Wenn du fortgehst
Kapitel XXX
Übersetzer: Janine Heistmann
Kalter
Schweiß weckt mich. Mein Körper ist um Anastasias geschlungen und unsere Körper
sind heiß und schwitzig. Das sanfte Licht im Spielzimmer spiegelt sich auf
ihren weichen Zügen. Friedlich, mädchenhaft und unglaublich unschuldig … Ich
befreie meine Beine und Arme aus ihrer Umklammerung. Ich bewege mich ganz
langsam, um sie nicht aufzuwecken. Ich kann einfach nicht schlafen. Ich greife
nach meiner Jeans und ziehe sie mir schnell über. Ich möchte nicht, dass
Anastasia die Nacht im Spielzimmer verbringt. Ich wickele sie in die Laken,
hebe sie vom Bett und trage sie ins Schlafzimmer. Ich habe ihr versprochen,
dass sie mit mir zusammen in meinem Schlafzimmer schlafen kann und ich habe
nicht vor, mein Versprechen zu brechen.
Langsam
gehe ich mit ihr in meinen Armen zum Schlafzimmer und versuche sie möglichst
nicht zu wecken. Sie seufzt einige Male, wacht jedoch nicht auf. Ihre Arme
suchen mich und deshalb hebe ich sie etwas höher, sodass sie die Arme um meinen
Hals schlingen kann. Im Moment fühle ich mich mit ihr in meinen Armen sehr ruhig
und zufrieden.
Ich bin nicht verloren, sondern hier mit ihr. Ich fühle mich geborgen
und stark. Und dann habe ich auch noch dieses heftige Verlangen, sie zu
beschützen, sie in Sicherheit zu wissen und sie unendlich zu lieben.
Now We Are Free – Gladiator soundtrack
Nachdem
ich die Tür zu meinem Schlafzimmer durchquert habe, schließe ich sie mit meinem
Fuß. Ich lege sie auf das Bett. Sie windet sich und ihre Arme suchen nach mir,
wie ein Baby nach seinen Eltern suchen würde. Fühle ich mich nicht genauso,
wenn sie nicht bei mir ist? Ich bin doch auch wie ein verlorener Planet, der
nach seiner Sonne sucht, oder? Ziellos, planlos und zutiefst armselig. Ich lege
mich neben sie und reibe ihr Haar, sodass sie wieder in einen tiefen Schlaf
fällt. Ich beobachte die Bewegungen ihrer Augen hinter ihren Lidern und stelle
fest, dass sie wieder tief und fest schläft. Die Lichter der Stadt scheinen
zaghaft in das Schlafzimmer – Ich stehe langsam vom Bett auf und gehe ins
Wohnzimmer. Es ist fast 4:00 Uhr. Ich gieße mir ein Glas Orangensaft ein, leere
es in einem Zug und stelle das leere Glas in den Geschirrspüler.
Ich
gehe zu den Glasfenstern hinüber und blicke über die Stadt, die in der dunklen
Nacht zu glimmen scheint. Es ist ein überwältigender, unvergesslicher Ausblick.
Was Anastasia über mich sagt, ist wahr – Ich bin hier in meinem Elfenbeinturm
gefangen und blicke hinab auf die kleinen Menschen unter mir. Ich mag es hier
oben. Weit weg von der Scheiße und dem ganzen Mist, den die Welt zu bieten hat.
Aber auch Gott weiß, dass er oft genug, bis nach hier oben vordringt. Ich war
auch einmal einer dieser kleinen Menschen dort unten. Ich will nie wieder dort
sein. Nie. Wenn du dort bist, heißt es: Du gegen die ganze Welt. Es ist ein
harter Kampf. Ich habe nicht nur unendliche Schutzwälle um mich herum
errichtet, ich bin auch wie ein Inselstaat. Ich halte mich ja selbst von denen
fern, die mir am nächsten sind. Anastasia ist die einzige, der ich es erlaube,
diesen Schutzwall zu durchdringen. Und selbst bei ihr ist es mir sehr schwer
gefallen. Ich konnte es immer nur stückweise zulassen. Ich bin verblüfft und
danke Gott jeden Tag dafür, dass er sie mir vorbeigeschickt hat, um mich zu
interviewen. Unter normalen Umständen hätten sich unsere Wege niemals gekreuzt.
Dennoch fühle ich mich verloren. Sie will mehr … mehr von mir. Sie will mich
anfassen und nur Gott weiß, dass ich es auch will. Aber es jagt mir eine
Heidenangst ein und das würde ich niemals zugeben. Nicht vor ihr oder sonst
irgendjemanden.
Berührungen
sind für mich unerträglich. Mir steigt dabei die Galle hoch und ich fühle mich
widerlich, als ob ich vergewaltigt werden würde, als ob ich wieder vier Jahre
alt wäre und in den Händen des Zuhälters, die mich foltern und verbrennen. Er
hat mich mit seinen Stiefeln durch die Gegend gekickt. Das Bild von ihm, mit
dem Gürtel in der Hand ist allgegenwärtig. Er hat meiner Mutter damit die Seele
aus dem Leib geprügelt und sie hat ihre Schluchzer unterdrückt und sich so
klein wie möglich gemacht. Wenn ich das gesehen habe, habe ich mir immer die
Finger in die Ohren gesteckt und dieser Scheiß Zuhälter hat mich gefunden … er
hat mich immer gefunden. Er hat immer so scheußlich gerochen, nach billigen
Spirituosen und Camel Zigaretten. Es war eine abscheuliche Mischung. Er hat
sich zu mir heruntergebeugt und mit bedrohlicher Stimme „Komm her du kleines Stück
Scheiße“ geflüstert. Er hat
angefangen mich zu schlagen und seine Zigaretten überall auf meinem Körper
ausgedrückt. Ich habe geschrien, aber niemand, nicht einmal meine eigene
Mutter, hat mir geholfen. Ich möchte mich nie wieder so fühlen. Ich habe so
hart dafür gekämpft, diesen Teil meines Lebens hinter mir zu lassen und dennoch
holt er mich in meinen Träumen immer wieder ein. Diese schlimmen Erinnerungen
sind tief in meiner zerrissenen Seele verankert.
Ich
habe Angst, dass ich Anastasia verletzen, verlieren, oder zerstören werde wie
ich es mit Leila getan haben muss. Aber meine Gefühle für Leila waren in
keinster Weise mit denen für Anastasia zu vergleichen. Ich hatte für Leila nie
solch starke Gefühle. Sie war nur meine Sub, wie meine anderen Subs und sie hat das verstanden. Zuvor hatte sie
ja bereits andere Doms, ich war nicht ihr erster. Ich musste ihr nichts
erklären, oder sie in den Lebensstil einführen. Sie hatte sich diesen
Lebensstil selbst ausgesucht. Sie war eine sehr gehorsame Sub, die fast alles
ohne zu Murren ausgeführt hat. Sie war lebendig, lustig, devot und wunderschön.
Sie hat sogar fast so ausgesehen wie Anastasia. Warum also habe ich es nicht
akzeptieren können, dass sie mehr wollte? Bei Anastasia kann ich es doch auch.
Langsam
dämmert es mir! Leila könnte Anastasias Zwilling sein, wenn man nur das Äußere
betrachtet, wie ich es immer getan habe. Aber bei Anastasia ging es mir nie ums
Aussehen, obwohl natürlich niemand daran zweifeln kann, dass sie wunderschön
ist. Ich hatte immer die wunderschönsten Frauen, die ich aber einfach nicht
begehrt habe. Ich war lediglich an einem flüchtigen Zusammentreffen oder einer
kurzen Dom-Sub-Beziehung interessiert. Ihre Schönheit hat mich einfach nicht
beeinflusst. Sie war eher Mindestvoraussetzung. Ich habe noch nie nach einer
Beziehung gesucht, bei der es um ‚mehr‘ ging. Selbst wenn ich eine längere
Beziehung eingegangen bin und sie all meine Kriterien erfüllten und meinen
Bedingungen zustimmten, war es dennoch nur eine Dom-Sub-Beziehung und nichts
anderes.
Warum
mache ich bei Anastasia eine Ausnahme? Warum sie und keine der anderen? Warum?
Warum? Ich zermartere mir das Hirn nach einer Antwort. Warum habe ich nur diese
unbekannten Emotionen für sie, diese Anziehungskraft, dieses Verlangen nach
ihr? Ein Zitat von Catherine Earnshaw, kommt mir in den Sinn und ist wahrscheinlich
die Antwort auf meine Frage. Catherine Earnshaw spricht mit ihrem Kindermädchen
Nelly darüber, ob sie Linton oder Heathcliff heiraten soll:
„Es
würde mich entwürdigen, wenn ich Heathcliff jetzt heiraten würde; er soll nie
wissen, wie sehr ich ihn liebe: und dass nicht, weil er gutaussehend ist,
Nelly, sondern weil er mehr wie ich ist, als ich selbst. Woraus auch immer
unsere Seelen gemacht sind, seine und meine sind gleich; und Lintons ist so
völlig anders, wie ein Mondstrahl im Vergleich zum Blitz, oder der Frost im
Vergleich zum Feuer.“
Anastasia
hat solch eine reine Seele, die zu meiner spricht, als würde sie sie vor der
Zerstörung bewahren wollen.
All I Believe In - Magic Numbers
Hat es jemand je so
sehr oder erfolgreich versucht? Aber Anastasia muss es ja nicht einmal
versuchen. Es fliegt ihr einfach zu. Woraus auch immer Seelen gemacht sind –
jetzt wird es mir bewusst, ihre und meine sind gleich! Wir sind wie Yin und
Yang. Wir sind die jeweils fehlende Hälfte des anderen, verlorene Teile:
bedeutungslos allein und zusammen vollkommen. Ohne sie bin ich nichts. Aber ich
bin nicht so ein hoffnungsloser Fall wie Catherine Earnshaw es gewesen
ist. Sie musste so wählen, weil ihr
sozialer Stand es verlangt hat und nicht nur ihre Schönheit allein. Meine Seele
wurde aufgefordert und nach ihr zu suchen war seine natürliche Antwort. Aber
Anastasia ist niemandem gewachsen. Niemandem! Nachdem sich meine Augen
für sie geöffnet haben, haben sie sich für jede andere geschlossen. Dieses
Licht, dass mir dabei geholfen hat, diese besondere Person zu finden, hat mein
Universum abgedunkelt nachdem ich sie gefunden habe und sich nur noch auf sie
fokussiert. Es ist nicht typisch für mich, etwas zu lieben, dass andere nicht
haben, aber Anastasia hat alles, was ich will und liebe. Und ich meine wirklich
alles! Ich begehre sie mit allem, was ich in meinem dunklen Herz und meiner
dunklen Seele habe. Wenn sie verletzt ist, blute ich … Wenn ich versuche, sie zu
meiden, bin ich verloren und elend und ängstlich und an der Schwelle zur
Selbstzerstörung. Wenn ich in derselben Stadt oder sogar im selben Haus mit ihr
bin, werde ich mit aller Macht zu ihr gezogen und verliere dabei jeden Gedanken
und jedes Verlangen. Ich will einfach nur in ihrer Nähe sein. Es tröstet mich,
zu wissen, dass sie im selben Universum und auf derselben Ebene wie ich
existiert. Wenn sie im selben Raum ist, will ich sie berühren, und wenn ich sie
berühre, will ich sie lieben, sie für mich beanspruchen, sie besitzen, als gäbe
es kein Morgen mehr und als wäre es der einzige Moment, den wir zusammen
hätten. Erst nachdem ich sie getroffen habe, habe ich angefangen zu leben. Ein
Leben ohne sie wäre die Hölle, ich kann einfach nicht ohne sie leben! Ich kann
nicht an der Schwelle zur Hölle leben! Aber ich würde alles tun, um meinen
Himmel zu sehen! Sie ist mein Himmel, sie gibt mir Frieden, sie ist mein ein
und alles und mehr!
