Kapitel III
Übersetzer: Janine Heistmann
Ich
führe Anastasia in ein kleines, familiäres Restaurant namens Le Picotin. Ich
habe mir dieses Restaurant nicht unbedingt ausgesucht. Es ist schlicht und
einfach das einzige, das in der Nähe ist und schließlich muss Anastasia endlich
etwas essen. Ich kann es nicht länger ertragen, dass sie nichts isst. Am
liebsten würde ich sie in ein angemessenes Restaurant, in dem nur die besten
Köche arbeiten, bringen, aber ich habe nicht genügend Zeit.
„Was
besseres gibt’s hier in der Gegend nicht“, sage ich mürrisch. „Wir haben nicht
viel Zeit.“ Das Restaurant ist im selben Rotton wie mein Spielzimmer
gestrichen. Es gibt Holzstühle, nicht zusammenpassende Stofftischdecken und
Spiegel, wahllos platzierte weiße Kerzen und kleine Vasen mit Rosen. Ella
Fitzgerald schmachtet passenderweise „This thing called love“ und unterstreicht
die romantische Atmosphäre.
This Thing Called Love by Ella
Fitzgerald
Der
Kellner führt uns zu einem kleinen Tisch für zwei in einer ruhigen Ecke des
Restaurants. Nachdenklich nimmt Anastasia mir gegenüber Platz. Und offen gesagt
bin ich ziemlich nervös, da sie mir bis jetzt noch kein Zeichen gegeben hat,
dass sie mich zurück will. Natürlich abgesehen von meinem Kuss in der
Nebengasse. Aber ich merke dennoch wie sehr unsere Körper aufeinander
abgestimmt sind. Es kommt mir vor, als würden sie ihre eigene Sprache sprechen.
„Wir
sind in Eile“, sage ich zum Kellner, damit er sich beeilt. „Deshalb nehmen wir beide Sirloin-Steak medium, Sauce
béarnaise, wenn Sie welche haben, Pommes und grünes Gemüse, was immer der
Küchenchef da hat. Und bringen Sie mir die Weinkarte“, sage ich und bestelle
für uns beide.
„Gern, Sir“, sagt der Kellner ziemlich verdutzt.
Aber diese Reaktion bin ich gewöhnt. Die meisten Leute reagieren so, wenn man
so wie ich, die volle Kontrolle über die jeweilige Situation besitzt und genau
diese Kontrolle werde ich heute Nacht haben. Ich lege meinen Blackberry auf den
Tisch und Anastasia sieht ziemlich mürrisch aus. Dann spricht sie.
„Und wenn ich kein Steak möchte?“ sagt sie und
ich seufze. ‚Lieber Gott, gib mir Kraft, diese Nacht durchzustehen!‘ sage ich
zu mir.
„Bitte fang nicht damit an, Anastasia.“
„Ich bin kein kleines Kind mehr, Christian“,
zischt sie mit tiefer Stimme und beugt sich nach vorn.
„Dann hör auf, dich wie eines zu benehmen“, sage
ich und ahme sie nach, indem ich mich ebenfalls nach vorne beuge. Automatisch
lehnt sie sich auf ihrem Platz zurück, blickt mich ungläubig an und blinzelt.
Wir sind beide aufgewühlt, nervös und das Ganze hier verläuft anders, als ich
es mir vorgestellt habe.
„Ich bin ein Kind, weil ich kein Steak mag?“
murmelt sie verletzt.
Wie kannst du nur so begriffsstutzig sein,
Anastasia? Du treibst mich noch in den Wahnsinn! Ich hatte fast einen
Herzkasper, als du dich in die Arme des Fotografen geworfen hast. In meinem
gesamten Leben war ich noch nie so eifersüchtig auf irgendetwas oder
irgendjemanden! Du gehörst mir!
Love You Long
Time by PTX
„Nein, weil du versucht hast, mich eifersüchtig
zu machen. Das ist kindisch. Hast du denn keine Achtung vor den Gefühlen deines
Freundes?“, sage ich und presse meine Lippen mürrisch zusammen. In dem Moment
kehrt der Kellner mit der Weinkarte zurück. Ich koche immer noch vor
Eifersucht, Zorn und Wut. Anastasia wird rot. Plötzlich scheint das, was ich
gerade gesagt habe, in ihren Verstand zu sickern. Ich bin froh, dass sie es
wenigstens jetzt kapiert hat. Ich zwinge mich, den Blick von ihr abzuwenden und
schaue mir die Weinkarte an.
Also gut, sie will also die Wahl haben. Dann
werde ich sie den Wein aussuchen lassen, wenn sie möchte. Ich bin mir sicher,
dass ich mit ihrer Wahl leben kann. „Möchtest du den Wein aussuchen?“ frage ich
und hebe abwartend eine Augenbraue. Sie starrt mich an.
„Such du ihn aus“, antwortet sie mürrisch und
doch scheint sie endlich zur Einsicht gekommen zu sein.
„Zwei Gläser Barossa Valey Shiraz, bitte“, wende
ich mich an den Kellner.
„Äh, den gibt es nur in der Flasche, Sir“, sagt
der Kellner. Was zur Hölle? Muss ich mich jetzt auch noch mit ihm rumärgern?
„Dann eben eine Flasche“, herrsche ich ihn an.
„Sir“, sagt er gehorsam und zieht sich zurück.
Anastasia lauscht unserer kurzen Konservation und runzelt die Stirn.
„Du bist ganz schön schlecht drauf“, stellt sie
fest. Wirklich? Glaubst du das?
Ich starre sie gelassen an, doch in meinem
Inneren sieht es ganz anders aus. „Warum wohl?“
„Für ein aufrichtiges Gespräch über die Zukunft
sollte man den richtigen Ton treffen, findest du nicht?“ sagt sie und schenkt
mir ein zuckersüßes Lächeln.
Wieder einmal werde ich von Anastasia gezüchtigt
… Ich presse meine Lippen aufeinander. Dann merke ich, wie ich meiner Wut und
anderen Emotionen erlaube, von mir Besitz zu ergreifen, etwas, was ich auf
keinen Fall zulassen möchte. Meine Lippen verziehen sich widerwillig zu einem
Lächeln. Obwohl ich es am liebsten fortwischen würde, gelingt es mir nicht.
„Tut mir leid“, entschuldige ich mich.
„Entschuldigung angenommen. Und ich darf dir
mitteilen, dass ich seit unserem letzten gemeinsamen Essen keine Vegetarierin
geworden bin“, sagt sie und das stimmt wahrscheinlich auch. Aber da sie seitdem
überhaupt nichts mehr gegessen hat, ist diese Aussage nicht viel wert.
