Sunday, January 12, 2014

BUCH 1 - Kapitel XXX - Christian und Anastasia Fanfiction

Wenn du fortgehst

Kapitel XXX

Übersetzer: Janine Heistmann



Kalter Schweiß weckt mich. Mein Körper ist um Anastasias geschlungen und unsere Körper sind heiß und schwitzig. Das sanfte Licht im Spielzimmer spiegelt sich auf ihren weichen Zügen. Friedlich, mädchenhaft und unglaublich unschuldig … Ich befreie meine Beine und Arme aus ihrer Umklammerung. Ich bewege mich ganz langsam, um sie nicht aufzuwecken. Ich kann einfach nicht schlafen. Ich greife nach meiner Jeans und ziehe sie mir schnell über. Ich möchte nicht, dass Anastasia die Nacht im Spielzimmer verbringt. Ich wickele sie in die Laken, hebe sie vom Bett und trage sie ins Schlafzimmer. Ich habe ihr versprochen, dass sie mit mir zusammen in meinem Schlafzimmer schlafen kann und ich habe nicht vor, mein Versprechen zu brechen.
Langsam gehe ich mit ihr in meinen Armen zum Schlafzimmer und versuche sie möglichst nicht zu wecken. Sie seufzt einige Male, wacht jedoch nicht auf. Ihre Arme suchen mich und deshalb hebe ich sie etwas höher, sodass sie die Arme um meinen Hals schlingen kann. Im Moment fühle ich mich mit ihr in meinen Armen sehr ruhig und zufrieden. 

Ich bin nicht verloren, sondern hier mit ihr. Ich fühle mich geborgen und stark. Und dann habe ich auch noch dieses heftige Verlangen, sie zu beschützen, sie in Sicherheit zu wissen und sie unendlich zu lieben. 

Now We Are Free – Gladiator soundtrack

Nachdem ich die Tür zu meinem Schlafzimmer durchquert habe, schließe ich sie mit meinem Fuß. Ich lege sie auf das Bett. Sie windet sich und ihre Arme suchen nach mir, wie ein Baby nach seinen Eltern suchen würde. Fühle ich mich nicht genauso, wenn sie nicht bei mir ist? Ich bin doch auch wie ein verlorener Planet, der nach seiner Sonne sucht, oder? Ziellos, planlos und zutiefst armselig. Ich lege mich neben sie und reibe ihr Haar, sodass sie wieder in einen tiefen Schlaf fällt. Ich beobachte die Bewegungen ihrer Augen hinter ihren Lidern und stelle fest, dass sie wieder tief und fest schläft. Die Lichter der Stadt scheinen zaghaft in das Schlafzimmer – Ich stehe langsam vom Bett auf und gehe ins Wohnzimmer. Es ist fast 4:00 Uhr. Ich gieße mir ein Glas Orangensaft ein, leere es in einem Zug und stelle das leere Glas in den Geschirrspüler.

Ich gehe zu den Glasfenstern hinüber und blicke über die Stadt, die in der dunklen Nacht zu glimmen scheint. Es ist ein überwältigender, unvergesslicher Ausblick. Was Anastasia über mich sagt, ist wahr – Ich bin hier in meinem Elfenbeinturm gefangen und blicke hinab auf die kleinen Menschen unter mir. Ich mag es hier oben. Weit weg von der Scheiße und dem ganzen Mist, den die Welt zu bieten hat. Aber auch Gott weiß, dass er oft genug, bis nach hier oben vordringt. Ich war auch einmal einer dieser kleinen Menschen dort unten. Ich will nie wieder dort sein. Nie. Wenn du dort bist, heißt es: Du gegen die ganze Welt. Es ist ein harter Kampf. Ich habe nicht nur unendliche Schutzwälle um mich herum errichtet, ich bin auch wie ein Inselstaat. Ich halte mich ja selbst von denen fern, die mir am nächsten sind. Anastasia ist die einzige, der ich es erlaube, diesen Schutzwall zu durchdringen. Und selbst bei ihr ist es mir sehr schwer gefallen. Ich konnte es immer nur stückweise zulassen. Ich bin verblüfft und danke Gott jeden Tag dafür, dass er sie mir vorbeigeschickt hat, um mich zu interviewen. Unter normalen Umständen hätten sich unsere Wege niemals gekreuzt. Dennoch fühle ich mich verloren. Sie will mehr … mehr von mir. Sie will mich anfassen und nur Gott weiß, dass ich es auch will. Aber es jagt mir eine Heidenangst ein und das würde ich niemals zugeben. Nicht vor ihr oder sonst irgendjemanden.
Berührungen sind für mich unerträglich. Mir steigt dabei die Galle hoch und ich fühle mich widerlich, als ob ich vergewaltigt werden würde, als ob ich wieder vier Jahre alt wäre und in den Händen des Zuhälters, die mich foltern und verbrennen. Er hat mich mit seinen Stiefeln durch die Gegend gekickt. Das Bild von ihm, mit dem Gürtel in der Hand ist allgegenwärtig. Er hat meiner Mutter damit die Seele aus dem Leib geprügelt und sie hat ihre Schluchzer unterdrückt und sich so klein wie möglich gemacht. Wenn ich das gesehen habe, habe ich mir immer die Finger in die Ohren gesteckt und dieser Scheiß Zuhälter hat mich gefunden … er hat mich immer gefunden. Er hat immer so scheußlich gerochen, nach billigen Spirituosen und Camel Zigaretten. Es war eine abscheuliche Mischung. Er hat sich zu mir heruntergebeugt und mit bedrohlicher Stimme „Komm her du kleines Stück Scheiße“  geflüstert. Er hat angefangen mich zu schlagen und seine Zigaretten überall auf meinem Körper ausgedrückt. Ich habe geschrien, aber niemand, nicht einmal meine eigene Mutter, hat mir geholfen. Ich möchte mich nie wieder so fühlen. Ich habe so hart dafür gekämpft, diesen Teil meines Lebens hinter mir zu lassen und dennoch holt er mich in meinen Träumen immer wieder ein. Diese schlimmen Erinnerungen sind tief in meiner zerrissenen Seele  verankert.

