Kapitel XVI
Wie Ikarus zur Sonne
Übersetzer: Janine Heistmann
Daidalus
fertigt zwei Paar Flügel aus Wachs und Federn an. Eine für mich und eine für
sich selbst. Ich wurde mehrere Male gewarnt, die Flugbahn nicht zu verlassen,
wenn ich es sicher auf das Festland schaffen will. Ich sollte der Sonne nicht
zu nah kommen oder zu dicht am Meer fliegen. Die Sonne würde das Wachs zum
Schmelzen bringen und das Meer, die Federn so feucht machen, dass sie zu schwer
zum Fliegen werden. Er probiert die Flügel zuerst aus, bleibt auf der richtigen
Flugbahn und schafft es auf das Festland. Ich bin freudig erregt und fühle mich
unbesiegbar. Ich segele neugierig durch die Luft. Die Sonne zieht mich magisch
an. Ich kann ihrer Schönheit nicht entkommen. Ich bin geblendet. Ihre Schönheit
und Wärme zieht mich an. Ich schalte auf Autopilot. Die Sonne bringt meine
Federn zum Schmelzen und ich habe keine Federn mehr übrig, ich flattere nur
noch mit meinen bloßen Armen. Ich strecke sie aus und versuche mich an der
Sonne festzuhalten. Obwohl sie heiß ist, umschlinge ich sie und halte mich an
ihr fest. Ich möchte nicht loslassen. Ich lasse mich von ihr einhüllen,
obgleich ich weiß, dass ich brennen werde. Ich möchte sie umschlingen. Ich nähere mich der Sonne und warte darauf
zu verbrennen … ich bin gewillt. Aber als ich ihr, dieser prachtvollen Kraft,
unglaublich nahe kommen, wird ihr Glanz blendend hell. Ich warte darauf zu
verglühen. Doch plötzlich wird sie zu Anastasia – meine Erlöserin. Ich schlinge
mich um sie und wir verschmelzen miteinander.
Die Hitze … sie ist erstickend,
übermächtig und gleichzeitig willkommen. Ich spüre eine Bewegung. Hände ziehen
an ihr, ich stöhne: „Nein! Nein!”
Hände nehmen sie, reißen
sie fort. Ich schlinge mich wie eine Siegesfahne um sie, um zu verhindern, dass
sie von mir weggezogen wird. Plötzlich bewegen sich Fingerspitzen auf meiner
Brust entlang. Anastasia versucht sich an mir festzuhalten. Ich rühre mich und
stöhne, um sie in meiner Nähe zu behalten. Ich kuschele mich an ihre Brust und
atme ihren Duft tief ein. Meine Augenlider flattern, langsam öffne ich meine
Augen. Es war ein Traum. Sie liegt hier in meinen Armen. Erleichterung
durchströmt mich. Meine Augen treffen verschlafen auf ihre babyblauen und ich
murmele „Guten Morgen“, und blinzele. Ich bemerke, dass mein Kopf an ihrer Brust
ruht und meine Beine um sie geschlungen sind. Ich habe sie gänzlich bedeckt,
sie im Schlaf in meiner Umarmung gefesselt. Ich runzele die Stirn.
„Gütiger Himmel … selbst im
Schlaf fühle ich mich zu dir hingezogen“, sage ich. Ich bewege mich und komme
langsam zu mir – ziehe meine Glieder von ihr zurück. Meine Erektion drückt
gegen ihre Hüfte. Ich bemerke, dass sie mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrt.
Ich lächele sie langsam und wollüstig an.
I melt with you by Nouvelle Vague
„Hm … hier ergeben sich ja ungeahnte
Möglichkeiten, aber ich finde, wir sollten trotzdem bis
Sonntag warten.“
Ich beuge mich herunter und stupse mit
meiner Nase gegen ihr Ohr. Sie wird rot.
„Du bist so
heiß“, murmelt sie und bringt mich damit noch mehr zum Lächeln.
„Du bist auch
nicht zu verachten“, murmele ich zurück und presse mich anzüglich an sie. Sie
wird roter. Ich liebe die Art, wie sie auf mich reagiert. Ich stütze mich auf
meinem Ellbogen ab und blicke amüsiert auf sie hinab. Ich beuge mich weiter
herunter und küsse sie zärtlich auf ihre überraschten Lippen.
„Gut
geschlafen?“, frage ich. Sie nickt und blickt zu mir hinauf.
„Ich auch“, sage
ich stirnrunzelnd. „Sehr gut sogar“, sage ich. Diese Erkenntnis überrascht mich
und verwirrt mich.
„Wie spät ist
es?“ frage ich und sie blickt auf ihren Wecker.
„Es ist 7.30
Uhr“, sagt sie verschlafen.
„7.30 Uhr …
scheiße.“ Scheiße! Scheiße! Scheiße! Ich habe ein Meeting und werde zu spät
kommen!!
Ich springe aus
dem Bett und ziehe mir meine Jeans über. Sie beobachtet mich vergnügt. Von
meinem gewohnten kontrollierten Verhalten ist nichts zu sehen. Ich, Christian
Grey, bin spät dran und durch den Wind. Das ist noch nie passiert.
„Du hast einen schlechten Einfluss auf mich.
Ich habe ein Meeting und muss dringend los. Ich muss um acht in Portland sein.
Lachst du mich etwa aus?“ frage ich und muss bei ihrem Anblick ebenfalls
schmunzeln.
„Ja“, antwortet sie. Ich grinse.