„Da das das letzte Mal war, dass du überhaupt
etwas gegessen hast, ist diese Aussage irrelevant.“
„Da ist wieder dieses Wort, irrelevant“, sagt sie.
„Irrelevant“, forme ich das Wort mit meinen
Lippen und mein Lächeln erreicht endlich mal wieder meine Augen und erweicht
meinen Blick. Aber wieder einmal gewinnt meine Verzweiflung die Oberhand und
ich werde ziemlich nervös. Ich fahre mir mit meinen Händen durchs Haar und mein
Herz zieht sich wieder einmal zusammen. „Ana, nachdem wir das letzte Mal
miteinander gesprochen haben, hast du mich verlassen. Ich bin nervös. Du weißt,
dass ich dich zurückhaben möchte, aber bis jetzt … hast du noch nichts dazu
gesagt“, sage ich und all meine Gefühle suchen sich ihren Weg aus meinem
Körper.
Was erwartet sie? Ich bin unglaublich nervös und
das ist eigentlich gar nicht meine Art! Ich bin immer ein hohes Risiko gegangen
und habe Millionen von Dollar bei Geschäften, Verträgen und Abkommen
ausgehandelt. Dabei war ich nie nervös, da ich voll in meinem Element war. Aber
wenn es um Anastasia geht, ist alles anders. Meine Gefühle übermannen mich,
mein Herz fängt an zu schlottern und mein Gehirn gönnt sich eine Auszeit,
obwohl ich es doch so dringend bräuchte. Ich blicke sie eindringlich und
abwartend an. Sie ist völlig verblüfft.
„Du hast mir gefehlt … echt gefehlt, Christian.
Die letzten Tage waren …“, sagt sie, hält inne und sucht nach dem richtigen
Wort. Schließlich entscheidet sie sich für „schwierig.“ Sie schluckt und sieht
mich verstohlen an. In ihrem Blick liegen einige Emotionen, die ich nicht
benennen kann. „Es hat sich nichts geändert. Ich kann nicht so sein, wie du
mich möchtest“, presst sie hervor.
„Du bist,
wie ich dich möchte“, sage ich leidenschaftlich und mit sanfter, einfühlsamer
Stimme.
„Nein, Christian, das bin ich nicht“, gibt sie
zurück.
„Was letztes Mal passiert ist, hat dich aus der
Fassung gebracht. Ich habe mich dumm verhalten und du … auch. Warum hast du
nicht das Safeword benutzt, Anastasia?“ frage ich mit anklagendem Unterton.
Darüber habe ich viel nachgedacht. Ich habe sie immer daran erinnert, dass sie
das Safeword benutzen soll, wenn es ihr zu viel wird, aber sie hat es nicht
getan. Sie sieht mich an, weiß aber anscheinend nicht, was sie sagen soll.
„Antworte mir“, flehe ich.
Fields Of Gold
by Eva Cassidy
„Keine Ahnung“, lautet ihre Antwort zunächst. „Ich
war überwältigt. Ich habe versucht, so zu sein, wie du mich willst, habe versucht,
den Schmerz zu bewältigen, und nicht mehr dran gedacht. Ich hab’s einfach …
vergessen“, flüstert sie beschämt und zuckt entschuldigend mit den Schultern.
Was? Ich bin letzte Woche durch die Hölle gegangen,
weil sie schlicht und einfach vergessen hat, das Safeword zu benutzen? Oh Gott!
Das ist niederschmetternd! Demütigend!
„Du hast es vergessen!” keuche ich entsetzt. So
entsetzt, dass ich mich an die Tischkante klammere und sie anstarre. Als auch
sie zu verstehen scheint, sinkt sie auf ihrem Stuhl zurück. Wir sind beide
durch die Hölle gegangen, weil sie vergessen hat, das Safeword zu benutzen!
„Wie soll ich dir je vertrauen, Anastasia?“ frage
ich mit tiefer Stimme. „Jemals?“ Ich habe ihr vertraut. Ich habe ihr mein
Vertrauen geschenkt, ich habe erwartet, dass sie bestimmte Regeln befolgt, ich
habe sie immer wieder daran erinnert. Wie konnte sie das tun?
Wir starren uns immer noch an, als der Kellner
mit dem Wein zurückkehrt. Er schenkt mir etwas Wein ein und ich nehme
automatisch einen Schluck.
„In Ordnung“, sage ich barsch.
Der Kellner füllt unsere Gläser und stellt die
Flasche auf den Tisch. Als er die Spannung zwischen uns spürt, zieht er sich
schnell zurück. Mein Blick klebt an Anastasia und die Spannung ist so stark,
ich kann sie schon fast mit Händen greifen - Ich bin sprachlos. Alles, wozu ich
in der Lage bin, ist sie anzustarren. Schließlich unterbricht Anastasia unseren
Blickkontakt, greift nach ihrem Weinglas und nimmt einen großen Schluck, um
sich womöglich Mut anzutrinken.
„Es tut mir leid“, flüstert sie. Was? Warum? Sagt
sie das jetzt aus demselben Grund, wie in der Nacht, als sie mich verlassen
hat? Wird sie mir gleich sagen ‚Das wird nicht funktionieren!‘ Ich habe Angst!
War’s das jetzt?
„Was tut dir leid?“ frage ich alarmiert.
„Dass ich das Safeword nicht verwendet habe“,
sagt sie und ich merke, wie mich die Erleichterung durchströmt. Es gibt immer
noch Hoffnung! Dank Gott!
„Den ganzen Kummer hätten wir uns ersparen
können“, murmele ich.
„Man merkt dir den Kummer nicht an. Du siehst gut
aus“, sagt sie anklagend. Ich sehe gut
aus? Ich bin seitdem tausend Tode gestorben! Von vielen tausend einzelnen
Nadelstichen malträtiert, die mir nur oberflächliche Wunden zugefügt haben. Ich
bin langsam verblutet! Mein Herz wurde mir rausgerissen und vor meine Füße
geworfen! Ich habe meinen Lebenssinn verloren! Und du glaubst, mir geht es gut,
Anastasia? Wie falsch du liegst!