Ich habe Angst, dass ich Anastasia verletzen, verlieren, oder zerstören werde wie ich es mit Leila getan haben muss. Aber meine Gefühle für Leila waren in keinster Weise mit denen für Anastasia zu vergleichen. Ich hatte für Leila nie solch starke Gefühle. Sie war nur meine Sub, wie meine anderen Subs  und sie hat das verstanden. Zuvor hatte sie ja bereits andere Doms, ich war nicht ihr erster. Ich musste ihr nichts erklären, oder sie in den Lebensstil einführen. Sie hatte sich diesen Lebensstil selbst ausgesucht. Sie war eine sehr gehorsame Sub, die fast alles ohne zu Murren ausgeführt hat. Sie war lebendig, lustig, devot und wunderschön. Sie hat sogar fast so ausgesehen wie Anastasia. Warum also habe ich es nicht akzeptieren können, dass sie mehr wollte? Bei Anastasia kann ich es doch auch.

Langsam dämmert es mir! Leila könnte Anastasias Zwilling sein, wenn man nur das Äußere betrachtet, wie ich es immer getan habe. Aber bei Anastasia ging es mir nie ums Aussehen, obwohl natürlich niemand daran zweifeln kann, dass sie wunderschön ist. Ich hatte immer die wunderschönsten Frauen, die ich aber einfach nicht begehrt habe. Ich war lediglich an einem flüchtigen Zusammentreffen oder einer kurzen Dom-Sub-Beziehung interessiert. Ihre Schönheit hat mich einfach nicht beeinflusst. Sie war eher Mindestvoraussetzung. Ich habe noch nie nach einer Beziehung gesucht, bei der es um ‚mehr‘ ging. Selbst wenn ich eine längere Beziehung eingegangen bin und sie all meine Kriterien erfüllten und meinen Bedingungen zustimmten, war es dennoch nur eine Dom-Sub-Beziehung und nichts anderes.

Warum mache ich bei Anastasia eine Ausnahme? Warum sie und keine der anderen? Warum? Warum? Ich zermartere mir das Hirn nach einer Antwort. Warum habe ich nur diese unbekannten Emotionen für sie, diese Anziehungskraft, dieses Verlangen nach ihr? Ein Zitat von Catherine Earnshaw, kommt mir in den Sinn und ist wahrscheinlich die Antwort auf meine Frage. Catherine Earnshaw spricht mit ihrem Kindermädchen Nelly darüber, ob sie Linton oder Heathcliff heiraten soll:

„Es würde mich entwürdigen, wenn ich Heathcliff jetzt heiraten würde; er soll nie wissen, wie sehr ich ihn liebe: und dass nicht, weil er gutaussehend ist, Nelly, sondern weil er mehr wie ich ist, als ich selbst. Woraus auch immer unsere Seelen gemacht sind, seine und meine sind gleich; und Lintons ist so völlig anders, wie ein Mondstrahl im Vergleich zum Blitz, oder der Frost im Vergleich zum Feuer.“

Anastasia hat solch eine reine Seele, die zu meiner spricht, als würde sie sie vor der Zerstörung bewahren wollen. 

All I Believe In - Magic Numbers

Hat es jemand je so sehr oder erfolgreich versucht? Aber Anastasia muss es ja nicht einmal versuchen. Es fliegt ihr einfach zu. Woraus auch immer Seelen gemacht sind – jetzt wird es mir bewusst, ihre und meine sind gleich! Wir sind wie Yin und Yang. Wir sind die jeweils fehlende Hälfte des anderen, verlorene Teile: bedeutungslos allein und zusammen vollkommen. Ohne sie bin ich nichts. Aber ich bin nicht so ein hoffnungsloser Fall wie Catherine Earnshaw es gewesen ist.  Sie musste so wählen, weil ihr sozialer Stand es verlangt hat und nicht nur ihre Schönheit allein. Meine Seele wurde aufgefordert und nach ihr zu suchen war seine natürliche Antwort. Aber Anastasia ist niemandem gewachsen. Niemandem! Nachdem sich meine Augen für sie geöffnet haben, haben sie sich für jede andere geschlossen. Dieses Licht, dass mir dabei geholfen hat, diese besondere Person zu finden, hat mein Universum abgedunkelt nachdem ich sie gefunden habe und sich nur noch auf sie fokussiert. Es ist nicht typisch für mich, etwas zu lieben, dass andere nicht haben, aber Anastasia hat alles, was ich will und liebe. Und ich meine wirklich alles! Ich begehre sie mit allem, was ich in meinem dunklen Herz und meiner dunklen Seele habe. Wenn sie verletzt ist, blute ich … Wenn ich versuche, sie zu meiden, bin ich verloren und elend und ängstlich und an der Schwelle zur Selbstzerstörung. Wenn ich in derselben Stadt oder sogar im selben Haus mit ihr bin, werde ich mit aller Macht zu ihr gezogen und verliere dabei jeden Gedanken und jedes Verlangen. Ich will einfach nur in ihrer Nähe sein. Es tröstet mich, zu wissen, dass sie im selben Universum und auf derselben Ebene wie ich existiert. Wenn sie im selben Raum ist, will ich sie berühren, und wenn ich sie berühre, will ich sie lieben, sie für mich beanspruchen, sie besitzen, als gäbe es kein Morgen mehr und als wäre es der einzige Moment, den wir zusammen hätten. Erst nachdem ich sie getroffen habe, habe ich angefangen zu leben. Ein Leben ohne sie wäre die Hölle, ich kann einfach nicht ohne sie leben! Ich kann nicht an der Schwelle zur Hölle leben! Aber ich würde alles tun, um meinen Himmel zu sehen! Sie ist mein Himmel, sie gibt mir Frieden, sie ist mein ein und alles und mehr!

Vielleicht haben doch alle recht und ich bin wirklich in sie verliebt. 

Have You Ever Really Loved A Woman - Bryan Adams

Vielleicht bin ich einfach blind vor Liebe und sehe meine eigenen Gefühle nicht. Wenn Elena und Dr. Flynn Recht haben – wenn dieses Gefühl wirklich Liebe ist, ist es vielleicht zu meinem Nachteil. Ich muss innerhalb der Grenzen meiner eigenen Regeln bleiben. Das kenne ich und meine Regeln halten mein Leben in Ordnung, obwohl ich kein Problem mit einigen kleinen Kompromissen habe.

