bin
überrascht, dass er nicht darüber gestolpert ist.
Die eine Seite
seiner Hosenträger hängt herunter, aber er scheint es nicht zu bemerken. Barney
ist nur zwei Jahre älter als ich. Seine hellblauen Augen werden von seiner
dunklen randlosen Brille verdunkelt. Sein schwarzes Haar ist zottelig und hängt
über dem Kragen seines Hemdes. Wenn man ihn so sieht, denkt man er ist ein
College Student, der mit seinen Klamotten ins Bett gegangen ist, nachdem er die
ganze Nacht über gelernt hat und zu spät aufgewacht ist und dadurch zur Schule
rennen musste, ohne sich zu waschen. Aber das ist Barneys üblicher Look. Ich
glaube, dieser Look nennt sich Geek Chic. Worauf auch immer er Lust hat …
Generell ist es mir egal, wie Barney sich anzieht. Er ist ein Genie, was
Computer betrifft.
Er tritt vor
meinen Schreibtisch und schiebt seine Brille die Nase hoch.
„Barney, Sie
haben da ein Kabel über Ihrem Arm hängen“, sage ich.
„Ja. Ich war
gerade dabei, die Server zu kontrollieren. Dient der elektrostatischen
Entladung, Sir.“
„Wie verläuft
die Installation der neuen Feuerlöschanlage?“
„Sehr gut, Sir.
Ich habe mir alles angesehen.“
„Geben Sie mir
die Fakten über das neue System und schicken Sie mir die Berichte per Mail“,
sage ich zu Barney.
„Sir, Sie
wissen, dass ich immer dagegen war, eine Sprinkleranlage in der Nähe unserer
Server zu haben. Obwohl sie sich nicht im Serverraum befinden, waren sie
dennoch in unmittelbarer Nähe. Sie können nämlich katastrophale Schäden in der
Computerumgebung anrichten und wir wären nicht in der Lage irgendetwas
wiederherzustellen. Aber da Sie, Sir, und GEH für eine umweltfreundliche Anlage
sind, haben die alten nicht mehr ihre Aufgabe erfüllt und zudem waren sie auch
nicht umweltfreundlich. Darüber hinaus, Sir, war es Zeit für ein Update und
leider sind ältere System und selbst nachfolgende Technologien zu teuer, um sie
zu erwerben und zu installieren“, sagt er. Ich nicke, aber widerspreche ihm.
„Dieses ist
aber auch nicht günstiger. Genau genommen ist es sogar viel teurer, als das
alte System, was wir hatten.“
„Das stimmt,
aber ich garantiere Ihnen, dass es die Investition wert sein wird, wenn es
Notfälle gibt, Sir. Wir werden in der Lage sein, fast alles
wiederherzustellen.“
„Was für ein
Gas wird verwendet?“
„Es nennt sich
Inergen. Darin befinden sich reglose Gase, Sir. Circa 52% Stickstoff, 40% Argon
und 8% Kohlensäure.”
„Haben Sie die
Preisliste dabei?“ frage ich und er gibt mir einen Ordner. Ich öffne ihn und
pfeife.
„Ich weiß, dass
ich zugestimmt habe, aber es ist ganz schön kostenintensiv. Was für spezielle
Vorteile sehen sie in diesem Typ?“ frage ich und zweifele an den monumentalen
Vorteilen.
„Der einzige
Haken an der ganzen Sache ist der benötigte Stauraum für die Lagertanks. Aber
im Ernstfall bedarf es keinerlei Reinigungsarbeiten. Und das ist sehr
ausschlaggebend, Sir, weil wir sehr teure Datenspeicherungssysteme und –server
haben, die die ganze Firma betreiben. Der Verlust dieser wäre …“, er schüttelt
seinen Kopf, „verheerend für das Unternehmen. Um es noch milde auszudrücken.
Dieses bestimmte System reduziert den Sauerstofflevel während Bränden. Es
kreiert keinen Schleier und ist atmungsaktiv während der Entladung. Natürlich
ist es sehr effektiv, Sir.“
Eingehend prüfe
ich das Dokument.
„Barney, hier
steht, dass man nach einer Entladung, den Druck ablassen muss, um Schäden an
der Anlage zu vermeiden. Was ist, wenn sich jemand im Serverraum befindet?“
„Unser System
ist so konzipiert, dass ein Techniker oder auch ich, nur für eine begrenzte
Zeit in den Serverraum kann. In dieser Zeitspanne weiß das Computersystem, dass
es für einen bestimmten Druck und einen bestimmten Sauerstoffanteil in der Luft
sorgen muss. Sobald wird den Raum verlassen, bemerkt das System, dass sich niemand
mehr im Raum befindet und der Druck und der Sauerstoffanteil werden wieder
verändert. Wir haben druckbeständige Anlagen und sie sind genau dafür
entwickelt worden. Darüber hinaus beträgt das Treibhauspotential dieser
bestimmten Marke null und ebenso das Ozonabbaupotenzial“, sagt er und schiebt
seine Brille zum dritten Mal hoch. „Für die Umgebung ist es ziemlich sicher und
der Schaden am System wäre minimal, da die Effektivität auf das höchstmögliche
Level angehoben würde, Sir“, sagt er stolz, als würde er über seinen
zukünftigen Sohn Barney Jr. sprechen.
Aus irgendeinem
Grund scheint Barney Taylor zu amüsieren. Er konnte sich ein Grinsen schon
nicht verkneifen, als er Barney gesehen hat. Er beobachtet Barneys lebhafte
Gesten.
„In Ordnung.
Nächster Punkt auf der Liste … Erzählen Sie mir von Hydes Computer. Haben Sie
noch etwas auf dem SIP Server entdeckt?“
Barney räuspert
sich, stellt sein MacBook Air auf meinen Schreibtisch, als hätte er um
Erlaubnis gefragt und öffnet es. Ich sage nichts. Lautstark zieht er sich einen
Stuhl heran und setzt sich vor seinen Laptop und aus irgendeinem sonderbaren
Grund dreht Taylor seinen Kopf weg, um ein Grinsen zu unterdrücken. Barney
setzt sich mit seinen knappen 1,80 m in den Stuhl, schiebt seine randlose
Brille erneut hoch und beugt sich zum Laptop, als beinhalte er die Geheimnisse
des Universums.
„Was machen
Sie?“ frage ich gelassen.
„Ich logge mich
in den SIP Server ein, Sir“, sagt er.
„Warum?“
„Na gut, es ist
einfacher es Ihnen zu zeigen, als es zu erklären“, sagt er, beugt sich zu
seinem Laptop und schiebt seine lästige Brille erneut hoch.
„Das ist die
Karte des SIP Servers, die Netzwerkkarte und deren Mail Server“, sagt er.
„Sieht es
wirklich so aus?“ frage ich beeindruckt.
„Nein“, sagt er
schüchtern. „Ich habe sie erstellt, um es anschaulicher zu machen, Sir.“
Er deutet auf
ein Cluster und sagt, „Hier sieht man das Internet.“ Dann zeigt er auf ein
rundes Bild. „Das ist der Router und hier haben wir die Firewall“, sagt er und
weist auf ein Bild, das wie eine Steinmauer aussieht. „Dann machen wir weiter
mit dem Schalter hier“, sagt er und zeigt auf das Ende mit beweglichen Pfeilen.
Das öffnet das WAN“, sagt er und schraubt dann das Niveau für mich herunter.
„Das steht für
Großraumnetzwerk, Sir“, sagt er und ich nicke. „Und hier wird es interessant“,
sagt er aufgeregt. Ich habe noch nie einen Mann gesehen, der so aufgeregt über
Computer war, wie ein anderer über Sex. Während er spricht, zeichnet sich ein
Leuchten in seinen Augen ab. „SIP sollte vier verschiedene Server haben: Proxy,
Web, FTP und Mail. Dann sollte es einen weiteren Schalter für LAN haben und wie
gemeinhin bekannt, das Nahverkehrsnetz. Dann haben wir die Datenbank, eine
weitere Firewall und die Client Pc’s, also die Computer, die im Unternehmen verwendet
werden.“
„Ich verstehe
immer noch nicht, was daran interessant sein soll“, sage ich und blicke auf die
Karte.
Dann bewegt er seine
Maus und klickt auf ein weiteres Bild.
„Sir, so sollte
es aussehen. Aber in Wirklichkeit …“, sagt er und zeigt auf ein weiteres Bild.
„Hier sehen
Sie, dass es unter den Client Pc’s, weitere Computer gibt, die jeweils mit dem
Benutzernamen markiert sind.“ Der von Jack Hyde weckt meine Aufmerksamkeit.
Dann deutet
Barney auf Hydes PC und sagt, „Mr. Hydes Client PC umgeht die Firewall und hat
direkten Zugriff auf das FTP und die Mail Server, sowie die Datenbank. Außerdem
verfügt er über den direkten Zugang zu einem Client PC namens A. Steele.“
Augenblicklich schnellt mein Kopf hoch und ich blicke Barney an.
