Kapitel VI
Feindliches Territorium
Feindliches Territorium
Übersetzer: Janine Heistmann
Als
ich Anastasias vor Schreck verzerrtes Gesicht sehe, erhöht sich mein Angstlevel
noch einmal. Nachdem mir Elena noch kurz Glück wünscht, gehe ich zu Anastasia
und sehe sie besorgt an. Ich runzele die
Stirn, als ich ihren Gesichtsausdruck sehe, „Alles in Ordnung?“ frage
ich mit verzerrter und zaghafter Stimme. Anastasia, bitte! Renn nicht davon!
„Nicht wirklich. Wolltest du mich nicht
vorstellen?“ fragt sie mit kalter Stimme.
Oh verdammt! All meine Ängste bestätigen sich.
Sie weiß es! Scheiße! Scheiße! Scheiße! Was soll ich tun?
„Aber ich dachte …“, sage ich, aber sie
unterbricht mich.
„Bei deiner Intelligenz bist du manchmal ziemlich
…“, sie hält inne und ist unfähig ihren Satz zu Ende zu bringen. Manchmal was?
Manchmal benehme ich mich wie ein Idiot? Ein Arsch? Sie hat mir das schon
einmal gesagt. Ein Trottel. Ich habe nicht nachgedacht und manchmal ist es eben
schwierig alte Gewohnheiten zu überwinden. Ich dachte, Elena wäre nicht hier!
Fuck!
„Ich möchte jetzt bitte gehen“, sagt sie.
„Warum?“ frage ich sie.
„Du weißt, warum“, sagt sie und verdreht ihre
Augen. Ich starre auf sie herab, aber ich kann sie nicht dafür bestrafen, dass
sie die Augen verdreht. Ich habe es versprochen. Meine Augen brennen vor Wut …
auf mich selbst, und … ich weiß nicht einmal, auf wen ich wütend bin!
„Tut mir leid, Ana. Ich wusste nicht, dass sie
hier sein würde. Sie ist sonst nie da. Sie hat eine neue Filiale im Bravern
Center eröffnet, um die sie sich normalerweise kümmert. Aber heute hat sich
jemand krankgemeldet, da musste sie einspringen“, versuche ich ihr so gut es
geht zu erklären.
Aber
Anastasia hört sich nichts davon an. Sie macht auf dem Absatz kehrt und geht in
Richtung Tür.
„Greta,
wir brauchen Franco jetzt doch nicht“, herrsche ich sie an und eile hinter
Anastasia hinterher. Vorsichtig beobachte ich sie. Sie geht zügig davon, als ob
sie jeden Moment anfangen würde, zu rennen. Außerdem hält sie den Atem an und
beißt ihre Zähne aufeinander. Sie blickt in die Ferne, um ihre Tränen zu
unterdrücken. Verdammt! Sie wird weglaufen! Warum zur Hölle bringe ich mich
selbst in diese Lage? Und warum tue ich es so oft? Gott! Ich bin ein Idiot!
Schweigend
gehe ich neben ihr her und beobachte sie, ohne zu blinzeln. Ich weiß, dass ich
abgefuckt bin. Ich habe sie darum gebeten, mir Raum für Fehler einzugestehen.
Ich werde es in den Sand setzen – so wie ich es immer tue. Sie schlingt die
Arme um sich und schirmt mich damit von ihr ab, beschützt sich selbst. Ihr Kopf
ist nach unten geneigt, sie weicht allem, was ihr in den Weg kommt aus, weicht
mir aus. Ich mache keine Anstalten sie zu berühren, obwohl ich mir nichts
sehnlicher wünsche, als sie aufzuhalten und sie in meine Arme zu schließen.
„Du hast deine früheren Subs in den Salon
gebracht?“
„Ja, manche“, antworte ich kleinlaut.
„Leila?“ lautet ihre zweite Frage.
„Ja“, antworte ich ehrlich.
„Der Salon sieht recht neu aus“, bemerkt sie.
„Er ist kürzlich renoviert worden“, antworte ich.
„Verstehe. Dann kennt Mrs. Robinson also alle
deine Subs?“
„Ja“, erwidere ich.
„Und wussten sie über sie Bescheid?“
„Nein, keine. Nur du“, antworte ich.
„Aber ich bin nicht deine Sub“, sagt sie mit
fragendem Unterton.
„Nein, definitiv nicht“, antworte ich
leidenschaftlich.
Endlich bleibt sie stehen und sieht mich an. Ich
bin besorgt, was sie als nächstes tun wird, dass sie wegrennen wird und ich sie
nie wieder sehen werde. Meine Lippen sind aufeinander gepresst, eine schmale,
angespannte Linie.
„Merkst du eigentlich, wie abgefuckt das alles
ist?“ sagt sie mit leiser, zischender Stimme und starrt zu mir herauf.
„Ja.
Tut mir leid“, sage ich. Ich habe es gemerkt, als ich Elena im Laden gesehen
habe. Aber da war es bereits zu spät.
„Ich möchte mir die Haare schneiden lassen,
vorzugsweise an einem Ort, wo du weder das Personal noch die Kundschaft gefickt
hast“, erklärt sie völlig verletzt. Ich zucke zusammen. Natürlich hat sie
Recht. Wie würde ich mich fühlen, wenn sie mich an einen Ort gebracht hätte, an
dem sie mit den Leuten, die dort arbeiten, gefickt hätte? Allein die
Vorstellung reicht mir schon. Oh, ich stecke tief in der Scheiße!
„Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest“,
sagt sie und geht davon. Ich bin völlig erschrocken. Wieder wie ein kleines
Kind!
„Du verlässt mich nicht, oder?“ frage ich und
versuche meine Angst zu verbergen.
„Nein, ich will nur einen verdammten Haarschnitt.
An einem Ort, an dem ich entspannt die Augen zumachen kann, während mir jemand
die Haare wäscht, und den ganzen Ballast vergessen, den du mit dir
rumschleppst“, sagt sie.
Ich fahre mir aufgebracht mit den Händen durchs
Haar. „Ich könnte Franco bitten, zu mir oder zu dir in die Wohnung zu kommen“,
sage ich leise.
„Sie
ist sehr attraktiv“, sagt Anastasia. Woah! Was für ein Themenwechsel! Ich
blinzele sie an.
„Ja, ist sie“, antworte ich.
„Ist sie noch verheiratet?“ fragt sie.
„Nein. Sie hat sich vor ungefähr fünf Jahren
scheiden lassen.“
„Warum bist du nicht mit ihr zusammen?“ fragt
Anastasia. Sie ist eifersüchtig … eifersüchtig auf das, was ich mit Elena
hatte.
„Weil dieser Aspekt unserer Beziehung keine Rolle
mehr spielt. Das habe ich dir doch schon erklärt“, erkläre ich. Dann merke ich, wie mein Blackberry vibriert.
Ich halte einen Finger hoch und bedeute Anastasia kurz zu warten. Ich blicke
aufs Display.
„Welch“,
knurre ich, als ich auf der Second Avenue anhalte und blind in die Umgebung
starre.
„Mr.
Grey, ich habe wichtige Neuigkeiten für Sie“, beginnt er. „Ich hatte die
Möglichkeit Leilas Schwester zu befragen und sie hat mir erzählt, dass Leila
vor drei Monaten mit einem anderen Mann abgehauen ist. Der neue Freund, der mit
dem sie davon gelaufen ist, wurde bei einem Autounfall getötet. Ihr Ehemann
wusste davon und als wir ihm Geld gezahlt haben, hat er diese Information mit
uns geteilt.“
Diese Neuigkeit
wirft mich zurück. „Bei einem Autounfall ums Leben gekommen? Wann?“ frage ich.
„Ihr Ehemann
hat diese Information nur sehr widerwillig mit uns geteilt. Aber ich habe Ihnen
ja bereits in unserem vorherigen Gespräch gesagt, dass er generell keine
Informationen mit uns teilen möchte, damit sie die Hilfe bekommen kann, die sie
benötigt. Ihre Schwester hat das Todesdatum aber bestätigt. Es ist ungefähr
vier Wochen her.“ Anastasias Gesichtsausdruck verändert sich, als sie unserer
Konversation lauscht. Sie steht wie angewurzelt da und hört aufmerksam zu, was
vor sich geht.
„Das ist schon das zweite Mal, dass der Kerl den
Mund nicht aufmacht. Er weiß sicher Bescheid. Empfindet er denn nichts für
sie?“ Angewidert schüttele ich meinen Kopf. „Allmählich ergibt es Sinn …“
„Hat sie noch einmal versucht, Kontakt zu Ihnen
aufzunehmen Sir, nachdem sie gestern Abend auf Miss Steele getroffen ist?“
„Nein …“ antworte ich.
„Jetzt kennen wir zumindest den Hauptgrund für
ihren Zusammenbruch …“ sagt Welch.
„Ja … erklärt warum, aber nicht wo.“
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie Sie oder
Miss Steele beobachtet. Irgendwo aus der Ferne, um ihren nächsten Schritt vorzubereiten.