Scheiße! Das ist die reinste Quälerei zwischen dem, was ich weiß und dem, was ich will! Das, was ich für Anastasia fühle, ist so stark und es jagt mit eine Heidenangst ein! Andererseits kenne ich das Resultat, wenn man keine Kompromisse eingeht. Was dabei rauskommt, ist so etwas wie Leila im Moment – eine gebrochene, erschütterte Frau. Aber ich habe ihnen von Anfang an gesagt, was ich suche und dass ich nicht bereit für mehr bin. Sie haben es verstanden! Sie haben freiwillig zugestimmt! Es wäre eine Frechheit, wenn sie einfach zugestimmt hätten und dennoch Hintergedanken gehabt hätten. Ich war immer explizit und kommunikativ in allem, was ich wollte und nicht wollte.

Die Schwere meiner Gefühle erstickt mich und wieder einmal gehe ich zu meinem Piano, um all meinen Kummer, der mich zu ertränken droht, zu entladen. Ich senke den Klavierdeckel, um Anastasia nicht aufzuwecken und beginne Chopins Opus 28, Nummer 4 in E-Moll zu spielen.

Chopin’s Opus 28, Number 4 in E Minor

Musik war mir schon immer ein hilfreicher Bewältigungsmechanismus – seitdem ich sechs Jahre alt bin, spiele ich Klavier. Was ich nicht in Worte fassen kann, versuche ich mit der Musik auszudrücken. Ich lasse meine Finger mit Hilfe des Pianos sprechen und die Emotionen zum Ausdruck bringen, die meinen Verstand vernebeln. Ich spiele das Stück immer wieder. Sobald ich durch bin, fange ich wieder von vorn an. Das Licht oberhalb des Klaviers hüllt mich in eine kleine Blase, während der Rest des Hauses von der Dunkelheit umschlungen ist. Ich bin völlig allein mit meiner zerrissenen Seele und meinem allesverzehrenden Elend.

Ich fühle mich verloren … verloren in meinen Gefühlen, die ich so lange versucht habe, zu verbannen. Ich bin hin und hergerissen zwischen dem, was ich will und dem, was ich weiß und kenne. Wie kann ein Mann wie ich, der alles hat, fast alles, so elendig sein? Es ist nicht schwer, wenn man in fünfzig verschiedenen Facetten abgefuckt ist – ein wertloses Stück Scheiße, wie der Zuhälter es schon immer gesagt hat. Wertlos! Es gibt Leila, die meine Hilfe braucht, aber sie ist verloren. Außerdem mache ich mir Sorgen, dass sie mich vielleicht unabsichtlich bedrohen wollte. Ich glaube nicht, dass sie mir etwas antun wollte, aber sie könnte Anastasia etwas antun. Verdammt! Wo zur Hölle ist sie?

Als ich kurz davor bin, noch tiefer in meinem Elend zu versinken, wie ein betrunkener Mann, der seinen Trost bei einer Flasche sucht, fühle ich, wie mich ihr Blick wieder in Sicherheit zieht, mir Leben einflößt … dieser Blick, der nur Gutes, Lust und Liebe verspricht, nein es kann keine Liebe sein … eher eine Art Zuneigung … ja, das ist es, Zuneigung, und die süße Spannung, die ihre Nähe hervorruft, befördert mich ins Hier und Jetzt zurück. Aber warum ist sie wach? Sie braucht ihren Schlaf. Ich merke, wie ich die Stirn runzele, da all diese Emotionen an die Oberfläche wollen, die von ihrer Anwesenheit verjagt worden sind.

„Du solltest schlafen“, tadele ich sie sanft.

„Du auch“, gibt sie genauso milde zurück.

„Schimpfen Sie etwa mit mir, Miss Steele?“

„Ja, Mr. Grey, das tue ich“, antwortet sie.

„Tja, ich kann nicht schlafen“, sage ich und runzele die Stirn. Ärger und Wut durchströmen mich wegen meiner sich anbahnenden Probleme, die ihr ebenso Ärger bereiten könnten. Und das obwohl ich sie doch, vor allem beschützen möchte.

Sie nähert sich der Klavierbank und lässt sich langsam auf den Platz neben mir gleiten. Sie legt ihren Kopf auf meine nackte Schulter, um mir beim Spielen zuzusehen. Als meine Finger meisterlich und mit Leichtigkeit über die Tasten des Klaviers wandern, beobachtet sie mich fasziniert.

„Was war das?“ fragt sie leise.

„Chopin. Opus 28, Nummer 4. In E-Moll, wenn es dich interessiert”, murmele ich als Antwort auf ihre Frage.

Ich drehe mich zu ihr und drücke meine Lippen sanft auf ihr Haar.

„Ich wollte dich nicht wecken“, sage ich aufrichtig.

„Hast du nicht. Spiel noch einmal das andere“, sagt sie.

„Das andere?“

„Das Stück von Bach, das du in der Nacht gespielt hast, als ich das erste Mal hier geschlafen habe.“

„Oh, der Marcello.“

Bach’s Marcello played - Alexandre Tharaud

Ich beginne das Stück langsam und voller Hingabe zu spielen. Es ist ein trauriges Stück und bringt all die Emotionen an die Oberfläche, die ich nicht in Worte fassen kann. Mit Hilfe meiner Finger kann ich all meinen Sorgen und stillen Schreien Ausdruck verleihen. Die traurigen, beseelten Noten füllen auf trauervolle Art den Raum, umgeben uns und zehren an unseren Herzen, dröhnen durch die Wände und geben gleichzeitig die Schreie meiner Seele wider. Es ist meine Wehklage, die ich aber niemals in Worte fassen würde. Als das Stück endet, öffnet sie langsam die Augen und fragt, „Warum spielst du immer nur so traurige Sachen?“

Wie soll ich dir nur sagen, dass meine Seele blutet, klagt und versucht das Loch in meinem Inneren zu füllen, jedoch nie in der Lage dazu ist. Vielleicht ist das die Rechnung für mein Dasein … Ausscheiden …

Aber ich zucke lediglich mit den Schultern. Sie setzt sich auf, nimmt den Kopf von meiner Schulter und blickt mich an. Ich blicke argwöhnisch zurück; ich möchte nicht, dass entschlüsselt, was in mir vorgeht … Das ist nichts für sie, sie ist zu rein für diesen Scheiß.

„Du warst also sechs Jahre alt, als du angefangen hast, zu spielen?“ fragt sie.    
   