„Was? Wie?“ ist
das einzige, was ich hervorbringe.
„Hintertürchen“,
sagt er schlichtweg.
„Was ist das?
Ein Virus, eine Software, eine Leitung, eine Verbindung? Was?“ frage ich
ungeduldig.
„Ein
Hintertürchen bedeutet, Sir, mit Hilfe eines Computerprogramms Zugang zu haben,
welches die Sicherheitsmechanismen umgeht. Normalerweise installiert ein
Programmierer sowas vielleicht, sodass ein bestimmtes Programm für die Fehlerbehebung oder für
andere Absichten genutzt werden kann. Aber dieses ist nicht aus diesem Grund installiert
wurden. Angreifer benutzen Hintertürchen, um Kapital daraus zu schlagen.“
„Ich verstehe
es nicht. Ich hätte gedacht, dass Hyde Zugang zu allen Servern des Unternehmens
hat. Warum sollte er das kreieren?“
„Also gut, Sir.
Wenn man sich mit zulässigen Hilfsmitteln Zugang verschafft, dann hinterlässt
man immer Fingerabdrücke. Leute, wie ich, würden herausfinden, wer wo war und
welche Änderungen er wo vorgenommen hat. Denken Sie mal auf diese Weise darüber
nach, Sir. Sie gehen in ein gut bewachtes Gebäude mit Spitzen Security Leuten. Sie
wissen schon, die Betriebe, diejenigen, die Biozeichen scannen und selbst ihren
Background überprüfen. Stellen Sie sich mal jemanden vor, der nicht die Zeit
hat, dies jedes Mal durchzuexerzieren, um heraus und hereinzukommen. Er kreiert
vielleicht einen Hintereingang, um möglicherweise nur zum Rauche rauszugehen.
Genau das sehen wir hier bei Hyde und für mich ist es ein gutes Zeichen und er
ist der einzige, der die Security umgeht und dadurch ist es ihm möglich Zugang
von einem Remote PC zu haben.“ Hitze strömt in mein Gesicht und die Wut bahnt
sich ihren Weg in Wellen durch meinen Körper.
„Sagen Sie mir,
dass sie alle Zugänge von außerhalb blockiert haben, oder jeglichen Zugang zu
den Servern!“ zische ich mit zusammengebissenen Zähnen.
„Natürlich,
Sir“, sagt er selbstgefällig. „Und da gibt es noch etwas, Sir. Mr. Hyde sollte
keinen Zugang zu den E-Mail Servern gehabt haben. Andernfalls hätte jeder
Angestellte einfach mal nachsehen können und die Inhalte der E-Mails der
anderen abrufen oder sehen können. Da Miss Steele unter ihm gearbeitet hat,
hatte er vielleicht einen zuvor bewilligten Zugang. Aber nichtsdestotrotz gibt
es einen Postmeister, der die Kontrolle über die E-Mail Accounts inne hat. Mr.
Hyde ist es jedenfalls nicht. Deshalb habe ich einen Großteil der Nacht
durchgearbeitet, um das Problem zu lösen“, sagt er. Also ist er aufgeblieben
und hat vielleicht in seinen Sachen geschlafen. Das würde seinen ziemlich
verwirrten Auftritt erklären, aber sein Erscheinungsbild ist immer so, egal ob
er die Nacht auf war oder nicht. Barney, ist wie Ros oder Taylor, oder Andrea,
einer meiner besten Entdeckungen, wenn es um qualifizierte Angestellte geht,
die meinen Ansprüchen gerecht werden und die extra Meter gehen, um die erwünschte
Aufgabe zu erfüllen. Ich habe ihn entdeckt, als er gerade seinen Master
Abschluss in Computer Science gemacht hat und das innerhalb eines Jahres. Zu
diesem Zeitpunkt war er 21 und hatte seinen Master Abschluss in Computer
Science an der UCSD in der Tasche und ist zurück nach Seattle, in die Nähe
seiner Familie, zurückgekommen.
„Danke,
Barney“, sage ich aufrichtig. Er blickt zu mir auf, blinzelt einige Male und
schiebt wieder seine Brille hoch. Ich muss ihm zu Weihnachten eine neue Brille
schenken. In Gedanken mache ich mir eine Notiz. Da er es nicht gewöhnt ist, von
mir ein Dankeschön zu hören, ist er für einen Moment sprachlos.
„Ähm, ja, kein Problem,
Sir“, sagt er und weiß offenbar nicht, wie er mit dem Kompliment umgehen soll.
Ich bemerke, wie sich Taylors Augen für einen Moment weiten, aber auch er ist
umgehend wieder in seiner üblichen Haltung.
„Das wäre dann
alles, Barney. Schicken Sie Andrea bitte auf Ihrem Weg nach draußen rein“, sage
ich.
„Natürlich,
Sir“, sagt er und klappt sein MacBook Air zu. Als er rausgeht, sehe ich, dass
er versucht hat, sein Hemd in seine Hose zu stecken. Aber Andrea scheint ihm
Feuer unterm Hintern gemacht zu haben, dass er so schnell wie möglich in mein
Büro kommt. Seine Jeans hängt nun schon ein bisschen tiefer und entblößt
dadurch seine karierten Boxershorts. Die Hosenträger erfüllen ihren Job,
während sein nicht vorhandener Hintern dazu nicht in der Lage ist. Vielleicht
ist es das, was Taylor zuvor so amüsant gefunden hat. Ich sehe, dass sich
derselbe Ausdruck auf seinem Gesicht abzeichnet.
Als Barney mein
Büro verlässt, lässt er die Tür hinter sich weit offen und ich höre, wie Barney
auf seinem Weg nach draußen mit Andrea spricht.
„Frosty! Der
Chef will dich drin sehen!“ sagte r und seine Stimme wird immer leiser, da er
sich weiter entfernt. Frosty? Nicht unbedingt eine liebevolle Bezeichnung.
Ich höre
Andreas Murmeln, „Geek!“ und das nächste, was ich höre, sind ihre High
Heels, die über den Boden klickern. Sie
betritt mein Büro mit ihrem iPad und den Dokumenten im Arm. Taylor haftet
seinen Blick in eine Ecke des Raumes und
verbirgt sein Grinsen.
„Sind sie jetzt
bereit, den Zeitplan zu besprechen, Sir?“ fragt sie mit ihrer üblichen
professionellen Stimme.
„In einer
Minute. Zuerst möchte ich, dass sie für mich einen Termin machen. Ich möchte
mir heute Abend ein Anwesen ansehen.“
„Natürlich,
Sir. Wissen Sie zufällig, wo sich dieses Unternehmen befindet? Oder wen ich
kontaktieren soll?“
„Es ist nicht
geschäftlich. Es ist ein Eigenheim“, sage ich ungezwungen und sowohl Taylors,
als auch Andreas Köpfe schießen hoch und beide sehen mich an. Das ist das erste
Mal, dass es mir gelingt, sie beide zur selben Zeit zu schocken.
*****
Mein Arbeitstag
fliegt vorüber und ich bin die ganze Zeit ziemlich beschäftigt. Gemeinsam mit Ros kontrolliere ich die neue
Feuerlöschanlage für die Server. Daraufhin bringt Taylor Ros und mich für unser
Geschäftsessen in ein exklusives französisches Restaurant. Es ist eine
zwanglose Umgebung für eine mögliche geschäftliche Übernahme. Ich prüfe die
Möglichkeiten und möchte sehen, was sie zu bieten haben. Das Unternehmen ist
bereitwillig und der Preis scheint zu stimmen. Aber ich analysiere stets die
Zahlen. Ros ist ziemlich gerissen, wenn es um Geschäfte geht. Mit ihrem Know
How zwingt sie selbst einen erwachsenen Mann mit jahrelanger Geschäftserfahrung
in die Knie. Der alte Mann ist gewillt, die Firma zu verkaufen. Er möchte nicht, dass der Nachwuchs die
Geschäfte übernimmt. Nicht, dass der Junior der Typ dazu wäre eine Firma zu
führen. Aber das Unternehmen hat einen Aufsichtsrat. Einige sind mehr als
willig, die Firma an GEH zu übergeben. Sie sind der Meinung, dass sich ihre
Aktie über Nacht erhöht. Ich bin nicht an Partnern interessiert und innerhalb
meiner Firma wird es keine Aktien geben. Sie haben nicht einmal ihre
Hausaufgaben gemacht, bevor sie hergekommen sind. Der alte Mann ist der
einzige, mit dem ich Geschäfte machen würde. Nicht mit seinem jämmerlichen Sohn
und nicht mit seinem unnützen Vorstand. Sie versuchen mir alle Honig um den
Bart zu schmieren, nur um den Deal zu bekommen, den sie wollen. Ros scheint von
ihrem Anblick angewidert zu sein und auch ich bin nicht allzu erfreut.