Obwohl ich noch nicht sagen kann, wie der aussehen wird, Sir.“
Daraufhin blicke ich mich um und versuche
herauszufinden, ob Leila hier irgendwo in der Nähe ist. Ich sehe mich um und
bemerke, dass Anastasia sich ebenfalls umsieht. Aber ich sehe Leila nirgends.
Nur das normale geschäftige Treiben in der Innenstadt Seattles; Leute, die
einkaufen, der übliche Verkehr.
„Wo ist Miss Steele, Sir?“
„Sie ist hier“, sage ich.
„Mr. Grey, da Sie Leila besser kennen – obwohl
ich meine eigenen Vermutungen habe –
glauben Sie, dass Leila Sie und Miss Steele beobachtet? Vergessen Sie es, wir
wissen, dass sie Miss Steele beobachtet.“
„Ja, sie beobachtet uns …“
„Wenn meine Annahmen korrekt sind, wäre es klug,
Ihren Personenschutz zu verbessern.“
„Ja …“
„Möchte Sie, dass ich Ihnen einen weiteren
Bodyguard bereitstelle, Sir?“
„Nein. Zwei oder vier, sieben Tage die Woche,
rund um die Uhr …“
„Haben Sie mit Miss Steele über das Thema
Personenschutz gesprochen, nun da sie beobachtet wird?“
„Das Thema habe ich noch nicht angeschnitten“,
sage ich und sehe Anastasia unmittelbar an.
„Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, Sir. Ich habe
nämlich noch mehr schlechte Nachrichten für Sie. Wir haben gerade
herausgefunden, dass Leila eine Berechtigung zum verdeckten Tragen von Waffen
erhalten hat.“
„Was …?«, flüstere ich und werde blass. Ich kann
noch nicht einmal eine Frage formulieren. Wozu braucht sie eine Waffe? Sie hat
Anastasia gestern gefunden. Sie weiß, wo ich wohne. Wenn sie sich selbst
beschädigen oder verletzen möchte, kann sie das auch ohne Waffe tun. Die
Erinnerungen an die Cracknutte kommen ungebeten hoch.
Ich sammele mich. Aber meine Augen sind noch
immer vor Angst geweitet. „Verstehe. Wann?“
„Gestern, Sir.“
„Erst gestern? Aber wie?“
„Sie muss sie vor einiger Zeit beantragt haben.“
„Keine Hintergrundinformationen?“
„Diese Informationen werden normalerweise
eingeholt, wenn eine Person den Antrag stellt, Sir. Im schlechtesten Fall
dauert so eine Beantragung 30 Tage. Aber ich glaube, dass sie schon vor längerer
Zeit den Antrag gestellt hat. Vielleicht als ihr Freund gestorben ist. Wir
haben nicht daran gedacht, bis sie gestern Kontakt zu Miss Steele aufgenommen
hat. Unsere Bemühungen haben sich lediglich darauf gerichtet, sie zu finden. Aber,
wie gesagt, dem Antrag wurde erst gestern zugestimmt.“
„Verstehe.“
„Und noch einmal wegen dem zusätzlichen
Personenschutz, Sir. Ich werde Ihnen heute noch die Informationen über die
potentiellen Kandidaten zukommen lassen.“
„Mailen Sie mir Namen, Adresse und Fotos, sobald
Sie was haben …“
„Natürlich, Sir. Wann sollen Sie anfangen?“
„Sieben Tage die Woche, rund um die Uhr, von
heute Nachmittag an. Schließen Sie sich mit Taylor kurz“, sage ich und lege
auf. Scheiße! Scheiße! Scheiße! Warum kommen nur ständig neue Probleme dazu?
Ich atme tief ein. Jetzt muss ich mich um meine wunderschöne, stinksaure
Freundin kümmern.
Ich drehe mich um und sehe Anastasia an.
„Und?“ fragt sie aufgebracht. Sie will wissen,
was los ist.
„Das war Welch“, erkläre ich.
„Wer ist Welch?“
„Mein Sicherheitsberater.“
„Okay. Und was ist passiert?“
„Leila hat ihren Mann vor drei Monaten verlassen
und ist mit einem Typ durchgebrannt, der vor vier Wochen bei einem Autounfall
ums Leben gekommen ist.“
„Oh“, ist alles, was sie sagen kann.
„Der Scheißpsychiater hätte das merken müssen“,
sage ich wütend. „Den Kummer, denn genau das ist es. Komm“, sage ich und halte
ihr meine Hand hin. Automatisch legt sie ihre in meine. Doch dann zieht sie sie
plötzlich zurück.
„Moment. Wir waren gerade mitten in einem
Gespräch über uns. Und über sie, deine Mrs. Robinson.“ Gott! Müssen wir
ausgerechnet jetzt darüber sprechen? Mein Ausdruck verhärtet sich. „Sie ist
nicht meine Mrs. Robinson. Darüber können wir uns bei mir unterhalten“, sage
ich und versuche sie abzulenken.
„Ich will nicht zu dir, sondern mir die Haare
schneiden lassen!“ schreit sie mich starrsinnig an. Ich hatte für heute genug!
Ich ertrage es nicht länger!
Ich nehme meinen Blackberry hervor und rufe im
Esclava an. Greta meldet sich.
„Danke, dass Sie sich für das Esclava entschieden
haben. Hier spricht Greta, wie kann ich Ihnen helfen?“
„Greta, Christian Grey. Franco soll in einer Stunde in meiner Wohnung
sein. Bitten Sie Mrs. Lincoln …“
„Franco hat jetzt Zeit. Ich kann ihn jederzeit zu
Ihnen schicken. Er kann gegen 13:00 Uhr bei Ihnen sein.“
„Gut“, sage ich und lege auf.
Ich stecke meinen Blackberry zurück in meine
Hosentasche. „Er kommt um eins“, erkläre ich Anastasia.
„Christian!“ prustet sie. Sie ist völlig außer
sich und genervt von mir.
„Anastasia, Leila durchlebt im Moment offenbar
eine psychische Krise. Keine Ahnung, ob sie’s auf dich oder auf mich abgesehen
hat und zu was sie bereit ist. Wir gehen zu dir, holen deine Sachen, und dann
kannst du bei mir bleiben, bis wir sie aufgespürt haben“, erkläre ich ihr.
„Und warum sollte ich das tun?“ fragt sie.
„Damit ich für deine Sicherheit sorgen kann“,
sage ich und verliere so langsam die Geduld.
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„Aber …“ sagt sie und will sich mir widersetzen,
aber mein Blick bringt sie zum Schweigen.
„Du kommst mit zu mir, und wenn ich dich an den
Haaren hin schleifen muss.“
Sie starrt mich mit offenem Mund an. Sie ist
ziemlich aufgebracht und ihre Augen bedeuten mir ‚Das-würdest-du-nicht-wagen‘.
Aber genau das würde ich!
„Ich habe das Gefühl, dass du übertreibst“,
erklärt sie.
„Tu ich nicht. Wir können bei mir
weiterdiskutieren. Komm“, sage ich.
Sie verschränkt ihre Arme und starrt mich an. Sie
wird sich kein Stück vom Fleck bewegen.
„Nein“, widerspricht sie starrsinnig.
„Du kannst entweder selbst gehen, oder ich trage
dich. Mir ist beides recht, Anastasia“, sage ich entschieden. Du solltest dich
heute besser nicht mit mir anlegen, Baby.
„Das
wagst du nicht.“ Sie starrt mich finster an. Mich, den Christian Grey, der es
nicht wagen würde, mitten auf der Second Avenue eine Szene zu machen. Sie
glaubt wirklich, dass ich nicht soweit gehen würde, um sie zu beschützen.
Kennst du mich denn gar nicht, meine Liebe? Ich schenke ihr ein halbes Lächeln.
Es ist kein freundliches Lächeln, und erreicht meine Augen nicht.
„Baby, wir wissen doch beide, dass ich dazu nur
allzu bereit bin“, sage ich. Sie starrt mich an und ich starre zurück. Sie wird
sich also keinen Zentimeter bewegen. Dann sollen Sie es auch bekommen, Miss
Steele!
Unvermittelt bücke ich mich, schlinge meine Arme
um Anastasias Oberschenkel und hebe sie hoch. Und ohne dass sie auch nur ein
Wort sagen kann, hängt sie über meiner Schulter.
„Lass mich runter!“ schreit sie. Ich denke nicht
einmal dran! Ich gehe die Second Avenue entlang. Meine Arme umklammern ihre
Oberschenkel fest und in dem Moment als sie zu schreien beginnt, schlage ich
mit meiner freien Hand hart auf ihr reizendes Hinterteil. Mach nur weiter so,
Baby! Wenn du schreist, werde ich dich mitten in der Innenstadt von Seattle
versohlen!
„Christian!” schreit sie. Die Leute starren uns
an. Sie ist völlig gedemütigt, da ich sie wie die Frau eines Neandertalers
herumtrage. „Ich werde laufen! Lass mich sofort runter!” sagt sie.