Ich nicke als Antwort und mein Blick wird noch argwöhnischer, da ich erahne, wo dieses Gespräch hinführen wird. Das Klavier ist mein erstes Bewältigungsmittel gewesen. Wenn ich ihr darauf antworte, plaudere ich vielleicht ein paar Antworten aus, wenn sie mich weiter so verhört. Sie sieht mich voller Erwartung an, und mit einem warmen Ausdruck … Liebe?

Schließlich gebe ich ihr dieses Stückchen an Information doch preis.

„Ich wollte unbedingt Klavierspielen lernen, um meiner neuen Mutter eine Freude zu machen.“

„Um in diese perfekte Familie zu passen?“

„Ja, gewissermaßen“, sage ich ausweichend. Meine perfekte Mutter wollte, dass ihre Kinder ein Musikinstrument, Martial Arts und eine Sprache beherrschen. Ich würde alles tun, um sie glücklich zu machen. Sie hat mich vor meiner Zerstörung und einem beschissenen Leben bewahrt. Sie hat mir gezeigt, dass es noch ein anderes Leben gibt. In meinen jungen Jahren wusste ich nicht, dass es auch ein Leben geben könnte, indem man nicht misshandelt wird. „Wieso bist du aufgewacht? Musst du dich nicht von den gestrigen Strapazen erholen?“ frage ich und versuche sie damit von ihrem Verhör abzulenken.

„Für mich ist es acht Uhr früh. Außerdem muss ich meine Pille nehmen“, sagt sie.

Überrascht hebe ich eine Augenbraue. Es gefällt mir, dass sie sich darum kümmert. Aber gleichzeitig bin ich überrascht, dass sie sich diesen Zeitpunkt ausgesucht hat. Wir leben an der Westküste und sie hat angefangen, ihre Pille zu nehmen, als sie an der Ostküste war. Anastasia muss es ja wissen.

„Gut, dass du daran gedacht hast“, murmele ich beeindruckt.  Meine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen, als ich wieder daran denke, dass sie sich solch eine frühe Uhrzeit ausgesucht hat. Wenn man bedenkt, dass uns diese Zeitzone drei Stunden voraus hat. Bei uns ist es gerade einmal 5:00 Uhr am Morgen. Sie schafft es immer wieder, mich aus meinem Elend zu ziehen und mich mit solch simplen Aktionen abzulenken.

„Typisch für dich, ausgerechnet dann mit der Pille anzufangen, wenn du in einer anderen Zeitzone bist. Vielleicht solltest du einfach heute und morgen eine halbe Stunde warten, damit du zu einer halbwegs annehmbaren Uhrzeit gelangst“, sage ich.

„Gute Idee“, flüstert sie. „Und was machen wir in dieser halben Stunde?“ fragt sie und blickt mich unschuldig an. Oh Baby! Wie machst du das nur?

„Mir würde da so einiges einfallen“, grinse ich und merke wie meine Augen zu leuchten beginnen, als ich an die Möglichkeiten denke. Sie sieht mich ausdrucklos an.

„Wir könnten uns natürlich auch unterhalten“, schlägt sie vor.

Meine Stirn kräuselt sich vor Enttäuschung.

„Das, was ich im Sinn habe, wäre mir lieber“, sage ich und ziehe sie auf meinen Schoß.
„Du würdest Sex also grundsätzlich einem Gespräch vorziehen“, lacht sie und legt Halt suchend die Hände um meine Oberarme.

„Das stimmt. Vor allem mit dir“, sage ich und vergrabe meine Nase in ihrem Haar. Dann beginne ich eine Reihe von Küssen von ihrem Ohr hinab zu ihrem Hals zu verteilen. „Vielleicht ja sogar auf meinem Klavier“, flüstere ich.

Ich merke, wie sich ihr ganzer Körper vor Erwartung anspannt. Genau die Reaktion, die ich mir erhofft habe.

„Nur eines muss ich wissen“, flüstert sie. Augenblicklich höre ich auf, um mir anzuhören, was sie zu sagen hat, bevor ich mit dem sinnlichen Übergriff auf meine Freundin weitermache.

„Immer auf der Jagd nach Informationen, Miss Steele. Was ist es denn diesmal?“ flüstere ich gegen die Haut an ihrem Hals, ohne mit meinen sanften, federleichten Küssen aufzuhören.

„Es geht um uns“, flüstert sie und schließt die Augen.

„Hmm …“, brumme ich, „Und was ist mit uns?“ sage ich und halte mit meinen Küssen entlang ihrer Schulter für einen Moment inne.

„Der Vertrag“, sagt sie.

Ich hebe meinen Kopf, blicke sie leicht amüsiert an und seufze schließlich. Mit meinen Fingerspitzen streiche ich ihre Wange entlang.

„Also, ich finde, der Vertrag ist irrelevant, du nicht auch?“ sage ich mit tiefer, rauchiger Stimme und sanftem Blick.

„Irrelevant?“ fragt sie.

„Irrelevant“, sage ich lächelnd. Sie starrt mich fragend an.

„Aber du warst doch so versessen darauf, dass wir ihn abschließen.“

„Das war vorher. Außerdem gilt das ja nicht für die Regeln an sich. Die bleiben bestehen“, sage ich mit einem etwas härteren Gesichtsausdruck. Ich halte an meiner Kontrolle und den Regeln, die wir brauchen, fest.

„Vorher? Vor was?“

“Vor …”, sage ich und halte inne. Mein argwöhnischer Ausdruck ist wieder zurück, da ich mich nun auf unbekanntem Terrain bewege. „Mehr“, sage ich achselzuckend.

„Oh“, lautet ihre geflüsterte Antwort.

„Außerdem waren wir inzwischen zweimal in meinem Spielzimmer, und du bist immer noch nicht schreiend davongelaufen.“

„Hast du denn damit gerechnet, dass ich es tun würde?“ fragt sie.

„Du bist die Unberechenbarkeit in Person, Anastasia“, sage ich trocken, da sie sich immer außerhalb der Norm bewegt.

„Okay, nur damit ich es richtig verstehe – du willst, dass ich mich die ganze Zeit über an die Regeln halte, die im Vertrag stehen, aber der Rest hat keine Gültigkeit?“

„Nur im Spielzimmer. Ich will, dass du dich dort im Sinne des Vertrags verhältst. Und du siehst es völlig richtig: Ich will auch, dass du die Regeln befolgst – und zwar ständig. Auf diese Weise kann ich sicher sein, dass dir nichts passiert. Und ich kann dich jederzeit haben, wenn mir der Sinn danach steht.“

„Und wenn ich gegen eine der Regeln verstoße?“

„Dann werde ich dich bestrafen“, antworte ich.