„Der äußere Schein kann trügen“, erwidere ich mit
leiser Stimme. „Mir geht es alles andere als gut. Es kommt mir vor, als wäre
die Sonne unter und fünf Tage lang nicht mehr aufgegangen, Ana. Als wäre ich in
ewiger Dunkelheit gefangen“, sage ich und meine Stimme bricht. Ich bin einmal
durch die Hölle gegangen, aufgebrochen, durchbrochen, verloren …
„Du hast gesagt, du würdest mich nie verlassen,
aber sobald es beginnt, schwierig zu werden, bist du weg“, beschuldige ich sie.
„Wann habe ich das gesagt?“ fragt sie.
„Im Schlaf. Das war das Tröstendste, was ich seit
Langem gehört habe, Anastasia. Ich konnte mich entspannen.“ Es war mein
Rettungsanker, das Stückchen Hoffnung, an das ich mich geklammert habe.
Sie sagt nichts. Nichts! Sie sieht mich nicht an
und greift nach ihrem Weinglas. Haben sich ihre Gefühle für mich geändert? Ich
muss es wissen!
„Du hast gesagt, du liebst mich“, flüstere ich.
„Gilt das jetzt auch noch?“ sage ich mit tiefer, sorgenvoller Stimme. ‚Bitte sag ja! Bitte sag ja! Bitte sag ja,
Anastasia! Bitte!’ flehe ich. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben!
„Ja, Christian“, sagt sie endlich und ich atme
erleichtert aus. Bis dahin habe ich nicht einmal gemerkt, dass ich den Atem
angehalten habe. Ich sehe sie an und in mir keimt die Hoffnung. „Gut“, murmele
ich.
Ich weiß, dass ich letztes Mal ausgeflippt bin.
Sie hatte mir endlich gesagt, dass sie in mich verliebt ist, als sie wach war und
ich habe mich schlicht und einfach ihrer Liebe nicht würdig gefühlt. Aber jetzt
weiß ich, dass ich mich nach ihrer Liebe sehne. Ohne ihre Liebe kann ich nicht
leben! Ich brauche ihre Liebe so sehr, wie die Luft zum atmen!
Der Kellner kommt mit unserem Essen und stellt es
vor uns auf dem Tisch ab. Daraufhin hastet er eilig davon, um der Spannung am
Tisch zu entgehen.
„Iss“, befehle ich. Ich will, dass es ihr besser
geht. Sie blickt ratlos auf ihren Teller hinab und isst keinen Bissen. Warum
isst du nicht? Du wirst vor meinen Augen immer weniger, wie ein Eiswürfel in
der Wüste! Die Wut in mir beginnt wieder zu brodeln.
„Ana, wenn du nicht isst, lege ich dich hier in
diesem Restaurant übers Knie, und das hat dann nichts mit Lustbefriedigung zu
tun. Iss!“ befehle ich ihr nachdrücklich.
„Ist ja gut. Ich werde etwas essen. Aber bitte
lass deine juckende Hand in der Hosentasche“, sagt sie.
Ich starre sie weiterhin an. Ich möchte, dass sie
endlich anfängt zu essen. Wieder blickt sie auf ihren Teller hinab und greift
schließlich nach ihrem Messer und ihrer Gabel. Endlich schneidet sie ein Stück von ihrem Steak ab und steckt
es sich in den Mund. Nachdem sie anfängt zu kauen, merke ich wie die
Erleichterung mich durchströmt. Nun nehme auch ich mein Messer und meine Gabel
und wir essen beide schweigend. Sie blickt zu mir auf und bemerkt, wie ich sie
während des Essens beobachte. Ich bin verrückt nach dieser Frau! Verrückt vor
Liebe! Verrückt nach ihr! Verrückt nach allem, was sie tut! Zwischen uns
besteht ein magisches Band. Ohne sie bin ich nichts.
„Weißt du, wer da singt?“ sagt sie und reißt mich
aus meinen Überlegungen. Zum ersten Mal höre ich mir das Lied im Hintergrund
bewusst an. Diese Stimme habe ich noch nie gehört, aber das Lied ist
wunderschön.
„Nein … aber sie ist gut, wer auch immer sie
ist“, sage ich lächelnd.
Arms by Christina
Perri
„Was ist?“ fragt sie.
Ich schüttele meinen Kopf. „Iss“, sage ich und
gebe ihr nichts von meinen Gedanken preis.
Nachdem sie ungefähr die Hälfte ihres Tellers
geleert hat, sagt sie, „Mehr schaffe ich nicht. Habe ich Ihrer Meinung nach
genug gegessen, Sir?“
Ich starre sie an. Mir wäre es wirklich lieber,
wenn sie alles aufessen würde. Sie ist so dünn. Ich antworte nicht und blicke
auf meine Uhr, um zu überprüfen, ob Taylor schon hier ist. Wenn er noch nicht
da ist, kann ich sie vielleicht noch dazu bringen, etwas mehr zu essen.
„Ich bin wirklich satt“, fügt sie hinzu und
trinkt einen Schluck Wein.
„Wir müssen bald los. Taylor wartet, und du musst
morgen Früh in die Arbeit.“
„Du auch“, gibt sie zurück.
„Ich komme mit viel weniger Schlaf aus als du,
Anastasia“, sage ich. „Aber immerhin hast du etwas gegessen.“ Jetzt, da sie
etwas gegessen hat, geht es mir besser.
„Fliegen wir denn nicht mit Charlie Tango
zurück?“
„Nein, mir war nach einem Drink. Taylor holt uns
ab. So habe ich dich im Wagen ein paar Stunden für mich. Was können wir schon
tun außer reden?“ sage ich. Ich will, dass es funktioniert und ich werde alles
tun, damit sie mir zuhört und mich alles erklären lässt.
Ich rufe den Kellner und bitte ihn, mir die
Rechnung zu bringen. Dann greife ich nach meinem Blackberry und rufe Taylor an.
„Wir sind im Le Picotin in der Southwest Third
Avenue“, sage ich, gebe ihm die Adresse und lege auf.
Anastasia sieht mich überrascht an. Mein
schroffes Gespräch scheint ihr nicht zu gefallen.
„Du bist sehr schroff zu Taylor und den meisten
Leuten.“
„Ich komme nur gern schnell zum Punkt, Anastasia.“
„Heute Abend bist du noch nicht zum Punkt
gekommen. Nichts hat sich geändert, Christian“, sagt sie. In diesem Punkt irrt
sie sich. Alles hat sich verändert, ich werde all meine Fehler beheben.
„Ich habe einen Vorschlag für dich“, antworte
ich.
„Unsere Geschichte hat mit einem Vorschlag
angefangen“, sagt sie fast schon höhnisch.