Vielleicht
haben doch alle recht und ich bin wirklich in sie verliebt.
Have You Ever Really Loved A Woman - Bryan Adams
Vielleicht
bin ich einfach blind vor Liebe und sehe meine eigenen Gefühle nicht. Wenn
Elena und Dr. Flynn Recht haben – wenn dieses Gefühl wirklich Liebe ist, ist es
vielleicht zu meinem Nachteil. Ich muss innerhalb der Grenzen meiner eigenen
Regeln bleiben. Das kenne ich und meine Regeln halten mein Leben in Ordnung,
obwohl ich kein Problem mit einigen kleinen Kompromissen habe.
Scheiße!
Das ist die reinste Quälerei zwischen dem, was ich weiß und dem, was ich will!
Das, was ich für Anastasia fühle, ist so stark und es jagt mit eine Heidenangst
ein! Andererseits kenne ich das Resultat, wenn man keine Kompromisse eingeht.
Was dabei rauskommt, ist so etwas wie Leila im Moment – eine gebrochene,
erschütterte Frau. Aber ich habe ihnen von Anfang an gesagt, was ich suche und
dass ich nicht bereit für mehr bin. Sie haben es verstanden! Sie haben
freiwillig zugestimmt! Es wäre eine Frechheit, wenn sie einfach zugestimmt
hätten und dennoch Hintergedanken gehabt hätten. Ich war immer explizit und
kommunikativ in allem, was ich wollte und nicht wollte.
Die
Schwere meiner Gefühle erstickt mich und wieder einmal gehe ich zu meinem
Piano, um all meinen Kummer, der mich zu ertränken droht, zu entladen. Ich
senke den Klavierdeckel, um Anastasia nicht aufzuwecken und beginne Chopins Opus
28, Nummer 4 in E-Moll zu spielen.
Chopin’s Opus 28, Number 4 in E Minor
Musik
war mir schon immer ein hilfreicher Bewältigungsmechanismus – seitdem ich sechs
Jahre alt bin, spiele ich Klavier. Was ich nicht in Worte fassen kann, versuche
ich mit der Musik auszudrücken. Ich lasse meine Finger mit Hilfe des Pianos
sprechen und die Emotionen zum Ausdruck bringen, die meinen Verstand vernebeln.
Ich spiele das Stück immer wieder. Sobald ich durch bin, fange ich wieder von
vorn an. Das Licht oberhalb des Klaviers hüllt mich in eine kleine Blase,
während der Rest des Hauses von der Dunkelheit umschlungen ist. Ich bin völlig
allein mit meiner zerrissenen Seele und meinem allesverzehrenden Elend.
Ich
fühle mich verloren … verloren in meinen Gefühlen, die ich so lange versucht
habe, zu verbannen. Ich bin hin und hergerissen zwischen dem, was ich will und
dem, was ich weiß und kenne. Wie kann ein Mann wie ich, der alles hat, fast
alles, so elendig sein? Es ist nicht schwer, wenn man in fünfzig verschiedenen
Facetten abgefuckt ist – ein wertloses Stück Scheiße, wie der Zuhälter es schon
immer gesagt hat. Wertlos! Es gibt Leila, die meine Hilfe braucht, aber sie ist
verloren. Außerdem mache ich mir Sorgen, dass sie mich vielleicht unabsichtlich
bedrohen wollte. Ich glaube nicht, dass sie mir etwas antun wollte, aber sie
könnte Anastasia etwas antun. Verdammt! Wo zur Hölle ist sie?
Als
ich kurz davor bin, noch tiefer in meinem Elend zu versinken, wie ein
betrunkener Mann, der seinen Trost bei einer Flasche sucht, fühle ich, wie mich
ihr Blick wieder in Sicherheit zieht, mir Leben einflößt … dieser Blick, der
nur Gutes, Lust und Liebe verspricht, nein es kann keine Liebe sein … eher eine
Art Zuneigung … ja, das ist es, Zuneigung, und die süße Spannung, die ihre Nähe
hervorruft, befördert mich ins Hier und Jetzt zurück. Aber warum ist sie wach?
Sie braucht ihren Schlaf. Ich merke, wie ich die Stirn runzele, da all diese
Emotionen an die Oberfläche wollen, die von ihrer Anwesenheit verjagt worden
sind.
„Du
solltest schlafen“, tadele ich sie sanft.
„Du
auch“, gibt sie genauso milde zurück.
„Schimpfen
Sie etwa mit mir, Miss Steele?“
„Ja,
Mr. Grey, das tue ich“, antwortet sie.
„Tja,
ich kann nicht schlafen“, sage ich und runzele die Stirn. Ärger und Wut durchströmen
mich wegen meiner sich anbahnenden Probleme, die ihr ebenso Ärger bereiten
könnten. Und das obwohl ich sie doch, vor allem beschützen möchte.
Sie
nähert sich der Klavierbank und lässt sich langsam auf den Platz neben mir
gleiten. Sie legt ihren Kopf auf meine nackte Schulter, um mir beim Spielen
zuzusehen. Als meine Finger meisterlich und mit Leichtigkeit über die Tasten
des Klaviers wandern, beobachtet sie mich fasziniert.
„Was
war das?“ fragt sie leise.
„Chopin.
Opus 28, Nummer 4. In E-Moll, wenn es dich interessiert”, murmele ich als
Antwort auf ihre Frage.
Ich
drehe mich zu ihr und drücke meine Lippen sanft auf ihr Haar.
„Ich
wollte dich nicht wecken“, sage ich aufrichtig.
„Hast
du nicht. Spiel noch einmal das andere“, sagt sie.
„Das
andere?“
„Das
Stück von Bach, das du in der Nacht gespielt hast, als ich das erste Mal hier
geschlafen habe.“
„Oh,
der Marcello.“
Bach’s Marcello played - Alexandre Tharaud
Ich
beginne das Stück langsam und voller Hingabe zu spielen. Es ist ein trauriges
Stück und bringt all die Emotionen an die Oberfläche, die ich nicht in Worte
fassen kann. Mit Hilfe meiner Finger kann ich all meinen Sorgen und stillen
Schreien Ausdruck verleihen. Die traurigen, beseelten Noten füllen auf
trauervolle Art den Raum, umgeben uns und zehren an unseren Herzen, dröhnen
durch die Wände und geben gleichzeitig die Schreie meiner Seele wider. Es ist
meine Wehklage, die ich aber niemals in Worte fassen würde. Als das Stück
endet, öffnet sie langsam die Augen und fragt, „Warum spielst du immer nur so
traurige Sachen?“
Wie
soll ich dir nur sagen, dass meine Seele blutet, klagt und versucht das Loch in
meinem Inneren zu füllen, jedoch nie in der Lage dazu ist. Vielleicht ist das
die Rechnung für mein Dasein … Ausscheiden …
Aber
ich zucke lediglich mit den Schultern. Sie setzt sich auf, nimmt den Kopf von
meiner Schulter und blickt mich an. Ich blicke argwöhnisch zurück; ich möchte
nicht, dass entschlüsselt, was in mir vorgeht … Das ist nichts für sie, sie ist
zu rein für diesen Scheiß.
„Du
warst also sechs Jahre alt, als du angefangen hast, zu spielen?“ fragt sie.
Ich
nicke als Antwort und mein Blick wird noch argwöhnischer, da ich erahne, wo
dieses Gespräch hinführen wird. Das Klavier ist mein erstes Bewältigungsmittel
gewesen. Wenn ich ihr darauf antworte, plaudere ich vielleicht ein paar Antworten
aus, wenn sie mich weiter so verhört. Sie sieht mich voller Erwartung an, und
mit einem warmen Ausdruck … Liebe?
Schließlich
gebe ich ihr dieses Stückchen an Information doch preis.
„Ich wollte unbedingt Klavierspielen lernen,
um meiner neuen Mutter eine Freude zu machen.“
„Um in diese perfekte Familie zu passen?“
„Ja, gewissermaßen“, sage ich ausweichend.
Meine perfekte Mutter wollte, dass ihre Kinder ein Musikinstrument, Martial
Arts und eine Sprache beherrschen. Ich würde alles tun, um sie glücklich zu
machen. Sie hat mich vor meiner Zerstörung und einem beschissenen Leben bewahrt.
Sie hat mir gezeigt, dass es noch ein anderes Leben gibt. In meinen jungen
Jahren wusste ich nicht, dass es auch ein Leben geben könnte, indem man nicht
misshandelt wird. „Wieso bist du aufgewacht? Musst du dich nicht von den
gestrigen Strapazen erholen?“ frage ich und versuche sie damit von ihrem Verhör
abzulenken.
„Für mich ist es acht Uhr früh. Außerdem muss
ich meine Pille nehmen“, sagt sie.
Überrascht hebe ich eine Augenbraue. Es
gefällt mir, dass sie sich darum kümmert. Aber gleichzeitig bin ich überrascht,
dass sie sich diesen Zeitpunkt ausgesucht hat. Wir leben an der Westküste und
sie hat angefangen, ihre Pille zu nehmen, als sie an der Ostküste war. Anastasia
muss es ja wissen.
„Gut, dass du daran gedacht hast“, murmele
ich beeindruckt. Meine Lippen verziehen
sich zu einem Grinsen, als ich wieder daran denke, dass sie sich solch eine
frühe Uhrzeit ausgesucht hat. Wenn man bedenkt, dass uns diese Zeitzone drei
Stunden voraus hat. Bei uns ist es gerade einmal 5:00 Uhr am Morgen. Sie
schafft es immer wieder, mich aus meinem Elend zu ziehen und mich mit solch
simplen Aktionen abzulenken.
„Typisch für dich, ausgerechnet dann mit der
Pille anzufangen, wenn du in einer anderen Zeitzone bist. Vielleicht solltest
du einfach heute und morgen eine halbe Stunde warten, damit du zu einer
halbwegs annehmbaren Uhrzeit gelangst“, sage ich.
„Gute Idee“, flüstert sie. „Und was machen
wir in dieser halben Stunde?“ fragt sie und blickt mich unschuldig an. Oh Baby!
Wie machst du das nur?
„Mir würde da so einiges einfallen“, grinse
ich und merke wie meine Augen zu leuchten beginnen, als ich an die
Möglichkeiten denke. Sie sieht mich ausdrucklos an.
„Wir könnten uns natürlich auch unterhalten“,
schlägt sie vor.
Meine Stirn kräuselt sich vor Enttäuschung.