Geschäfte zu
machen, fällt mir genauso leicht wie ficken. Ich bin in beidem gut. Aber ich
bin derjenige, der die Entscheidungen trifft und ich habe immer die Kontrolle;
nicht anders. Der Aufsichtsrat und der Sohn sehen aus wie gierige Hyänen und
der alte Mann wie ein in die Jahre gekommener Löwe. Diese Arschlöcher sind
bereit, ihn jeden Moment niederzuschreiben. Aber das gute daran ist, dass der
alte Mann, die Mehrheit der Aktien besitzt. Das war das einzig schlaue, was er
bei seiner Firma bedacht hat. Doch die anderen lecken sich bereits die Lippen,
so gierig sind sie. Ihr Vertrieb führt nur noch nach unten, die Kosten steigen
dafür aber. Die Angestellten sind ineffizient und es scheint niemanden zu
interessieren, wie viel Kraft und Mühe es diesen Mann gekostet hat, diese Firma
aufzubauen und sie für fast vierzig Jahre zu führen. Ich werde mir Zeit nehmen
und wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werde ich sie kaufen und mir
diesen unnützen Aufsichtsrat vom Hals schaffen. Entweder werde ich aufbauen
oder auflösen. Aber zuerst muss ich mir einen Überblick über die Zahlen
verschaffen.
Auf dem Weg zurück
nach unserem zweistündigen Meeting, drehe ich mich zu Ros und frage, „Was ist
Ihr Eindruck von dem alten Mann, dem Sohn und dem Aufsichtsrat?“ frage ich mit
Abneigung in der Stimme, wenn ich an die letzten beiden denke.
„Ich hätte
keine Probleme, mit dem alten Mann Geschäfte zu machen“, sagt sie
augenblicklich. „Allerdings ist sein Sohn unbrauchbar. Nebenbei gesagt; er ist
ein Aufreißer. Er hat versucht, sich an mich heranzumachen und es ist eine
Schande, dass so ein Mann von dem vernünftigen alten Mann gezeugt wurde“, sagt
sie und spiegelt damit meine eigenen Gefühle exakt wider.
„Was soll ich
über den Aufsichtsrat sagen …“, sagt sie, als würde sie heftig darüber
nachdenken. „Ehrlich gesagt, Mr. Grey, ich weiß nicht, wo Ihr Hintern aufgehört
hat und deren Lippen begonnen haben. Übrigens waren sie kurz davor Ihr
Hinterteil zu küssen“, sagt sie und bringt mich zum Lachen. „Aber neben dem
ganzen Haufen, ist der alte Mann der einzige, mit dem es sich lohnt, Geschäfte
zu machen. Die anderen sind Geier.“
Als ich meine
eigenen Instinkte von Ros bestätigt bekomme, fälle ich meine Entscheidung. Wir
werden nur mit dem alten Mann Geschäfte machen und diese verdammten Hyänen stehenlassen.
Als Taylor auf
den GEH Parkplatz abbiegt, vibriert mein Blackberry und der Absender zaubert
ein Lächeln auf meine Lippen. Ros wird neugierig. Ich sage nichts. Ihre Augen
suchen Taylors im Rückspiegel und gelassen starrt er zurück.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Größenwahn …
Datum: 16. Juni 2011 15:42
Uhr
An: Christian Grey
An: Christian Grey
… ist mein Lieblings-Wahn. Danke für die
herrlichen Blumen. Sie wurden in einem riesigen Weidenkorb geliefert, der mich
an Picknicks und Decken denken lässt.
X
Erst in meinem
Büro schreibe ich ihr eine Antwort, um Ros prüfendem Blick zu entgehen. Nicht,
dass es mich interessiert. Aber ich will nicht, dass andere ihre Nasen in
Angelegenheiten stecken, die sie nichts angehen.
Von: Christian Grey
Betreff: Frischluft
Datum: 16. Juni 2011 15:54
Uhr
An: Anastasia Steele
An: Anastasia Steele
Wahnsinn, hm? Dazu fällt Dr. Flynn garantiert
etwas ein.
Willst du picknicken? Wir könnten uns ein
bisschen unter freiem Himmel amüsieren,
Anastasia …
Wie läuft dein Tag, Baby?
Christian Grey
CEO, Grey Enterprises Holdings Inc.
Es gibt einige neue Aktivitäten, die ich nun zu meinen liebsten Outdoor
Tätigkeiten zähle und sie beinhalten alle Anastasia.
Von: Anastasia Steele
Betreff: Hektisch
Datum: 16. Juni 2011 15:59
Uhr
An: Christian Grey
An: Christian Grey
Der Tag ist wie im Flug vergangen, so dass ich kaum Zeit hatte, an irgendetwas anderes als an meine Arbeit zu denken. Ich glaube, ich kriege das mit dem Job ganz gut hin! Ich erzähle dir heute Abend alles.
Frischluft, das klingt … interessant.
Ich liebe dich.
A x
PS: Mach dir wegen Dr. Flynn keine Sorgen.
Es fällt mir
schwer, mir keine Sorgen zu machen … Ich
bin ein Mann, der immer gern die Kontrolle hat. Ich führe zwei Menschen
zusammen, die beide wissen, wie abgefuckt ich bin und habe keine Kontrolle über
diese Diskussion. Das macht mir ziemlich Angst, vor allem, weil das Ergebnis
des Gespräches mein Leben unwiderruflich verändern kann.
Von: Christian Grey
Betreff: Ich werde versuchen …
Datum: 16. Juni 2011 16:08
Uhr
An: Anastasia Steele
An: Anastasia Steele
… mir keine Sorgen zu machen.
Ciao, ciao, Baby.
X
Christian Grey,
CEO, Grey Enterprises Holdings Inc.
Taylor hebt
sein Mobiltelefon, um eine Nachricht zu beantworten, die er gerade bekommen
haben muss.
„Mr. Grey,
Bastille ist unten im Fitnessraum.“
„Prima!“ sage
ich. „Wir werden gleich heruntergehen. Lassen Sie mich hier noch alles fertig machen.”
Es war ein
ziemlich geschäftiger Tag und ich muss diesen herannahenden Stress aus meinem
System bekommen. Taylor und ich fahren mit dem Aufzug in den Fitnessraum hinab.
Im Umkleideraum ziehen wir uns schnell um und treffen dann Bastille. Er hat
sich bereits aufgewärmt und nachdem auch ich mich aufgewärmt habe, beginne ich
mein MMA Training mit Bastille. Nach fünfzehn Minuten schnappe ich mir Bastille
durch seine offene Haltung. Ich greife seine linke Wade, indem ich meinen
rechten Arm so fest um seine Sehne schlinge wie möglich. Er ist völlig
schockiert, dass mir das so frühzeitig im Training gelungen ist. Mit meinem
rechten Unterarm drücke ich auf seine Achillessehne.
Außer Atem und
gegen einen sich mühenden Bastille, hebe ich mein linkes Knie über seinen rechten
Oberschenkel und drücke ihn mit meiner linken Hand auf den Boden, sodass er
sich nicht mehr bewegen kann. Während ich mich auf meine linke Seite fallen
lasse, werfe ich mein rechtes Bein über Bastilles. Mit meinem rechten Fuß drücke
ich fest gegen seinen Körper und schiebe mein linkes Bein zwischen seine. Damit
hatte mein Gegner nicht gerechnet. Doch ich mache unerbittlich weiter. Ich
presse meine Füße fest gegen Bastilles Körper. Mein rechter Unterarm gräbt sich
fest in seine Achillessehne, während ich mein linkes Handgelenk zu fassen
bekomme. Gleichzeitig strecke ich mich nach hinten und schiebe meine Hüfte nach
vorne. Ich drehe meinen Kopf schnell zur Seite, sodass ich über meine Schulter
schaue. Diese Bewegung ist essentiell, denn so kann ich meine volle Muskelkraft
gegen ihn nutzen. Ich presse meine Knie fest zusammen und habe ihn so sicher im
Haltegriff, dem sogenannten Fußstreckhebel.
Als er
einsieht, dass er sich nicht aus meinem Griff befreien kann und der Schmerz
immer stärker wird, klopft er zur Aufgabe auf den Boden. Daraufhin löse ich
meinen Griff.
Während der
restlichen Übung gewinnt keiner von uns die Oberhand. Bastille versucht dennoch
mit einem überraschenden Roundhouse-Kick ein Unentschieden zu erreichen. Diese
Muay Thai Technik ist wirklich sehr effektiv. So ein Treffer fühlt sich an wie
ein Schlag mit einem Baseballschläger und hätte mich im schlimmsten Fall
ausgeknockt. Aber ich schaffe es, seinen Angriff abzulenken und mit einem
tiefen Tritt gegen seinen Oberschenkel, zu kontern. Ich treffe ihn genau über
seinem Kniegelenk, und bringe ihn damit aus dem Gleichgewicht, sodass er zu
Boden fällt. 2:0 für mich. Am Ende dieses kleinen, etwa einstündigen Workout,
hat sich meine Nervosität vor dem anstehenden Treffen mit Flynn kaum gelegt.