„Ein anderer Vorschlag“, sage ich. Ein
großartiger Vorschlag, bei dem sie einfach nicht nein sagen kann. Sie muss
zustimmen.
Der Kellner kommt mit der Rechnung zurück. Ich
gebe ihm meine Kreditkarte und kann es kaum noch erwarten, hier rauszukommen. Ich
blicke sie spekulativ an. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was hätte passieren
können … was, wenn? Heute Nacht werde ich alles in Ordnung bringen. Als der
Kellner mit meiner Kreditkarte beschäftigt ist, bekomme ich eine Nachricht von
Taylor. Er wartet draußen. Ich unterschreibe den Beleg, stehe auf und biete
Anastasia meine Hand an.
„Komm. Taylor wartet draußen“, sage ich.
Wir stehen auf und sie legt ihre Hand in meine.
„Ich will dich nicht verlieren, Anastasia“, sage
ich voller Leidenschaft und verteile zärtlich Küsse auf ihren Fingerknöcheln.
Unsere Verbindung lässt mich vibrieren. Viele verschiedene Emotionen und ein
immenses Verlangen durchströmen meinen Körper.
Als wir das Restaurant verlassen, steht mein Audi
vor der Tür. Ich nehme Anastasias Hand und führe sie zum SUV. Ich gehe zur
Fahrerseite und da Taylor ahnt, dass ich ihn um etwas bitten möchte, steigt er
aus.
„Taylor, ich möchte, dass Sie ihren iPod benutzen
und die Kopfhörer solange auflassen, bis ich Ihnen etwas anderes sage.
Synchronisieren Sie ihn bitte mit dem Auto, damit ich sichergehen kann, dass er
an ist.“
„Ja, Sir“, sagt er und stöpselt sich die
Kopfhörer in meiner Gegenwart in die Ohren.
„Los geht’s!“
„Ja, Sir.“
Nachdem ich Taylor all meine Anweisungen
übermittelt habe, setze ich mich wieder auf meinen Platz neben Anastasia. Sie blickt mich fragend an. Ich setze lediglich
mein Pokerface auf und gehe nicht darauf ein.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Anastasia mich
beobachtet und meine Konturen untersucht, als ob sie mich zum letzten Mal sehen
würde. Ich habe kein Problem damit, dass sie mich anstarrt, denn sie wird mich
nicht verlieren, nicht wenn ich irgendetwas dagegen unternehmen kann …
Als Taylor schließlich seinen iPod mit der
Soundanlage des Autos synchronisiert, erklingt eine sanfte Puccini Arie.
O Mio Babbino
Caro sung by Angela Gheorghiu
Er fädelt das Auto in den Verkehr und fährt
Richtung Seattle auf die I5. Das ist meine Chance das Gespräch mit Anastasia zu
beginnen. Taylor wird nichts davon mitbekommen. Ich drehe mich auf meinem Sitz,
um Anastasia ins Gesicht blicken zu können.
„Wie gesagt, Anastasia, ich habe einen Vorschlag“,
sage ich. Als ich das sage, blickt sie nervös zu Taylor. Es scheint ganz so,
als würde sie sich schämen vor Taylor zu sprechen.
„Taylor kann dich nicht hören“, versichere ich
ihr. Aber sie glaubt mir nicht.
„Wie das?“
„Taylor?“ rufe ich, aber er antwortet nicht. Ich
rufe ihn noch einmal, aber er antwortet wieder nicht. Ich beuge mich nach vorn
und tippe Taylor auf die Schulter. Daraufhin zieht er sich einen Ohrstöpsel
heraus und reagiert auf meinen Kontakt.
„Ja, Sir?“ erkundigt er sich höflich.
„Danke, Taylor. Es ist alles in Ordnung. Sie
können weiter Musik hören.“
„Sir“, antwortet er.
„Bist du jetzt zufrieden? Er hört Puccini über
iPod. Vergiss, dass er da ist“, sage ich locker.
„Hast du ihn gebeten, seinen iPod einzustöpseln?“
„Ja“, antworte ich.
Sie schüttelt den Kopf, als würde sie versuchen,
ein paar unliebsame Gedanken zu vertreiben. Dann entscheidet sie sich dafür
mich zu fragen, „Okay, wie sieht dein Vorschlag aus?“
Jetzt ist es soweit. Ich werde all meine Karten
auf den Tisch legen müssen, ihr alles offenbaren müssen. Ich setze mein
Pokerface auf, ich bin im Geschäftsmodus und ich habe nicht vor, zu verlieren.
Anastasia setzt ihr Ich-werde-verhandeln-also-biete-mir-besser-gleich-einen-vernünftigen-Deal-an-Gesicht
auf. Sie ist ganz aufmerksam.
„Als Erstes eine Frage: Willst du eine feste
Beziehung mit Blümchensex, ohne perverse Nummern?“ frage ich. In Sachen Sex
hatten wir nie Probleme, sei es nun bei perversen Nummer oder Blümchensex. Aber
ich möchte es genau wissen. Wenn ich ihre Hinweise richtig gedeutet habe, hat
sie es doch ziemlich genossen. Aber das schafft keine Klarheit darüber, wie es
in ihrem Herzen aussieht. Ich muss es aus ihrem Mund hören.
„Perverse Nummern?“ fragt sie schockiert und
beschämt zugleich, da Taylor mit im Auto sitzt. Aber natürlich kann er uns
immer noch nicht hören.
„Perverse Nummern“, bestätige ich.
Lost by Bruno
Mars
Das ist es nun einmal und ich werde es beim
Namen nennen.
„Ich kann nicht glauben, dass du das gesagt
hast“, sagt sie und blickt nervös zu Taylor.
„Ja, dass habe ich. Antworte mir“, bitte ich sie
ruhig und entschlossen. Ich muss jedes Detail unserer Beziehung klären, da sie
nicht besonders gesprächig ist und ich werde alles tun, damit sie zu hundert
Prozent glücklich ist.
Sie wird rot und blickt schüchtern auf ihre Hände
hinab.
„Deine perversen Nummer gefallen mir“, flüstert
sie leise und bestätigt damit mein Bauchgefühl. Mein innerer Sexgott macht vor
Begeisterung einen Freudentanz. Das ist schon mal ein Anfang, ein erster Erfolg,
aber ich muss noch einiges klarstellen.