„Das, was ich im Sinn habe, wäre mir lieber“,
sage ich und ziehe sie auf meinen Schoß.
„Du würdest Sex also grundsätzlich einem
Gespräch vorziehen“, lacht sie und legt Halt suchend die Hände um meine
Oberarme.
„Das stimmt. Vor allem mit dir“, sage ich und
vergrabe meine Nase in ihrem Haar. Dann beginne ich eine Reihe von Küssen von
ihrem Ohr hinab zu ihrem Hals zu verteilen. „Vielleicht ja sogar auf meinem
Klavier“, flüstere ich.
Ich merke, wie sich ihr ganzer Körper vor
Erwartung anspannt. Genau die Reaktion, die ich mir erhofft habe.
„Nur eines muss ich wissen“, flüstert sie.
Augenblicklich höre ich auf, um mir anzuhören, was sie zu sagen hat, bevor ich
mit dem sinnlichen Übergriff auf meine Freundin weitermache.
„Immer auf der Jagd nach Informationen, Miss
Steele. Was ist es denn diesmal?“ flüstere ich gegen die Haut an ihrem Hals,
ohne mit meinen sanften, federleichten Küssen aufzuhören.
„Es geht um uns“, flüstert sie und schließt
die Augen.
„Hmm …“, brumme ich, „Und was ist mit uns?“
sage ich und halte mit meinen Küssen entlang ihrer Schulter für einen Moment
inne.
„Der Vertrag“, sagt sie.
Ich hebe meinen Kopf, blicke sie leicht
amüsiert an und seufze schließlich. Mit meinen Fingerspitzen streiche ich ihre
Wange entlang.
„Also,
ich finde, der Vertrag ist irrelevant, du nicht auch?“ sage ich mit tiefer,
rauchiger Stimme und sanftem Blick.
„Irrelevant?“
fragt sie.
„Irrelevant“,
sage ich lächelnd. Sie starrt mich fragend an.
„Aber
du warst doch so versessen darauf, dass wir ihn abschließen.“
„Das
war vorher. Außerdem gilt das ja nicht für die Regeln an sich. Die bleiben
bestehen“, sage ich mit einem etwas härteren Gesichtsausdruck. Ich halte an
meiner Kontrolle und den Regeln, die wir brauchen, fest.
„Vorher?
Vor was?“
“Vor …”, sage
ich und halte inne. Mein argwöhnischer Ausdruck ist wieder zurück, da ich mich
nun auf unbekanntem Terrain bewege. „Mehr“, sage ich achselzuckend.
„Oh“, lautet
ihre geflüsterte Antwort.
„Außerdem waren wir inzwischen zweimal in
meinem Spielzimmer, und du bist immer noch nicht schreiend davongelaufen.“
„Hast du denn damit gerechnet, dass ich es
tun würde?“ fragt sie.
„Du bist die Unberechenbarkeit in Person,
Anastasia“, sage ich trocken, da sie sich immer außerhalb der Norm bewegt.
„Okay, nur damit ich es richtig verstehe – du
willst, dass ich mich die ganze Zeit über an die Regeln halte, die im Vertrag
stehen, aber der Rest hat keine Gültigkeit?“
„Nur im Spielzimmer. Ich will, dass du dich
dort im Sinne des Vertrags verhältst. Und du siehst es völlig richtig: Ich will
auch, dass du die Regeln befolgst – und zwar ständig. Auf diese Weise kann ich
sicher sein, dass dir nichts passiert. Und ich kann dich jederzeit haben, wenn
mir der Sinn danach steht.“
„Und wenn ich gegen eine der Regeln verstoße?“
„Dann werde ich dich bestrafen“, antworte
ich.
„Aber dafür brauchst du meine Erlaubnis
nicht?“
„Ja.“
„Und
wenn ich Nein sage?“ gibt sie zurück.
Ich
blicke sie für einen Moment an. Da ich Anastasia kenne, wird sie häufig die
Regeln brechen und Nein zu ihrer
Bestrafung sagen – und das fast immer. Mein Ausdruck ist etwas verwirrt. Ich
werde meine Regeln nicht vernachlässigen, da sie wissen muss, dass ich immer
die Kontrolle haben muss.
„Wenn du Nein sagst, sagst du Nein. Dann muss
ich mir eben Mittel und Wege überlegen, wie ich dich überzeugen kann“, sage
ich. Ich bin sehr kreativ, wenn es darum geht, jemanden zu überzeugen.
Augenblicklich zieht sie sich von mir zurück
und steht auf und schafft damit eine Distanz zwischen uns. Ich blicke sie
finster an, als sie auf mich hinabblickt. Ich sehe sie verwirrt, erschreckt und
argwöhnisch an. Läuft sie davon?
„Die Bestrafung bleibt also“, sagt sie und
sucht nach meiner Bestätigung.
„Ja, aber nur, wenn du gegen die Regeln
verstößt.“
„Ich muss sie mir noch einmal durchlesen“,
sagt sie.
„Ich werde sie dir holen“, sage ich, wie der
Geschäftsmann, der ich nun einmal bin und versucht einen Geschäftsvertrag auszubügeln.
Ich erhebe mich von der Klavierbank und gehe
in mein Büro. Ich starte meinen Laptop und öffne die PDF Datei, mit ihrem
modifizierten Vertrag und klicke auf „Drucken“. Sobald der Drucker den
veränderten Vertrag ausdruckt, greife ich danach, verlasse mein Büro und kehre
ins Wohnzimmer zurück, wo Anastasia mit einem verwirrten Blick auf dem Gesicht
steht.
„Hier, bitte“, sage ich und reiche ihr den
Vertrag, den ich gerade erst ausgedruckt habe. Natürlich habe ich die Passagen
gestrichen, denen sie nicht zugestimmt hat.
REGELN
Gehorsam:
Die Sub befolgt sämtliche Anweisungen des
Dom, ohne zu zögern, vorbehaltlos und
umgehend. Die Sub stimmt allen sexuellen
Aktivitäten, die der Dom als angemessen und
angenehm erachtet, ausgenommen die in
Abschnitt »Hard Limits« aufgeführten (Anhang
2), zu. Sie tut dies bereitwillig und ohne
Zögern.
Schlaf:
Die Sub stellt sicher, dass sie pro Nacht
mindestens acht sieben Stunden schläft, wenn sie nicht mit dem Dom
zusammen ist.
Kleidung:
Innerhalb der Vertragsdauer trägt die Sub ausschließlich
vom Dom genehmigte Kleidung.
Der Dom stellt der Sub ein Budget für
Kleidung zur Verfügung, das die Sub nutzt. Der Dom
begleitet die Sub ad hoc beim Kleiderkauf.
Körperliche Ertüchtigung:
Der Dom stellt der Sub einen Personal Trainer
viermal dreimal die Woche für jeweils eine
Stunde zu Zeiten zur Verfügung, die zwischen
dem Personal Trainer und der Sub zu
vereinbaren sind. Der Personal Trainer
informiert den Dom über die Fortschritte der Sub.
Hygiene/Schönheit:
Die Sub ist zu allen Zeiten sauber und
rasiert und/oder gewaxt. Die Sub sucht zu Zeiten,
die der Dom bestimmt, einen Kosmetiksalon
auf, den der Dom auswählt, um sich
Behandlungen zu unterziehen, die der Dom für
angemessen hält.
Persönliche Sicherheit:
Die Sub unterlässt übermäßigen Alkoholkonsum,
raucht nicht, nimmt keine Partydrogen
und begibt sich nicht in unnötige Gefahr.
Persönliches Verhalten:
Die Sub lässt sich auf keine sexuellen
Aktivitäten mit anderen als dem Dom ein. Das
Verhalten der Sub ist zu allen Zeiten respektvoll
und züchtig. Ihr muss klar sein, dass ihr
Benehmen auf den Dom zurückfällt. Sie muss
sich für sämtliche Missetaten und
Verfehlungen verantworten, derer sie sich in
Abwesenheit des Dom schuldig macht.
Ein Verstoß gegen irgendeine der oben
aufgeführten Vereinbarungen hat sofortige
Bestrafung
zur Folge, deren Art durch den Dom festgelegt wird.
******
Aufmerksam
liest sie sich jede Zeile durch, damit ihr auch ja nichts entgeht. Sobald sie
alles gelesen hat, hebt sie den Kopf und fragt:
„Also gilt der Punkt Gehorsam nach wie vor?“
fragt sie.
„Allerdings“,
sage ich grinsend. Gehorsam ist sehr wichtig für mich. Ohne Gehorsam, habe ich
keine Kontrolle. Amüsiert schüttelt sie den Kopf und verdreht eher aus
Gewohnheit, als mit Absicht, die Augen und ich kann mein Glück gar nicht
fassen. Das ist ja wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag an einem Tag.
„Hast
du etwa gerade die Augen verdreht, Anastasia?“ flüstere ich aufgeregt.
Auf
ihrem Gesicht zeichnet sich dieser OSM-Ausdruck ab. (OSM: Oh
Shit! Moment)
„Könnte
sein. Das hängt von deiner Reaktion ab“, sagt sie.
„Es
ist dieselbe wie sonst auch“, sage ich und schüttele leicht meinen Kopf. Meine
Augen beginnen vor Aufregung, sie vielleicht gleich zu versohlen, zu leuchten
und meine Handflächen zu kribbeln.
Sie
schluckt und blickt sich um, um nach einer möglichen Ablenkung zu suchen.
„Also
…“, sagt sie und sucht nach einer Fluchtmöglichkeit.
„Ja?“
frage ich sie und lecke mir über meine
Unterlippe.
„Also
willst du mich jetzt versohlen“, sagt sie.
„Ja
und das werde ich auch“, antworte ich, um ihr die Tatsache zu verdeutlichen.
„Tatsächlich,
Mr. Grey?“ sie fordert mich heraus und grinst mich an. Sie will spielen.
„Willst
du mich etwa daran hindern?“
„Dafür
musst du mich aber erst mal kriegen“, sagt sie. Meine Augen weiten sich und ich
grinse, während ich langsam aufstehe. Nun hat sie die Latte noch höher gelegt.
„Ach ja, Miss
Steele?“ frage ich.
Sie steht nun
hinter der Frühstückstheke und nichts trennt uns weiter. Genau genommen,
brauche ich einfach nur drüber springen und schon hätte ich sie. Mein Adrenalin
rauscht vor Aufregung durch meinen Körper. Sie kaut auf ihrer Unterlippe und
steigert meine Aufregung damit umso mehr.
„Und
du kaust auf deiner Unterlippe“, flüstere ich, während ich mich langsam nach
links bewege. Sie geht natürlich in die entgegengesetzte Richtung.
„Vergiss
es“, neckt sie mich. „Außerdem verdrehst du ständig die Augen“, sagt sie und
versucht mit mir zu diskutieren. Süß! Wieder gehe ich nach links und sie tut es
mir gleich.
„Das stimmt, aber du hast die Latte gerade
selber höher gelegt. Damit wird das Spiel erst richtig interessant“, sage ich
und meine Augen lodern vor Erwartung.
„Ich bin ziemlich flink, musst du wissen“,
sagt sie lässig.
„Ich auch“, antworte ich.
Ich jage sie in die Küche.