Nach einer
schnellen Dusche ziehe ich meine Klamotten an und Taylor fährt mich zum Escala.
Anastasia wird heute selber fahren. Da sie sich beim Fahren schon von einem
Radio ablenken lässt, bin ich etwas nervös.
Während Taylor
den SUV parkt, mache ich mich auf den Weg in mein Penthouse. Nachdem ich es
betreten habe, gehe ich in mein Schlafzimmer. Ich ziehe meine Arbeitsklamotten
aus und meine tief hängende Jeans und ein weißes Hemd an. Dann gehe ich in die
Küche und gieße mir ein Glas Weißwein ein. Ich trinke einen Schluck und genieße
das kühlende Prickeln, während es sanft meine Kehle hinabrinnt. Ich schließe
meine Augen und koste den Geschmack für einen Moment voll aus. Als ich noch
einen Schluck trinke, vibriert mein Blackberry. Ich ziehe ihn aus meiner
Hosentasche und blicke auf das Display. Es ist Ros.
„Grey”, melde
ich mich.
„Mr. Grey, hier
ist Ros. Haben Sie heute mit Barney gesprochen?”
„Ja, habe ich.“
Sie erwartet von mir, dass ich ihr von den genauen Einzelheiten erzähle.
„Was möchten
Sie wissen?“
„Da wir SIP nun
vollständig akquiriert haben“, beginnt sie und hat meine volle Aufmerksamkeit.
„Ich wollte
wissen, ob wir es behalten oder später verkaufen werden.“
„Ich habe nicht
vor, es zu verkaufen“, sage ich knapp.
„Gut. Ich habe
darüber nachgedacht, dass wir in diesem Fall dieses Netzwerk mit unserem
verbinden können. Es wäre klüger und natürlich auch preisgünstiger, es in
unseres zu integrieren, wo wir schon Millionen von Dollar für das neue IT
System ausgegeben haben. Für GEH sollte es von Vorteil sein“, sagt sie.
„Das stimmt.
Aber ich würde es gerne als separate Entität lassen. Es mit unserem zu
verbinden und auf unsere Seite zu ziehen, könnte unerwartete Kosten nach sich
ziehen. Ich denke Barney kann dies besser einschätzen und uns die genauen
Zahlen über kurz oder lang darlegen“, sage ich. Wenn ich daran denke, wie
Anastasia ist und dass sie sich vielleicht überlegt, nicht länger für SIP
arbeiten zu wollen, kann ich es immer noch ganz einfach verkaufen. Aber mein
langfristiger Plan ist es, Anastasia in Zukunft SIP zu überschreiben. Ich leere
mein Weinglas und trete vor die wandhohen Fenster. Ich blicke hinaus und
beobachte die Skyline und die untergehende Sonne.
„Ich habe mit
Barney gesprochen und er hat gesagt, dass deren System nicht sehr kompliziert
ist, eher überholt. Wir müssten deren System updaten und das zieht eine große
Summe an Geld nach sich. Natürlich nicht so viel, wie wir für unseres
ausgegeben haben. Barney hat gesagt, dass man das SIP System so integrieren
könnte, dass es leicht von unserem zu trennen ist. Somit hätten wir einen
mühelosen Zugang und könnten Wartungsarbeiten ohne Probleme ansetzen.“
„Das ist keine
schlechte Idee“, sage ich wohlwissend, dass ich dadurch mehr Einfluss und
Zugangsmöglichkeiten zu Anastasia habe. Außerdem kann ich sie besser
beschützen, sollte sie einen neuen Chef kriegen, der genauso überfreundlich ist
wie der vorherige. Plötzlich verspüre ich eine Anziehungskraft und eine
knisternde Spannung, die meine Nervenenden in Aufruhr versetzen. Ich fühle
ihren Blick bevor ich ihr Gesicht überhaupt sehe. Augenblicklich drehe ich mich
um und alles in meiner Welt ist wieder in Ordnung, weil Anastasia hier ist. Ich
kann einfach nicht anders. Nachdem ich ihr wunderschönes Gesicht gesehen habe,
lächele ich sie an. Das Gespräch mit Ros ist längst in Vergessenheit geraten.
„Ich habe ein
bisschen mit den Zahlen herumgespielt und Barney nach einigen Kosten gefragt.
Ich glaube, es würde …“, sagt sie, aber ich lasse sie ihren Satz nicht beenden.
„Ros, das ist
großartig. Sagen Sie Barney, dass wir da ansetzen werden …“
„Wo denn,
Christian?“ fragt sie verwirrt.
„Auf
Wiedersehen.“
„Was? Warte!“
sagt sie und ich lege auf.
Im Moment bin ich zu nervös, um an Server zu denken. Es eilt schließlich
nicht. Ich schiebe meinen Blackberry wieder in meine Tasche und schlendere auf
Anastasia zu. Sie sieht so frisch aus wie heute Morgen. Ich fühle diese
magische Anziehungskraft, die von ihr ausgeht. Als wäre sie die Sonne und ich
der Planet.
„Guten Abend, Anastasia“, murmele ich und
lehne mich herab, um sie zu küssen. Ich schlinge meine Arme um sie und halte
sie fest. „Herzlichen
Glückwunsch zur Beförderung, Baby“, flüstere ich und knabbere an ihrem Ohr. Sie
vergräbt ihren Kopf an meiner Brust und atmet meinen Duft ein.
„Du hast geduscht“, murmelt sie.
„Ich hatte mit Claude trainiert“, erkläre ich.
„Oh, verstehe“, sagt sie und genießt meinen Duft.
„Es war toll. Ich habe es sogar geschafft, ihn
zweimal auf die Matte zu befördern“, erzähle ich grinsend. Vor meiner Freundin
kann ich ruhig ein bisschen angeben. Schließlich schaffe ich es nicht allzu
oft, ihn auszuknocken. Normalerweise ist es eher anders herum.
Sie lächelt zurück.
„Und das kommt nicht allzu häufig vor?“
„Nein, nicht wirklich. Umso schöner ist es, wenn
ich es dann doch mal schaffe. Hunger?“
Sie schüttelt ihren Kopf und ihre Miene verhärtet
sich. Augenblicklich mache ich mir Sorgen.
„Was ist?“ frage ich stirnrunzelnd. Was ist los?
„Ich bin nervös. Wegen Dr. Flynn“, sagt sie und
ihre Worte spiegeln meine Stimmung des gesamten Tages wider.
„Ich auch“, gebe ich zu. „Wie war dein Tag?“ sage ich und versuche uns
beide abzulenken.
„Oh! Christian, ich war heute Morgen so
aufgeregt. Als ich im Büro angekommen bin, habe ich sogleich eine Notiz
gefunden, auf der stand, dass ich mich bei Elisabeth im Büro melden soll. Ich
habe gedacht, jetzt wo Jack weg ist, brauchen sie mich nicht länger. Also bin
ich in ihr Büro gegangen und wir haben uns einfach nur angestarrt. Mein Herz
schlug bereits in meiner Kehle. Sie hat mir erzählt, dass es schlechte
Neuigkeiten gibt und Jack das Unternehmen plötzlich verlassen musste. Als hätte
er es aus reiner Herzensgüte getan“, sagt sie schaudernd. Ich nicke und
ermutige sie, weiter zu erzählen.
„Dann hat sie mir erzählt, dass sein Weggang zu
einer Vakanz führt und sie diese Stelle gerne mit mir besetzen würden, solange
bis sie Ersatz gefunden haben. Natürlich war ich ganz aufgeregt. Ich war mir
nicht sicher, ob ich dem gewachsen bin. Sie hat damit argumentiert, dass Jack
meine Fähigkeiten verfochten hat und er große Stücke in mich gesetzt hat“, sagt
sie und schneidet eine Grimasse. Als ich das höre, spannt sich mein Kiefer an,
meine Lippen werden zu einer schmalen Linie und meine Augen verdunkeln sich.
Ich hätte diesem Arschloch gestern noch eine reinhauen sollen!
„Wir wissen ja, worauf er sich große Hoffnungen
gemacht hat!“ sage ich verbittert.
„Ja, aber du hast ja den Tag gerettet“, sagt sie
lächelnd, schlingt die Arme um mich und lindert damit meine Anspannung. Ich
küsse ihre Stirn und frage sie, was sonst noch passiert ist.
„Jedenfalls denken sie, dass ich für diese Stelle
geeignet bin, da ich mit Jacks wichtigsten Autoren in Kontakt stehe und sie
sich einige meiner Notizen zu den Kapiteln durchgelesen haben, die ich
geschrieben habe. Den Rest des Tages habe ich mit einem Meeting nach dem
anderen verbracht“, sagt sie und lässt mich los.
„Oh, eines wollte ich dir noch sagen. Eigentlich
war ich heute mit Mia zum Mittagessen verabredet“, sagt sie. Das wusste ich gar
nicht. Warum hat sie das zuvor noch nie erwähnt?