„Ich bin spät dran. Normalerweise passiert
mir das nie. Noch eine Premiere, Miss Steele.“ Ich ziehe meine Jacke über,
beuge mich zu ihr herunter und umfasse ihr Gesicht, jede Hand auf einer Seite.
„Sonntag“, sage ich voller Verheißung.
„Ich lehne mich nach vorn und küsse sie
schnell. Ich sammle meine Sachen vom Nachttisch zusammen und nehme meine Schuhe
in die Hand. Ich werde sie im Auto anziehen.
„Taylor kommt später vorbei und kümmert sich
um den Käfer. Ich habe es ernst gemeint. Lass ihn stehen. Wir sehen uns am
Sonntag bei mir. Ich melde mich per Mail.“ Und wie ein Wirbelwind gehe ich zur
Tür hinaus und bin verschwunden.
Ich renne die Treppen hinunter und nehme
immer zwei oder drei auf einmal und renne zum Auto. Eine ältere Frau, die
gerade mit ihrem Hund spazieren war, bleibt auf der Stelle stehen, da sie
denkt, dass ich sie umrennen werde. Zu meiner eigenen Überraschung murmele ich ein
„Hallo“ und zaubere so ein Lächeln auf ihr Gesicht. Obwohl ich nervös und
aufgebracht sein müsste, dass ich zu spät dran bin, fühle ich mich eher
beschwingt. Es gibt nur einen Grund dafür. Ihr Name ist Anastasia Steele. Ich
habe die Nacht mir ihr verbracht. Nicht weil sie betrunken war, nicht weil ich
keinen anderen Platz zum Schlafen hatte, sondern weil ich es wollte, weil sie
es wollte. Ich fühle mich unglaublich ausgeruht – ich hatte keine Albträume.
Sogar der Zuhälter konnte sich keinen Weg in meine Träume bahnen. Jedes Mal,
wenn sie die Nacht mit mir verbracht hat, habe ich gut geschlafen. Das kann
kein Zufall sein! Es war bereits das dritte Mal.
Schnell steige ich in mein Auto ein und
stelle mein Handy in die Vorrichtung. Ich schlüpfe in meine Schuhe und wähle
Taylors Nummer, als ich aus der Parkbucht herausfahre. Er antwortet beim ersten
Klingeln.
„Ja, Sir“, meldet er sich.
„Taylor, ich bin spät dran. Wo sind Sie?“
frage ich. Er hält geschlagene drei Sekunden inne – es ist seine Art zu zeigen,
dass er total geschockt ist. Normalerweise zeigt er keine Emotionen, er ist so
passiv wie ich.
„Ich bin im Hotelrestaurant, Sir. Ihr
Geschäftspartner sind gerade angekommen“, sagt er.
„Ok. Beschäftigen Sie sie. Ich bin in
fünfzehn Minuten da.“
“Ja, Sir.”
“Ach Taylor, wie sieht es mit dem Liefertermin
für das Blackberry aus?“
„Es sollte gegen 13.00 Uhr geliefert werden“,
sagt Taylor mit Genugtuung in seiner Stimme. Er ist froh, das Problem endlich
gelöst zu haben.
„Ich fahre heute nach Seattle zurück. Sie
müssen Miss Steeles Auto für mich verkaufen. Haben Sie bereits mit dem Händler
gesprochen?“
„Ja Sir. Er war überrascht. Da wir aber schon
viele Autos bei ihm gekauft haben, war er bereit eine angemessene Summe dafür
zu bezahlen. Er sagt, dass er einen Sammler kennt, der dem Auto gern zu seinem
früheren Glanz verhelfen möchte“, sagt Taylor widerwillig. Als ob diese kaum
fahrbare Todesfalle irgendeinen Restaurierungswert haben würde.
„In Ordnung. Berichten Sie mir danach davon. Treffen
Sie mich in zehn Minuten an der Tür.“
„Ja Sir“, sagt er und ich lege auf.
Ich fahre von der Autobahn ab und um das
Heathmans herum. Vorm Hotel bleibe ich stehen und werfe dem Hotelangestellten
die Schlüssel zu, welche er mit einem großen Grinsen auffängt. Taylor wartet an
der Tür.
„Wie viele sind es?“ frage ich ohne langes
Federlesen.
„Es sind vier Leute, Sir. Sie warten in einem
privaten Sitzungsraum. Ros ist hier. Ich habe mir die Freiheit genommen, ihr
gestern Abend zu schreiben und sie zu bitten, heute früh hier zu sein“, sagt
Taylor und blickt mich teilnahmslos an.
Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu. Er kennt
mich wirklich gut. Als ich den privaten Tagungsraum betrete, ist Ros bereits da
und spricht mit den Kunden. Alle erheben sich von ihren Plätzen, als ich hinein
komme. Taylor stellt sich neben die Tür, ein teilnahmsloser Blick zeichnet sich
auf seinem Gesicht ab und er starrt geradeaus. Ich kenne ihn gut genug, um zu
wissen, dass er sowohl seine Augen, als auch seine Ohren offen hält. Ich
schüttele mit jedem der Kunden Hände, bedenke Ros mit einem Kopfnicken und sage
„Ros.“ Sie antwortet mit einem „Mr. Grey.“
Wir reden weiter über die geschäftlichen
Belange. Taylor hat bereits meinen Laptop hochgefahren und ihn auf meinen Platz
gestellt. Bereits auf der Fahrt hierher habe ich gehört, dass eine Mail
eingegangen ist. Ich öffne die Nachricht und habe sofort ein Leuchten in meinen
Augen. Die Nachricht ist von Anastasia. Sie hat meinen Hinweis beherzigt und
ihre Gedanken und Gefühle, die die Thematik von letzter Nacht betreffen,
aufgeschrieben.