„Aber dafür brauchst du meine Erlaubnis nicht?“

„Ja.“

„Und wenn ich Nein sage?“ gibt sie zurück.

Ich blicke sie für einen Moment an. Da ich Anastasia kenne, wird sie häufig die Regeln brechen  und Nein zu ihrer Bestrafung sagen – und das fast immer. Mein Ausdruck ist etwas verwirrt. Ich werde meine Regeln nicht vernachlässigen, da sie wissen muss, dass ich immer die Kontrolle haben muss.

„Wenn du Nein sagst, sagst du Nein. Dann muss ich mir eben Mittel und Wege überlegen, wie ich dich überzeugen kann“, sage ich. Ich bin sehr kreativ, wenn es darum geht, jemanden zu überzeugen.

Augenblicklich zieht sie sich von mir zurück und steht auf und schafft damit eine Distanz zwischen uns. Ich blicke sie finster an, als sie auf mich hinabblickt. Ich sehe sie verwirrt, erschreckt und argwöhnisch an. Läuft sie davon?

„Die Bestrafung bleibt also“, sagt sie und sucht nach meiner Bestätigung.

„Ja, aber nur, wenn du gegen die Regeln verstößt.“

„Ich muss sie mir noch einmal durchlesen“, sagt sie.

„Ich werde sie dir holen“, sage ich, wie der Geschäftsmann, der ich nun einmal bin und versucht einen Geschäftsvertrag auszubügeln.

Ich erhebe mich von der Klavierbank und gehe in mein Büro. Ich starte meinen Laptop und öffne die PDF Datei, mit ihrem modifizierten Vertrag und klicke auf „Drucken“. Sobald der Drucker den veränderten Vertrag ausdruckt, greife ich danach, verlasse mein Büro und kehre ins Wohnzimmer zurück, wo Anastasia mit einem verwirrten Blick auf dem Gesicht steht.

„Hier, bitte“, sage ich und reiche ihr den Vertrag, den ich gerade erst ausgedruckt habe. Natürlich habe ich die Passagen gestrichen, denen sie nicht zugestimmt hat.

REGELN

Gehorsam:

Die Sub befolgt sämtliche Anweisungen des Dom, ohne zu zögern, vorbehaltlos und
umgehend. Die Sub stimmt allen sexuellen Aktivitäten, die der Dom als angemessen und
angenehm erachtet, ausgenommen die in Abschnitt »Hard Limits« aufgeführten (Anhang
2), zu. Sie tut dies bereitwillig und ohne Zögern.

Schlaf:

Die Sub stellt sicher, dass sie pro Nacht mindestens acht sieben Stunden schläft, wenn sie nicht mit dem Dom zusammen ist.

Essen:

Die Sub isst regelmäßig und orientiert sich dabei an einer vorgegebenen Liste an Nahrungsmitteln (Anhang 4), um ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen zu bewahren. Abgesehen von Obst nimmt die Sub keine Zwischenmahlzeiten zu sich.

Kleidung:

Innerhalb der Vertragsdauer trägt die Sub ausschließlich vom Dom genehmigte Kleidung.
Der Dom stellt der Sub ein Budget für Kleidung zur Verfügung, das die Sub nutzt. Der Dom
begleitet die Sub ad hoc beim Kleiderkauf.

Körperliche Ertüchtigung:

Der Dom stellt der Sub einen Personal Trainer viermal dreimal die Woche für jeweils eine
Stunde zu Zeiten zur Verfügung, die zwischen dem Personal Trainer und der Sub zu
vereinbaren sind. Der Personal Trainer informiert den Dom über die Fortschritte der Sub.

Hygiene/Schönheit:

Die Sub ist zu allen Zeiten sauber und rasiert und/oder gewaxt. Die Sub sucht zu Zeiten,
die der Dom bestimmt, einen Kosmetiksalon auf, den der Dom auswählt, um sich
Behandlungen zu unterziehen, die der Dom für angemessen hält.

Persönliche Sicherheit:

Die Sub unterlässt übermäßigen Alkoholkonsum, raucht nicht, nimmt keine Partydrogen
und begibt sich nicht in unnötige Gefahr.

Persönliches Verhalten:

Die Sub lässt sich auf keine sexuellen Aktivitäten mit anderen als dem Dom ein. Das
Verhalten der Sub ist zu allen Zeiten respektvoll und züchtig. Ihr muss klar sein, dass ihr
Benehmen auf den Dom zurückfällt. Sie muss sich für sämtliche Missetaten und
Verfehlungen verantworten, derer sie sich in Abwesenheit des Dom schuldig macht.
Ein Verstoß gegen irgendeine der oben aufgeführten Vereinbarungen hat sofortige
Bestrafung zur Folge, deren Art durch den Dom festgelegt wird.

******

Aufmerksam liest sie sich jede Zeile durch, damit ihr auch ja nichts entgeht. Sobald sie alles gelesen hat, hebt sie den Kopf und fragt:

Also gilt der Punkt Gehorsam nach wie vor?“ fragt sie.

„Allerdings“, sage ich grinsend. Gehorsam ist sehr wichtig für mich. Ohne Gehorsam, habe ich keine Kontrolle. Amüsiert schüttelt sie den Kopf und verdreht eher aus Gewohnheit, als mit Absicht, die Augen und ich kann mein Glück gar nicht fassen. Das ist ja wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag an einem Tag.

„Hast du etwa gerade die Augen verdreht, Anastasia?“ flüstere ich aufgeregt.

Auf ihrem Gesicht zeichnet sich dieser OSM-Ausdruck ab. (OSM: Oh Shit! Moment)

„Könnte sein. Das hängt von deiner Reaktion ab“, sagt sie.

„Es ist dieselbe wie sonst auch“, sage ich und schüttele leicht meinen Kopf. Meine Augen beginnen vor Aufregung, sie vielleicht gleich zu versohlen, zu leuchten und meine Handflächen zu kribbeln.

Sie schluckt und blickt sich um, um nach einer möglichen Ablenkung zu suchen.

„Also …“, sagt sie und sucht nach einer Fluchtmöglichkeit.

„Ja?“ frage ich sie und lecke mir über meine  Unterlippe.