Schließlich setze ich sie ab und bevor ich mich
wieder aufgerichtet habe, geht sie in Richtung ihres Apartments davon. Sie
raucht vor Wut und ignoriert mich völlig. Ich beschleunige meine Schritte und
im nächsten Moment bin ich neben ihr. Sie ignoriert mich aber weiterhin. Sie
ist unglaublich wütend auf mich. Ich blicke in ihr Gesicht und ich sehe wie es
in ihrem wunderschönen Kopf arbeitet. Ihre Atmung ist rau, ihre Arme sind
verschränkt, sie blickt gerade aus und geht zügig weiter. Plötzlich bleibt sie
wie angewurzelt stehen und dreht sich zu mir um. Ich halte neben ihr an.
„Was ist passiert?“ fragt sie, als Ergebnis ihres
Denkprozesses. Oh scheiße! Ihr ist klar geworden, dass etwas nicht stimmt.
Ich runzele die Stirn.
„Wie meinst du das?“ frage ich.
„Mit Leila“, sagt sie und bemüht sich um Geduld.
„Das habe ich dir doch erklärt“, sage ich und
versuche, nicht noch mehr Informationen bekannt zu geben.
„Nein, hast du nicht. Da ist noch was anderes.
Gestern hast du nicht darauf bestanden, dass ich mit zu dir komme. Also, was
ist los?“ fragt sie. Verdammt! Sie verblüfft mich immer wieder! Sie ist so viel
klüger, als ich ihr zugestehe. Ich verlagere vor lauter Unbehagen mein Gewicht.
„Christian! Sag es mir!“ herrscht sie mich an.
Verdammt! Kann ich denn gar nichts vor ihr verbergen?
„Sie hat sich gestern einen Waffenschein
ausstellen lassen.“ Plötzlich sieht Anastasia mich an. Sie blinzelt und wird
aschfahl. Sie hält die Luft an.
„Das bedeutet, dass sie sich einfach so eine Waffe
besorgen kann“, flüstert sie.
„Ana“, sage ich und meine Stimme spiegelt meine
Besorgnis wieder. Ich lege meine Hände auf ihre Schultern und ziehe sie näher
zu mir, in die Sicherheit meiner Arme. „Ich glaube nicht, dass sie etwas Dummes
tun wird, aber ich will dich nicht in Gefahr bringen“, erzähle ich ihr.
„Mich? Und was ist mit dir?“, flüstert sie.
Anastasia macht sich Sorgen um mich? Ich blicke auf sie herab und versuche ihre
Gefühle zu entziffern. Sie schlingt ihre Arme um mich, umarmt mich und vergräbt
ihr Gesicht an meiner Brust. Und ausnahmsweise zucke ich nicht zusammen. Es ist
mir egal.
Und
damit ist unser Streit erst einmal vorbei. „Lass uns nach Hause gehen“, murmele
ich und küsse ihr Haar.
Wir
gehen in Anastasias Apartment. Sie packt einen kleinen Koffer mit ihren
persönlichen Dingen. Sie packt ihren Mac, ihren Blackberry und ihr iPad, sowie
Charlie Tango, wie ich bemerke, hinein.
„Charlie Tango darf auch mit?“ frage ich.
Sie nickt und ich lächele erfreut. Sie liebt
mich, egal wie wütend sie auf mich ist. Dieses Wissen lässt mich den heutigen
Scheiß vergessen.
„Ethan kommt am Dienstag zurück“, murmelt sie.
„Ethan?“ frage ich. Wer zum Teufel ist Ethan? Ein
weiterer Verehrer?
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„Er ist Kates Bruder. Er will hier schlafen, bis
er in Seattle eine Bleibe gefunden hat.“
Oh, der. Ich habe ihn während der Abschlussfeier
getroffen, bei der er schon wie eine Klette an Anastasia geklebt hat. Ich sehe
sie ausdruckslos an, um meine Gefühle zu verbergen. Leider gelingt es mir
nicht, die Kälte aus meinen Augen zu verbannen, was ihr nicht entgeht.
„Gut, dass du bei mir bist. Dann hat er mehr
Platz“, sage ich leise. Ich würde vor Neid platzen, wenn Anastasia hier bei ihm
sein würde.
„Ich weiß nicht, ob er einen Schlüssel hat. Wenn
er kommt, muss ich da sein“, sagt sie.
Nicht jetzt, Anastasia! Ich ertrage es nicht! Ich
versuche gelassen auszusehen und nichts preiszugeben.
„So,
das wär’s”, sagt sie. Ich greife nach ihrem Koffer und gemeinsam verlassen wir
ihre Wohnung. Als wir zu ihrem Audi gehen, blickt Anastasia immer wieder über
ihre Schulter. Sie hat Angst. Ich gehe zur Beifahrertür und öffne sie, in der
Erwartung, dass sie gleich einsteigt.
„Willst du nicht einsteigen?“ frage ich, als sie
zögert.
„Ich dachte, ich fahre“, sagt sie. Bei all den
Problemen kann ich kein Risiko eingehen. Ich weiß nicht, was Leila im Schilde
führt.
„Nein, ich werde fahren.“
„Hast du etwas an meinem Fahrstil auszusetzen?
Behaupte jetzt bloß nicht, du wüsstest, wie ich in der Fahrprüfung
abgeschnitten habe … obwohl es bei deinen Stalking-Neigungen nur zu gut möglich
wäre“, sagt sie. Gott! Bitte steh mir bei!
„Steig ein, Anastasia“, knurre ich wütend.
„Okay“,
antwortet sie und steigt zügig ein. Ihr Blick signalisiert mir eindeutig ‚Komm
runter!‘.
Ich
bin angespannt und wütend. Ich weiß nicht, wo Leila ist oder wozu sie in der
Lage ist. Ich kann Anastasias Sicherheit nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Ich habe keine Zeit für ihre Mätzchen! Es geht schließlich um ihre Sicherheit
und sie gibt ihr Bestes, um all meine Bemühungen zu untergraben! Nachdem ich
Anastasias Tür geschlossen habe, gehe ich zur Fahrerseite des Autos, während
ich den Parkplatz nach Leuten absuche, die hier nicht hergehören – aber vor
allem nach Leila. Ich steige ein, mache den Motor an und fahre hinaus in den
Verkehr.
„Waren alle deine Subs brünett?“ fragt Anastasia
und reißt mich damit aus meinen Überlegungen.
Ich runzele die Stirn, als ich sie ansehe. Was
will sie mit dieser Frage bezwecken?
„Ja“, antworte ich unbehaglich.
„War nur so eine Idee“, antwortet sie auf meine
unausgesprochene Frage.
„Ich hab dir doch gesagt, dass ich eine Vorliebe
für brünette Frauen habe.“
„Mrs. Robinson ist aber nicht brünett“, stellt
sie fest.
„Vermutlich deswegen“, murmele ich. „Sie hat mir
den Appetit auf Blondinen wohl dauerhaft verdorben“, spotte ich.
„Du verarschst mich“, keucht sie.
„Ja,
das tue ich“, antworte ich gereizt. Ich kann nicht einmal einen Witz darüber
machen, ohne dass sie wütend wird.
Gedankenverloren
starrt Anastasia aus dem Fenster. Ich beobachte sie aus dem Augenwinkel.
Worüber zermarterst du dir deinen wunderschönen Kopf, Anastasia? Nach einer
Weile dreht sie sich zu mir und sagt, „Erzähl mir von ihr.“
„Was
willst du wissen?“ sage ich mit warnendem Unterton. Ich runzele die Stirn, da
ich weiß, was gleich kommen wird.
„Erklär mir euer geschäftliches Arrangement“,
sagt sie. Ich entspanne mich ein wenig. Über Geschäftliches zu sprechen, fällt
mir leicht. Es geht nicht um Sex und deshalb kann sie eigentlich nicht
eifersüchtig sein.
„Ich bin stiller Teilhaber. Eigentlich interessiere
ich mich nicht sehr für die Beauty-Branche, aber sie hat ein erfolgreiches
Unternehmen daraus gemacht. Für mich ist das eine profitable Investition, denn
ich habe ihr am Anfang finanziell unter die Arme gegriffen“, sage ich.
„Warum?“ hakt sie nach.
„Das war ich ihr schuldig“, antworte ich. Ich
stand in ihrer Schuld. Sie hat mir das Startkapital für mein Unternehmen
gegeben. Das war das Mindeste, was ich für sie tun konnte.
„Ach“, sagt sie.
„Immerhin hat sie mir als Starthilfe einhunderttausend
Dollar geliehen, als ich das Studium in Harvard abgebrochen habe“, antworte ich
wahrheitsgemäß. Es war mein Startkapital. Damit habe ich mir alles aufgebaut,
was ich heute habe.
„Du hast das Studium geschmissen?“
„Ja, nach zwei Jahren. War nicht mein Ding.
Leider hatten meine Eltern kein großes Verständnis dafür“, erinnere ich mich.