„Kommst du freiwillig?“ frage ich.
„Tue ich das überhaupt jemals?“ gibt sie
zurück.
„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Miss
Steele“, feixe ich.
„Wenn ich Sie erst fangen muss, wird es umso
schlimmer“, sage ich.
„Aber nur, wenn du mich erwischst, Christian.
Und ich habe ganz bestimmt nicht die Absicht, mich erwischen zu lassen“, sagt
sie mutig.
„Du könntest hinfallen und dir wehtun. Was
einen klaren Verstoß gegen Regel Nummer sieben darstellen würde“, sage ich
besorgt.
„Ich schwebe schon in Gefahr, seit ich dir
das erste Mal begegnet bin, Mr. Grey, ob mit deinen Regeln oder ohne“,
antwortet sie.
„Das ist wahr“, sage ich und halte inne,
während ich darüber nachdenke. Ich bringe Leute in Gefahr ohne es zu wollen.
Plötzlich mache ich einen Satz nach vorn und
sie quiekt und rennt zum Esstisch. Sie schafft es, zu entkommen und nun den
Esstisch zwischen uns zu bringen. Ich bin so aufgeregt wie ein Jäger auf der
Jagd … völlig erregt.
„Du verstehst es, einem Mann Zerstreuung zu
schenken, Anastasia.“
„Wir wollen doch, dass Sie zufrieden sind,
Mr. Grey. Zerstreuung wovon?“ fragt sie.
„Vom Leben. Vom Universum“, sage ich und
wedele mit meiner Hand durch de Luft.
„Vorhin, am Klavier, hatte ich das Gefühl,
dich beschäftigt etwas“, bemerkt sie.
Ich halte an und verschränke amüsiert die
Arme vor der Brust.
„Von mir aus können wir dieses Spielchen den
ganzen Tag spielen, Baby. Am Ende kriege ich dich sowieso. Und dann wird es nur
umso schlimmer für dich.“
„Nein, wirst du nicht“, sagt sie starrsinnig.
Sie sieht mich an und schätzt ab, wann ich auf sie zu rennen werde.
„Man könnte glatt denken, du willst gar
nicht, dass ich dich schnappe“, sage ich.
„Tue ich auch nicht. Genau das ist der
springende Punkt. Ich will genauso wenig bestraft
werden, wie du dich von mir anfassen lassen
willst“, sagt sie. Abrupt erstarre ich, als ob sie auf mich geschossen oder
mich zu Fall gebracht hätte. Was? Wie konnte ich ihr das nur antun? Wie konnte
ich ihr etwas genau so abartiges antun, wie es mir wiederfahren ist? Warum hat
sie mir das nie erzählt? Und noch schlimmer, warum zur Hölle habe ich das nicht
gemerkt? Was bin ich nur für ein verdammter Idiot!
„So empfindest du also?” flüstere ich und all
die Energie entweicht aus mir. Ich bin entsetzt, dass ich derjenige bin, der ihr etwas angetan hat, dass
ihr so zuwider ist. Ich bin nur die leere Hülle eines Mannes, ohne Kraft und
Energie. Sie runzelt die Stirn.
„Nein, so tragisch ist es nicht, aber es gibt
dir zumindest einen Anhaltspunkt, wie es mir dabei geht“, murmelt sie und
blickt mich sorgenvoll an.
„Oh“, sage ich völlig verloren. Oh scheiße!
Ich habe sie versohlt und dabei war sie fast am Boden zerstört! Und ihre
Mitbewohnerin hat mich fast rausgeschmissen. Natürlich hat sie das getan, weil
mir nicht bewusst war, wie sehr ich ihr schade! Scheiße! Scheiße! Scheiße! Was
bin ich nur für ein schrecklicher Mensch! Ich … Ich … Ich weiß nicht, wie ich
darauf reagieren soll. Ich blicke mit leerem, bestürztem und verlorenem Blick
zu ihr. Mein Mund steht leicht offen.
„So
sehr hasst du das alles?“ flüstere ich entsetzt. Ich bin voller Schrecken und
dieser zeichnet sich nun auch in meinen Augen ab. Schrecken! Was habe ich ihr
nur angetan … der Frau, die ich liebe … mag!
Sie
verharrt in ihrer Position und kommt dann langsam um den Esstisch herum.
„Na ja … nein“, sagt sie und versucht mich zu
beschwichtigen. „Nein, ich bin hin- und hergerissen. Es gefällt mir nicht, aber
hassen tue ich es nun auch wieder nicht.“
„Aber gestern Abend, im Spielzimmer, hast du
doch …“ sage ich und schweife dann ab.
„Ich tue all das für dich, Christian. Weil du
es brauchst. Ich nicht. Du hast mir gestern Abend nicht wehgetan. Die Umstände
waren völlig anders. Damit komme ich klar. Und ich vertraue dir. Aber wenn du
mich bestrafst, habe ich Angst, dass du mir wehtust.“
Oh, Gott! Das ist der entscheidende Punkt!
Ich möchte ihr wirklich wehtun! Nicht so schlimm, dass sie es nicht ertragen
könnte, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich es tun will! Und im
Moment ist es zu viel. Ich bin innerlich zerrissen. Meine Augen verdüstern
sich, als ob ein Tornado vorbei ziehen würde … Ich bin nicht in der Lage, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich
weiß nicht, ob die Zeit stillsteht oder weiterläuft. Es fühlt sich jedenfalls
wie eine Ewigkeit an, bis ich wieder fähig bin, meinen Mund zu öffnen.
„Ich will dir auch wehtun. Aber nicht mehr,
als du ertragen kannst“, sage ich.
„Warum?“ fragt sie.
Ich fahre mir mit der Hand durch mein Haar
und zucke mit den Schultern. Sie würde davonlaufen und nie mehr zurückkommen,
wenn sie den Grund dafür wüsste. Ich kann es ihr niemals erklären. Niemals!
„Ich brauche es eben“, sage ich und halte
inne. Ich blicke sie gequält an, schließe meine Augen und schüttele meinen
Kopf. Sie blickt mich weiterhin fragend an und versucht mehr aus mir
herauszubekommen.
„Warum, kann ich dir nicht sagen“, flüstere
ich.
„Du kannst nicht oder du willst nicht?” fragt
sie.
„Ich will nicht.“
„Also kennst du den Grund.“
„Ja.“
„Aber du willst ihn mir nicht verraten“,
antwortet sie und sucht nach meiner Bestätigung.
„Wenn ich es täte, würdest du schreiend
davonlaufen und nie wieder zurückkehren“, sage ich und blicke sie argwöhnisch
an, als würde ich ein verängstigtes Kaninchen ansehen. „Das kann ich nicht
riskieren, Anastasia“, sage ich voller Angst, Beklemmung und der alles
verzehrenden Verzweiflung, sie in meinem Leben zu halten.
„Du wünschst dir also, dass ich bleibe“, sagt
sie, um sicherzugehen, dass sie mich richtig verstanden hat.
„Mehr als du ahnst“, flüstere ich leise. Ich
würde sterben, wenn ich sie auf die Dauer verlieren würde. „Ich könnte es nicht
ertragen, dich zu verlieren“
Ihr stockt der Atem.
Ich blicke sie an und plötzlich keimt die
ganze Angst und Panik in mir auf. Ich ersticke an der Angst, sie vielleicht zu
verlieren. Diese Angst übermannt mich. Ich ziehe sie in meine Arme und küsse
sie, küsse sie mit all meiner Leidenschaft, meiner Begierde und meiner Liebe. Mein
Gott! Ich glaube, ich liebe sie! Sie ist überrascht, als meine Panik und
Verzweiflung noch größer werden und ich lasse all diese Gefühle in meinen Kuss
einfließen.
„Bitte, verlass mich nicht“, flehe ich sie an.
„Du hast gesagt“, sage ich und mein Atem beschleunigt sich, „Du
hast gesagt, dass du mich nicht verlässt, und du hast mich angefleht, dich
nicht zu verlassen. Im Schlaf“, murmele ich gegen ihre Lippen. Ich
versuche sie hier bei mir zu halten, da die Angst sie zu verlieren, mich zu
übermannen droht. Ich kann dich nicht verlieren, Ana! Ich würde mir eher das
Herz rausreißen, als länger von dir getrennt zu sein! Ich kann nicht ohne meine
Herz leben! Ich kann nicht ohne meine Seele leben!
„Ich will ja gar nicht weg“, sagt sie leise. Sie
blickt mich an und all meine Barrieren existieren nicht länger. Ich fühle mich
wie ein nacktes Kind, das seine ganze Scheiße preisgibt … ein kleiner Junge,
der in der Hölle verloren ist und nicht in der Lage war, das Licht zu finden,
bis sie in mein Leben getreten ist.
Rolling the Deep by Adele
Meine Augen sind weit aufgerissen
und düster. Schließlich spiegeln sie all die gequälten Gefühle wider, die mich
immer vernichten und vor allem dann quälen, wenn ich nachts allein bin. Sie
blickt mich voller Zuneigung und Liebe an.
„Zeig es mir“, flüstert sie.
„Dir zeigen?“ frage ich, unfähig zu
verstehen.
„Zeig mir, wie sehr es wehtun kann“, sagt sie
und schockt mich.
„Was?“ Worum bittet sie mich hier? Träume ich
das alles? Hat sie mir nicht gerade noch gesagt, sie verabscheut es so sehr,
wie ich es verabscheue, angefasst zu werden?
„Bestraf mich. Ich will wissen, wie schlimm
es werden kann“, sagt sie.
Ich trete einen Schritt zurück und traue
meinen eigenen Ohren nicht. Bestimmt ist mein Verstand nun schon so abgefuckt,
dass ich mir all das hier ausdenke! Ich kann meine Beziehung mit ihr nicht
durch falsche Informationen aufs Spiel setzen. Ich bin verwirrt. Ich muss es
noch einmal aus ihrem Mund hören, um sicherzugehen.
„Du würdest es versuchen?“ frage ich
ungläubig.
„Ja. Das habe ich doch gerade gesagt“, sagt
sie.
Ich blinzele sie ungläubig an. Was spielt sie
hier für ein Spiel?
„Ana, du verwirrst mich“, sage ich – und das
ist das einzige, was mir im Moment in den Sinn kommt.
„Ich bin auch verwirrt. Ich bemühe mich
darum, eine Lösung für uns zu finden. Damit du und ich ein für alle Mal wissen,
ob ich es schaffen kann. Wenn ich damit klarkomme, kannst du vielleicht -“ sagt
sie und hört auf zu sprechen. Meine Augen weiten sich. Ich glaube, sie will
mich anfassen. Und vielleicht, wenn sie es aushält, von mir versohlt zu werden
und sie es freiwillig für mich machen würde, würde ich bestimmt auch versuchen,
mich von ihr anfassen zu lassen. Aber ich will nicht, dass das Anfassen zum
Stimmungskiller in unserer Beziehung wird. Ich bin hin und hergerissen. Was zur
Hölle? Diese wunderschöne Frau will etwas für mich tun, was sie eigentlich
verabscheut und ich kann mich nicht erkenntlich zeigen? Ich wäre verdammt, wenn
ich es nicht könnte! Schließlich fasse ich einen Entschluss und lasse dieses
Gefühl mich durchströmen. Ich blicke sie mit zusammengekniffenen Augen an,
starre meine Freundin an und wäge meine Möglichkeiten ab. Das ist, was ich
will, und es gibt etwas, dass sie im Gegenzug von mir erwartet.