Fragend hebe ich eine Augenbraue, „Das hast du
gar nicht erzählt.“
„Ich weiß. Ich hatte es völlig vergessen. Wegen
des Meetings musste ich allerdings absagen, deshalb hat Ethan sie stattdessen
eingeladen“, sagt sie in einem Atemzug.
Meine Schwester und der Kavanagh? Was wollte er
überhaupt bei Anastasia auf Arbeit? Hat er versucht, sich an sie heranzumachen?
Es würde mich nicht wundern, nachdem was in Anastasias Apartment passiert ist.
„Aha“, sage ich ausdruckslos.
Anastasia bemerkt meinen dunkler werdenden Blick
und kaut nervös auf ihrer Lippe. Die dunkle Energie wird von der Sehnsucht, die
ich nach ihr habe, verschlungen.
„Hör auf, auf deiner Lippe herum zu kauen,
Anastasia.“
Rasch hört sie damit auf und erklärt mir, dass
sie sich noch frisch machen muss, bevor wir zu Flynn gehen. Eilig verlässt sie
den Raum, bevor ich ihr noch weitere Fragen über Kavanagh und meine Schwester
stellen kann. Geil und geplagt lässt sie mich zurück.
*****
In Anastasias
Saab fahren wir zu Flynns Büro. Die kurze Strecke überrascht Anastasia. Ich
erzähle ihr, dass ich meine Übungen und meine Therapiesitzungen normalerweise
verbinde, indem ich zu seinem Büro laufe. Sie lächelt. Mit ihrem neuen Auto bin
ich vollauf zufrieden; ihre Sicherheit ist in guten Händen.
Sie wirkt
unaufmerksam.
„Der Wagen ist
wirklich toll.“
„Jaaaa, ähm …
Finde ich auch“, sagt sie lächelnd. Doch mit ihren Gedanken ist sie ganz
woanders. Ihre Brust hebt sich sorgenvoll und ihr Blick passt sich ihrem Herzen
an. Sie ist total nervös.
„Christian …“,
sagt sie und formt ein ‚o‘ mit ihren Lippen, um die Luft herausströmen zu
lassen, ehe sie tief einatmet. „…Ich“, sagt sie und schluckt. Was ist los? Warum
ist sie so extrem nervös? Denkt sie darüber nach, mich zu verlassen?
„Was ist, Ana?“ frage ich und ihre Nervosität hat
sich bereits auf mich übertragen.
Schließlich greift sie in ihre Tasche und zieht
etwas heraus, das genau in ihre Hände passt. „Hier“, sagt sie. Ich blicke sie
verwirrt an. Es ist eine kleine Geschenkbox, die mit braunem Papier verpackt
ist und von einem Faden zusammengehalten wird.
„Das hier ist für dich. Zum Geburtstag. Ich
möchte es dir schon heute geben – aber nur, wenn du mir versprichst, dass du es
erst am Samstag aufmachst, okay?“
Ich bekomme nicht so häufig Geschenke, weil die
Leute nie wissen, was sie mir schenken sollen. Schließlich scheine ich alles zu
haben und kann mir auch alles leisten. Aber alles, was Anastasia macht oder mir
gibt, ist kostbar. Die Tatsache, dass sie an mich gedacht hat …Ich schlucke
heftig. Das bedeutet mir so viel. Diese kleine Box ist groß genug, um für mich
das gesamte Universum bereitzuhalten. Sie ist von Anastasia! Ich blicke zu ihr
und blinzele, um die Gefühle zu unterdrücken, die sich gerade ihren Weg an die
Oberfläche bahnen wollen. Schließlich murmele ich „Okay“.
Mein Blick ruht auf dieser kleinen Box.
Sie nimmt einen tiefen Atemzug, so als wäre es
ihr letzter, und legt die Box in meine wartenden Hände. Ich bin überwältigt,
beeindruckt, erstarrt und wie gelähmt zugleich – und das alles nur, wegen
dieser kleinen Box. Schließlich halte ich die kleine Box zwischen meinem Daumen
und Zeigefinger und schüttele sie neben meinem Ohr hin und her. Sie klappert.
Hmmm. Was könnte dort drin sein? Es ist kein Ring. Das wäre Wunschdenken! Es
ist schwerer als ein Ring und ein Ring würde auch nicht klappern. Er würde fest
sitzen.
Sind es vielleicht Manschettenknöpfe? Es wäre ein
anderes, ein klickerndes Geräusch, wenn es Manschettenknöpfe wären. Kein
Klappern. Argh! Die Neugier frisst mich noch auf! Ich halte es in meiner Hand
und starre es an. Ich verfüge nicht über Supermans Röntgenblick. Frustriert
runzele ich die Stirn. Was könnte es sein? Anastasia, das ist die pure Qual! Es
ist gerade einmal Donnerstag! Noch zwei verdammte Tage, die ich warten muss!
Schließlich lächele ich. Ich kann bis Samstag
warten! Das ist von Anastasia. Ich werde es nah an meinem Herzen aufbewahren
und es sicher in meinem Nadelstreifenjackett aufbewahren.
Als ich es gerade in meine Jacke stecke, warnt mich
Anastasia, „Du darfst es aber erst am Samstag aufmachen.“
„Ja, das habe ich verstanden. Aber wieso schenkst
du es mir jetzt schon?“ Wenn sie nicht will, dass ich es vor Samstag aufmache,
warum gibt sie es mir dann jetzt schon? Macht das Sinn? Hat es eine Bedeutung?
Anastasias Antwort reißt mich aus meinen
Überlegungen. „Weil ich es kann, Mr. Grey“, sagt sie grinsend und auch ich muss
sie nun anlächeln. Sie hat mir meinen Satz geklaut!
Flynns Rezeptionistin Eleanor, eine ältere Dame,
begrüßt uns.
„Guten
Abend, Eleanor“, grüße ich sie zurück.
„Dr.
Flynn warten drinnen auf Sie, Sir. Hier entlang“, sagt sie und strahlt uns an.
Vielleicht auch nur mich, da sich Anastasias Augen zu Schlitzen verengen.
Eifersüchtig? Durch ihre Reaktion fühle ich mich ein kleines bisschen besser.
Als wir Flynns Büro betreten, betrachtet Anastasia die Ausstattung. Sie sieht
sich den hellgrünen Raum, mit den dunkelgrünen Sofas und den Ledersesseln an.
Flynn steht hinter seinem Schreibtisch, der sich in der anderen Ecke des Raumes
befindet, auf und kommt auf uns zu, um uns zu begrüßen. Ich bemerke, dass
Anastasia Flynns Kleidung beäugt; er trägt ein offenes, blaues Hemd.
Schließlich hält sie bei seinen blauen Augen inne. Flynn begrüßt mich zuerst
und streckt mir seine Hand entgegen.
„Christian“,
sagt er lächelnd.
„John“,
antworte ich und schüttele seine Hand. „Du erinnerst dich an Anastasia?“ sage
ich zur Begrüßung.
„Natürlich. Wie
könnte ich das vergessen? Willkommen, Anastasia”, begrüßt er sie herzlich mit
seinem Londoner Akzent.
„Nennen Sie
mich doch Ana, bitte“, sagt Anastasia.
„Ana“,
antwortet er. Daraufhin führt er uns in den Raum. Ich bedeute Anastasia auf
einem der Sofas Platz zu nehmen. Sie setzt sich und scheint ziemlich nervös zu
sein. Sie überschlägt ihre Beine, entscheidet sich doch wieder dagegen und
kreuzt schließlich ihre Knöchel. Sie versucht ihre Arme auf die Lehne zu legen,
aber das ist ihr zu unbequem. Letztlich legt sie sie auf ihren Schoß. Ich setze
mich auf die Couch, die neben ihrer im rechten Winkel steht. Dazwischen
befindet sich ein kleiner Tisch, auf dem eine Lampe steht. Ich breite mich auf
der Couch aus und kreuze meine Beine, indem ich meinen Knöchel über das andere
Knie lege. Meinen Arm lege ich auf die Lehne hinter mir und strecke ihn aus, um
Anastasias zitternde Hand in meine zu nehmen. Ich drücke sie, um sie ein
bisschen zu beruhigen. Dabei weiß ich nicht, ob es zu ihrem oder zu meinem
Vorteil ist. Flynn setzt sich in den Ledersessel und hat sein ledergebundenes
Notizbuch in der Hand.
„Ana, Christian wollte, dass Sie an einer
Therapiesitzung teilnehmen. Der Korrektheit halber möchte ich Ihnen sagen, dass
wir diese Sitzungen mit absoluter Vertraulichkeit …“, sagt
Flynn, doch Anastasia unterbricht ihn.
„Oh, ja, ich verstehe Dr. Flynn … Ich habe eine
Verschwiegenheitsvereinbarung unterschrieben“, murmelt sie und versteht den
Doktor falsch. Ich lasse ihre Hand los, als hätten ihre Worte mir einen
Stromstoß verpasst.