Von: Anastasia
Steele
Betreff: Tätlicher Angriff und Körperverletzung: Die Nachwirkungen.
Datum: 27. Mai 2011 08:06
Uhr
An: Christian
Grey
Sehr geehrter Mr. Grey,
Sie wollten wissen, wieso ich so
durcheinander war, nachdem Sie mich – welchen
Euphemismus sollten wir dafür verwenden? –
versohlt, bestraft, geschlagen, misshandelt
haben. Nun, während der gesamten
beunruhigenden Prozedur habe ich mich erniedrigt,
gedemütigt und misshandelt gefühlt. Und zu
meiner Schande muss ich gestehen, dass Sie
Recht haben – es hat mich erregt, worauf ich
definitiv nicht vorbereitet war. Wie Ihnen ja
bewusst ist, bin ich in puncto Sexualität
noch sehr unbedarft und wünschte, ich würde ein
wenig mehr Erfahrung mitbringen, sodass es
mich nicht ganz aus heiterem Himmel
getroffen hätte. Dass mich diese Situation
erregt hat, war ein echter Schock für mich.
Am meisten setzt mir jedoch zu, wie ich mich
danach gefühlt habe, was noch viel
schwieriger zu beschreiben ist. Ich war
glücklich, weil Sie glücklich waren. Ich war
erleichtert, dass es nicht ganz so
schmerzhaft war, wie ich gedacht hatte. Und als ich in
Ihren Armen lag, habe ich so etwas wie …
Befriedigung empfunden. Aber genau das macht
mir zu schaffen, und ich habe sogar ein
schlechtes Gewissen deswegen. Es passt so gar
nicht zu mir, deshalb bin ich verwirrt.
Beantwortet das Ihre Frage?
Ich hoffe, die Geschäftswelt zeigt sich in
gewohnt stimulierender Art und Weise … und
dass Sie nicht zu spät zu Ihrem Meeting
gekommen sind.
Danke fürs Hierbleiben
Ana
___________________________________________________________________________
Endlich teilt sie mir mit, wie sie sich während und nach der Bestrafung gefühlt hat. Letzte Nacht war ich wirklich besorgt – ich dachte, sie entgleitet mir vielleicht, weil ihr die Bestrafung nicht gefallen hat. Sie klingt wirklich wie Tess D’Urbervilles. Aber das ist eigentlich nicht überraschend – schließlich hat sie sich für die Erniedrigung entschieden. Umgehend antworte ich ihr. Ros leitet das Gespräch und ich bin der stille Beobachter.
Von: Christian
Grey
Betreff: Keine falschen Gewissensbisse
Datum: 27. Mai 2011 08:25 Uhr
An: Anastasia
Steele
Ein interessanter, wenn auch leicht übertriebener
Betreff, Miss Steele.
Um Ihre Fragen zu beantworten: Ich entscheide
mich für »Versohlen« – denn genau das
war es. Sie schreiben, Sie hätten sich
gedemütigt, erniedrigt und misshandelt gefühlt – Tess
D‘Urbervilles lässt grüßen. Wenn ich mich
recht entsinne, waren Sie diejenige, die sich
diese Erniedrigung ausgesucht hat. Empfinden
Sie tatsächlich so, oder glauben Sie nur,
dass Sie so empfinden sollten? Das sind zwei
grundverschiedene Dinge. Wenn Sie
tatsächlich so empfinden, könnten Sie
vielleicht versuchen, diese Regungen zu akzeptieren,
sich mit ihnen zu arrangieren? Für mich?
Genau das würde eine Sub nämlich tun.
Außerdem bin ich dankbar für Ihre
Unerfahrenheit, schätze sie und beginne erst jetzt,
allmählich ihre Bedeutung zu begreifen. Mit
einfachen Worten – es bedeutet, dass Sie in
jeder Hinsicht mir gehören.
Ja, Sie waren erregt, was wiederum für mich
sehr erregend war. Das ist nichts Schlimmes.
Und glücklich trifft es nicht einmal
annähernd. Ich würde es eher als ekstatisch
bezeichnen.
Eine Tracht Prügel im Zuge einer Bestrafung
ist wesentlich schmerzhafter als eine
erotische. Schlimmer wird es nicht mehr
werden, es sei denn, natürlich, Sie machen sich
eines groben Verstoßes schuldig. In diesem
Fall würde ich ein Züchtigungsmittel zu Hilfe
nehmen. Meine Hand hat sehr gebrannt. Aber
ich mag das.
Auch ich habe große Befriedigung empfunden.
Mehr, als Sie ahnen.
Verschwenden Sie Ihre Energie nicht auf
Regungen wie Gewissensbisse oder das Gefühl,
etwas Falsches zu tun. Wir sind Erwachsene,
die einvernehmlich eine Vereinbarung
getroffen haben, und was wir hinter
geschlossenen Türen tun, ist allein unsere Sache.
Werfen Sie Ihre Gewissensbisse über Bord und
hören Sie auf Ihren Körper.
Die Welt der großen Geschäfte ist nicht
einmal annähernd so stimulierend wie Sie, Miss
Steele.
Christian Grey CEO,
Grey Enterprises Holdings Inc.
Ich drücke auf Senden und nicke Ros zu, da
sie unseren zukünftigen Kunden einen wichtigen Punkt vermittelt. Ich lehne mich
zurück und höre interessiert zu. Innerhalb von zwei Minuten erscheint
Anastasias Antwort in meinem Posteingang. Meine Atmung beschleunigt sich vor
Aufregung. Ich bewege meine Maus und klicke auf Öffnen.