Meine Eltern sind beide gebildet, Bildung ist für sie sehr wichtig. Ihre Kinder
sollten an renommierten Universitäten studieren. Wahrscheinlich habe ich ihnen
während meiner Teenager Zeit ziemlichen Kummer bereitet … zumindest bis ich
meine Affäre mit Elena begonnen habe.
Sie haben sich wahrscheinlich in die Zeit zurückversetzt gefühlt, in die Zeit,
in denen ich nur Ärger gemacht habe.
„So schlecht scheinst du dich ohne Abschluss
nicht geschlagen zu haben. Was waren deine Hauptfächer?“ fragt sie.
„Politik und Wirtschaft“, antworte ich.
„Sie ist also reich?“ fragt Anastasia.
„Sie war eine gelangweilte Vorzeigeehefrau,
Anastasia. Ihr Mann hat Kohle, ist ein großes Tier in der Holzbranche“, ich
grinse und erzähle weiter, „Sie durfte
nicht arbeiten. Er hat sie kontrolliert. Manche Männer sind so.“ Ich schenke
Anastasia ein schiefes Lächeln, um ihre Reaktion auf meine Bemerkung zu sehen.
„Ach nein. Männliche Kontrollfreaks gehören doch
sicher dem Reich der Mythen an, oder?“ sagt sie und ihre Worte triefen vor
Sarkasmus. Ich muss noch breiter grinsen.
„Sie hat dir das Geld ihres Mannes geliehen?“
fragt Anastasia. Ich nicke und lächele sie verschmitzt an.
„Das ist ja schrecklich“, antwortet sie auf meine
Reaktion hin.
„Sie hat ihm seine Kontrollsucht zurückgezahlt“, sage
ich düster und fahre in die Tiefgarage des Escala. Aber auch er hat sich gerächt. Er hat Elena
windelweich geprügelt und ihren Arm und ihre Nase gebrochen.
„Wie?“ fragt Anastasia. Aber diese Information
möchte ich nicht mit ihr teilen. Ich schüttele meinen Kopf, als würde ich
versuchen, diese schmerzliche Erinnerung loszuwerden. Ich parke neben meinem
Audi Quattro SUV. Ich antworte nicht und versuche sie mit einem anderen Thema
abzulenken. „Komm, Franco wird gleich da sein“, sage ich und strecke ihr meine
Hand hin.
Als wir am Aufzug ankommen, blicke ich zu ihr.
Sie versucht gelassen zu wirken, aber ich weiß, was hinter ihrer Fassade
geschieht. „Bist du immer noch sauer auf mich?“ frage ich sie.
„Ja,
allerdings“, antwortet sie. Einsilbig. Sie ist wütend. Ich nicke und sage, „Okay“,
und akzeptiere damit ihre Gefühle. Immerhin ist sie hier bei mir. Ich starre
vor mich hin. Vielleicht müssen wir dieses Problem später lösen. Schließlich
kommt der Aufzug in meinem Penthouse an und die Türen geben den Blick in mein
Foyer frei. Taylor wartet am Eingang. Er nimmt mir Anastasias Gepäck aus den
Händen.
„Hat Welch sich gemeldet?“ frage ich.
„Ja, Sir.“
„Und?“ hake ich nach.
„Es ist alles arrangiert.“
„Wunderbar. Wie geht’s Ihrer Tochter?“ erinnere
ich mich. Es musste schnell zu ihr. Es bestand der Verdacht auf eine
Blinddarmentzündung.
„Gut, danke, Sir“, antwortet er.
„Prima. Um eins kommt ein Friseur – Franco De
Luca“, sage ich.
„Miss Steele“, sagt Taylor und nickt Anastasia
zu.
„Hallo, Taylor. Sie haben eine Tochter?“ fragt
sie.
„Ja, Ma’am.“
„Wie alt ist sie?“
„Sieben“, antwortet er. Ihr kleiner Small Talk
macht mich ungeduldig.
„Sie lebt bei ihrer Mutter“, erklärt Taylor.
„Verstehe“, sagt Anastasia. Und das ist das Ende ihrer
Konversation. Als wir das Wohnzimmer betreten, frage ich Anastasia, „Bist du
hungrig?“
Als Antwort schüttelt sie ihren Kopf. Ich blicke
sie an. Da wir schon genug gestritten haben, entscheide ich mich dafür, nicht
auch noch über das Essen zu diskutieren. Das werde ich mir für das nächste Mal
aufheben, wenn sie nicht isst.
„Ich muss ein paar Anrufe erledigen. Mach dir’s
bequem“, sage ich.
„Okay“, antwortet Anastasia. Dann gehe ich in
mein Büro und lasse Anastasia im Wohnzimmer zurück. Als ich in mein Büro komme,
wartet Taylor bereits auf mich.
„Wir haben die Informationen der zusätzlichen
Sicherheitskräfte erhalten und ich habe sie überprüft, bevor Sie nach Hause
gekommen sind, Sir“, sagt er.
„Und wie lautet Ihre Einschätzung?“
„Sie sind alle sehr zu empfehlen, Sir. Sawyer
kenne ich seit einiger Zeit sogar persönlich. Er stand unter meinem Befehl und
ich würde ihm mein Leben anvertrauen“, erklärt er.
„Aber die Frage ist, ob ich ihm Anastasias Leben
anvertrauen kann?“ sage ich.
„Ich würde ihm das Leben meiner Tochter
anvertrauen, Sir“, sagt er und kennt meine Bedenken. Seine Tochter ist die
wichtigste Person in seinem Leben. Als sich unsere stählernen Blicke treffen,
sehe ich die gewaltige Entschlossenheit in ihm. Wenn er ihm seine Tochter
anvertrauen würde, dann kann ich ihm vertrauen. Ich nicke entschlossen.
„Großartig! Er
wird die Leitung für Anastasias Sicherheit erst einmal übernehmen. Aber ich
möchte, dass Sie nach einer weiblichen Sicherheitskraft suchen, die mit
Anastasia zur Arbeit gehen kann. Sie könnte ihr, wenn nötig, auch auf die
Toilette folgen.“
„Ja, Sir.“
„Großartig. Wann
kommen die drei?“
„In wenigen
Stunden, Sir. Welch muss sie zuerst einweisen und nach Waffen durchsuchen. Dann
werde ich sie einweisen und Sie Ihnen vorstellen. So können Sie Ihre speziellen
Anweisungen selbst geben, Sir.“
Ich zucke
zusammen als ich das Wort ‚Waffen‘ höre. Aber unter den derzeitigen Umständen
muss ich erlauben, dass Waffen getragen werden dürfen. Schließlich nicke ich
und entlasse Taylor.
Dann melde ich
mich bei meiner Assistentin Andrea und meiner rechten Hand Ros. Ich möchte
wissen, was heute ansteht. Ein Unternehmen, das so groß ist wie meins, steht
niemals still. Als Eigentümer kann ich mir dadurch ebenfalls keine Pause
genehmigen. Nachdem ich meine Anrufe erledigt habe und Andrea über meine
abendlichen Termine informiert habe, lege ich auf und gehe zurück ins
Wohnzimmer, um Anastasia zu treffen. Aber sie ist nirgends zu sehen. Sie ist
nicht in der Küche, nicht in meinem Schlafzimmer. Ich werde nervös. Ich gehe
ins Bad, um zu sehen, ob sie dort ist, aber sie ist nicht dort. Ich renne fast
in Taylor hinein, als ich mein Schlafzimmer verlasse. So wie er aussieht, sucht
er gerade nach mir. „Haben Sie Miss Steele gesehen?“ frage ich und kann meine
Angst kaum unterdrücken.
„Nein, Sir. Ich
bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Franco, der Friseur, hier ist. Soll
ich nach ihr suchen?“ fragt er und klingt nun auch schon besorgt.
„Nein, sie muss
in ihrem Zimmer sein. Ich werde dort nachsehen“, sage ich und mache mich auf
den Weg in ihr Schlafzimmer. Vielleicht ist sie nicht weggerannt. Ich betrete
ihren begehbaren Kleiderschrank und finde sie in der hintersten Ecke auf dem
Boden sitzen. Sie telefoniert mit ihrem Blackberry. Ich höre, wie sie sagt,
„Mom, es ist kompliziert. Ich glaube, er ist verrückt. Das ist das Problem.“ Redet
sie über mich? Wie viele andere Verrückte kennt sie noch?
Ihre nächste Antwort
klingt ziemlich entsetzt. Ihre Mutter muss irgendetwas gesagt haben. „Was?“
Ich gehe zur
Tür des Kleiderschranks und halte an. Ich bin sehr erleichtert, sie hier sitzen
zu sehen.
„Da bist du ja. Ich hatte schon Angst, dass du weggelaufen bist“, sage ich
erleichtert.
Without You by Motley Crue
Sie hebt ihre Hand hoch, um mir zu bedeuten, kurz zu warten. „Sorry, Mom,
ich muss jetzt Schluss machen. Ich ruf dich bald wieder an“, sagt sie in ihren
Blackberry.