„Entschuldigen Sie, eine
Verschwiegenheitsvereinbarung?“ fragt er und Anastasia nickt verwirrt. Flynn
blickt mich fragend an und ich zucke beiläufig mit den Achseln.
„Aus reiner Neugier, Christian … Zeigen Sie ein
bisschen Nachsicht …“, sagt er und räuspert sich. „Lassen Sie zu Beginn jeder Ihrer Beziehungen
eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterschreiben?“ Natürlich unterschreiben
all meine Angestellten eine, all meine Ärzte ebenfalls; genau genommen hat
selbst Flynn eine unterschrieben. Er sollte dies wissen, wo er mich doch kennt
und weiß, was ich mit Frauen mache.
„Nur bei denen, die auf einer vertraglichen Ebene
beruhen“, erkläre ich. Flynn versucht ein Lächeln zu unterdrücken.
„Haben Sie jemals auch andere Beziehungen mit
Frauen gepflegt?“ fragt er in amüsiertem Ton.
„Nein, ich glaube nicht“, sage ich lächelnd und erkenne
die Ironie darin.
Das bestätigt Flynns Verdacht. „Tja, wenn das so
ist, können wir wegen der Vertraulichkeit also ganz beruhigt sein, aber dürfte
ich trotzdem vorschlagen, dass Sie beide diesen
Punkt bei Gelegenheit besprechen? Soweit ich
verstanden habe, besteht die ursprüngliche Form der vertraglichen Beziehung ja
nicht länger zwischen Ihnen.“
„Dafür bald eine andere Art von Vertrag, hoffe
ich“, murmele ich leise und werfe Anastasia einen Blick zu, die daraufhin rot
anläuft. Flynn sieht mich fragend an und kneift seine Augen zusammen. Dann
schüttelt er seinen Kopf und wendet sich Anastasia zu. „Ana. Bitte verzeihen Sie mir, aber ich weiß
wahrscheinlich sehr viel mehr über Sie, als Ihnen bewusst ist. Christian hat
sehr offen über Sie gesprochen“, sagt er. Anastasias Augen wandern fieberhaft
und fragend zu mir.
Flynns Frage unterbricht unseren Blickkontakt und
Anastasia wendet sich ihm zu.
„Eine Verschwiegenheitsvereinbarung … Das muss
doch ein ziemlicher Schock für Sie gewesen sein.“ Anastasia sieht ihn an,
blinzelt und schüttelt ihren Kopf.
„Na ja, nach Christians jüngsten Enthüllungen ist
mein Entsetzen darüber zur Bedeutungslosigkeit verblasst, würde ich sagen“,
antwortet sie mit sanfter, ängstlicher Stimme.
Flynn nickt und lächelt Ana an, „Das kann ich mir
vorstellen“, antwortet er. Dann wendet er sich mir zu und fragt, „Also, Christian, worüber wollen wir heute
reden?“
Ich zucke lässig, obwohl ich eigentlich
unglaublich aufgeregt bin. Das ist es!
„Anastasia war diejenige, die unbedingt herkommen
wollte. Vielleicht sollten Sie ja sie fragen“, sage ich zu Flynn, der
überrascht aussieht. Schnell setzt er wieder seine professionelle Miene auf und
wendet sich Anastasia fragend zu. Zugleich wird Anastasia ganz schüchtern und
ihr Blick senkt sich auf ihre verschränkten Finger hinab. Sie ist es nicht
gewöhnt im Mittelpunkt zu stehen.
Und dann stellt ihr der verdammte Flynn eine
Frage, die mich unglaublich nervös macht!
„Wäre es Ihnen lieber, wenn Christian uns für
eine Weile allein lässt, Ana?“ Anastasias Blick huscht eilig zu mir herüber.
Ich blicke sie hoffnungsvoll an und wünsche mir, dass sie sich in meiner
Gegenwart wohl genug fühlt, um über ihre Sorgen zu sprechen.
„Ja“, flüstert sie und mir wird ganz schwer ums
Herz. Ich öffne meinen Mund, um zu widersprechen und runzele die Stirn. Ich
blicke von einem zum anderen und schließe meinen Mund. Ich schaffe das … Ich
schaffe das … Beleidigt stehe ich auf.
„Ich bin dann im Wartezimmer“, sage ich zu
niemand bestimmten. Meine Nerven sind so gespannt und ich bin dermaßen gereizt,
dass ich mich fühle, wie ein gespannter Bogen, bei dem der Pfeil zum Schuss
bereit ist. Langsam lasse ich die Luft wie ein Bulle aus meiner Nase
entweichen, während meine Zähne fest aufeinander gepresst sind und meine Lippen
zu einer schmalen Linie verzogen sind.
„Danke, Christian“, sagt Dr. Flynn unbeeindruckt.
Ich drehe mich um und blicke Anastasia an,
versuche ihr in die Augen zu sehen. Warum will sie mich nicht dabei haben?
Heißt das, dass sie mich generell nicht will? Es würde mich nicht überraschen.
Was möchte sie mit ihm ohne mich besprechen? Ich bin kurz davor, sie aus Flynns
Büro zu schleifen und nie wieder zu kommen. Aber das würde sich für mich als
Bumerang erweisen. Was soll ich machen? Was soll ich machen? Soll ich sie mit
herausnehmen oder draußen warten und sehen, wie es läuft? Muss ich mich um
Schadensbegrenzung bemühen? Vielleicht muss ich es … In Anastasias Augen
erkenne ich keinerlei Besorgnis. Prima! Ich werde nachgeben. Dreißig Minuten,
beginnen jetzt! Scheiße! Flynn kann ihr währenddessen meine ganze
Lebensgeschichte erzählen. Er hat eine Verschwiegenheitsvereinbarung
unterschrieben. Er darf keine Informationen über mich preisgeben. Aber wiederum
habe ich ihm Anastasia mit meinen eigenen Händen ausgeliefert! Ich kann ihn
deshalb nicht vor Gericht zerren. Aber vielleicht kann ich es, wenn er
persönliche Informationen über mich preisgibt? Das hängt davon ab, was er ihr
erzählt.
Ich gehe ins Wartezimmer und Eleanor strahlt mich
an. Lässig setze ich mich auf eines der Ledersofas.
„Möchten Sie etwas zu trinken, Mr. Grey?“ fragt
Eleanor hilfreich.
„Nein, danke“, sage ich knapp.
Mein Blick ruht auf dem Gang, hinter dem
Anastasia und Flynn eingeschlossen sind und miteinander reden. Über uns reden.
Über unsere Zukunft entscheiden! Ich kann nichts dagegen machen! Sollte ich
nicht derjenige sein, der ein Wörtchen mitredet? Sechsundzwanzig Minuten und
dreizehn Sekunden.
Ich lege meinen linken Knöchel über mein rechtes
Knie. Meine Arme ruhen auf der Rückenlehne des Sofas. Nein, das ist nicht
bequem. Ich lege meine Arme in meinen Schoß, hebe meinen Hintern vom Sofa und
ziehe meinen Blackberry hervor, um wenigstens den Eindruck zu erwecken, ich sei
beschäftigt. Eleanor beobachtet mich nämlich, als wäre ich Teil eines ganz besonders
interessanten Experiments.
Ich scrolle durch meinen Posteingang. Ros über
Geschäftsabschlüsse, Ros über die koreanische Werft, Ros über die Verbindung
des SIP Servers mit unserem, Barneys Einstellung bezüglich der
Serververtiefung, Welchs Fortschritt bezüglich Hyde – bislang gibt es nicht
viel zu berichten, wieder Barney über die Kosten unseres letzten
Serverraumupdates, Andrea, die mir bezüglich des WSU Landwirtschaftsprojekts
und eines mögliches Fortschrittes und Treffens morgen schreibt und Anastasias
letzte Nachricht. Sie schreibt mir, dass ich mir wegen Flynn keine Sorgen
machen soll. Soll ich ihre Worte beherzigen? Wie soll ich mir keine Sorgen
machen, wenn sie zugelassen hat, dass Flynn mich quasi aus dem Raum geworfen
hat? Verhält sich so eine Freundin, die dir sagt, du sollst dir keine Sorgen
machen? Sie hätte sagen sollen, „Ich habe nichts zu verstecken, Christian. Er
kann bleiben …“ Nein! Sie muss mich ja rauswerfen! Warum? Liebt sie mich jetzt
weniger? Schüchtere ich sie immer noch so sehr ein? Ich schüttele meinen Kopf,
um die Gedanken loszuwerden.
Ich muss mich irgendwie ablenken … Ich scrolle
mich durch die Inhalte meines Telefons und finde ein Spiel, indem es um böse
dreinblickende Vögel geht. Also gut! Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Meine
Finger zittern, während ich versuche, die gestapelten Boxen zu zerstören, die
auf die finster dreinblickenden Vögel zuschleudern. Ich kann mich nicht
konzentrieren.