„Das habe ich mir schon gedacht. Und was gefällt
dir nicht?“ frage ich, um ihre Vorlieben und Abneigungen vollkommen zu
verstehen. Sie sieht mich an und seufzt. Dann atmet sie tief ein, als ob sie
ihre Angst herausspülen möchte. Es dauert lange, bis sie etwas sagt. Ich starre
sie die ganze Zeit an und blinzele nicht einmal.
„Dass mir ständig körperliche Strafe droht“, sagt
sie. Aber das bedeutet für jeden Menschen etwas anderen. Ich muss wissen, was
es für sie bedeutet.
„Wie meinst du das?“ frage ich.
„Die Stöcke und Peitschen und all die anderen
Sachen in deinem Spielzimmer jagen mir eine Heidenangst ein. Ich möchte nicht,
dass du die bei mir benutzt“, sagt sie. Ich habe sie eh schon zerstört, deshalb
ist es im Moment kein Thema.
„Okay, also keine Peitschen, Stöcke … oder
Gürtel“, sage ich sarkastisch, da ich weiß, was zu unserer Trennung geführt
hat.
Sie starrt mich verdutzt an und versucht
sicherzugehen, ob sie mich richtig verstanden hat.
„Definierst du gerade die Hard Limits neu?“ frage
sie, um sicherzugehen.
„Nicht grundsätzlich. Ich versuche nur, eine
klarere Vorstellung davon zu bekommen, was du magst und was nicht“, erkläre
ich. Als ich das sage, versteht sie, worauf ich hinaus will und antwortet.
„Ich habe ein Problem damit, dass du mir gern
Schmerz zufügst, weil ich eine willkürlich von dir gesetzte Grenze
überschritten habe“, sagt sie in einem Atemzug.
„Sie ist nicht willkürlich. Die Regeln sind
schriftlich fixiert“, gebe ich zurück.
„Ich will keine Regeln“, sagt sie. Genau, wie ich
es mir gedacht habe. Aber ein Mann kann ja immerhin verhandeln, ohne gleich
preiszugeben, dass er Kompromisse eingehen wird.
„Überhaupt
keine?“ frage ich noch einmal zur Sicherheit.
„Keine
Regeln“, sagt sie und schüttelt den Kopf. Verdammte Frau! Mit diesem
Verhandlungsgeschickt solltest du für mich arbeiten. Wenn du mich schon auf die
Knie bringen kannst, schaffst du das bei jedem.
„Aber
es macht dir nichts aus, wenn ich dich versohle?“ frage ich.
„Womit?“
fragt sie und verengt ihre Augen. Sie ist ganz geschäftsmäßig und versucht, den
besten Deal zu ergattern. Aber das ist gut. Sie sitzt nun gemeinsam mit mir am
Verhandlungstisch und auch sie versucht nur das Beste zu erwirken.
„Hiermit“, sage
ich und hebe meine Hand hoch. Daraufhin verändert sich ihre Haltung.
Widerwillig rutscht sie auf ihrem Sitz hin und her. Sie scheint sich an die
aufregenden Momente die wir gemeinsam hatten, zu erinnern. An die Momente, in
denen ich meine Hand benutzt habe, um sie zu versohlen – in rein sexuellem
Rahmen, zum Spaß.
„Nein, nicht
wirklich“, antwortet sie und errötet. „Vor allem mit den Silberkugeln …“ Sie
hält inne. Ihre Antwort lässt mich schmunzeln. Ich hatte also Recht. Sie
genießt es, versohlt zu werden, wenn es in einem sexuellen Rahmen geschieht.
„Stimmt, das
hat Spaß gemacht“, erinnere ich mich.
„Mehr als das“,
murmelt sie zustimmend.
„Du kannst also
ein gewisses Maß an Schmerzen ertragen?“ frage ich nach. Sie zuckt mit den
Schultern.
„Ja,
vermutlich“, antwortet sie. Ihre Atmung beschleunigt sich, ihre Brust hebt und
senkt sich schnell.
Hmm … Es gibt
also noch Hoffnung für uns und mein Herz setzt einen Schlag vor Aufregung aus.
Ich streiche über mein Kinn und denke darüber nach, wie ich meinen Vorschlag am
besten rüberbringen kann, sodass sie gar nicht nein sagen kann.
„Anastasia, ich möchte noch einmal von
vorn anfangen“, sage ich und wünsche mir einen Neuanfang für uns beide. „Mit Blümchensex, und dann könnten wir vielleicht,
wenn du mir mehr vertraust und ich meinerseits darauf vertrauen kann, dass du
mir deine Bedürfnisse mitteilst, auch einige der Dinge tun, die ich gern
mache“, sage ich und überbringe ihr meinen Vorschlag.
Sie starrt mich an, als ob sie mich nicht richtig
verstanden hätte, völlig verblüfft und fassungslos. Damit hat sie allem
Anschein nach nicht gerechnet. Ich weiß nicht, was in ihr vorgeht. Ihr Ausdruck
verrät nichts. Es sieht so aus, als hätte sie für einen Augenblick ihren Körper
verlassen. Dennoch signalisiert ihr Gesichtsausdruck, dass sie unglaublich
überrascht ist, dass ich bereit bin dies alles für sie zu tun … Schließlich
findet sie ihre Stimme wieder und fragt, „Und was ist mit den Strafen?“
„Keine Strafen“, sage ich und schüttele meinen
Kopf. Dafür habe ich mich bereits in der Nacht, in der sie mich verlassen hat,
entschieden.
„Gar keine“, bestätige ich noch einmal.
„Und die Regeln?“ fragt sie.
„Kein Regeln“, sage ich. Baby, du kannst dir
nicht vorstellen, wie weit ich gehen würde, um dich zurückzubekommen! Du weißt
gar nicht, wie sehr ich dich liebe und für dich sorgen will!
„Überhaupt keine?“ fragt sie ungläubig. „Aber die
brauchst du doch.“
„Dich brauche ich mehr, Anastasia. Die letzten
Tage waren die Hölle. Mein Instinkt sagt mir, dass ich dich loslassen soll,
dass ich dich nicht verdiene“, sage ich und seufze.
„Diese Fotos, die der Junge … José von dir
gemacht hat“, korrigiere ich mich, „…
Ich kann nachvollziehen, wie er dich wahrnimmt. Auf den Bildern wirkst du so
unbeschwert und schön. Du bist auch jetzt schön, doch ich sehe deinen Schmerz.