Auf die Liebeserklärung ihrer Mutter antwortet
sie mit den Worten, „Ich dich auch, Mom.“
Sie hebt ihren Kopf und sieht mich an. Ich
runzele die Stirn und fühle mich unbehaglich. Warum versteckt sie sich? Was ist
los? Habe ich es so dermaßen vermasselt?
„Warum versteckst du dich hier drin?“ frage ich.
„Ich
verstecke mich nicht. Ich bin verzweifelt“, antwortet sie.
„Verzweifelt?“ Worüber?
„Darüber, Christian“, sagt sie und wedelt mit
ihrer Hand durch die Luft und zeigt auf den Schrank voller Kleider.
„Darf ich reinkommen?“ frage ich.
„Es ist dein Schrank“, sagt sie. Wie kann ich sie
dazu bringen, dies als ihren Raum, ihren Kleiderschrank, ihre Sachen, die ich
ihr gekauft habe, anzusehen? Ich blicke finster drein und setze mich ihr
gegenüber in den Schneidersitz.
„Das sind doch bloß Kleider. Wenn sie dir nicht gefallen,
gebe ich sie zurück“, sage ich.
„Es ist nicht gerade einfach mit dir, das ist dir
schon klar, oder?“ fragt sie.
Ihre Antwort wirft mich zurück. Ich streiche mir
über mein stoppeliges Kinn.
„Ich weiß. Aber ich gebe mir Mühe“, murmele ich.
„Und ich habe meine liebe Mühe mit dir“, sagt
sie, verdreht meine Worte und gibt sie mir zurück.
„Genau wie ich mit Ihnen, Miss Steele“, ich zeige
auf sie.
„Warum machst du das alles?“ fragt sie.
Meine Augen weiten sich und wieder einmal bin ich
völlig unsicher. Was meint sie mit dieser Frage? Jede andere Frau würde sich
glücklich schätzen, geliebt und beschützt zu werden. Aber nicht Anastasia.
„Warum machst du das, Christian?“ fragt sie noch
einmal.
Meine Augen weiten sich skeptisch. „Du weißt,
warum“, antworte ich.
„Nein, weiß ich nicht“, antwortet sie.
Ich fahre mir mit meiner Hand aufgebracht durchs
Haar. „Gott, kannst du begriffsstutzig
sein“, sage ich.
„Du könntest dir ganz leicht eine nette brünette
Sub suchen, die fragt: ›Wie hoch?‹, wenn du sagst, sie soll springen.
Vorausgesetzt natürlich, sie darf reden. Warum also ich, Christian? Ich
begreife das einfach nicht“, sagt sie und senkt schließlich ihren stechenden
Blick von mir.
Für einen Moment sehe ich meine Frau an.
„Du veränderst meinen Blick auf die Welt,
Anastasia. Du willst mich nicht meines Geldes wegen. Du gibst mir … Hoffnung“,
sage ich leise. Sie sorgt sich um mich. Sie mag mich, nicht als Christian Grey,
den Billionär, sondern als Christian Grey, den Mann. Den abgefuckten Mann, aber
sie mag mich, sehr sogar.
„Hoffnung worauf?“ fragt sie weiter.
Ich zucke mit den Achseln. „Auf mehr“, sage ich
mit tiefer Stimme. „Du hast Recht. Ich bin es gewohnt, dass Frauen machen, was
ich will. Das wird schnell langweilig. Aber du, Anastasia, du hast etwas, das
mich auf einer tiefen Ebene berührt, die ich nicht verstehe. Ich kann dir nicht
widerstehen und möchte dich nicht verlieren“, sage ich und greife nach ihrer
Hand. „Bitte, lauf nicht weg“, bettele ich. „Glaub an mich und hab Geduld mit
mir. Bitte“, bitte ich sie. All meine Ängste kehren zurück und ich bin mir
sicher, dass sie sie auf meinem Gesicht sehen kann. Wir sitzen einander
gegenüber und sehen uns an. Schließlich kniet sie sich hin, lehnt sich nach
vorne und küsst mich auf die Lippen.
„Okay. Glaube und Geduld, damit kann ich leben“,
sagt sie.
„Gut.
Denn gerade kommt Franco.“
***** ❦ ♡ ❧ *****
Ich stelle
Franco Anastasia vor.
„Franco, das
ist meine Freundin Anastasia. Sie möchte sich die Haare schneiden lassen“, sage
ich und drehe mich zu Anastasia. „Anastasia, das ist Franco. Er ist einer der
besten Friseure, die Esclava zu bieten hat. Du bist in guten Händen“, sage ich
und Franco grinst breit.
„Grazie, Mr. Grey! Was für eine Ehre! Und
Anastasia, niemand hat mir gesagt, wie bellissima
Sie sind!” ergießt er sich und fuchtelt aufgeregt mit den Händen.
„Ich denke, es
wäre am besten, wenn Sie ihr die Haare im Bad schneiden. Dort ist am meisten
Platz, um mit den richtigen Mitteln zu arbeiten“, sage ich.
Ich führe
Anastasia und Franco ins Badezimmer, während Franco mit seinem italienischen
Akzent über Anastasias Haare staunt, „So wunderschönes Haar!“ Ich gehe zurück
in mein Schlafzimmer und hole einen Stuhl für Anastasia.
„Ich werde euch
zwei jetzt alleine lassen“, murmele ich. Ich möchte nicht auch noch im Bad
herumstehen und außerdem möchte ich Anastasia ein bisschen Privatsphäre geben.
„Grazie, Mr. Grey“, sagt Franco und
wendet sich dann Anastasia zu, „Bene,
Anastasia, was wollen wir machen?“
Ich gehe in
mein Büro und drucke die Berichte, die mir Ros über das Unternehmen, das ich
wahrscheinlich auflösen werde, aus – genau das Unternehmen, das mich derzeit
siebenundsechzig Dollar kosten wird! Ich schalte meine Musikanlage an und höre
meine Playlist mit klassischer Musik.
Ich lehne mich
auf meiner Couch zurück und beginne die Tabellen durchzusehen. Ich weiß nicht,
wie viel Zeit vergangen ist, aber Anastasia und Franco betreten den Raum,
genau in dem Moment, als „O Mio Babbino Caro“ von Puccini beginnt.
O Mio
Babbino Caro sung by Angela Gheorghiu
Ich blicke auf
und lächele Anastasia an.
„Hab ich Ihnen nicht gesagt, dass es ihm gefallen würde?“, sagt Franco
aufgeregt.
„Du siehst wunderschön aus, Ana“, sage ich und
mir gefallen ihre Haare wirklich gut.
„Meine Arbeit hier ist getan“, ruft Franco aus.
Ich stehe auf und gehe auf die beiden zu.
„Danke, Franco“, sagt Anastasia. Daraufhin wendet
sich Franco ihr zu und umarmt sie stürmisch, ehe er sie auf die europäische Art
auf beide Wangen küsst. Wenn er nicht schwul wäre, hätte ich ihn geschlagen.
Aber da er schwul ist, hat er Glück gehabt und Anastasia ist in Sicherheit.
„Lassen Sie sich die Haare nie wieder von jemand
anderem schneiden, bellissima Ana!“,
stößt er hervor. Anastasia lacht und läuft rot an, als sie seine Erklärung
hört. Ich bringe Franco zur Tür und gebe ihm ein ordentliches Trinkgeld für
seine gute Arbeit. Als ich zurückkehre, steht Anastasia noch immer dort, wo ich
sie zurück gelassen habe.
„Gott sei Dank hast du sie lang gelassen“, sage
ich mit strahlenden Augen, die voller Verlangen sind und gehe auf sie zu. „Bist
du immer noch sauer auf mich?“ frage ich.
Sie nickt und bringt mich damit zum Lächeln.
„Warum genau?“ frage ich.
Sie verdreht die Augen. „Soll ich dir die Liste geben?“
Oh, lieber Gott! Sie führt eine Liste mit meinen Verfehlungen?
„Es gibt eine Liste?“ frage ich.
„Ja, eine ziemlich lange sogar“, antwortet sie.
„Könnten wir die im Bett diskutieren?“ frage ich
lüstern.
„Nein“, antwortet sie schmollend.
„Dann beim Essen. Ich habe Hunger, und nicht nur
auf Essbares“, sage ich und schenke ihr ein anzügliches Grinsen.
„Ich lasse mich nicht von deiner Sexpertise
blenden“, sagt sie. Sie kennt mich gut. Ich versuche mein Grinsen zu
unterdrücken. „Was genau beschäftigt Sie, Miss Steele? Raus mit der Sprache“,
sage ich. Es ist wohl am besten, den Stier bei den Hörnern zu packen; obwohl
immer die Chance besteht, dass man durchbohrt wird, wenn man loslässt.