„Mr. Grey, geht es Ihnen gut, Sir?“ fragt mich
eine besorgte Stimme. Ich blinzele und sehe auf.
„Ja. Warum?“ sage ich und blicke stirnrunzelnd
auf.
„Sie scheinen zu zittern, Sir. Ist Ihnen kalt?“
Ich blicke auf meine Beine hinab und wieder zeige
ich diese nervöse Geste. Langsam stelle ich meinen Fuß auf den Boden.
„Jetzt hätte ich gern ein Wasser, Eleanor.
Danke“, sage ich und lenke sie ab.
Sie eilt davon, um mir eine Flasche Wasser zu
holen. Wieder blicke ich auf die Uhr. Achtzehn Minuten und siebenundzwanzig
Sekunden. Zeit war mir immer äußerst wichtig. Aber bevor ich Anastasia
getroffen habe, habe ich nie die Sekunden gezählt. Im Moment fühle ich mich wie
Anthony Constantino. Seine Worte kommen mir in den Sinn und wie wahr sie sind. „Erst als meine Liebe zu dir gewachsen ist,
habe ich die Relativität der Zeit verstanden. In diesem Moment habe ich mir
gewünscht, dich für immer zu umarmen und dass die Ewigkeit nie aufhört und noch
ein paar Minuten länger anhält.“ Natürlich abgesehen davon, dass meine
Geliebte in diesem Raum ist, während ich hier draußen sitze und mich selbst
quäle!
Ich stehe auf und laufe in Flynns Wartezimmer hin
und her. Dabei hinterlasse ich eine Spur auf seinem türkischen Teppich. Eleanor
kommt herein und reicht mir das Wasser. Geistesabwesend nehme ich es entgegen.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich ertrage diese Warterei nicht! Ich fühle
mich, als wäre ich gefesselt, geknebelt, terrorisiert und kastriert. Alles zur
selben Zeit und das obwohl sie mir geschrieben hat, dass ich mir wegen Flynn
keine Sorgen machen soll. Wie soll ich mir keine Sorgen machen, wenn ich hier
sitze … na gut, auf und ab gehe und Flynn ihr höchstwahrscheinlich rät, mit mir
Schluss zu machen! Ich greife in meine
Tasche und ziehe die kleine Box heraus. Ich halte sie fest, als wäre sie der Rettungsanker,
den Anastasia mir zugeworfen hat. Sie liebt mich. Sie liebt mich. Sie liebt
mich, skandiere ich in Gedanken.
Dreizehn Minuten …
Die Liebe, die ich für Anastasia empfinde, jagt
mir Angst ein. Aber, was mir noch mehr Angst macht, ist die Möglichkeit, dass
sie meine Liebe nicht erwidert oder noch schlimmer, aufhört, mich zu lieben …
Das schlimmste wäre, sie nicht mehr in meinem Leben zu haben. Ich muss sie mit
Körper, Herz und Seele haben. Alles andere wäre zu wenig und würde mich
zerstören …
Hat Benito Behar nicht geschrieben:
„Alles, was ich tue, ist meine Leidenschaft
auszuleben und sie nennen es Sünde.
Alles, was ich tue, ist die Wahrheit zu erzählen
und sie nennen mich einen Heuchler.
Alles, was ich fühle, sind Schmerz und Sorge und
sie nennen es Liebe.
Alles, was ich tue, ist mein Herz zu öffnen und
sie nennen es Poesie.“
Dieser arme
Scheißkerl muss schwer verliebt gewesen sein! Willkommen im Club, du Trottel! Stell
dich auf den Schmerz ein! Er ist immer da, 24 Stunden, 7 Tage! Wenn der Tag
kommen sollte, an dem Anastasia “Ja” zu mir sagt, werde ich gleichzeitig als
Poet enden … Ich halte inne. Was, wenn sie es nicht tut? Was passiert, wenn es
das Ende ist? Wenn Flynn sagt, dass ich zu viel Scheiße mit mir herumtrage und
sie denkt, dass es den Ärger nicht wert ist?
„Oh, scheiße!“
sage ich laut und Eleanor läuft rot an, als sie mein Epitaph hört. Wieder
schreite ich auf dem Teppich auf und ab und mache Flynns Empfangsdame damit
ganz nervös.
Nein! Nein!
Nein! Nein! Sie ist ein Teil meines Lebens, ein Teil von mir, ein Teil meiner
Seele! Egal, wo ich hinsehe, überall habe ich sie vor Augen. Sie ist Teil meiner Hoffnungen und
Träume und meine Zukunft … Ich bin nicht hergekommen und habe sie mitgebracht,
damit sie mich verlässt! Ich bin nicht hier, um sie zu verlieren. Es wäre ein
ziemlich kalter Tag in der Hölle, wenn sie mich heute verlässt!
Oh, Gott! Sie
kann mich verletzen … Sie kann mich wirklich verletzen.. Ich weiß nicht,
worüber sie da drin sprechen und winde mich hier vor Qual. Verdammt!
Vier Minuten!
Vier ätzende Minuten!
Ich bin so
verdammt eifersüchtig auf Flynn, dass er Zeit mit meiner Frau verbringt und das
obwohl er mein Psychologe ist. Die Tatsache nicht dort drin zu sein, ist die
reine Qual … Ich bin derjenige, der in sie verliebt ist, Gott verdammt nochmal!
Zwei Minuten …
Jetzt ist die Zeit gekommen!
Ich gehe zu
Flynns Büro und klopfe kräftig dagegen, zeige meine verdammte Verärgerung. Wie
soll jemand verstehen, wie mich diese Liebe in meinem Inneren verbrennt? Ich
bin ein Mann in Flammen! Ich betrete den Raum und blicke Anastasia und Dr.
Flynn finster an.
„Willkommen
zurück, Christian“, sagt Flynn lächelnd. Oh, halt die Klappe!
„Ich glaube, die Zeit ist um, John“, sage ich demonstrativ.
„Beinahe, Christian. Setzen Sie sich doch wieder
zu uns“, sagt er gemäßigt.
Nach der Qual der letzten achtundzwanzig Minuten
halte ich es nicht eine Sekunde länger aus, ohne Anastasia zu berühren. Ich
muss ihre Haut spüren. Ich setze mich neben sie auf die Couch, unsere Beine
berühren sich, da unsere Hüften verbunden sind. Ich lege meine Hand auf ihr
Knie, um Flynn zu zeigen, zu wem sie gehört. Ich kann nicht anders. Selbst wenn
er eine Frau hat, die er liebt und er mein Psychologe ist, muss ich mein Revier
markieren. Sie ist meine Frau! Meine Geliebte! Meine Freundin! Ich glaube,
selbst Gott würde mir in diesem Punkt zustimmen. Ich bin nicht der erste
verliebte Mann! Aber ich liebe Anastasia mit all meiner Leidenschaft, mit
meinem Leben, meiner Seele, allem, was ich bin, abgefuckt oder auch anders. Hat
König Salomon nicht die größte Liebe der Menschheitsgeschichte gelebt und es
mit seiner Liebe in die Bibel geschafft? Warum sollte meine also keine
biblischen Verhältnisse haben?
Flynn beäugt meine besitzergreifende Hand auf
Anastasias Bein. Ja, sieh es dir genau an! Sie ist meine Frau!
„Haben Sie noch weitere Fragen, Ana?“, fragt er
mit besorgter Stimme. Warum ist er besorgt? Was hat sie ihn gefragt? Oh,
scheiße! Nervös schüttelt sie ihren Kopf.
„Christian?“
„Nein, heute nicht, John“, antworte ich und mein
Blick verlässt Anastasias Gesicht nicht für einen Augenblick. Er nickt einfach
nur.
„Es wäre vielleicht nützlich, wenn Sie beide noch
einmal wiederkämen. Ich bin sicher, Ana hat noch weitere Fragen.“
Über was für Fragen redet er? Ich nicke
enthusiastisch. Ohne zu blinzeln, blicke ich weiter Anastasia an, die rot
anläuft, als sie Flynns Kommentar hört. Ist sie immer noch mit mir zusammen?
Immer noch meine Geliebte, meine Freundin?
„Geht es dir gut?“ frage ich besorgt und mit
leiser Stimme. Sie nickt und lächelt mich an. Schließlich atme ich aus. Ich war
mir gar nicht bewusst, dass ich die Luft angehalten habe. Ich fühle mich etwas
besser. Beschwichtigend drücke ich ihre Hand. Aber am liebsten würde ich
schnell mit ihr hier rauskommen und feststellen, wie es um uns steht.
Ich stehe auf und ziehe Anastasia auf ihre Füße.
Als wir gerade gehen wollen, erinnere ich mich an
Leila. Mit leiser Stimme frage ich Flynn nach ihren Fortschritten. Er erzählt
mir davon.
„Halten Sie mich auf dem Laufenden“, sage ich und
er versichert es mir.
Dann wende ich mich Anastasia zu und frage, „Hast
du jetzt Lust, deine Beförderung zu feiern?“ frage ich scharfzüngig. Sie
versteht meinen Ton und nickt schüchtern.