Von: Anastasia
Steele
Betreff: Einvernehmliche Erwachsene!
Datum: 27. Mai 2011 08:27 Uhr
An: Christian
Grey
Sollten Sie nicht in einem Meeting sein? Es
freut mich sehr zu hören, dass Ihre Hand gebrannt hat. Würde ich auf meinen
Körper hören, wäre ich inzwischen schon in Alaska.
Ana
PS:
Über Ihren Vorschlag, diese Regungen zu akzeptieren, werde ich in Ruhe
nachdenken.
Sind wir etwa
streitsüchtig diesen Morgen? Genauso, wie ich es mag. Sie spielt mit mir, ohne
es zu wissen. Es ist unglaublich heiß und frustrierend zugleich. Ihre
zusätzliche kleine Anmerkung lässt mich hoffen. Ich seufze erleichtert. Nachdem
ich einige Grundsatzfragen bezüglich der künftigen Märkte beantworte, tippe ich
meine Antwort.
Von: Christian
Grey
Betreff: Sie haben schließlich nicht die Polizei gerufen
Datum: 27. Mai 2011 08:36
Uhr
An: Anastasia Steele
Miss Steele,
ich sitze tatsächlich mitten in einem Meeting
über künftige Märkte, falls es Sie
interessieren sollte. Nur fürs Protokoll,
darf ich Sie daran erinnern, dass Sie neben mir gestanden haben und genau
wussten, was auf Sie zukommt.
Sie haben mich zu keinem Zeitpunkt gebeten,
damit aufzuhören – Sie haben keines der
Safewords benutzt.
Sie sind eine erwachsene Frau und haben
jederzeit die Möglichkeit, Nein zu sagen.
Offen gestanden, freue ich mich schon auf das
nächste Mal, wenn meine Handfläche vor
Schmerz glüht. Und offensichtlich hören Sie
nicht auf den richtigen Teil Ihres Körpers.
In Alaska ist es sehr kalt, deshalb ist es
kein idealer Ort für eine Flucht. Ich würde Sie finden. Schließlich kann ich
Ihr Handy orten, schon vergessen?
Und jetzt gehen Sie zur Arbeit.
Christian Grey CEO,
Grey Enterprises Holdings Inc.
Alaska … Baby, ich würde dich selbst am
anderen Ende der Welt finden. Nimm das Miss Steele! Wie du mir, so ich dir. Ich
drücke auf Senden. Ihre Antwort kommt augenblicklich. Ich kann ihr loses
Mundwerk quasi durch den Laptop hören und würde es nur zu gerne zügeln.
Von: Anastasia
Steele
Betreff: Stalker
Datum: 27. Mai 2011 08:37 Uhr
An: Christian
Grey
Sind Sie wegen Ihrer Stalker-Neigungen in
Therapie?
Ana
Und natürlich
habe ich genau so etwas erwartet. Ich lächele und versuche, gegenüber den
Leuten, mit denen ich hier ein Meeting habe, nicht wie ein Idiot zu wirken.
Von: Christian
Grey
Betreff: Stalker? Ich?
Datum: 27. Mai 2011 08:39 Uhr
An: Anastasia Steele
Ich bezahle dem ehrenwerten Dr. Flynn ein
kleines Vermögen für die Behandlung meiner
Stalker- und
sonstigen Neigungen.
Und jetzt machen
Sie, dass Sie zur Arbeit kommen.
Christian Grey CEO,
Grey Enterprises Holdings Inc.
Natürlich wird
sie dies nicht tun, sondern weiter mit mir diskutieren.
Von: Anastasia
Steele
Betreff: Teure Scharlatane
Datum: 27. Mai 2011 08:41 Uhr
An: Christian
Grey
Dürfte ich in aller Bescheidenheit
vorschlagen, sich eine zweite Meinung einzuholen?
Ich bin nicht sicher, ob Dr. Flynn
durchschlagende Erfolge verbuchen kann.
Miss Steele
Von: Christian
Grey
Betreff: Zweite Meinung
Datum: 27. Mai 2011 08:44 Uhr
An: Anastasia Steele
Es geht Sie zwar nichts an, Bescheidenheit
hin oder her, aber Dr. Flynn ist die zweite
Meinung. Wenn Sie so weitermachen, werden Sie
trotz Ihres neuen Wagens rasen müssen und setzen sich damit einem unnötigen
Risiko aus – ich glaube, das verstößt gegen unsere
Regeln.
LOS, ZUR ARBEIT.
Christian Grey
CEO,
Grey
Enterprises Holdings Inc.
Hört sie
überhaupt mal auf mich? Und nicht anders erwartet, erscheint eine weitere
Nachricht von ihr.
Von: Anastasia
Steele
Betreff: BEFEHLE IN GROßBUCHSTABEN
Datum: 27. Mai 2011 08:48 Uhr
An: Christian
Grey
Als Objekt Ihrer Stalker-Neigungen geht mich
das sehr wohl etwas an, finde ich.
Noch habe ich nicht unterschrieben. Deshalb:
Regel, Segel, Schornsteinflegel.
Außerdem fange ich erst um halb zehn an.
Miss Steele
Von: Christian
Grey
Betreff: Deskriptive Linguistik
Datum: 27. Mai 2011 08:50 Uhr
An: Anastasia Steele
Schornsteinflegel? Ich glaube nicht, dass dieses Wort tatsächlich existiert.