„Was mich beschäftigt? Zum Beispiel, dass du in
meine Privatsphäre eingedrungen bist, dass du mich in einen Salon gebracht
hast, in dem deine Exgeliebte arbeitet und in den du alle deine früheren
Geliebten zum Waxen geschickt hast, dass du mich auf offener Straße behandelt
hast wie eine Sechsjährige – und vor allen Dingen, dass du dich von deiner Mrs.
Robinson hast anfassen lassen!“ sagt sie und ihre Stimme ist von Angst und Wut
verzehrt.
Ich hebe meine Augenbrauen. Das ist eine ziemlich
lange Liste. Ich hab es wohl ziemlich vermasselt.
„Eine ganz schön lange Liste. Aber um das nochmal
klarzustellen: Sie ist nicht meine Mrs. Robinson“, sage ich.
„Sie darf dich anfassen“, wiederholt sie. Ich
glaube, dass hat ihre Gefühle verletzt. Ich schürze meine Lippen. Das Problem besteht
darin, dass Anastasia und ich keine Grenzen, keine Regeln haben und es ängstigt
mich zutiefst, dass sie mich an einer Stelle anfassen könnte, an welcher ich
mich am verletzlichsten fühle. „Sie weiß wo“, sage ich leise.
„Was
heißt das?” fragt Anastasia.
Gott!
Hilf mir bitte! Ich liebe diese Frau und ich will nicht schon wieder alles in
den Sand setzen! Verzweifelt fahre ich mir mit meinen Händen durchs Haar und
schließe kurz meine Augen. Schließlich schlucke ich und sage ganz ruhig:
„Du und ich, wir haben keine Regeln. Ich habe
niemals eine Beziehung ohne Regeln gehabt und weiß nie, wo du mich berühren
wirst. Das macht mich nervös. Deine Berührung ist für mich …“ sage ich und
halte inne, um nach dem richtigen Wort für meine Gefühle zu suchen. „Sie bedeutet
mir mehr … so viel mehr“, sage ich schließlich.
Sieht blickt völlig überrascht zu mir auf. Ich
bringe es immer noch nicht über meine Lippen, ihr meine Liebe zu gestehen. Es
fällt mir unglaublich schwer, da ich es noch nie zu jemandem gesagt habe. Zu
niemandem! Ich kann sie nicht verlieren … nicht deswegen! Ich blicke ihr ins
Gesicht, um herauszufinden, ob sie mich versteht, dass sie sich wirklich um
mich sorgt und dass sie Geduld mit mir hat.
Schließlich streckt sie ihre Hand aus und meine
Besorgnis wandelt sich in Furcht. Sie versucht, mich anzufassen! Die Angst
ergreift von mir Besitz und wieder einmal bin ich vier Jahre alt. Ich trete
einen Schritt zurück. Daraufhin lässt sie ihre Hände sinken.
„Hard Limit“, flüstere ich panisch. Ich würde am
liebsten schreien, „Rot! Rot! Rot!“ Mein Gesicht ist schmerzverzerrt und
panisch. Ich hasse mich dafür, dass ich das tue, diese Grenze zwischen uns
errichte.
Sie sieht niedergeschmettert aus. Sie muss sich
weggestoßen und unerwünscht fühlen. „Wie würdest du dich fühlen, wenn du mich
nicht berühren dürftest?“ fragt sie.
Ich sehe auf und antworte ohne zu zögern. Ich
könnte es schlicht weg nicht ertragen. „Am Boden zerstört und beraubt“, sage
ich.
Sie
schüttelt langsam ihren Kopf und schenkt mir ein kleines, aber
beschwichtigendes Lächeln. Ich möchte doch einfach nur wissen, dass alles in
Ordnung zwischen uns ist. Ihr Lächeln entspannt mich.
„Eines Tages wirst du mir genau erklären müssen,
warum das ein Hard Limit für dich ist“, sagt sie.
„Eines Tages“, murmele ich und entspanne mich
augenblicklich. Mit diesem Thema kann ich einfach nicht umgehen. Schnell bin
ich aus meinem Verletzlichkeitsmodus entschwunden.
„Zurück zu deiner Liste. Der Punkt mit der Verletzung
deiner Privatsphäre“, sage ich und versuche, das Thema wieder anzuschneiden. „Meinst
du, weil ich deine Kontonummer
kenne?“ frage ich.
„Ja,
das ist unerhört”, sagt sie.
„Ich informiere mich über alle meine Sklavinnen.
Komm, ich zeig’s dir“, sage ich, drehe mich um und gehe in mein Büro. Anastasia
folgt mir gedankenverloren. Ich gehe zu einem meiner verschlossenen
Aktenschränke, schließe ihn auf und ziehe einen Ordner heraus. Die
Registerkarte liest ANASTASIA ROSE
STEELE.
Sie sieht erst den Ordner und dann mich an. Sie
starrt mich an und sieht ziemlich beleidigt aus. Ich zucke entschuldigend mit
den Schultern.
„Die kannst du behalten“, sage ich kleinlaut.
„Vielen
Dank“, herrscht sie mich an. Sie sieht sich den Inhalt an. Im Ordner befinden
sich natürlich eine Kopie ihrer Geburtsurkunde, ihre
Verschwiegenheitsvereinbarung, der Vertrag, ihre Sozialversicherungsnummer, ihr
Lebenslauf und ihre Arbeitspapiere.
Nachdem
sie ihre Arbeitspapiere gesehen hat, blickt sie zu mir auf und fragt: „Du hast
gewusst, dass ich bei Clayton’s arbeite?“
„Ja“, antworte ich wahrheitsgemäß.
„Es war also kein Zufall. Du hast nicht zufällig
vorbeigeschaut?“
Verdammt! Erwischt! „Nein“, antworte ich. Aber
ich bedauere es nicht. Ich bin froh, dass ich sie verfolgt habe. Sie ist das
Bedeutendste, bei ihr habe ich alles richtig gemacht. Sie lächelt und
plötzlich, als ob sie sich selbst tadeln würde, setzt sie wieder ihr wütendes
Gesicht auf.
„Ganz schön abgefuckt, das ist dir schon klar,
oder?“ fragt sie.
„Ich sehe das nicht so. Bei meinem Lebensstil
muss ich vorsichtig sein.“
„Aber das sind vertrauliche Unterlagen“, sagt
sie.
„Ich treibe keinen Missbrauch mit den
Informationen. Außerdem kann jeder, der sich dafür interessiert, sie sich besorgen,
Anastasia. Um Kontrolle zu haben, brauche ich Informationen. Das war immer
schon mein Arbeitsstil“, sage ich und blicke sie verhalten an. So bin ich nun
einmal. Ich möchte mein Privatleben gerne vor der Öffentlichkeit schützen. Ich
bin in der Geschäftswelt sehr bekannt. Es gibt Leute, die fast alles tun
würden, um mir Schaden zuzufügen. Ich brauche diese Art von Kontrolle. Aber das
ist etwas, das Anastasia nicht verstehen kann, da sie nicht in meiner Haut
steckt.
„Du treibst sehr wohl Missbrauch mit den
Informationen. Du hast vierundzwanzigtausend
Dollar auf mein Konto überwiesen, die ich nicht wollte”,
sagt sie.
Wirklich? Müssen wir immer noch darüber streiten?
Ich presse meine Lippen aufeinander. Was muss ich tun, damit sie mir glaubt,
dass es ihr Geld ist. „Ich habe dir doch erklärt, dass Taylor die für deinen
Wagen bekommen hat. Mich wundert das ja auch“, sage ich.
„Aber der Audi …“ sagt sie, aber ich unterbreche
sie. Warum zum Teufel kann sie denn keine Geschenke von mir annehmen?
„Anastasia, machst du dir eigentlich eine
Vorstellung davon, wie viel ich verdiene?“ frage ich.
Sie läuft rot an, als würde sie in meine
Privatsphäre eindringen. „Warum sollte ich? Dein Kontostand interessiert mich
nicht, Christian“, erwidert sie. Und ich liebe sie dafür.
Mein Blick wird sanfter. „Ich weiß. Das gehört zu
den Dingen, die ich an dir liebe“, sage ich. Es gibt eine lange Liste mit
Dingen, die ich an ihr liebe. Das ist auf jeden Fall eines davon. Sie starrt
mich an und scheint von meiner Offenbarung schockiert.
„Anastasia, ich verdiene grob geschätzt einhunderttausend
Dollar die Stunde“, sage ich. Ihr Mund steht plötzlich weit offen. Sie versucht
diese Information zu verdauen.
„Vierundzwanzigtausend Dollar sind nichts. Der
Wagen, die Tess-Bücher, die Kleider, das sind Peanuts“, sage ich mit sanfter
Stimme. Sie war noch nie in meiner Lage; wenn große Mengen Geld kommen und
gehen. Was für mich nur eine kleine Summe darstellt, ist für sie eine große
Menge Geld. Sie starrt mich an und findet schließlich ihre Stimme wieder:
„Wie würdest du an meiner Stelle mit solcher …
Großzügigkeit umgehen?“ fragt sie mich. Ich sehe sie verdutzt an. Ich befinde
mich nicht in ihrer Lage, ich kann es mir nicht vorstellen. Wir starren
einander schweigend an. Schließlich zucke ich mit den Schultern. „Ich weiß es
nicht“, sage ich verunsichert.