Das Wissen, dass ich es bin, der ihn verursacht, macht mir zu schaffen. Aber
ich bin egoistisch. Ich begehre dich, seit du in mein Büro gestolpert bist. Du
bist wunderschön, aufrichtig, liebenswert, stark, geistreich, betörend
unschuldig … Gott, die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Ich bewundere und
will dich, und die Vorstellung, dass irgendjemand sonst dich besitzen könnte,
versetzt meiner dunklen Seele einen Stich.“
Darauf
findet nicht einmal Anastasias spitze Zunge eine Antwort. Sie ist sprachlos.
Ihre Brust hebt und senkt sich so schnell, als hätte sie gerade einen
unglaublich harten Marathon hinter sich gebracht und würde jedes bisschen Luft
gerade zu in ihre Lungen aufsaugen. Plötzlich scheint sie ihre Gedanken
geordnet zu haben und die Worte strömen regelrecht aus ihrem Mund.
„Christian, warum glaubst du, eine dunkle Seele
zu haben? Das sehe ich nicht so. Du bist traurig, ja, aber ein guter Mensch,
großzügig und liebenswert, und du hast mich noch nie angelogen. Ich habe mir
bisher keine Mühe gegeben“, antwortet sie und schockt mich damit ziemlich.
„Das letzten Samstag war ein Schock für mich. Es
war wie ein Weckruf für mich. Mir ist klar geworden, dass du gar nicht richtig
streng mit mir warst, dass ich nicht so sein kann, wie du mich möchtest. Als ich
weg war, ist mir aufgegangen, dass der körperliche Schmerz bei Weitem nicht so
schlimm war wie der Schmerz, sich von dir zu trennen. Ich würde dir ja gern
Vergnügen bereiten, aber es fällt mir schwer“, bringt sie hervor.
„Du bereitest mir immerzu Vergnügen“, flüstere
ich. „Wie oft muss ich dir das noch sagen?“
„Ich weiß doch nie, was du denkst. Manchmal bist
du so verschlossen … wie eine Auster. Dann machst du mir Angst. Deshalb halte
ich den Mund. Deine plötzlichen Stimmungsumschwünge verunsichern mich. Deine
Stimmungen wechseln innerhalb von Nanosekunden. Es ist so verwirrend und ich
darf dich nicht berühren, obwohl ich dir so gern zeigen würde, wie sehr ich
dich liebe“, stößt sie zu meiner völligen Verblüffung hervor.
Ihre Liebeserklärung überrascht mich vollkommen.
Ich habe gedacht, dass sie aufgehört hat, mich zu lieben. Und seitdem ich sie
abgeholt habe, hat sie mir kein Zeichen gegeben. Ich war so voller Sorge. Aber
was sie eben gerade gesagt hat, erleichtert mich ungemein, beruhigt den
Tornado, der in mir wütet, seitdem sie mich verlassen hat. Nach einer Woche
fühle ich mich nun zum ersten Mal ermutigt und wirklich glücklich. Wenn das
nicht der Himmel ist, weiß ich nicht, wo er sonst sein soll! Ich blinzele in
der Dunkelheit und bin mir nicht ganz sicher, ob ich sie wirklich richtig
verstanden habe. Sie löst ihren Gurt und krabbelt auf meinen Schoß. Mit dieser
Aktion schockt sie mich so sehr, dass sie mich auch mit einer Feder umhauen
könnte. Sie umfasst meinen Kopf mit ihren Händen.
„Ich liebe dich, Christian Grey. Du bist bereit,
für mich auf so vieles zu verzichten. Ich bin diejenige, die dich nicht
verdient, und es tut mir leid, dass ich nicht all deine Bedürfnisse befriedigen
kann. Vielleicht im Laufe der Zeit … Ich weiß es nicht … Ja, ich nehme deinen
Vorschlag an. Wo soll ich unterschreiben?“ erklärt sie.
Wenn ich jetzt sterbe, würde ich als glücklicher
Mann sterben! Sie hat nie aufgehört, mich zu lieben! Sie ist bereit,
Zugeständnisse zu machen, meinen Bedürfnissen entgegen zu kommen. Oh, Gott!
Danke! Danke, dass du mich gehört hast! Ich liebe diese Frau so sehr! Endlich
verstehe ich, dass das alles nicht nur ein Traum ist, kein Streich, den mir
mein Gehirn spielt. Anastasia liebt mich wirklich, mich! Diesen unbedeutenden
Mann! Ich schlinge meine Arme um sie und drücke sie an mich.
„Oh, Ana!“ flüstere ich und vergrabe meine Nase
in ihren Haaren, atme ihren Duft ein und küsse ihr Haar. Wir sitzen ineinander
verschlungen, und hören ein besänftigendes Klavierstück, welches unsere Gefühle
perfekt wiederspiegelt. Es ist ungemein friedlich.
Bellas Lullaby
from Twilight
Sie kuschelt sich in meine Arme und schmiegt
ihren Kopf in die Kuhle an meinem Hals. Ich streichle einfach über ihren Rücken
und versuche, unsere verwüsteten Seelen nach den Vorkommnissen der letzten
Woche, zu beruhigen.
„Berührungen sind ein Hard Limit für mich,
Anastasia“, flüstere ich. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als von ihr
berührt zu werden. Sie die Stellen meines Körpers erkunden zu lassen, die
bislang niemand vor ihr berühren durfte. Aber ich kann es einfach nicht und es
bringt mich fast um, dass ich es ihr verwehren muss!
„Ich weiß. Wenn ich nur wüsste, warum“, flüstert
sie. Ich seufze. Sie verdient die Wahrheit. Sie hat so viele Zugeständnisse für
mich gemacht und ich möchte ehrlich zu ihr sein.
„Ich hatte eine grässliche Kindheit. Einer der
Zuhälter der Crackhure …“ sage ich mit leiser Stimme und verstumme. Die
Anspannung erkämpft sich ihren Weg zurück in meinen Körper, als ich mich an die
Tortur, die Bestrafungen und Prügel zurückerinnere. „Ich kann mich daran
erinnern“, flüstere ich und erschaudere. Sie atmet scharf ein. Sie macht sich
Sorgen um mich und schlingt ihre Arme enger um meinen Hals, als ob sie sicher
gehen will, dass sie mich auch ja beruhigt, beschwichtigt und tröstet. Das ist
die menschlichste und willkommenste Geste, die ich je von ihr bekommen habe.
Sie liebt mich!
„Hat sie dich misshandelt? Also deine Mutter?“
fragt sie mit leiser, sorgenvoller Stimme.
„Nicht, dass ich wüsste. Sie hat mich vernachlässigt
und mich nicht vor ihrem Zuhälter beschützt“, sage ich und denke an die Zeit
zurück.