Christian Grey CEO,
Grey Enterprises Holdings Inc.
_________________________________________________________________________________
Von: Anastasia
Steele
Betreff: Deskriptive Linguistik
Datum: 27. Mai 2011 08:53 Uhr
An: Christian
Grey
Irgendwo zwischen Kontrollfreak und Stalker,
würde ich sagen. Und deskriptive Linguistik
ist eindeutig ein Hard Limit für mich. Hören
Sie jetzt endlich auf, mir auf die Nerven zu
gehen? Ich würde sehr gern mit meinem neuen
Wagen zur Arbeit fahren.
Ana
___________________________________________________________________________
Von: Christian
Grey
Betreff: Anstrengende, aber amüsante junge Frauen
Datum: 27. Mai 2011 08:56 Uhr
An: Anastasia Steele
Meine Hand juckt
bereits. Fahren Sie vorsichtig, Miss Steele.
Christian Grey CEO,
Grey Enterprises Holdings Inc.
Nach weiteren
dreißig Minuten ist das Meeting vorbei. Ros und ich bleiben aber noch und sehen uns noch einige Geschäftspläne
an und diskutieren über unsere Pläne, ein neues Dock in Asien zu kaufen und es
so vor den überirdischen Kosten zu beschützen. Es ist nach elf Uhr, als Ros
sich auf den Rückweg nach Seattle macht. Ich sollte mich auch bald auf den Weg
machen. Ich gehe in meine Suite und natürlich hat Taylor bereits alles gepackt.
Er kommt
herein.
„Sir, Miss
Steeles Blackberry steht kurz vor der Zustellung. Innerhalb der nächsten Stunde
sollte sie es in den Händen halten. Es ist vollgeladen, mit ihren
Kontaktinformationen versehen und außerdem mit ihrem E-Mail Account
eingerichtet. Ich habe ihre Telefonnummer an Ihr Gerät weitergeleitet, Sir“,
sagt er und man kann einen Hauch von Stolz in seiner Stimme ausmachen. Ich
nicke. Effizienz sollte Taylors zweiter Vorname sein.
„Wenn Miss
Steele heute Abend nach Hause fährt, fahren Sie zu ihr und holen ihr Auto ab,
um es zu verkaufen. Danach fahren Sie zurück nach Seattle.“
„Ja, Sir“, sagt
er.
Ich schreibe
Anastasia eine weitere Nachricht. Sobald ihr Blackberry geliefert wird, kann
sie sie lesen.
Von: Christian
Grey
Betreff: Blackberry GELIEHEN
Datum: 27. Mai 2011 11:16
Uhr
An: Anastasia Steele
Ich muss jederzeit Kontakt mit Ihnen aufnehmen können, und da wir offenbar in
schriftlicher Form am aufrichtigsten
miteinander kommunizieren können, dachte ich, ein
Blackberry wäre
vielleicht genau das Richtige.
Christian Grey CEO,
Grey Enterprises Holdings Inc.
Obwohl ich
weiß, dass sie ausflippen wird, wenn ich ihr noch ein weiteres Gerät schenke,
will ich, nein ich muss immer mit ihr in Kontakt sein können. Ich muss wissen,
wo sie ist, wie es ihr geht und mit wem sie zusammen ist. Ich brauche die
Kontrolle. Ich kenne es einfach nicht anders. Sie ist mein. Ich teile nicht,
was mir gehört. Ich bin vereinnahmend.
Von: Anastasia
Steele
Betreff: Konsumverhalten außer Rand und Band
Datum: 27. Mai 2011 13:23 Uhr
An: Christian
Grey
Wenn Sie mich fragen, sollten Sie sofort Dr.
Flynn anrufen.
Ihre Stalker-Neigungen gehen endgültig mit
Ihnen durch. Sobald ich von der Arbeit wieder
zuhause bin, melde ich mich per Mail.
Danke für das zweite technische Spielzeug.
Ich habe nicht gelogen, als ich gesagt habe,
Sie wären der ideale Verbraucher. Wieso tun
Sie das?
Ana
Von: Christian
Grey
Betreff: Noch so jung und schon so scharfsinnig
Datum: 27. Mai 2011 11:16
Uhr
An: Anastasia Steele
Ein stichhaltiges Argument, Miss Steele.
Dr. Flynn ist im Urlaub.
Und ich tue es, weil ich es kann.
Christian Grey CEO,
Grey Enterprises Holdings Inc.
Da wir gerade bei Dingen sind, die ich kann. Ich glaube nicht, dass ich möchte, dass mein eigener Arzt Anastasias Verhütungsproblematik löst. Zumal er männlich ist. Ich möchte nicht, dass sich irgendein anderer Typ Anastasias intimste Stelle anguckt, selbst wenn er ein Arzt ist. Ich werde ihr die beste Gynäkologin der Stadt besorgen. Andrea hat mir gerade erst die Zustimmung für das Treffen per E-Mail geschickt. Sie wird am Sonntag um 13:30 Uhr ins Escala kommen. Sobald Geld keine Rolle spielt, ist selbst ein Treffen an einem Sonntag um die Mittagszeit kein Problem. Das ist einer der Gründe, warum ich es liebe, so viel Geld zu haben. Man kann sein Leben selbst bestimmen … zumindest meistens. Wenn es um Miss Steele geht ist alles möglich.
Ich schicke ihr
eine weitere E-Mail mit der Uhrzeit unseres Treffens. Weil ich bald los muss,
bin ich in Eile. Ich habe nun eine Woche hier verbracht und ich bin angespannt.