„Es ist nicht so toll. Ich meine, du bist wirklich
sehr großzügig, aber ich fühle mich nicht wohl dabei. Das habe ich dir oft
genug erklärt“, klagt sie.
Ich seufze. Weiß sie denn nicht, dass ich ihr die
Welt zu Füßen legen will? Dass ich ihr ihre Herzenswünsche erfüllen möchte? Ich
würde alles für sie tun! „Aber ich möchte dir die Welt zu Füßen legen,
Anastasia“, sage ich.
„Ich will nur dich, Christian, ohne das ganze
Drum und Dran“, sagt sie. Es macht mich glücklich, dass sie mich will, aber ein
Teil von mir ist nun einmal mein Geld.
„Das gehört mit dazu. Zu mir“, erkläre ich ihr.
Sie muss das verstehen. Ich kann nicht gleichzeitig so viel Geld haben und die
Frau, die ich liebe, in vergleichsweise ärmlichen Verhältnissen leben lassen.
Was würde das über mich aussagen? Sorgen Männer nicht schon seit Jahrtausenden
für ihre Frauen? Na gut, so kommen wir auch nicht weiter. Wir befinden uns in
einer ausweglosen Situation und ich werde mich um sie kümmern, egal ob es ihr
gefällt oder nicht.
„Sollen wir was essen?“, fragt sie.
„Ja“, sage ich und runzele die Stirn.
„Ich koche uns was“, sagt sie.
„Gut. Aber es wäre auch was im Kühlschrank“, sage
ich.
„Mrs. Jones hat an den Wochenenden frei? Das
heißt, dann isst du kalt?“ fragt sie.
„Nein“, antworte ich. Ich möchte nicht gleich das
nächste Minenfeld betreten.
„Ach“, sagt sie.
Schließlich seufze ich. „Meine Subs kochen,
Anastasia“, sage ich.
„Ja, natürlich“, erwidert sie und wird rot. Sie
lächelt mich an. „Was hätten Sie denn gern, Sir?“ Ich seufze erleichtert und
grinse sie an. „Was auch immer Madam vorschlagen“, sage ich geheimnisvoll.
Sie entscheidet sich für spanisches Omelette und
nimmt die kalten Kartoffeln aus dem Kühlschrank. Dann geht sie zu meinem iPod
und scrollt sich durch die Playlist. Ich beobachte sie aufmerksam. Sie
entscheidet sich für Beyoncé. “Crazy in Love” wählt sie aus, stellt es auf
Repeat und dreht die Musik laut auf. Daraufhin kehrt sie in die Küche und zum
Kühlschrank zurück und wackelt dabei mit ihrem reizenden Hintern. Sie öffnet
den Kühlschrank, nimmt den Karton mit den Eiern heraus. Sie beginnt die Eier
erst aufzuschlagen und dann zu verquirlen. Ich bin wie gebannt von ihrem
Anblick. Meine Frau, in meiner Küche. Das hat etwas Heimisches und etwas
unglaublich süßes. Plötzlich hört sie auf die Eier zu verquirlen und blickt
auf. Es sieht aus als hätte sie plötzlich eine Erleuchtung. Und dann hat sie
dieses unglaublich schöne Lächeln auf ihren Lippen.
Ich kann nicht länger warten, gehe auf sie zu und
schlinge meine Arme um sie. Sie zuckt zusammen.
„Interessante Musikwahl“, schnurre ich, während
ich sie unter ihr Ohr küsse. „Dein Haar riecht gut“, sage ich und vergrabe
meine Nase in ihrem Haar, atme ihren Duft tief ein.
„Ich bin immer noch sauer auf dich“, sagt sie und
ich blicke sie finster an.
„Wie lange soll das so weitergehen?“ frage ich
und fahre mir mit meinen Händen durch die Haare.
Sie zuckt mit den Achseln, „Mindestens bis ich
was gegessen habe“, antwortet sie. Jetzt weiß ich, dass alles in Ordnung ist
und lächele. Schließlich greife ich nach der Fernbedienung, die auf dem
Küchentresen liegt und schalte die Musik aus.
„Hast du das auf deinen iPod geladen?“ fragt sie.
Oh, Mist! Jetzt kommt wieder ihr Verhör.
Ich schüttele meinen Kopf und mein
Gesichtsausdruck ist ernst. Sie weiß, dass es Leila war. Ich muss es ihr nicht
erst sagen.
„Glaubst du nicht, dass sie dir damals etwas
mitzuteilen versucht hat?“ fragt sie.
„Wahrscheinlich, im Nachhinein schon“, sage ich
leise. Ich habe nie eins und eins zusammen gezählt, bis das Problem mit Leila
aufgekommen ist.
„Warum sind ihre Songs immer noch auf deinem
iPod?“, fragt sie. Ihre Frage hat eine doppelte Bedeutung. Ich weiß, dass sie
gerne wissen würde, ob ich immer noch Gefühle für Leila habe. Als ob ich einen
Teil von ihr aufbewahren würde.
„Der Song gefällt mir. Aber wenn dich das stört,
lösche ich ihn“, sage ich.
„Nein, nicht nötig. Ich höre beim Kochen gern
Musik“, antwortet sie.
„Was würdest du jetzt gern hören?“ frage ich.
„Überrasch mich“, sagt sie. Das kann ich, Baby!
Ich grinse und gehe zur Hi-Fi Anlage, während sie
weiter unser Mittagessen zubereitet. Ich scrolle durch die Liste und entdecke
Nina Simone’s „I Put a Spell on You“. Dieses Lied passt sehr gut zu uns, da sie
mich verzaubert hat, und ich sie.
I Put a Spell
on You by Nina Simone
Ich möchte ihr meine Liebe zeigen,
aber das ist das Beste, was ich im Moment tun kann. Ich konnte meine Gefühle
schon immer besser mit Hilfe der Musik ausdrücken. Bevor ich überhaupt wieder
angefangen habe zu sprechen, habe ich mich zwei Jahre lang über Lieder und das
Piano ausgedrückt. Hörst du mich, Anastasia? Merkst du wie sehr ich dich liebe?
Ich sehe sie eindringlich an. Sie läuft rot an und starrt mich mit offenem Mund
an. Auf ihrem Gesicht zeichnet sich ein fragender Ausdruck ab. Meine Augen sind
dunkel und intensiv. Ich hoffe, dass sie versteht, dass ich ihr so meine Liebe
zeige. Ich bin nicht gut darin! Das ist etwas ganz Neues für mich! Sie
beobachtet mich, wie verzaubert. Ich passe meine Schritte der Musik an und gehe
wie ein Prädator auf sie zu. Sie blickt auf meine nackten Füße, mein weißes am
Kragen aufgeknöpftes Hemd und meine Jeans. Schließlich bleibt sie an meinem
glühenden Blick hängen. Diese Art von Blick, der nur ihr vorbehalten ist.
Als Nina „You’re mine“ singt, erreiche ich sie. Ich muss sie küssen, sie
jetzt haben. Sofort! Das ist die einzige Möglichkeit für mich, ihr meine
Gefühle zu vermitteln. In allen anderen bin ich ein Versager.
„Christian, bitte“, flüstert sie, während sie noch immer den Schneebesen
hält, mit dem sie die Eier verquirlt hat.
„Bitte was?“ frage ich.
„Mach das nicht.“
„Was?“
„Das“, sie bewegt sich zwischen uns. Ich stehe
vor ihr und blicke auf sie herab.
„Bist du sicher?“, raune ich, nehme ihr den
Schneebesen aus der Hand und lege ihn in die Schale mit den Eiern. Sie ist
verwirrt. Einerseits will sie mich und andererseits kämpft sie gegen ihre
Gefühle. Sie nimmt den Blick von mir, um ihre Gefühle, ihr Verlangen für mich
zu unterdrücken. Bitte, Baby, hör auf damit!
„Ich begehre dich, Anastasia“, murmele ich.
„Ich liebe und ich hasse es, mit dir zu streiten.
Das ist ein sehr neues Gefühl für mich. Ich muss wissen, dass mit uns alles in
Ordnung ist. Und das ist meine einzige Möglichkeit, das
festzustellen“, sage ich zu ihr und schütte ihr
damit mein Herz aus.
„Meine
Gefühle für dich haben sich nicht verändert“, flüstert sie.
Die Spannung
und diese Anziehungskraft zwischen uns sind stark und fast greifbar. Sie ist
kräftig und zieht uns magisch an. Sie starrt auf meine Brust, auf das Stück, an
dem mein Hemd aufgeknöpft ist und kaut auf ihrer Lippe. Sie sieht mich begierig
an. Aber ich werde sie nicht anfassen, obwohl es mir extrem schwer fällt, wenn
sie mir so nah ist.