Ich treffe eine Entscheidung, greife
unvermittelt nach ihrem Arm und ziehe sie mit mir aus dem Wohnzimmer, zur
Treppe und hinauf zum Spielzimmer.
„Ich werde dir zeigen, wie schlimm es sein
kann, dann kannst du dir selbst ein Urteil bilden“, sage ich und halte an der
Tür an. Meine Gefühle fahren Achterbahn und ich kann nichts dagegen tun. Ich
gebe ihr eine letzte Chance, uns zu stoppen, mich zu stoppen.
„Bist du bereit dafür?“ frage ich
leidenschaftlich und suche nach einer ehrlichen
und wahrhaftigen Antwort.
Sie nickt. Ihre Augen haben einen
entschlossenen Ausdruck, sie hat sich entschieden.
Ich öffne die Tür, halte ihren Arm noch immer
fest im Griff und greife nach einem Gürtel vom Regal neben der Tür. Auf diesem
Regal befinden sich noch weitere Mittel, die sich zur Züchtigung eignen. Dann
führe ich sie zur roten Lederbank in der anderen Ecke des Raumes.
„Leg dich über die Bank“, murmele ich leise.
Sie legt sich über das sanfte Leder. Ich
lasse ihren Bademantel an.
„Wir sind hier, weil du es wolltest,
Anastasia.“ Ich will, dass sie versteht, dass sie diejenige war, die sich
entschieden hat, ins Spielzimmer zu gehen und bestraft zu werden. Sie hat
zugestimmt und ohne ihre Einwilligung würde ich es niemals tun.
„Außerdem bist du vor mir davongelaufen. Ich
werde dich sechs Mal schlagen, und du wirst mitzählen“, sage ich zu ihr und
zähle die Gründe auf, warum sie hier ist. Sie muss sich daran erinnern, was sie
nicht tun sollte. Deshalb will ich, dass sie mitzählt, wenn ich ihr die Schläge
mit dem Gürtel verpasse, damit sie sich in Zukunft daran erinnern wird.
Schließlich schiebe ich den Saum ihres
Bademantels hoch und streichle über ihren Hintern. Ich fahre mit meinen Händen
über ihre Pobacken, bis hinunter zu ihren Oberschenkeln.
„Ich werde dich bestrafen, damit du nicht
vergisst, dass du nicht vor mir weglaufen sollst. So aufregend es auch sein
mag, aber ich will nicht, dass du vor mir wegläufst“, flüstere ich. Selbst wenn
es nur ein Spiel war, kann ich es nicht ertragen, wenn sie vor mir wegläuft. Es
verwüstet mich.
„Und du hast schon wieder die Augen verdreht.
Du weißt, was ich davon halte“, sage ich mit meiner harten Dom Stimme. Meine
Dom Aura ist mit aller Macht zurück, da sie einfach mit diesem Raum verbunden
ist.
Ich hebe den Gürtel in die Höhe und lasse ihn
auf ihr Hinterteil hinabsausen. Ich schlage so hart ich kann, halte nichts
zurück, lasse ihn in ihre Pobacken einschneiden. Sie schreit vor Schmerz und
Erschütterung auf, den der erste Biss des Gürtels hinterlassen hat. Sie
schnappt nach Luft, als ob sämtliche Luft aus ihren Lungen entwichen wäre.
„Zähl, Anastasia!“ befehle ich ihr. Aus
irgendeinem Grund törnt es mich an, wenn Anastasia mitzählt, da sie damit meine
Dominanz anerkennt.
„Eins!“ schreit sie und es klingt, als ob sie
am liebsten ‚Fick dich, Grey!“, rufen würde.
Ich schlage sie wieder und auf ihrem
Hinterteil zeichnet sich der Striemen des Gürtels ab. Ein langer Streifen ziert
nun ihren Hintern und der Nachhall des
Schlages erklingt im Raum.
„Zwei!“ schreit sie.
Ihre Stimme steigert meine Libido um das
Zehnfache und lässt meinen Atem rau und stoßweise kommen. Wieder hebe ich den
Gürtel und lasse ihn in ihr Fleisch einschneiden.
„Drei!“ schreit sie und ich merke, wie ihre
warmen Tränen auf meiner Pyjamahose landen. Aber sie protestiert nicht, noch
hält sie mich auf.
Ich schlage sie wieder.
„Fünf…“ sagt sie mit würgender Stimme, die
aber weder verärgert, noch niedergeschlagen klingt. Sie klingt wie erdrosselt
und ihr Hintern ist so rot, wie die chinesische Flagge. Dennoch höre ich noch
immer kein Safeword von ihr. Ich lande den Gürtel ein letztes Mal auf ihrem
Hintern.
„Sechs“, flüstert sie und ich lasse den
Gürtel neben ihr fallen. Ich ziehe sie mitfühlend und atemlos in meine Arme, da
sie die Bestrafung über sich ergehen hat lassen und das nur für mich! Aber sie
drückt mich weg, ringt sich aus meiner Umklammerung.
„Lass mich ... Nein …“, sagt sie, drückt mich
weg und versucht von mir wegzukommen.
Monster - Lady Gaga
Sie kämpft gegen mich! Sie versucht, vor mir
wegzulaufen! Oh Gott! Nein! Was habe ich getan?
„Fass mich nicht an!” faucht sie mich an, als
sie sich aufrichtet und mich anstarrt. Ich bin völlig fassungslos, meine Augen
sind weit aufgerissen, und verängstigt mit dem Wissen, dass sie flüchten und
wegrennen könnte. Sie wischt sich wütend mit ihrem Handrücken die Tränen aus
den Augen und starrt mich an.
„So gefällt es dir also? Ich? So?“ sagt sie,
als sie sich die Nase mit dem Ärmel ihres Bademantels reibt.
Ich blicke sie an, unfähig irgendetwas zu
sagen.
„Du bist ein komplett abgefuckter
Dreckskerl!“
„Ana“, flehe ich geschockt. Ich wollte nicht
mit ihr hier reingehen. Aber sie wollte doch, dass ich sie hierher bringe. Was
habe ich getan? Warum habe ich nur zugestimmt, wo sie doch gesagt hat, dass sie
es verabscheut, bestraft zu werden? Wie zur Hölle habe ich es geschafft, meine
Beziehung eigenhändig in den Sand zu setzen?
„Komm mir bloß nicht mit dieser Ana-Scheiße.
Sieh zu, dass du deine Scheiße in den Griff kriegst, Grey!“ sagt sie. Dies sind
ihre letzten Worte und sie sind völlig wütend, verbittert, fassungslos und
verletzt. In diesem Moment realisiere ich, dass ich die Menschen wirklich
verletze. Ich bin durch und durch schlecht! Ich verletze die Menschen, die sich
um kümmern! Ich verletze die einzige Frau, die ich wirklich liebe! Und an dem
Punkt, wo ich es endlich verstanden habe, verletzt sie mich womöglich.
Sie greift nach der Türklinke und schließt
sie leise und als ob sie aufgegeben hätte hinter sich.
Was mache ich nur? Ich kann nicht ohne sie
leben! Ich … Ich kann einfach nicht! Ich bin ein beschissener Typ, der zu
nichts fähig ist, der nichts wert ist und dann will ich auch noch ihre
Zuneigung, ihre Liebe. Ich brauche sie, hier bei mir. Ich würde alles tun,
alles für sie tun, damit sie bei mir bleibt.
Sie hat mich gerade verlassen. Bestürzt
wandern meine Hände in meine Haare. Aber diesmal ziehen meine Finger
verzweifelt an ihnen. Oh mein Gott! Ich … ich fange an zu hyperventilieren. Ich
habe gerade, die einzige Frau, die ich je geliebt habe, weggejagt! Was zur
Hölle ist falsch mit mir?
Ich bin durch und durch abgefuckt! Fünfzig
Facetten? Ich bin das Schlimmste, das die verdammte Cracknutte, je gebären
konnte! Das hast du dir selbst eingebrockt, du Hurensohn! Oh, Gott! Was habe
ich getan? Kann ich mich je wieder reinwaschen? Ich bin völlig starr und
unfähig mich zu bewegen. Was mache ich nur? Sie hasst mich! Sie hasst mich
wirklich! Bitte, Gott! Ich kann es nicht ertragen! Erhöre mich! Hilf mir! Ich
bin wertlos, aber ich bitte dich nun, um deine Hilfe! Bitte! Hilf mir! Erlöse
mich von meinem Elend! Sie ist die einzige, die ich jemals geliebt habe und
jetzt verabscheut sie mich …
„Bitte“, entweicht es meinen Lippen mit
leiser Stimme. „Bitte, lieber Gott … Ich habe niemanden, den ich um Hilfe
bitten könnte. Hilf mir! Sie wird mich verlassen!“
Schließlich bringe ich die Kraft auf, mich zu
bewegen. Ich gehe zur Tür und öffne sie. Sie ist nicht hier. Ich gehe in mein
Zimmer und in mein Masterbad, um eine Dose mit Schmerzmitteln und eine Lotion
zu holen, um ihren Schmerz zu lindern. Dann ertappe ich mich dabei, wie ich zu
ihrem Zimmer gehe. Langsam gehe ich zur Tür und betrete den Raum. Es dämmert
bereits, aber es kommt mir so vor, als ob die Sonne untergegangen ist und nie
mehr für mich aufgehen wird. Sie liegt zusammengerollt auf der Seite, da ihr
Hinterteil zu sehr schmerzt. Sie leidet, ihr Kopf ist in einem Kissen vergraben
und sie schluchzt. Die Worte ihrer Mitbewohnerin Kate kommen mir wieder in den
Sinn, „Seitdem sie dich getroffen hat, weint sie nur noch!“ Innerlich bin ich
in tausend Stücke zerrissen. Sie hasst mich wirklich … Ich hasse mich! Warum sollte sie es also nicht tun?
Ich lege die Schmerztabletten und die
Arnikasalbe auf den Nachttisch und setze mich auf das Bett. Es senkt sich unter
meinem Gewicht, als ich hinter sie klettere - näher an sie heran, näher an ihre
endlosen Schluchzer.
„Shhh“, flüstere ich. Sie ist wie gelähmt,
rührt sich überhaupt nicht und ist völlig starr. Mein Herz bricht erneut. Ich
habe sie gebrochen! „Stoß mich nicht weg, Ana, bitte”, flüstere ich. Ich kann
es nicht ertragen. Behutsam ziehe ich sie in meine Arme, vergrabe meine Nase in
ihrem Haar, küsse ihren Nacken. Ich kann es nicht ertragen, sie zu verlieren.
Ich kann einfach nicht.
„Hass mich nicht“, ich kann kaum flüstern,
„bitte“, flüstere ich gegen ihre zarte Haut.
Hard to Say I’m Sorry by Boys 2 Men
Meine Seele schmerzt und ich bin verloren.