„Also willst du mich jetzt versohlen“, sagt sie.

„Ja und das werde ich auch“, antworte ich, um ihr die Tatsache zu verdeutlichen.

„Tatsächlich, Mr. Grey?“ sie fordert mich heraus und grinst mich an. Sie will spielen.

„Willst du mich etwa daran hindern?“

„Dafür musst du mich aber erst mal kriegen“, sagt sie. Meine Augen weiten sich und ich grinse, während ich langsam aufstehe. Nun hat sie die Latte noch höher gelegt.

„Ach ja, Miss Steele?“ frage ich.

Sie steht nun hinter der Frühstückstheke und nichts trennt uns weiter. Genau genommen, brauche ich einfach nur drüber springen und schon hätte ich sie. Mein Adrenalin rauscht vor Aufregung durch meinen Körper. Sie kaut auf ihrer Unterlippe und steigert meine Aufregung damit umso mehr.

„Und du kaust auf deiner Unterlippe“, flüstere ich, während ich mich langsam nach links bewege. Sie geht natürlich in die entgegengesetzte Richtung.

„Vergiss es“, neckt sie mich. „Außerdem verdrehst du ständig die Augen“, sagt sie und versucht mit mir zu diskutieren. Süß! Wieder gehe ich nach links und sie tut es mir gleich.

„Das stimmt, aber du hast die Latte gerade selber höher gelegt. Damit wird das Spiel erst richtig interessant“, sage ich und meine Augen lodern vor Erwartung.

„Ich bin ziemlich flink, musst du wissen“, sagt sie lässig.

„Ich auch“, antworte ich.

Ich jage sie in die Küche.

„Kommst du freiwillig?“ frage ich.

„Tue ich das überhaupt jemals?“ gibt sie zurück.

„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Miss Steele“, feixe ich.

„Wenn ich Sie erst fangen muss, wird es umso schlimmer“, sage ich.

„Aber nur, wenn du mich erwischst, Christian. Und ich habe ganz bestimmt nicht die Absicht, mich erwischen zu lassen“, sagt sie mutig.

„Du könntest hinfallen und dir wehtun. Was einen klaren Verstoß gegen Regel Nummer sieben darstellen würde“, sage ich besorgt.

„Ich schwebe schon in Gefahr, seit ich dir das erste Mal begegnet bin, Mr. Grey, ob mit deinen Regeln oder ohne“, antwortet sie.

„Das ist wahr“, sage ich und halte inne, während ich darüber nachdenke. Ich bringe Leute in Gefahr ohne es zu wollen.

Plötzlich mache ich einen Satz nach vorn und sie quiekt und rennt zum Esstisch. Sie schafft es, zu entkommen und nun den Esstisch zwischen uns zu bringen. Ich bin so aufgeregt wie ein Jäger auf der Jagd … völlig erregt.

„Du verstehst es, einem Mann Zerstreuung zu schenken, Anastasia.“

„Wir wollen doch, dass Sie zufrieden sind, Mr. Grey. Zerstreuung wovon?“ fragt sie.

„Vom Leben. Vom Universum“, sage ich und wedele mit meiner Hand durch de Luft.

„Vorhin, am Klavier, hatte ich das Gefühl, dich beschäftigt etwas“, bemerkt sie.

Ich halte an und verschränke amüsiert die Arme vor der Brust.

„Von mir aus können wir dieses Spielchen den ganzen Tag spielen, Baby. Am Ende kriege ich dich sowieso. Und dann wird es nur umso schlimmer für dich.“

„Nein, wirst du nicht“, sagt sie starrsinnig. Sie sieht mich an und schätzt ab, wann ich auf sie zu rennen werde.

„Man könnte glatt denken, du willst gar nicht, dass ich dich schnappe“, sage ich.

„Tue ich auch nicht. Genau das ist der springende Punkt. Ich will genauso wenig bestraft
werden, wie du dich von mir anfassen lassen willst“, sagt sie. Abrupt erstarre ich, als ob sie auf mich geschossen oder mich zu Fall gebracht hätte. Was? Wie konnte ich ihr das nur antun? Wie konnte ich ihr etwas genau so abartiges antun, wie es mir wiederfahren ist? Warum hat sie mir das nie erzählt? Und noch schlimmer, warum zur Hölle habe ich das nicht gemerkt? Was bin ich nur für ein verdammter Idiot!

„So empfindest du also?” flüstere ich und all die Energie entweicht aus mir. Ich bin entsetzt, dass ich  derjenige bin, der ihr etwas angetan hat, dass ihr so zuwider ist. Ich bin nur die leere Hülle eines Mannes, ohne Kraft und Energie. Sie runzelt die Stirn.

„Nein, so tragisch ist es nicht, aber es gibt dir zumindest einen Anhaltspunkt, wie es mir dabei geht“, murmelt sie und blickt mich sorgenvoll an.

„Oh“, sage ich völlig verloren. Oh scheiße! Ich habe sie versohlt und dabei war sie fast am Boden zerstört! Und ihre Mitbewohnerin hat mich fast rausgeschmissen. Natürlich hat sie das getan, weil mir nicht bewusst war, wie sehr ich ihr schade! Scheiße! Scheiße! Scheiße! Was bin ich nur für ein schrecklicher Mensch! Ich … Ich … Ich weiß nicht, wie ich darauf reagieren soll. Ich blicke mit leerem, bestürztem und verlorenem Blick zu ihr. Mein Mund steht leicht offen.

„So sehr hasst du das alles?“ flüstere ich entsetzt. Ich bin voller Schrecken und dieser zeichnet sich nun auch in meinen Augen ab. Schrecken! Was habe ich ihr nur angetan … der Frau, die ich liebe … mag!

Sie verharrt in ihrer Position und kommt dann langsam um den Esstisch herum.

„Na ja … nein“, sagt sie und versucht mich zu beschwichtigen. „Nein, ich bin hin- und hergerissen. Es gefällt mir nicht, aber hassen tue ich es nun auch wieder nicht.“

„Aber gestern Abend, im Spielzimmer, hast du doch …“ sage ich und schweife dann ab.