Ich schnaube und sage, „Am Ende war ich es, der
sich um sie gekümmert hat. Nach ihrem Selbstmord hat es vier Tage gedauert, bis
jemand uns gefunden hat … Das weiß ich noch“, sage ich. Genau genommen ist es
ein Szenario aus meinen Albträumen, das sich immer und immer wieder nachts
abspielt.
Anastasia schnappt entsetzt nach Luft. „Das ist
wirklich ziemlich abgefuckt“, flüstert sie.
„Ja, in fünfzig Facetten“, murmele ich. Jetzt
weiß sie noch mehr über meine Probleme und ich habe das Gefühl, dass dadurch
noch mehr Barrieren zwischen uns gebrochen sind. Zur Antwort drückt Anastasia
ihre Lippen gegen meinen Hals. Sie legt Trost und all ihre Liebe in diesen
Kuss. Sie saugt meinen Duft ein, sucht nach einer Verbindung zwischen uns und
berührt damit meine Seele. Mit ihr bin ich komplett. Ich schlinge meine Arme
noch fester um sie und küsse ihr Haar. Mit ihr in meinen Armen bin ich ein
glücklicher Mann. Im Moment gibt es nichts und niemand anderes, dass ich mehr
will, als Anastasia in meinen Armen zu wissen.
Während ich sie so halte, schläft sie langsam und
friedlich ein. Ich beobachte sie, streiche über ihr Haar, rieche ihren
fraulichen Geruch, nach Seife, Natur und ihren ganz eigenen, einzigartigen
Duft, Ana eben. Wie sehr ich sie liebe! Was ich nicht alles für sie tun würde!
Das Wissen, dass sie nun wieder mir gehört, erleichtert mich ungemein. Ich
würde am liebsten schreien oder vor Erleichterung tanzen. Aber nichts davon ist
dem Ort an dem und der Zeit, in der wir uns befinden, entsprechend.
Genau so fahren wir nach Seattle und als wir
schließlich durch die Stadt fahren, wacht Anastasia auf.
„Hey“, sage ich leise und sie blinzelt mich
verschlafen an.
„Sorry“, entschuldigt sie sich leise, blinzelt
noch einmal, streckt sich und richtet sich auf. Sie ist immer noch in meinen
Armen und ich habe nicht die Absicht, sie gehen zu lassen.
„Ich könnte dir bis in alle Ewigkeit beim
Schlafen zusehen, Ana“, sage ich.
„Hab ich irgendetwas gesagt?“ fragt sie und
scheint sich an ihre anderen nächtlichen Bekenntnisse zu erinnern.
„Nein. Wir sind fast bei dir“, sage ich und das
scheint sie zu überraschen.
„Wir fahren nicht zu dir?“ fragt sie.
„Nein“, antworte ich.
Sie setzt sich auf und sieht mich an. Sie
versucht meinen Ausdruck zu entschlüsseln, als wäre es ein schwieriges
Puzzleteil. „Warum nicht?“ hakt sie nach.
„Weil du morgen arbeiten musst“, erkläre ich ihr
schlicht. Das ist schließlich die Wahrheit, wenn auch nicht die ganze.
„Oh“, sagt sie und zieht einen Schmollmund.
Obwohl sie nicht arbeiten müsste und sich einfach krank melden könnte, ist es
mir lieber abzuwarten. Ich möchte, dass sie sich nach mir verzehrt, ich möchte,
dass sie bettelt. Wenn ich jetzt nachgebe, würde es all meine Absichten
zerstören. So müssen wir zwar beide eine süße Qual durchmachen, aber der Sex
danach wird so viel intensiver und leidenschaftlicher sein.
Ich schmunzele sie an. „Warum, hattest du was
anderes vor?“ frage ich verschmitzt.
Sie wird rot. Jap, sie hatte etwas anderes vor.
„Na ja, vielleicht“, antworte sie.
Ihre Antwort bringt mich zum Schmunzeln. „Anastasia,
ich werde dich erst wieder anfassen, wenn du mich darum bittest.“
Everything by Michael Bublé
Dieses
Information scheint sie zu schockieren.
„Was!“ schreit
sie.
„Damit du anfängst, wirklich mit mir zu reden.
Wenn wir das nächste Mal miteinander schlafen, wirst du mir ganz genau erklären
müssen, was du möchtest.“
„Oh“,
sagt sie. Als Taylor vor ihrem Apartment parkt, schiebe ich sie von meinem
Schoß. Ich steige aus dem Auto und halte ihr die Tür auf.
„Ich
habe etwas für dich“, sage ich, während ich zum Kofferraum gehe und eine große
Geschenkbox heraushole. Sie enthält all ihre Habseligkeiten; ihren Laptop,
ihren Blackberry, ihr iPad und ihre Autoschlüssel. Sie sieht mich neugierig an.
„Mach’s
erst drinnen auf“, sage ich.
„Du
kommst nicht mit rein?“ fragt sie überrascht.
„Nein,
Anastasia“, antworte ich.
„Wann sehen wir uns wieder?“ fragt sie und nach
genau diesem Satz habe ich mich eine halbe Ewigkeit gesehnt.
„Morgen“, antworte ich. Und selbst Morgen ist
noch zu weit entfernt. Aber ich möchte, dass sie bettelt, weil sie es nicht
mehr abwarten kann.
„Morgen möchte mein Chef mit mir auf einen Drink
gehen“, sagt sie und ich bin sofort alarmiert. Mein Ausdruck verhärtet sich.
„Ach, tatsächlich?“ sage ich drohend. Dieser verdammte Bastard macht sich bereits
an meine Frau ran.
Next
Contestant by Nickelback
„Zur
Feier meiner ersten Arbeitswoche“, fügt sie schnell hinzu. Es gibt viele
verschiedene Frauen, die für Männer arbeiten, aber sie gehen nicht alle einen
trinken, um auf die erste Arbeitswoche anzustoßen. Außer natürlich der Typ will
ihr an die Wäsche.
„Wo?“
frage ich.
„Weiß
ich nicht.“
„Ich
könnte dich von dort abholen“, antworte ich.
„Okay
… ich werde dir eine Mail oder SMS schreiben.“
„Gut.“
Ich
begleite sie zur Haustür und warte, dass sie ihre Schlüssel hervorholt. Ihr
Anblick bewegt irgendetwas in mir. Ich beuge mich zu ihr, umfasse ihr Kinn und
schiebe ihren Kopf zurück. Als mein Mund über ihrem schwebt, schließe ich die
Augen und bedecke ihr Gesicht mit Küssen, kurz vor ihren Lippen halte ich inne.