Bald werde ich wieder in Seattle in meinen eigenen vier Wänden sein und einige
Geschäfte erledigen.
___________________________________________________________________________________________
Von: Christian
Grey
Betreff: Sonntag
Datum: 27. Mai 2011 13:40
Uhr
An: Anastasia Steele
Sollen wir uns Sonntag um 13:00 Uhr treffen?
Der Arzt kommt um 13:30 Uhr ins Escala.
Ich mache mich jetzt auf den Weg nach
Seattle.
Ich hoffe, der Umzug geht reibungslos über
die Bühne, und ich freue mich schon auf Sonntag.
Christian Grey CEO,
Grey Enterprises Holdings Inc.
Ich mache mich
auf den Weg zum Auto, um nach Hause zu fahren. Obwohl die Fahrt nach Seattle
reibungslos läuft, dauert sie lange. Ich möchte noch vor der Rush Hour in der
Stadt sein. Musik hilft immer - Kings of Leon. Die Melodie hallt laut durch die
Lautsprecher meines R8. Closer … Als er singt “Sie nahm mein Herz
und meine Seele”, beschleunigt sich mein Atem. Hat Anastasia das auch mit mir
gemacht?
Ich summe den Text mit, als sich mein Herz
zusammenzieht:
Closer - Kings of Leon
Du erschütterst mich bis ins Mark
Lässt mich zurück, ganz allein, mit meiner Liebe
Denkst Du an mich?
Wo bin ich jetzt? Baby, wo schlafe ich?
Es fühlt sich so gut an, aber ich bin alt,
2000 Jahre des Jagens fordern ihren Tribut
Lässt mich zurück, ganz allein, mit meiner Liebe
Denkst Du an mich?
Wo bin ich jetzt? Baby, wo schlafe ich?
Es fühlt sich so gut an, aber ich bin alt,
2000 Jahre des Jagens fordern ihren Tribut
Ob sie wohl
auch so oft an mich denkt, wie ich an sie? Angst ergreift mich als ich den Text
verinnerliche. Sie hat mich bis ins Mark erschüttert. Ich seufze erleichtert
auf, als das Lied endet.
Der Text
geht mir durch den Kopf, wie eine kaputte Schallplatte, wieder und wieder. „Denkst
du an mich? Denkst du an mich? Denkst du an mich Anastasia?” Ich schüttele meinen Kopf, um die Gedanken zu
vertreiben. Als ich am Escala ankomme, ist es bereits nach 17:00 Uhr. Ich parke
in einer meiner Buchten in der Tiefgarage des Escala und mache mich schnell auf
den Weg zu den Aufzügen. Ich gebe meinen Code ein und langsam bringt mich der
Aufzug hinauf zu meiner Suite. Als ich ankomme, begrüßt mich Mrs. Jones.
„Willkommen
zu Hause, Mr. Grey. Sollen ich Ihnen ihr Abendessen fertig machen, Sir?“
„Ja. Ich
bin ich 15 Minuten so weit, Mrs. Jones“, sage ich und mache ich auf den Weg in
mein Zimmer. Ich lege mein Jackett ordentlich über einen Stuhl und gehe schnell
duschen. Ich ziehe mir eine schwarze Jeans
und ein weißes Leinenhemd an. Keine Socken oder Schuhe. Ich gieße mir
selber ein Glas Wein ein, um ihn zu dem köstlichen Fisch, den Mrs. Jones
gekocht hat, zu trinken. Ich wähle Anastasias Nummer. Sie sollte bereits
Feierabend gemacht haben. Aber sie geht nicht ran. Ich blicke finster drein. Es
ist nach halb 6. Ich rufe Taylor an.
“Ja,
Sir”, antwortet er nach dem zweiten Klingeln.
„Wo sind
Sie?“ frage ich.
„Ich habe
gerade Miss Steeles Auto verkauft und die Auszahlung erhalten. Nun bin ich auf
dem Weg zurück ins Hotel, um den SUV zu holen, Sir.“
„Was hat
Miss Steele gemacht?“
„Sie und
ihre Mitbewohnerin waren mit dem Packen beschäftigt“, antwortet er und
verschafft mir damit Erleichterung. Sie war also beschäftigt, aber zu Hause.
„Hat sie
etwas zu Ihnen gesagt`“, frage ich fest.
„Sie hat
mich gefragt, wie lange ich für Sie arbeite.“
„Das
war’s?“ , hake ich nach.
„Ja Sir.
Ich bin nicht lange geblieben. Sie hat nur schnell ihre Habseligkeiten aus dem
Auto genommen“, antwortet er.
„Wann
werden sie aufbrechen?“
„Ich
werde wahrscheinlich innerhalb der nächsten 30 Minuten aufbrechen, Sir“,
erwidert er.
„Ich
werde Sie über den morgigen Tag informieren, wenn Sie hier sind“, sage ich.
„Ja,
Sir“, antwortet er und ich lege auf.
Ich esse
auf und gehe in mein Büro. Mein Telefon klingelt. Ich greife aufgeregt danach,
da ich denke es ist Anastasia.
„Hallo?“
sage ich ohne auf die Nummer zu achten. Klinge ich vielleicht ein bisschen zu
sanft?
„Oh, das
ist soooo süß!“ reizt Elliot mich.
Scheiße!
Ich wollte ihm doch keine Gelegenheit bieten, mich aufzuziehen.
„Was ist
los, Elliot?“ sage ich in einem Ton, den er von mir gewohnt ist.
„Nichts.
Ich wollte dich nur fragen, wann Mia morgen zurückkommt.“
„Ah”,
sage ich und gebe ihm die Zeit durch.