Sie beginnt wieder leise zu schluchzen. Wieder küsse ich sie sanft und
zärtlich, aber ich habe das Gefühl, dass sie mich nicht mehr will.
So liegen wir eine gefühlte Ewigkeit. Ich
halte sie einfach und bete im Stillen, dass sie mich nicht verlässt, dass sie
mir vergibt, und mich nicht mehr hasst. Ich weiß, dass das eine ziemlich lange
Liste ist, aber ich liebe sie! Schließlich entspannt sie sich ein wenig und ist
nicht mehr ganz so starr. Sie hört auch auf zu weinen. Die Dämmerung ist
langsam vorüber und bringt einen neuen Morgen mit sich, der sanfte Lichter zu
uns hereinscheinen lässt. Wir liegen immer noch still.
„Ich habe dir ein paar Schmerztabletten und
Arnikasalbe mitgebracht“, sage ich nach einer Ewigkeit.
Sie dreht sich langsam in meinen Armen um und
blickt mich an. Ihr Kopf ruht auf meinem Arm. Meine Augen sind eisern und geben
meine Gedanken nicht preis. Meine Ängste sind gut hinter meiner Fassade
versteckt.
Sie sieht mich an, als würde sie mich zum
letzten Mal sehen. Oh, nein! Ich versuche, mir meine Gefühle nicht anmerken zu
lassen, sehe sie an, ohne zu blinzeln. Sie streckt ihre Hand aus und streichelt
meine Wange, streicht mit ihren Fingern durch meine Stoppeln. Ich schließe
meine Augen und atme aus, als sie mich berührt. Ihre Berührung ist zu meinem
Rettungsanker geworden.
„Es tut mir leid“, flüstert sie. Was? Warum? War‘s
das? Erklärt sie mir jetzt, dass das mit uns nichts wird?
Ich öffne meine Augen und sehe sie verwirrt
an.
„Was tut dir leid?“
„Was ich gesagt habe“, sagt sie und
Erleichterung durchströmt mich. Vielleicht verlässt sie mich doch nicht.
Vielleicht können wir gemeinsam eine Lösung finden.
„Du hast nichts gesagt, was ich nicht längst
weiß“, sage ich mit sanftem Blick. „Mir tut es leid, dass ich dir wehgetan
habe“, sage ich.
Zur Antwort zuckt sie mit den Schultern.
„Ich wollte es schließlich so.“ Dann sieht
sie mich an und schluckt. Das heißt nichts Gutes.
„Ich glaube nicht, dass ich dir alles sein
kann, was du dir wünschst“, flüstert sie. Meine Augen weiten sich etwas und ich
blinzele, als mich die Angst mit aller Kraft übermannt.
„Du bist alles, was ich mir wünsche“, sage
ich zu ihr. Ich habe so lange darauf gewartet, sie zu finden. Irgendeine wunderbare
göttliche Führung hat uns aufeinander treffen lassen.
A Thousand Years by Christina Perri
Und nun bin ich
verdammt noch mal kurz davor sie zu verlieren. In mir klafft ein riesiges Loch
und ich ertrage es einfach nicht. Sie ist hier, aber dennoch weit weg. Sie
sieht verwirrt aus.
„Das verstehe ich nicht. Ich bin nicht
gehorsam, und ich werde ganz bestimmt nicht zulassen, dass du das
noch einmal tust. Das kann ich dir verdammt nochmal versichern. Aber genau das
brauchst du. Das hast du selbst gesagt.“
Wieder schließe ich meine Augen und kämpfe
mit dem klügeren Teil meines Gehirns. Ich habe gerade erst gemerkt, dass ich in
sie verliebt bin. Verlangt die Liebe nicht, dass ich das tue, was am besten für
sie ist und nicht für mich? Hat Dr. Flynn mir nicht erst vor kurzem gesagt, „C’est
cela l’amouor, tout donner, tout sacrifier, sans espoir de retour.“ Erst
jetzt verstehe ich es und nun ist es zu spät. „Liebe bedeutet, alles zu geben
und alles zu opfern, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten“ und ich muss
das tun, was für sie das Beste ist und für Christian Grey. Ich treffe eine
Entscheidung. Ich muss sie gehen lassen. Ich muss das tun, was am besten für
sie ist, da ich weiß, dass ich mich nur schwer ändern kann.
„Du hast Recht. Ich sollte dich gehen lassen.
Ich bin nicht gut für dich“, gebe ich tief am Boden zerstört zu.
You Know I’m No Good by Amy Winehouse
Liebe bedeutet, alles zu geben, ohne etwas im
Gegenzug zu erwarten. Du wirst mein Herz und meine Seele mit dir nehmen; wenn
sie weg ist, werde ich nicht mehr komplett sein, weniger, als bevor ich sie
getroffen habe.
Als sie meine Antwort hört, weiten sich ihre
Augen. „Ich will nicht gehen“, flüstert sie und ihre Augen füllen sich wieder
mit Tränen. Wieder durchströmt mich die Erleichterung.
„Ich will auch nicht, dass du gehst“,
flüstere ich mit heiserer Stimme. Ich strecke meine Hand aus und streiche mit
meinem Daumen über ihre Wange, um ihre Tränen wegzuwischen. „Seit ich dich
kenne, fühle ich mich, als würde ich zum ersten Mal wirklich leben.“ Es ist
kaum mehr als ein Wispern. Mein Daumen fährt die Kontur ihrer Unterlippe nach.
„Ich auch“, flüstert sie zurück. „Ich habe
mich in dich verliebt, Christian“, erklärt sie. Das aus ihrem Mund zu hören,
wenn sie bei vollem Bewusstsein und wach ist, raubt mir den Atem und macht mich
sprachlos. Sie liebt mich? Diesen wertlosen Scheißkerl? Das kann nicht sein!
Sie darf mich nicht lieben! Ich bin nichts! Ich bin nicht gut für sie. Meine
Augen weiten sich und spiegeln meine pure und ungetrübte Angst wider. Das ist
wirklich, wirklich falsch! Falsch für sie und falsch für mich.
„Nein“, flüstere ich, als hätte ich die
schlimmste Liebeserklärung auf der ganzen Welt gehört. Ich fühle mich, als ob
sämtliches Leben in mir ausgelöscht ist.
„Du kannst mich nicht lieben, Ana. Nein … das
ist falsch“, sage ich zutiefst entsetzt.
„Falsch? Warum falsch?“ fragt sie.
„Sieh dich doch an. Ich kann dich nicht
glücklich machen“ sage ich mit von Schmerz geplagter Stimme.
„Aber du machst mich doch glücklich“, sagt
sie stirnrunzelnd.
„Im Augenblick nicht. Und nicht mit dem, was
ich tue“, und das ist der Knackpunkt an der ganzen Sache. Ich bin abgefuckt und
ich will ihr wehtun. Sie sieht traurig und verzweifelt aus.
„Wir kriegen es nicht in den Griff, stimmt’s?“
flüstert sie mit angstvoller Stimme, als
sie realisiert, was hier passiert. Niedergeschlagen schüttele ich meinen Kopf.
Sie schließt die Augen, als könnte sie es nicht ertragen, mich anzusehen. Ich
bin ein verdammt beschissener Hurensohn! Warum mache ich alles gute, was mir
passiert, zunichte?
„Tja … dann sollte ich jetzt wohl besser
gehen“, murmelt sie und zuckt zusammen, als sie sich aufsetzt.
„Nein, geh nicht“, sage ich und die Angst
übermannt mich völlig.
„Zu bleiben würde nichts bringen.“ Sie sieht aus, als wäre sie in den letzten
Stunden um zehn Jahre gealtert, als würde die Last der Welt sie niederdrücken.
Sie klettert aus dem Bett und ich tue es ihr gleich.
„Ich werde mich jetzt anziehen und hätte gern
ein bisschen Privatsphäre“, sagt sie mit tonloser Stimme, als hätte jemand, als
hätte ich ihr das Leben ausgesaugt. Sie lässt mich im Schlafzimmer
stehen.
Oh, lieber Gott! Was zur Hölle habe ich
getan? Sie verlässt mich! Sie verlässt mich wirklich! Ich kann nicht atmen! Ich
gehe im Raum auf und ab … Was kann ich tun? Wie kann ich sie aufhalten? Ich bin zutiefst und unwiderruflich
zerbrochen … nichts außer ihr kann mich retten!
Unbreak my heart by Toni Braxton
Ich gehe in mein Büro und rufe Taylor an. Er
antwortet nach dem ersten Klingeln. Meine Stimme klingt verzerrt, gestört und
zum ersten Mal nach langer, langer Zeit, kann ich meine Gefühle nicht
kontrollieren.
„Taylor“, sage ich. Und mit diesem einen Wort
schrillen all seine Alarmglocken.
„Ich komme, Sir“, und knapp 15 Sekunden
später steht er vor mir. Als er in meinem Büro ankommt, ist er bereits
angezogen und bereit, alles zu tun.
„Was ist los, Sir? Geht es Ihnen gut? Ist mit
Miss Steele alles in Ordnung?“
„Sie verlässt mich, Taylor. Ich möchte, dass
Sie sie nach Hause fahren“, sage ich und erkenne nicht einmal meine eigene
Stimme wieder. Sie ist voller Verzweiflung. Ich muss meine Mauern wieder
errichten. „Ich möchte, dass sie sich bereithalten. Das ist alles“, sage ich
mit tonloser Stimme. Das ist die einzige Art Stimme, zu der ich in der Lage
bin.
Er verlässt mein Büro.
In meinem Büro sind ein paar Sachen, sodass
ich mir Jeans und ein schwarzes T-Shirt anziehen kann. Meine Füße sind nackt.
Ich verlasse mein Büro und gehe in den Wohnbereich, um Anastasia ein letztes
Mal zum Bleiben zu überreden.
Mein Blackberry klingelt. Verdammt! Es muss
natürlich ausgerechnet jetzt klingeln! Es ist Welch.
„Sir, ich habe Neuigkeiten“, sagt er.
„Und wie lauten sie?“ sage ich voller
Ungeduld.
„Wir haben Leilas Ehemann überzeugen können,
uns einige Informationen über sie zu geben. Sie hatte Kontakt zu ihm. Sie hat
ihn angerufen. Irgendetwas Tragisches ist ihr passiert und sie hat ihn gebeten,
ihr zu helfen. Aber er hat ihr gesagt, dass er sie in Ruhe lassen soll und sich
selbst ficken soll und es ihn nicht interessiert, was mit ihr passiert.“
„Was hat er gesagt?“ schreie ich und sehe aus
dem Augenwinkel, dass Anastasia den Raum betritt. Ich sehe, wie sie
zusammenzuckt, als ich schreie.
„Er hätte uns verdammt nochmal die
Scheißwahrheit sagen können. Wie ist seine Nummer? Ich muss ihn anrufen. Welch,
das Ganze ist eine einzige riesige Katastrophe.“ Ich blicke auf und nehme meine
dunklen, grüblerischen Augen keinen Moment von ihr. „Findet sie“, blaffe ich
ihn an und lege auf.