Ein lüsternes Stöhnen entweicht ihr. Sie will und erwartet mehr.
„Bis
morgen“, flüstere ich.
„Gute
Nacht, Christian“, flüstert sie voller Verlangen und Lust. Es funktioniert.
Dieses Wissen bringt mich zum Lächeln.
„Rein
mit dir“, befehle ich ihr und sie geht durch die Lobby.
„Ciao,
ciao, Baby“, rufe ich ihr nach und gehe völlig erleichtert zum Auto zurück. Ich
bin extrem neugierig, wie sie auf meine Entschuldigung und meine versteckte
Liebeserklärung reagieren wird. Ich hoffe, sie liebt es. Ich hoffe, sie
versteht, was ich ihr damit sagen will. Ich kann es einfach noch nicht
aussprechen. Zumindest jetzt noch nicht.
Taylor fährt
zügig zum Escala. Auch er scheint nach dem Horror der letzten Woche erleichtert
zu sein. Er und Mrs. Jones mussten einiges durchmachen. Er setzt mich ab.
„Danke,
Taylor“, sage ich und ein aufrichtiges Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht
aus.
„Gern
Geschehen, Sir“, antwortet er.
Ich gehe hinauf
in mein Apartment, ziehe meine Klamotten aus und eine bequemere Pyjamahose an. Ich
gehe in die Küche, gieße mir ein Glas Wein ein und gehe zum Piano. Zum ersten
Mal nach einer gefühlten Ewigkeit, möchte ich etwas Fröhliches spielen.
Ich höre, wie
mein Blackberry auf dem Piano vibriert. Es ist Anastasia.
Von: Anastasia Steele
Betreff: iPad
Datum: 9. Juni 2011 23:56
Uhr
An: Christian Grey
Du hast mich wieder einmal zum Weinen gebracht.
Ich liebe das iPad.
Ich liebe die Songs.
Ich liebe die British-Library-App.
Ich liebe dich.
Danke.
Gute Nacht.
Ana
xx
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Ihre einfache
Antwort erfreut mich sofort.
Von: Christian Grey
Betreff: iPad
Datum: 10. Juni 2011 00:03
Uhr
An: Anastasia Steele
Freut mich, dass es dir gefällt. Ich habe mir
selbst eins gekauft.
Wenn ich bei dir wäre, würde ich deine Tränen
wegküssen.
Aber ich bin nicht bei dir – also geh schlafen.
Christian Grey
CEO, Grey Enterprises Holdings, Inc.
Ich
wünschte, ich wäre bei ihr, um sie in meinen Armen zu halten, um ihre Reaktion
zu sehen, um ihre Tränen weg zu küssen. Aber ich muss warten.
Possession by
Sarah McLachlan
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Von: Anastasia Steele
Betreff: Mr. Griesgram
Datum: 10. Juni 2011 00:07
Uhr
An: Christian Grey
Sie klingen wieder herrisch, dazu vermutlich
angespannt und mürrisch wie immer, Mr. Grey.
Ich wüsste da etwas, das Ihre Anspannung lockern
könnte. Aber Sie sind ja nicht hier – Sie wollten mich nicht zu sich mitnehmen
und erwarten von mir, dass ich Sie anbettle …
Träumen Sie weiter, Sir.
Ana xx
PS: Mir ist aufgefallen, dass Sie die
Stalker-Hymne Every
Breath You Take auf
das iPad geladen haben. Mir gefällt Ihr Sinn für Humor, aber weiß Dr. Flynn Bescheid?
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Ich habe ihre spitze Zunge vermisst. Ich bin nun einmal kreativ, wenn es darum
geht, angenehme Bestrafungen zu erteilen.
Every Breath You Take by The Police
Von: Christian Grey
Betreff: Seelenruhe
Datum: 10. Juni 2011 00:10
Uhr
An: Anastasia Steele
Meine liebste Miss Steele,
auch in Blümchensexbeziehungen wird versohlt. Für
gewöhnlich in beiderseitigem Einvernehmen und in erotischen Situationen, aber
ich wäre selbstverständlich mehr als bereit, eine Ausnahme zu machen.
Vermutlich erleichtert es Sie zu erfahren, dass
Dr. Flynn meinen Sinn für Humor ebenfalls schätzt.
Bitte gehen Sie jetzt ins Bett, denn morgen
werden Sie nicht viel Schlaf bekommen.
Übrigens - Sie werden betteln, glauben Sie mir.
Und ich freue mich schon darauf.
Christian Grey
Angespannter CEO, Grey Enterprises Holdings,
Inc.
Ich
drücke Senden und wünsche mir mehr als sonst, dass sie hier wäre. Aber Geduld
ist eine Tugend und dieses Mal möchte ich, dass sie bettelt und mich so sehr
will, wie sie mich noch nie zuvor gewollt hat.
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Von: Anastasia Steele
Betreff: Gute Nacht und süße Träume
Datum: 10. Juni 2011 00:12
Uhr
An: Christian Grey
Sehr geehrter Mr. Grey,
da Sie mich so nett bitten und mir Ihre köstliche
Drohung gefällt, werde ich mich mit dem iPad ins Bett legen, das Sie mir
freundlicherweise geschenkt haben, und beim Schmökern in der British Library einschlafen,
während ich der Musik lausche, die Ihre Gefühle ausdrückt.
Ana xx
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Ich liebe es,
wenn sie mir nicht widerspricht. Ich liebe es,
wenn sie mit ihr diskutiert. Ich liebe es, wenn sie wütend ist. Ich
liebe es, wenn sie mich liebt! Ich liebe sie einfach! Ich bin ein verliebter
Mann!
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Von: Christian Grey
Betreff: Eine Bitte noch
Datum: 10. Juni 2011 00:15
Uhr
An: Anastasia Steele
Träum von mir.
X
Christian Grey
Angespannter CEO, Grey Enterprises Holdings,
Inc.
Zum ersten Mal
seit einer Woche, jagt Anastasias Bild in meinem Kopf die Albträume davon. Ich
schlafe friedlich und entspannt, ohne dass mich der Zuhälter oder der Schmerz,
den er mir zugefügt hat, heimsucht. Ich träume nur von mir und Anastasia.
Dream On by
Aerosmith
Einfach genial aus der Sicht von Christian grey zu lesen. Ich freue mich auf mehr. Wann geht es weiter???
ReplyDeleteWann geht es weiter???
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