„Gut.
Danke, dass du sie abholst, Bro. Aber du weißt ja, dass ich deiner
Freundin bei ihrem Umzug nach Seattle helfe!“ sagt er stichelnd.
„Was? Hat
deine Freundin etwa ihre Meinung bezüglich des Umzugs geändert?“ necke ich ihn.
„Nein
natürlich nicht. Du verträgst ja nicht mal einen Scherz, Bro!“ sagt er. „Hey,
ich gehe jetzt zu den beiden. Soll ich ihr irgendetwas von dir ausrichten?“
fragt er stichelnd. Verdammter Bastard.
„Nichts,
was ich ihr nicht selber sagen könnte. Danke“, sage ich und lege auf.
Das
Gespräch macht mich eifersüchtig. Er wird Anastasia sehen und ich nicht. Verdammt.
Ich kann sie nicht einmal erreichen! Es ist nun schon das dritte Mal, dass ich
sie anrufe und sie hat immer noch nicht geantwortet! Es ist zum Verrücktwerden!
Ich möchte sie per Telefon oder E-Mail erreichen können. Ist es zu viel
verlangt, dass sie rangeht oder mir eine Nachricht schreibt?
Ich
versuche mich selbst zu beruhigen, indem ich mir sage, dass sie umzieht und sie
wahrscheinlich ihren Laptop bereits eingepackt hat. Aber hat sie auch ihr
Telefon eingepackt?
Ich werde
heute Abend auf einer Benefizveranstaltung erwartet. Meine Gedanken drehen sich
gänzlich um Anastasia. Das wird mir ein bisschen Ablenkung verschaffen. Etwas
zu tun. Ich verlasse mein Büro und gehe zu meinen Kleiderschrank. Die
Abendgarderobe ist vorgeschrieben. Ich finde meinen Smoking und als ich nach
einer Fliege suche, streicht meine Hand langsam
über die silberne Krawatte. Ich schließe meine Augen und versuche meine Atmung
wieder in den Griff zu kriegen. Was hat sie mir in nur so kurzer Zeit angetan?
Was passiert mit mir? Ich war noch nie zuvor von einer Frau so angetan. Nicht
einmal, als ich gedacht habe, dass ich in Elena verliebt bin und das war ich
natürlich nicht. Ich ziehe meine Socken und Schuhe an. Bevor ich meine Suite
verlasse, rufe ich Anastasia noch einmal an. Wieder nicht. Ich fahre mir
frustriert mit meinen Händen durch meine Haare und gehe durch den großen Raum.
Sie hat gesagt, dass sie mich anruft, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt
und sie hält sich nicht daran. Ich wähle
noch einmal ihre Nummer. Es klingelt viermal und dann geht die Mailbox ran.
Dieses Mal hinterlasse ich ihr eine wütende Nachricht:
„Anastasia,
du musst wohl erst noch lernen, meinen Erwartungen gerecht zu werden. Geduld
gehört nicht zu meinen Stärken. Wenn du sagst, du meldest dich nach der Arbeit,
solltest du den Anstand besitzen, es auch zu tun. Sonst mache ich mir nur
Sorgen, und das ist eine Regung, die mir fremd ist und mit der ich auch nicht
gut umgehen kann. Ruf mich an.“ Ich lege auf.
Es ist so verdammt frustrierend! Wenn sie in
der Nähe wäre, würde ich zu ihr fahren und dafür sorgen, dass meine Hand wieder
schmerzt! Aber jetzt muss ich mich auf der Benefizveranstaltung blicken lassen.
Ich werde hinfahren, Hallo sagen, einen Check ausstellen und wieder gehen. Ich
eile aus meiner Suite und meine Gedanken drehen sich immer noch um Anastasia.
*
Es ist nach
22.00 Uhr und ich habe noch immer keinen Anruf oder eine Nachricht von
Anastasia erhalten. Angst keimt in mir auf. Was stimmt nicht? Warum hat sie
mich nicht angerufen oder mir geschrieben? Sie hat gesagt, dass sie mich
anruft. Es muss etwas passiert sein. Ich halte die Ungewissheit nicht länger
aus und sende ihr eine Nachricht von meinem Blackberry:
Von: Christian
Grey
Betreff: Wo bist du?
Datum: 27. Mai 2011 22:15
Uhr
An: Anastasia Steele
‚Sobald ich von der Arbeit zuhause bin, melde
ich mich per Mail.‘ Das
hast du mir vorhin geschrieben. Arbeitest du immer noch oder hast du aus
Versehen dein Telefon, den BlackBerry und den Laptop eingepackt?
Ruf mich an, sonst sehe ich mich gezwungen,
Elliot einzuschalten.
Christian Grey CEO,
Grey Enterprises Holdings Inc.
Nachdem ich
diese Nachricht abgeschickt habe, verabschiede ich mich und nicke den liebäugelnden
Frauen zu, obwohl es das letzte ist, was ich tun möchte. Eilig verlasse ich das
Gebäude. Ich löse meine Fliege im Auto, sobald der Hoteldiener es mir
vorgefahren hat. Ich fahre schneller, als ich sollte, nach Hause. Ich warte die
fünfzehn Sekunden, die das Garagentor braucht, um sich zu öffnen und fahre
ungeduldig hinein. Ich parke das Auto in einer meiner Buchten. Ich steige aus
und drücke den Rufknopf des Aufzuges. Sie werden nie wieder die gleichen für
mich sein. Jedes Mal, wenn ich einen betrete, denke ich an sie. Ich schließe
meine Augen auf dem Weg zu meinem Penthouse. Sobald ich meine Suite betrete,
seufze ich und gieße mir ein Glas Wein ein, ziehe mein Jackett aus, lege es
über einen Stuhl und gehe zu meinem Piano. Irgendwie passiert es mir immer,
dass ich ein trauriges, elendes Stück spiele … wieder und wieder. Die
Musik ist trist, traurig und überflutet mich mit unbekannter Sorge.