„Ich tue all das für dich, Christian. Weil du es brauchst. Ich nicht. Du hast mir gestern Abend nicht wehgetan. Die Umstände waren völlig anders. Damit komme ich klar. Und ich vertraue dir. Aber wenn du mich bestrafst, habe ich Angst, dass du mir wehtust.“

Oh, Gott! Das ist der entscheidende Punkt! Ich möchte ihr wirklich wehtun! Nicht so schlimm, dass sie es nicht ertragen könnte, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich es tun will! Und im Moment ist es zu viel. Ich bin innerlich zerrissen. Meine Augen verdüstern sich, als ob ein Tornado vorbei ziehen würde … Ich bin nicht in der  Lage, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich weiß nicht, ob die Zeit stillsteht oder weiterläuft. Es fühlt sich jedenfalls wie eine Ewigkeit an, bis ich wieder fähig bin, meinen Mund zu öffnen.

„Ich will dir auch wehtun. Aber nicht mehr, als du ertragen kannst“, sage ich.

„Warum?“ fragt sie.

Ich fahre mir mit der Hand durch mein Haar und zucke mit den Schultern. Sie würde davonlaufen und nie mehr zurückkommen, wenn sie den Grund dafür wüsste. Ich kann es ihr niemals erklären. Niemals!

„Ich brauche es eben“, sage ich und halte inne. Ich blicke sie gequält an, schließe meine Augen und schüttele meinen Kopf. Sie blickt mich weiterhin fragend an und versucht mehr aus mir herauszubekommen.

„Warum, kann ich dir nicht sagen“, flüstere ich.

„Du kannst nicht oder du willst nicht?” fragt sie.

„Ich will nicht.“

„Also kennst du den Grund.“

„Ja.“

„Aber du willst ihn mir nicht verraten“, antwortet sie und sucht nach meiner Bestätigung.

„Wenn ich es täte, würdest du schreiend davonlaufen und nie wieder zurückkehren“, sage ich und blicke sie argwöhnisch an, als würde ich ein verängstigtes Kaninchen ansehen. „Das kann ich nicht riskieren, Anastasia“, sage ich voller Angst, Beklemmung und der alles verzehrenden Verzweiflung, sie in meinem Leben zu halten.

„Du wünschst dir also, dass ich bleibe“, sagt sie, um sicherzugehen, dass sie mich richtig verstanden hat.

„Mehr als du ahnst“, flüstere ich leise. Ich würde sterben, wenn ich sie auf die Dauer verlieren würde. „Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren“

Ihr stockt der Atem.

Ich blicke sie an und plötzlich keimt die ganze Angst und Panik in mir auf. Ich ersticke an der Angst, sie vielleicht zu verlieren. Diese Angst übermannt mich. Ich ziehe sie in meine Arme und küsse sie, küsse sie mit all meiner Leidenschaft, meiner Begierde und meiner Liebe. Mein Gott! Ich glaube, ich liebe sie! Sie ist überrascht, als meine Panik und Verzweiflung noch größer werden und ich lasse all diese Gefühle in meinen Kuss einfließen.

„Bitte, verlass mich nicht“, flehe ich sie an.  „Du hast gesagt“, sage ich und mein Atem beschleunigt sich, „Du hast gesagt, dass du mich nicht verlässt, und du hast mich angefleht, dich nicht zu verlassen. Im Schlaf“, murmele ich gegen ihre Lippen. Ich versuche sie hier bei mir zu halten, da die Angst sie zu verlieren, mich zu übermannen droht. Ich kann dich nicht verlieren, Ana! Ich würde mir eher das Herz rausreißen, als länger von dir getrennt zu sein! Ich kann nicht ohne meine Herz leben! Ich kann nicht ohne meine Seele leben!

„Ich will ja gar nicht weg“, sagt sie leise. Sie blickt mich an und all meine Barrieren existieren nicht länger. Ich fühle mich wie ein nacktes Kind, das seine ganze Scheiße preisgibt … ein kleiner Junge, der in der Hölle verloren ist und nicht in der Lage war, das Licht zu finden, bis sie in mein Leben getreten ist. 

 Rolling the Deep by Adele

Meine Augen sind weit aufgerissen und düster. Schließlich spiegeln sie all die gequälten Gefühle wider, die mich immer vernichten und vor allem dann quälen, wenn ich nachts allein bin. Sie blickt mich voller Zuneigung und Liebe an.

„Zeig es mir“, flüstert sie.

„Dir zeigen?“ frage ich, unfähig zu verstehen.

„Zeig mir, wie sehr es wehtun kann“, sagt sie und schockt mich.

„Was?“ Worum bittet sie mich hier? Träume ich das alles? Hat sie mir nicht gerade noch gesagt, sie verabscheut es so sehr, wie ich es verabscheue, angefasst zu werden?

„Bestraf mich. Ich will wissen, wie schlimm es werden kann“, sagt sie.

Ich trete einen Schritt zurück und traue meinen eigenen Ohren nicht. Bestimmt ist mein Verstand nun schon so abgefuckt, dass ich mir all das hier ausdenke! Ich kann meine Beziehung mit ihr nicht durch falsche Informationen aufs Spiel setzen. Ich bin verwirrt. Ich muss es noch einmal aus ihrem Mund hören, um sicherzugehen.

„Du würdest es versuchen?“ frage ich ungläubig.

„Ja. Das habe ich doch gerade gesagt“, sagt sie.

Ich blinzele sie ungläubig an. Was spielt sie hier für ein Spiel?

„Ana, du verwirrst mich“, sage ich – und das ist das einzige, was mir im Moment in den Sinn kommt.

„Ich bin auch verwirrt. Ich bemühe mich darum, eine Lösung für uns zu finden. Damit du und ich ein für alle Mal wissen, ob ich es schaffen kann. Wenn ich damit klarkomme, kannst du vielleicht -“ sagt sie und hört auf zu sprechen. Meine Augen weiten sich. Ich glaube, sie will mich anfassen. Und vielleicht, wenn sie es aushält, von mir versohlt zu werden und sie es freiwillig für mich machen würde, würde ich bestimmt auch versuchen, mich von ihr anfassen zu lassen. Aber ich will nicht, dass das Anfassen zum Stimmungskiller in unserer Beziehung wird. Ich bin hin und hergerissen. Was zur Hölle? Diese wunderschöne Frau will etwas für mich tun, was sie eigentlich verabscheut und ich kann mich nicht erkenntlich zeigen? Ich wäre verdammt, wenn ich es nicht könnte! Schließlich fasse ich einen Entschluss und lasse dieses Gefühl mich durchströmen. Ich blicke sie mit zusammengekniffenen Augen an, starre meine Freundin an und wäge meine Möglichkeiten ab. Das ist, was ich will, und es gibt etwas, dass sie im Gegenzug von mir erwartet.