„Ich rühre dich erst an, wenn du es mir erlaubst“,
sage ich leise. „Nach diesem Scheißmorgen würde ich mich am liebsten in dir
vergraben und alles außer uns vergessen“, sage ich. Muss ich es noch deutlicher
ausdrücken? Bitte, versteh doch wie sehr ich dich brauche! Sie hebt ihren Kopf
und starrt mich an.
„Ich werde jetzt dein Gesicht berühren“, flüstert
sie und obwohl mich ihre Aussage überrascht, stimme ich zu und lehne mich zu
ihr. Automatisch hebt sie ihre Lippen, um mich zu küssen. Aber ich werde sie
nicht küssen. Meine Lippen schweben wenige Millimeter über ihren und fragen so
um Erlaubnis.
„Ja oder nein, Anastasia?“, flüstere ich.
Sex Therapy by Robin Thicke and
Ludacris
„Ja“, antwortet sie und meine Lippen legen sich
auf ihre, drücken sie auseinander, zwingen sie dazu, sich zu teilen. Ich dränge
meine Zunge in ihren Mund und schlinge meine Arme um sie, ziehe sie an mich,
sodass nicht einmal mehr die Luft zwischen uns zirkulieren kann. Meine Hände
wandern ihren Rücken hinauf, vergraben sich in ihren Haaren, ziehen sanft daran
und halten sie so in Position. Ich ziehe so ihren Kopf nach hinten und drücke
sie gegen mich. Sie stöhnt leise, begierig und lüstern.
„Mr. Grey“, höre ich Taylors Stimme. Er räuspert
sich und bricht somit den Bann zwischen uns. Augenblicklich lasse ich von
Anastasia ab. Als wir uns umdrehen, sehen wir einen unbehaglich dreinblickenden
Taylor im Eingang zum Wohnzimmer stehen. Ich starre ihn an und weiß, dass das
neue Sicherheitspersonal hier ist.
„Mein Büro“, zische ich Taylor zu und er geht
zügig in mein Arbeitszimmer.
„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, flüstere ich
Anastasia zu und gehe hinter Taylor hinterher.
Ich betrete mein Büro und Taylor steht mit den
Unterlagen über die neuen Sicherheitskräfte da.
„Dann lassen Sie uns mal einen Blick darauf werfen“,
sage ich. Die Unterlagen enthalten detaillierte Informationen über das neue
Personal. Sie alle haben außergewöhnliche Empfehlungsschreiben. Sie haben
bereits für hochklassige Klienten einen hervorragenden Job gemacht. Einer ist
ein Ex-FBI, alle haben Kampferfahrung und sind in exzellenter Verfassung.
„Sieht gut aus. Sprechen Sie mit ihnen und
erklären Sie ihnen, was ich in Sachen Sicherheit und Leistungsbereitschaft
erwarte.“
„Ja, Sir.“
Als ich mein Büro verlasse, folgt Taylor mir.
„Ich werde sie in zehn Minuten einweisen“, sage
ich.
„Wir werden bereit sein“, antwortet Taylor und
verlässt den Raum.
Ich gehe zurück in die Küche und dort ist
Anastasia mit Kochen fertig.
„Lunch?“ fragt sie.
„Gern“, sage ich und setze mich auf einen der
Barhocker. Ich beobachte sie vorsichtig. Ich muss sie beschützen. Aber wie soll
ich ihr das nur sagen? Sie ist doch immer so resistent, wenn ich irgendetwas für
sie tun möchte.
„Probleme?“ fragt sie.
„Nein“, antworte ich. Sie blickt mich finster an,
da sie weiß, dass irgendetwas los ist. Sie füllt unsere Teller mit Essen,
seufzt und setzt sich schließlich neben mich.
„Hm, lecker“, murmele ich anerkennend. „Möchtest
du ein Glas Wein?“ frage ich sie.
„Nein, danke“, sagt sie. Als die Stille zwischen
und noch weiter anwächst, stehe ich auf und stelle klassische Musik an. Das
Lied ist beruhigend.
„Was ist das?“, fragt Anastasia.
„Canteloube, Chants
d’Auvergne. Dieses Stück heißt Bailero“, sage ich.
Bailero sung by Netania Davrath
„Gefällt mir. Was für eine Sprache ist das?“
fragt sie neugierig.
„Eine romanische Sprache aus dem Süden
Frankreichs, genauer gesagt, Okzitanisch“, antwortet sie.
„Du kannst Französisch. Verstehst du den Text?“
fragt sie.
„Ein paar Worte, ja“, sage ich lächelnd. „Meine
Mutter hat Wert auf drei Dinge gelegt: Musikinstrument, Fremdsprache, Kampfsport.
Elliot spricht Spanisch; Mia und ich, wir haben Französisch gelernt. Elliot
spielt Gitarre, ich Klavier, Mia Cello“, sage ich.
„Wow! Und der Kampfsport?” fragt sie.
„Elliot macht Judo. Mia hat sich mit zwölf
geweigert.“ Ich grinse, als ich mich an ihre Anwandelung erinnere. Meine Mutter
war so verärgert, dass sie ihre Bemühungen in Sachen Kampfsport aufgegeben hat.
„Ich wünschte, meine Mutter wäre auch so
zielstrebig gewesen“, seufzt Anastasia.
„Dr. Grace kennt kein Erbarmen, wenn es um die
Fähigkeiten ihrer Kinder geht“, erkläre ich ihr.
„Sie ist sicher sehr stolz auf dich. Ich wäre es
jedenfalls“, sagt Anastasia und seufzt.
Ich erinnere mich daran, wie ich versucht habe,
in diese perfekte Familie zu passen. Ich selbst war absolut nicht perfekt und
bin es noch immer nicht. Es war keine einfache Aufgabe für mich. Ich blicke
Anastasia argwöhnisch an. Ich entscheide mich dafür, das Thema zu wechseln.
„Hast du schon entschieden, was du heute Abend
tragen wirst? Oder soll ich für dich wählen?“ frage ich kurz und knapp. Ich
muss mich von den Erinnerungen an meine schwierige Kindheit distanzieren. Ich
habe immer versucht in diese perfekte Familie hineinzupassen und habe es nie
geschafft.
„Äh, noch nicht. Hast du die Kleider alle selbst
ausgesucht?“ fragt sie.
„Nein, Anastasia. Ich habe einer Frau, die als
Personal Shopper für Neiman Marcus arbeitet, eine Liste und deine Maße gegeben.
Es müsste alles passen. Damit du dich nicht wunderst: Für heute Abend sind
zusätzliche Sicherheitskräfte engagiert, und auch für die nächsten Tage. Als
Vorsichtsmaßnahme, weil Leila sich auf den Straßen von Seattle herumtreibt. Ich
möchte nicht, dass du das Haus ohne Begleitung
verlässt. Okay?“ frage ich schließlich und erzähle ihr alle Einzelheiten.
Sie blinzelt und murmelt, „Okay.“
„Gut. Dann instruiere ich die Leute jetzt. Es
wird nicht lange dauern“, sage ich.
„Sie sind hier?“ fragt sie.
„Ja.“
Ich nehme meinen Teller, säubere ihn und lege ihn
in die Spüle. Ohne ein weiteres Wort verlasse ich den Raum. Ich hasse es, so zu
ihr zu sein. Es ist schließlich nicht ihr Fehler. Sie ist einfach nur neugierig
und kennt den Schmerz tief in meiner Seele nicht. Aber wenn diese Tiefen zur
Sprache kommen, kommt der schlechte Christian zum Vorschein. Er ist kühl,
gefühlslos, brüsk und hat jede Menge Mauern errichtet, die ihn von der Welt
abschirmen. Anastasia hat dies gerade erfahren. Ich hasse mich dafür, aber ich
kann nichts dagegen tun!
Ich setze mein
Ich-bin-der-Boss-und-mit-mir-sollte-man-nicht-scherzen-Gesicht auf und gehe in
Taylors Büro, wo alle vier abrupt aufstehen, als ich eintrete.
Wieder einmal habe ich das Sagen und die Leitung,
die völlige Kontrolle.
Die story aus Christians Sicht..KLASSE!!
ReplyDeleteIch hoffe es geht bald weiter
Hallo ihr Lieben,
ReplyDeleteich freue mich sehr, dass ihr langsam beginnt Kommentare unter meiner deutschen Übersetzung zu hinterlassen.
Das hilft mehr sehr dabei, immer weiter zu machen und dran zu bleiben :) Es ist einfach die beste Motivation zu wissen, dass ihr gespannt darauf wartet, wie es weitergeht.
In nächster Zeit habe ich privat viel zu tun, deshalb wird es wohl noch ein bisschen dauern. Ich übersetze immer nur nebenbei und auch nur zum Spaß.
Liebe Grüße
Janine
Hi Janine,
ReplyDeletenatürlich geht das wahre Leben vor, ich bin nur froh das es weitergeht.
Dann trinke ich noch einen Tee ;) und warte gespannt darauf das du weiter machst.
Und danke das du dir überhaupt die Arbeit machst