Anastasia geht zur Couch und packt ihren
Rucksack und ignoriert mich dabei völlig. Zu meinem völligen Entsetzen nimmt
sie den Mac heraus, geht in die Küche und stellt ihn vorsichtig auf der
Frühstückstheke ab. Zudem legt sie ihr Blackberry und den Autoschlüssel
daneben. Sie dreht sich um und blickt in mein bestürztes und völlig entsetztes
Gesicht. Warum verletzt sie mich so? Ich habe ihr diese Sachen geschenkt … Ich
will sie nicht zurück!
„Ich brauche das Geld, das Taylor für meinen
Beetle bekommen hat“, sagt sie mit
klarer und ruhiger Stimme. Sie ist frei von jeglichem Gefühl, völlig auf
Autopilot geschaltet. Ich kenne diese Stimme gut, ich habe sie gerade erst bei
Taylor benutzt.
„Ana, ich will die Sachen nicht“, sage ich
ungläubig und bin kaum in der Lage das Brechen meiner Stimme zu kontrollieren.
„Bitte behalt sie.“
„Nein, Christian. Ich habe sie nur
angenommen, weil du darauf bestanden hast. Und ich will sie nicht mehr.“
„Ana,
sei doch vernünftig“, tadele ich sie.
„Ich will nichts, was mich an dich erinnert.
Ich brauche nur das Geld, das Taylor für meinen Wagen bekommen hat“, antwortet
sie mit monotoner Stimme.
Ich ringe ungläubig nach Luft. Sie versucht
mich völlig aus ihrem Leben zu verbannen. Sie will jegliche Verbindung
zerstören. Sie will nichts von mir! Nicht einmal eine Erinnerung. Oh Gott!
„Willst du mich so sehr kränken?“ flüstere
ich mit sehnlicher Stimme.
„Nein“, sie runzelt die Stirn und starrt mich
an. Trotz der unendlichen Traurigkeit in ihren Augen, erkenne ich auch ihre
Liebe. „Das will ich nicht“, flüstert sie traurig. „Ich versuche nur, mich selbst zu
schützen“, und diese Aussage verletzt mich an meisten.
I Have Nothing - Whitney Houston
„Bitte, Ana, nimm die Sachen.“
„Christian, ich will mich nicht streiten –
ich brauche nur das Geld.“
Ich blicke sie mit zusammengekniffenen Augen
an. Ich will, dass sie die Sachen nimmt. Sie blickt mich ausdrucklos an und
blinzelt nicht einmal. Sie wird nicht nachgeben und ich werde sie auch nicht
drängen.
„Nimmst du auch einen Scheck?“ frage ich
bissig.
„Ja. Das wird genügen.“
Das ist der schlimmste Tag meines Lebens.
Leilas verdammter Ehemann hatte Kontakt zu ihr und er hat uns nichts davon gesagt. Sie ist irgendwo da draußen und
wahrscheinlich kurz davor, sich etwas anzutun oder anderen Schaden zuzufügen.
Und meine Freundin, das einzige Mädchen, das ich je geliebt habe, verlässt mich
heute! Ich gehe in mein Büro und schreibe Anastasia einen Scheck für ihr Auto.
Ich stecke ihn in einen Umschlag und gehe zurück ins Wohnzimmer. Sie wird mir
nicht glauben, dass das die Summe ist, die Taylor für das Auto bekommen hat.
Aber es ist wahr.
„Taylor hat einen guten Preis dafür bekommen.
Der Wagen ist ein Klassiker. Du kannst ihn gern fragen. Er wird dich nach Hause
fahren“, sage ich und nicke in Richtung der Diele. Sie dreht sich um und sieht
Taylor im Türrahmen stehen. Er trägt seinen Anzug und ist bereit zu fahren.
„Nicht nötig. Ich komme schon allein nach
Hause, danke“, antwortet sie. Sie dreht sich um und starrt mich an. Ich kann
die Wut in mir kaum zügeln. Warum hört sie einfach nie auf mich? Warum kann sie
nicht eine letzte Geste von mir annehmen? Warum Ana? Warum tust du mir das an?
Warum verlässt du mich?
„Musst du mir bei allem widersprechen?“ frage
ich eisig.
„Weshalb ausgerechnet jetzt mit einer
lebenslangen Gewohnheit brechen?“ sagt sie und zuckt entschuldigend mit den
Achseln.
Ich schließe frustriert die Augen fahre mir
völlig aufgebracht mit meinen Händen durch meine Haare.
„Bitte, Ana, lass dich von Taylor nach Hause
fahren“, flehe ich.
„Ich hole den Wagen, Miss Steele“, erklärt
Taylor bestimmt. Vielleicht hört sie ja auf ihn. Sie hat ihn immer für eine Art
Onkel gehalten. Ich nicke Taylor zu und er macht sich auf den Weg, das Auto zu
holen.
Sie dreht sich um und sieht mich an. Sie ist
ungefähr einen Meter von mir entfernt. Ich mache einen Schritt auf sie zu. Ich
will sie noch einmal im Arm halten, obwohl ich weiß, dass ich wahrscheinlich
nicht in der Lage sein würde, sie wieder loszulassen. Automatisch tritt sie
einen Schritt zurück und mit diesem Schritt ist es, als ob sie in mich
hineingegriffen, mein Herz herausreißen und auf den Boden werfen würde. Ich
halte inne. Sie rennt vor mir davon und ich fühle mich, als würde ich jeden
Moment zusammenbrechen. Oh Gott! Sie will mich nicht! Das schmerzt am meisten.
Ich habe sie tief verletzt und jetzt erträgt sie nicht einmal mehr meine Nähe. Schmerz
und herzzerreißende Qual dringt aus meinen Poren, aus meinem ganzen Dasein, als
ob es konkrete Formen annehmen und mit Händen greifbar sein würde. Meine
Augen brennen vor Verlangen und Verzweiflung. Ich möchte einfach zu ihr gehen,
sie halten und nie wieder loslassen! Bitte, Ana, lass mich!
Run to You by Whitney Houston
„Ich will nicht, dass du gehst“, flehe ich
sie ein letztes Mal an. Bitte Baby! Geht nicht. Ich blicke sie sehnsüchtig an.
Ich bin ihr nahe genug, um sie zu berühren und doch so weit davon entfernt, weil
sie eine unsichtbare Mauer zwischen uns errichtet hat.
„Ich kann aber nicht bleiben. Ich weiß, was
ich brauche, und du kannst es mir nicht geben. Und ich kann dir nicht geben,
was du brauchst“, sagt sie mit verzweifelter Stimme.
Ich mache einen weiteren Schritt auf sie zu,
aber sie hält die Hände hoch und bedeutet mir anzuhalten.
„Nicht. Bitte.“ Zu sehen, wie sie vor mir
zurückweicht, ist einfach schrecklich. Sie kann nicht einmal mehr meine
Berührung tolerieren. Ich fühle mich, als ob ich langsam an tausenden von
Schnitten sterben würde. „Ich kann das nicht.“
Sie greift nach ihrem Koffer und ihrem
Rucksack und geht in Richtung Foyer. Ich folge ihr, halte jedoch Abstand. Ich
drücke den Rufknopf. Die Türen öffnen sich und sie steigt ein.
„Auf Wiedersehen, Christian”, murmelt sie.
„Ana, auf Wiedersehen“, sage ich leise. Ich
bin ein gebrochener Mann und erleide im Moment unerträgliche Schmerzen. Als sie
ihren Blick von mir abwendet, bin ich völlig zerschmettert. Sie hätte auch
alles mit sich nehmen können, denn in dem Moment, in dem sich die Aufzugtüren
schließen, hat mich meine Seele mit Anastasia verlassen, als ob ich ohne sie nie
eine gehabt hätte.
Take My Love With You - Bonnie Raitt
Die einzige Frau, die ich je geliebt habe,
hat mich gerade verlassen … Ich fühle mich völlig leer. Es fühlt sich an, als ob
jemand die Lichter ausgemacht hat, als sie gegangen ist, als ob jemand die
Sonne weggenommen hätte. Ich falle auf meine Knie und werde völlig schlapp, wie
Atlas, der die Welt auf seinen Schultern getragen hat und zum ersten Mal,
seitdem ich erwachsen bin, fange ich an zu weinen. Ich vergrabe den Kopf in
meinen Händen und weine.
Das ist ganz allein mein Fehler! Ich bin ein
abgefuckter Hurensohn! Eine Schlampe wäre noch etwas Besseres als ich; es ist
übel … Hurensohn! Wie kann ich jemals diese Scheiße von mir abwaschen, sodass
ich niemanden mehr verderben kann? Ich habe mein Baby, meine Freundin, meine
Frau, meine einzige Liebe verdorben und verletzt!
Entschlossen stehe ich auf. Die Tränen laufen
mir übers Gesicht, ohne, dass ich etwas dagegen machen kann. Vielleicht bin ich
auch in Mrs. Jones hineingelaufen, deren Mund weit offen stand. Aber wer kann
das schon genau sagen? Ich sehe kaum, wo ich hinlaufe, meine Augen und mein
Verstand sind völlig vernebelt.
Ich gehe ins Schlafzimmer und weiter ins Bad.
Die Tränen laufen mir immer noch über die Wangen, aber die Schluchzer haben nun
aufgehört. Ich reiße mir fast das Shirt vom Leib und ziehe meine Hose aus. Ich
drehe das Wasser viel zu heiß auf und steige in die Dusche. Ich greife nach
einer Bürste und seife sie mit Duschgel ein. Dann beginne ich den ganzen Dreck,
den der Zuhälter der Hure auf mir haften gelassen hat, weg zu schrubben und
abzuwaschen. Über die Jahre hat er mir so viel angetan. Ich schrubbe und
schrubbe und schrubbe all die kleinen Narben, die die Zigaretten hinterlassen
haben und all die Stellen, an denen Anastasia mich nicht anfassen durfte, weil
ich es ihr nicht erlaubt habe. Ich ekele mich vor mir selbst! Ich hasse mich! Schrubben,
schrubben, schrubben, schrubben … Meine Brust ist wund und rot … Als nächstes
mache ich mit meinen Armen und Händen weiter. Das sind die Hände, die Anastasia
verletzen wollen! Schrubben … schrubben … schrubben … immer und immer weiter.
Meinen Rücken erreiche ich nicht! Irgendwo habe ich auch eine Bürste mit Stil.
Ich steige aus der Dusche und verteile das tropfende Wasser und die Seife
überall, aber es ist mir egal. Ich suche in einem der Schränke und finde sie.
Ich stoße die Tür des Schrankes mit solcher Wucht zu, dass sie noch einige Male
hin und her springt, bevor sie geschlossen bleibt.
Ich seife die Bürste ein und schrubbe nun
meinen Rücken. Immer und immer wieder. Bis er wund ist und weh tut. Schmerz ist
gut. Damit komme ich klar, er ist mir vertraut. Ich existiere immer noch auf
dem Planeten, auf dem Anastasia lebt. Ich stehe eine Ewigkeit unter dem heißen
Wasser und die Gewissheit, dass Anastasia mich verlassen hat, erfasst mich
erneut mit aller Wucht. Wieder bekomme ich zittrige Knie und sinke auf den
Boden der Dusche. Mein Rücken lehnt an der Wand. Ich umschließe meine Knie und
lasse mich von meinem Schmerz verzehren. Mein unendliches Leid legt einen
Sturzflug hin, wie ein Flugzeug, das außer Kontrolle ist.