Ich schaffe es gar nicht schnell genug aus Flynns
Büro. Als die Tür gerade hinter uns zugeht und wir wieder auf der Straße sind,
wende ich mich Anastasia zu und frage sie, wie es gelaufen ist.
„Es war gut“, sagt sie kryptisch.
Das wars? Gut? Mein Misstrauen wird größer und
ich werde ängstlich und nervös.
Sie legt ihren Kopf schräg und sagt, „Sehen Sie
mich nicht so an, Mr. Grey. Auf ärztliche Anweisung bin ich bereit, Ihnen einen
Vertrauensbonus zu gewähren.“
Häh?
„Was? Was bedeutet das?“ Ich bin von ihrer
ungezwungenen Haltung ganz überrascht.
„Das wirst du schon sehen“, sagt sie mit einem
Glänzen in ihren Augen.
Komischerweise bringt mich ihre Antwort zum
Lächeln. Aber ich schaffe es, meine Augen zusammenzukneifen und sie genau zu
untersuchen. Schließlich öffne ich die Beifahrertür und befehle, „Steig in den
Wagen.“
Bevor sie es schafft, in den Wagen zu steigen,
fängt ihr Blackberry an zu klingeln. Sie wirft einen Blick auf das Display und
wird ganz bleich. Wer ist es?
„Hi!“ sagt sie mit hoher Stimme. Soll ich raten,
wer es ist? Eine männliche Stimme begrüßt sie und die Eifersucht schießt in
meinen Körper. Argwöhnisch blicke ich sie an.
„José“, formt sie mit ihren Lippen. Verdammter
Bastard! Wie viele Stressauslöser kann ich an einem Tag aushalten? Hinter
meiner Mine verstecke ich meine Angst, aber meine Augen verraten mich.
„Entschuldige, dass ich mich nicht gemeldet habe.
Geht es um morgen?“ fragt sie ihn, aber ihr Blick ruht auf mir. Worum bittet
sie mich?
Ich höre etwas von den Bildern, die ich gekauft
habe. Es muss um die höfliche, persönliche Auslieferung von einem weiteren
Verehrer gehen! Ich würde das Porto auch dreimal bezahlen, wenn er dort bleibt,
wo er ist!
Aufgeregt räuspert Anastasia sich. Was zur Hölle
fragt er sie?
„Na ja, ich wohne inzwischen bei Christian“, sagt
sie, dreht sich und als sie mich ansieht, fügt sie hinzu, „Und er sagt, dass du
auch dort übernachten kannst.“ Zum Teufel habe ich! Ich wurde in die Ecke
gedrängt. Entweder bleibt er bei uns oder meine Freundin geht und übernachtet
mit zwei Typen, die sie beide anschmachten! Kann ich nicht einmal eine Pause
kriegen?
Ich presse meine Lippen aufeinander und Anastasia
kriecht. Als der Arsch sie etwas anderes zu fragen scheint, dreht sie sich um
und geht zur anderen Seite des Bürgersteigs.
„Ja“, antwortet sie auf eine Frage, die ich nicht
hören konnte.
Sie verdreht ihre Augen und sagt, „Ernst.“ Ich
wette tausend Dollar, dass sie über uns reden.
Sie zappelt auf der Stelle herum.
„Ja“, antwortet sie einsilbig. Ich glaube, das
ist alles zu meinem Vorteil. Was soll ich denn nicht hören? Warum die
Heimlichtuerei?
Sie atmet aus und sagt, „Natürlich, kann ich
das“, sagt sie. Natürlich was?
Wieder hört sie ihm zu. „Ja, du kannst mich von
Arbeit abholen.“ Großartig!
„Ich werde dir die Adresse schreiben.“ Wieder
hört sie zu. Sie sprechen einen Zeitpunkt ab.
„Gegen 18.00 Uhr?“
Sie grinst von Ohr zur Ohr. Ich mag es nicht,
wenn sie so auf einen anderen Mann reagiert. Ich bin nämlich der Meinung, ein
Mann sollte einem anderen nie die Möglichkeit geben, seine Frau zum Lachen zu
bringen! Das ist meine Aufgabe! Und nicht die von diesem Arsch!
„Prima. Bis Morgen“, sagt sie und legt auf.
Ich lehne mich gegen den Saab und verschränke die
Arme vor der Brust.
„Wie geht es deinem Freund?“ frage ich gelassen.
„Gut. Er holt mich morgen vom Büro ab und geht
mit mir etwas trinken. Willst du mitkommen?“
Ich versuche, die Situation abzuschätzen. Wird er
eine Gefahr für Anastasia darstellen? Wenn es so ist, sollte ich auf jeden Fall
dort sein. Wenn es nicht so ist, werde ich ihr zeigen, dass ich Zugeständnisse
machen kann und sie sich ohne Probleme mit ihm treffen kann. Ich glaube, damit
komme ich klar.
„Und du bist sicher, dass er nicht wieder
versucht, dich anzumachen?“ frage ich lässig und versuche, ihre Haltung
abzuschätzen.
„Nein! Natürlich nicht!“ antwortet sie fahrig. Das
reicht mir.
Zustimmend hebe ich die Arme. „Okay. Du kannst
mit José ausgehen und wir sehen uns dann später.“
Sie tritt einen Schritt zurück und sieht mich an,
als würde sie fragen, ‚Wer bist du und was hast du mit Christian gemacht?‘ und
bringt mich zum Grinsen.
„Siehst
du? Ich kann auch ganz vernünftig sein“, sage ich grinsend.
Aber
wie immer, wenn es um Anastasia geht, versuche ich die Grenzen auszutesten und
eine Schwachstelle zu finden.
„Darf ich fahren?“ fragt sie aufgeregt. Okay, das
hat nicht lange gedauert.
„Lieber nicht. Ich lasse mich nicht gern
chauffieren“, antworte ich.
„Aber das ist nicht fair. Vertraust du meinen
Fahrkünsten nicht? Heute Morgen ging es doch auch, außerdem scheinst du ja
nichts dagegen zu haben, wenn Taylor hinterm Steuer sitzt“, sagt sie bockig.
„Ich habe vollstes Vertrauen in Taylors
Fahrkünste.“ Sie sieht aus, als wäre sie bereit für einen Kampf. Sie stemmt
ihre Hände in die Hüften.
„Mein Gott, Christian! Ich fahre seit meinem
fünfzehnten Lebensjahr Auto. Dein Kontrollzwang kennt keine Grenzen!“ Ich zucke
mit den Schultern, als wäre es etwas, dass mich nicht interessiert. Wütend
kommt sie auf mich zu. Sie zeigt auf das Auto und zischt.
„Ist das mein Auto oder nicht?“ fragt sie mit
fordernder Stimme.
„Ja,
natürlich ist es dein Auto.“
„Dann gib mir bitte die Schlüssel. Ich bin erst zweimal
damit gefahren, aber nur zur Arbeit und wieder nach Hause. Ich sehe nicht ein,
wieso du den ganzen Spaß haben sollst“, sagt sie schmollend. Jesus! Sie ist so
heiß, wenn sie wütend auf mich ist! So lebendig! So leidenschaftlich! Ich
versuche, mein Lächeln zu unterdrücken.
„Aber du weißt ja gar nicht, wo wir hinfahren“,
sage ich und versuche, ihren Plan zu Fall zu bringen.
„Also, Mr. Grey“, sagt sie sanft, ehe sie
aufreizend weiterspricht. „Was das angeht, kannst du mich bestimmt aufklären.
Bislang ist dir das ja sehr gut gelungen“, sagt sie, während sie mit den
Fingern über die Kühlerhaube streicht und auf mich zukommt.
Wann hat sie gelernt, mich so zu verführen? Sie
bringt mich zum Verstummen und meine Libido schießt in die Höhe, ‚Ich muss sie
jetzt haben.‘ Ich kann sie nur anlächeln.
„Sehr gut gelungen, ja?“ frage ich und möchte,
dass sie es noch einmal wiederholt.
Sie wird rot. „Meistens jedenfalls“, gibt sie
zurück.
„Tja,
Miss Steele, wenn das so ist, können Sie fahren“, sage ich, reiche ihr die
Schlüssel und gehe um das Auto herum, um ihr die Fahrertür zu öffnen.
******
„Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf
deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod, und Eifer ist fest wie die Hölle.
Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn, dass auch viel Wasser nicht
mögen die Liebe auslöschen, noch die Ströme sie ersäufen. Wenn einer alles Gut
in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so gälte es alles nichts.“ *
*Song of Solomon (8:67)
1 comment:
Hi,
immer wenn ich die Bücher lese, hab ich mich gefragt was Christian wohl tut und denkt im Wartezimmer von Doc Flynn....es war herrlich seine Gedanken zu lesen....
Auch der Blick in sein Arbeitsleben war wieder so toll
Ich freu mich immer wie ein kleines Kind wenn es weiter geht
Gruß
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