Suffocation by Chopin
Ungefähr
dreißig Minuten nachdem ich angefangen habe zu spielen, klingelt mein Telefon
in meiner Tasche. Dieses Mal überprüfe ich die Nummer. Mein Herz setzt eine
Sekunde aus. Es ist Anastasia. Erleichterung durchströmt mich. Endlich ruft sie
an.
“Hi”, antworte
ich sanft. Für einige Sekunde ist sie ruhig. “Hi”, antwortet sie endlich.
“Ich habe mir
Sorgen gemacht”, sage ich besorgt.
„Ich weiß. Es
tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Mir geht es gut.“ Ich lehne
mich zum Piano, lasse die Erleichterung durchsickern und mich aus meiner
Erstickung holen. Meine Augen sind immer noch geschlossen. Ich sage, „Hattest
du einen schönen Abend?“ Und weißt du,
welche Art von Stürmen, du in meiner gepeinigten Seele ausgelöst hast? Nur der
Klang deiner Stimme befreit mich schon vorm Ersticken und meiner Qual. Ich atme langsam.
Nocturne from The Secret Garden
„Ja. Wir sind
mit dem Packen fertig. José war hier und hat Kate und mir etwas vom Chinesen
mitgebracht.“ Als sie seinen Namen ausspricht, merke ich wieder, wie ich
langsam in das Meer der Qualen zurückgezogen werde. Ich erinnere mich daran,
dass sie mich anruft und mit dieser süßer Stimme mit mir spricht. Sie gehört
immer noch mir.
„Wie geht es
dir?“ fragt sie mich.
„Atme Grey,
atme, erinnere ich mich selbst. Schließlich seufze ich resigniert … aber nur
vorerst.
„Ich war auf
einer Benefizveranstaltung. Es war total langweilig, deshalb bin ich so schnell
ich konnte wieder gegangen“, sage ich und es gelingt mir nicht, die Traurigkeit
und Resignation aus meiner Stimme zu verbannen.
„Ich wünschte,
du wärst hier“, flüstert sie.
„Tatsächlich?“
frage ich leise, immer noch zutiefst traurig. Mein Herz presst sich zusammen.
Bis zu diesem Moment habe ich noch nicht einmal bemerkt, wie groß die Angst sie
zu verlieren war.
„Ja“, flüstert
sie bestimmt. Ich schließe die Augen und versuche ihr zu glauben. Letztlich seufze
ich.
„Sehen wir uns
Sonntag?“ frage ich und habe Angst vor ihrer Antwort.
„Ja, Sonntag“,
murmelt sie.
„Gute Nacht“,
sage ich und will sie nicht gehen lassen.
„Gute Nacht,
Sir“, sagt sie. Darauf war ich nun wirklich nicht vorbereitet. Sie trifft mich
völlig unerwartet. Ich atme scharf ein. Sie zieht mich mit zwei simplen Wörtern
aus meinem Elend!
„Viel Glück
morgen beim Umzug, Anastasia“ sage ich mit sanfter Stimme. Wir hängen wie zwei
Teenager am Telefon. Keiner ist gewillt, aufzulegen.
„Du legst auf“,
flüstert sie und bringt mich zum Lächeln.
„Nein, du legst
auf“, sage ich grinsend.
„Ich will aber
nicht“, sagt sie und ich wünsche mir, dass sie hier ist … in meinen Armen.
„Ich auch
nicht“, sage ich.
„Warst du sehr
wütend auf mich?“ fragt sie besorgt.
„Ja“, antworte
ich.
„Bist du es
immer noch?“
„Nein.“
„Du wirst mich
also nicht bestrafen?“ fragt sie beunruhigt.
„Nein. Ich bin
eher der spontane Typ“, antworte ich.
„Das ist mir
auch schon aufgefallen“, gibt sie zurück.
„Sie können
jetzt auflegen, Miss Steele.“
„Soll ich das
wirklich, Sir?“ sagt sie und mein Herz setzt für einen Schlag aus.
„Geh ins Bett,
Anastasia“, sage ich und die Erleichterung bahnt sich nun endgültig ihren Weg.
„Ja, Sir“, sagt
sie. Dennoch bleiben wird beide am Telefon.
„Wirst du es
irgendwann schaffen, dass zu tun, was man dir sagt?“ frage ich. Ich bin sowohl
amüsiert, da sie genauso von mir angetan ist, wie ich und von ihr und
gleichzeitig verärgert, weil sie keinen einzigen gehorsamen Knochen in ihrem
Körper hat. Ich seufze.
„Vielleicht.
Warten wir erst einmal den Sonntag ab“, sagt sie und legt endlich auf.
Was mache ich
nur mit dir Anastasia? Oder schlimmer, was würde ich ohne dich machen? Langsam
mache ich mich auf den Weg in mein Schlafzimmer. Mit meinen Gedanken bin ich
nur bei Anastasia und fünf Minuten später, liege ich nur mit meinen Boxershorts
bekleidet in meinem Bett. Ich drifte langsam in den Schlaf und habe ihr
schüchternes Lächeln vor Augen.
With or Without You by U2
No comments:
Post a Comment