Ich sehe nichts, denke nichts und kann keinen
klaren Gedanken fassen. Mein einziger Gedanke umfasst allein Anastasia.
„Mr. Grey?“ höre ich eine zögernde Stimme von
der Tür. Ich antworte nicht. Die Stimme ist sanft, aber kühl. Ich bin nicht
hier. Ich fühle mich, als hätte ich meinen Körper verlassen. Wie ein Beobachter
meiner selbst, der mich aus einiger Entfernung wahrnimmt. Ich bin wie ein Zombie in meiner
eigenen Haut.
Zombie by the Cranberries
„Mr. Grey?“ Dieses Mal klingt die weibliche
Stimme näher.
„Ach du lieber Himmel!“ Die Stimme klingt nun
entsetzt, besorgt und verängstigt. Sie ist bestimmt nicht mir gewidmet …
„Taylor!“ Oh, plötzlich ist die Stimme laut.
„Taylor! Jason Taylor! Schwing deinen Arsch
hierher!” Diese Frau hat ja einen unglaublichen Tonfall! Wer ist das?
Ich höre Schritte. Nein, schnelle, rennende
Schritte. Sie werden lauter und stoppen schließlich am Eingang zum Badezimmer. Jemand
tritt in die Dusche. Was für ein grober Typ! Man tritt nicht einfach unerlaubt
in eine Dusche mit einem anderen Mann!
„Sir! Sir!“ schreit er. „Sir. Können Sie mich hören?”
Er stellt das Wasser aus und ich merke, dass
sein dunkler Anzug klatschnass ist.
„Gayle, reich mir bitte ein paar Handtücher!“
blafft er, effizient wie ein Soldat.
Plötzlich werde ich auf meine Füße gezogen
und ein großes, flauschiges Handtuch wird mir um die Hüfte geschwungen. Ein
weiteres um meinen Oberkörper.
„Geh in mein Büro und hol meinen Erste Hilfe
Koffer“, blafft er einen weiteren Befehl. Dann antwortet er auf eine Frage, die
ich nicht hören konnte.
„Sie sind
beschriftet. Erste Hilfe und Verbrennung.“
Ich höre wie sich schnelle Schritte
entfernen.
„Sir, ich werde Sie jetzt aufs Bett legen“,
er spricht behutsam mit mir, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. Ich
nicke. Er bringt mich zu meinem Bett und dort liegt eine Box auf meinem Kissen.
Jason ist gerade dabei es wegzupacken, als er inne hält.
„Das ist von Miss Steele“, sagt er leise. Und
plötzlich bin ich wieder bei vollem Verstand.
„Das gehört mir!“ sage ich und reiße es aus
Taylors Händen, als würde seine Berührung einen heiligen Gegenstand schänden.
Ich presse es an meine Brust. Taylor sieht
mich mit einem Ausdruck an, den ich noch nie vorher auf seinem Gesicht gesehen
habe. Ist es Mitgefühl? Als ich das Päckchen schließlich auf das Bett
zurückstelle, erkenne ich eine Notiz darauf.
Das hier hat mich an eine glückliche Zeit erinnert.
Danke.
Ana
Ich starre das Päckchen eine Ewigkeit an.
Dann höre ich ein komisches Geräusch. Ein würgendes Geräusch. Ich blicke auf
und sehe, wie sich Taylor und Mrs. Jones anstarren. Auf ihren Gesichtern
zeichnet sich Besorgnis ab. Wer zur Hülle macht dieses Geräusch? Als zwei große
Tropfen auf das Päckchen, das einen Blanik L23 Segelflugzeug-Kit enthält,
fallen, merke ich, dass ich derjenige bin, der diese würgenden Geräusche macht.
Taylor verlagert vor Unbehagen das Gewicht
auf seinen Füßen. Er nickt Mrs. Jones zu und sie verlässt den Raum mit einem
besorgten Gesichtsausdruck.
„Mr. Grey?“ fragt Taylor.
„Hmmm…“ ist alles was ich erwidern kann.
„Ich muss Ihnen Erste Hilfe leisten, Sir“, sagt er ausdrucklos.
„Warum?“
„Ihre Haut sieht ein wenig wund aus, Sir. Es
wird den Heilungsprozess beschleunigen.“
„Das werde ich selbst tun, Taylor“, sage ich
und finde schließlich meine ausdruckslose Stimme, vielleicht auch einen
befehlenden, bestimmten Ton. Ich höre wie Taylor erleichtert ausatmet. Wenn
Anastasia mich schon nicht anfassen kann, dann werde ich Taylor bestimmt nicht
erlauben, mir Erste Hilfe zu leisten. Es ist auf jeden Fall nicht so schlimm
wie Anastasias Hintern.
„Kommen Sie zu Recht, Sir?“ fragt Taylor
zögernd.
Nein, denke ich mir. Ich werde ohne Anastasia
nie zu Recht kommen.
„Wie ging es Miss Steele?“ frage ich ihn.
„Sir …“ er zögert. „Ihr … ging es nicht gut,
Sir“, sagt er langsam. Ich sehe ihn an, um ihm zu bedeuten mehr zu erzählen. Er
war der letzte, der die einzige Frau, die ich je geliebt habe, gesehen hat. Ich
möchte es hören, egal wie schmerzhaft es sein mag!
Er zögert.
„Taylor, ich möchte, dass Sie es mir sagen! Wie
ging es ihr? Wie sah sie aus? Hat sie irgendetwas zu Ihnen gesagt?”
Taylor sieht mich an, als würde er Anastasias
Vertrauen missbrauchen, wenn er etwas sagen würde. Er ist still.
„Taylor?“ frage ich scharf. Er zuckt nicht
zusammen.
„Sie war am Boden zerstört, Sir. Sie hat den
ganzen Weg über geweint und geschluchzt. Sie hat sich auf dem Rücksitz
zusammengerollt und geweint“, sagt er. Seine Worte fühlen sich an, als würde er
mir in eine frische Wunde stechen.
„Haben Sie sie in ihre Wohnung gebracht?“
„Sie wollte keine Hilfe, Sir … Sie ist …“ er
hält inne und sieht weg, „Sie ist einfach langsam davongestolpert.“
„Danke, Taylor“, murmele ich. „Ich werde
heute den ganzen Tag zu Hause bleiben. Ich muss dieses Modellsegelflugzeug
zusammenbauen, dass Anastasia mir gekauft hat. Wir gehen heute Abend also nicht
auf den Ball. Bitten Sie Mrs. Jones mir eine Kleinigkeit zuzubereiten.“
„Ja, Sir!“ sagt er ein wenig zu
enthusiastisch. Taylor verlässt den Raum. Ich nehme eine der Lotionen, die Mrs.
Jones gebracht hat und reibe meine Brust damit ein. Ich ziehe ein schwarzes
T-Shirt und eine schwarze Hose an, um meinem Kummer Ausdruck zu verleihen.
Ich nehme das Päckchen mit der Blanik L23 in
den Arm und gehe ins Wohnzimmer. Mrs. Jones bereitet mir eifrig ein Sandwich
zu.
„Was möchten Sie trinken, Sir?“
„Wein, bitte“, sage ich.
Mein Blackberry klingelt auf der
Frühstückstheke. Ich renne und hoffe tief in mir drin, dass es Anastasia ist.
Mrs. Jones sieht mich ebenso hoffnungsvoll an.
„Ana!“ sage ich außer Atem.
„Hi Christian! Hier ist Elena …“, lautet ihre
Antwort.
„Was zur Hölle willst du?“ sage ich und meine
Stimme ist eiskalt.
„Ist es gerade ungünstig?“ fragt sie.
„Mehr als ungünstig! Du bist die letzte
Person, mit der ich im Moment sprechen möchte, Elena!“ knurre ich sie an.
„Christian, habe ich dich irgendwie
beleidigt?“ fragt sie kleinlaut.
„Wenn du es unbedingt wissen willst. Meine
Freundin Anastasia hat mich verlassen!“
„Aber warum? Ich dachte, ihr kommt so gut
miteinander zu Recht …“ sagt sie.
„Warum? Weil ich ein abgefuckter Hurensohn
bin! Deshalb! Ich habe dir doch gesagt, dass sie ein Engel ist und ich die
Ausgeburt des Teufels! Ich mache alles kaputt!“
„Christian, sei nicht so streng mit dir! Sie
war ohnehin keine gute Sub. Ich wusste, dass sie nicht mit unserem Lebensstil
zu Recht kommt. Ich habe dir doch gesagt, dass du Schluss machen sollst. Sieh
nur, was sie dir antut! Ich habe dir gesagt, dass Liebe eine unnütze Emotion
ist und dich völlig von der Rolle bringt, mein Lieber …“ sagt sie und ich habe
genug von ihrem Mist!
„Halt den Mund, Elena! Wenn ich deine Meinung
hören will, werde ich dich fragen. Ich habe dir gerade erzählt, dass meine
Freundin mich verlassen hat und du sagst, ich soll Schluss machen. Und jetzt
stell dir vor! Dein Wunsch ist wahr geworden. Sie hat mich sitzen
lassen und ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so beschissen gefühlt!
Sie hat die Sonne mit sich fort genommen! Sie hat meine Seele mitgenommen! Ich
bin in der Hölle verloren! Hast du überhaupt eine Vorstellung, was ich im
Moment durchmache? Natürlich nicht! Du hast noch nie jemanden geliebt, außer
dich selbst! Und jetzt erlaubst du dir, zu sagen, dass es gut ist, dass ich sie
los bin!“
„Aber Christian…“
„Kein aber, Elena. Ich bin durch damit! Ich
muss erstmal mein eigenes Leben auf die Reihe kriegen! Sie ist mein Leben!
Meine Seele! Wie soll ich ohne mein Leben, ohne meine Seele leben!”
„Es tut mir leid Christian! Ich kann es nicht
ertragen, dich so zu sehen!“
„Heb dir dein Mitleid für jemanden auf, den
es interessiert! Ich muss gehen. Meine Freundin hat mir einen
Modellsegelflieger geschenkt, den ich jetzt zusammen bauen muss. Ruf mich nicht
an, bis ich dich anrufe!“ Ich lege auf.
Mrs. Jones ist für einen Moment zu einer
Salzsäule erstarrt. Doch sie sammelt sich wieder und bringt mir einen Teller
mit Essen und ein Glas Wein zur Frühstückstheke. Dann geht sie leise davon.
Heute muss ich den Segelflieger bauen. Und
morgen, muss ich entweder einen Weg finden, wie ich Anastasia vergessen kann …
oder … ich kann den Rest des Gedankens nichts über mich bringen. Ich kann nicht
einmal daran denken, wie jemand anders sie in den Armen hält, sie berührt, sie
liebt.
Heute muss ich den Segelflieger bauen. Das
werde ich heute machen. Und morgen, werde ich mein Leben in den Griff kriegen
und eine Möglichkeit finden, wie ich meine Freundin zurückbekomme. Alles
ist düster und wertlos ohne sie, genau wie ich.
When You’re Gone by The Cranberries
Ende von Buch 1
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