Ich treffe eine Entscheidung, greife unvermittelt nach ihrem Arm und ziehe sie mit mir aus dem Wohnzimmer, zur Treppe und hinauf zum Spielzimmer.

„Ich werde dir zeigen, wie schlimm es sein kann, dann kannst du dir selbst ein Urteil bilden“, sage ich und halte an der Tür an. Meine Gefühle fahren Achterbahn und ich kann nichts dagegen tun. Ich gebe ihr eine letzte Chance, uns zu stoppen, mich zu stoppen.

„Bist du bereit dafür?“ frage ich leidenschaftlich und suche nach einer ehrlichen  und wahrhaftigen Antwort.

Sie nickt. Ihre Augen haben einen entschlossenen Ausdruck, sie hat sich entschieden.

Ich öffne die Tür, halte ihren Arm noch immer fest im Griff und greife nach einem Gürtel vom Regal neben der Tür. Auf diesem Regal befinden sich noch weitere Mittel, die sich zur Züchtigung eignen. Dann führe ich sie zur roten Lederbank in der anderen Ecke des Raumes.

„Leg dich über die Bank“, murmele ich leise.

Sie legt sich über das sanfte Leder. Ich lasse ihren Bademantel an.

„Wir sind hier, weil du es wolltest, Anastasia.“ Ich will, dass sie versteht, dass sie diejenige war, die sich entschieden hat, ins Spielzimmer zu gehen und bestraft zu werden. Sie hat zugestimmt und ohne ihre Einwilligung würde ich es niemals tun.

„Außerdem bist du vor mir davongelaufen. Ich werde dich sechs Mal schlagen, und du wirst mitzählen“, sage ich zu ihr und zähle die Gründe auf, warum sie hier ist. Sie muss sich daran erinnern, was sie nicht tun sollte. Deshalb will ich, dass sie mitzählt, wenn ich ihr die Schläge mit dem Gürtel verpasse, damit sie sich in Zukunft daran erinnern wird.

Schließlich schiebe ich den Saum ihres Bademantels hoch und streichle über ihren Hintern. Ich fahre mit meinen Händen über ihre Pobacken, bis hinunter zu ihren Oberschenkeln.

„Ich werde dich bestrafen, damit du nicht vergisst, dass du nicht vor mir weglaufen sollst. So aufregend es auch sein mag, aber ich will nicht, dass du vor mir wegläufst“, flüstere ich. Selbst wenn es nur ein Spiel war, kann ich es nicht ertragen, wenn sie vor mir wegläuft. Es verwüstet mich.

„Und du hast schon wieder die Augen verdreht. Du weißt, was ich davon halte“, sage ich mit meiner harten Dom Stimme. Meine Dom Aura ist mit aller Macht zurück, da sie einfach mit diesem Raum verbunden ist.

Ich hebe den Gürtel in die Höhe und lasse ihn auf ihr Hinterteil hinabsausen. Ich schlage so hart ich kann, halte nichts zurück, lasse ihn in ihre Pobacken einschneiden. Sie schreit vor Schmerz und Erschütterung auf, den der erste Biss des Gürtels hinterlassen hat. Sie schnappt nach Luft, als ob sämtliche Luft aus ihren Lungen entwichen wäre.

„Zähl, Anastasia!“ befehle ich ihr. Aus irgendeinem Grund törnt es mich an, wenn Anastasia mitzählt, da sie damit meine Dominanz anerkennt.

„Eins!“ schreit sie und es klingt, als ob sie am liebsten ‚Fick dich, Grey!“, rufen würde.

Ich schlage sie wieder und auf ihrem Hinterteil zeichnet sich der Striemen des Gürtels ab. Ein langer Streifen ziert nun ihren Hintern und  der Nachhall des Schlages erklingt im Raum.

„Zwei!“ schreit sie.

Ihre Stimme steigert meine Libido um das Zehnfache und lässt meinen Atem rau und stoßweise kommen. Wieder hebe ich den Gürtel und lasse ihn in ihr Fleisch einschneiden.

„Drei!“ schreit sie und ich merke, wie ihre warmen Tränen auf meiner Pyjamahose landen. Aber sie protestiert nicht, noch hält sie mich auf.

Ich schlage sie wieder.

„Fünf…“ sagt sie mit würgender Stimme, die aber weder verärgert, noch niedergeschlagen klingt. Sie klingt wie erdrosselt und ihr Hintern ist so rot, wie die chinesische Flagge. Dennoch höre ich noch immer kein Safeword von ihr. Ich lande den Gürtel ein letztes Mal auf ihrem Hintern.

„Sechs“, flüstert sie und ich lasse den Gürtel neben ihr fallen. Ich ziehe sie mitfühlend und atemlos in meine Arme, da sie die Bestrafung über sich ergehen hat lassen und das nur für mich! Aber sie drückt mich weg, ringt sich aus meiner Umklammerung.

„Lass mich ... Nein …“, sagt sie, drückt mich weg und versucht von mir wegzukommen. 

Monster - Lady Gaga

Sie kämpft gegen mich! Sie versucht, vor mir wegzulaufen! Oh Gott! Nein! Was habe ich getan?

„Fass mich nicht an!” faucht sie mich an, als sie sich aufrichtet und mich anstarrt. Ich bin völlig fassungslos, meine Augen sind weit aufgerissen, und verängstigt mit dem Wissen, dass sie flüchten und wegrennen könnte. Sie wischt sich wütend mit ihrem Handrücken die Tränen aus den Augen und starrt mich an.

„So gefällt es dir also? Ich? So?“ sagt sie, als sie sich die Nase mit dem Ärmel ihres Bademantels reibt.

Ich blicke sie an, unfähig irgendetwas zu sagen.

„Du bist ein komplett abgefuckter Dreckskerl!“

„Ana“, flehe ich geschockt. Ich wollte nicht mit ihr hier reingehen. Aber sie wollte doch, dass ich sie hierher bringe. Was habe ich getan? Warum habe ich nur zugestimmt, wo sie doch gesagt hat, dass sie es verabscheut, bestraft zu werden? Wie zur Hölle habe ich es geschafft, meine Beziehung eigenhändig in den Sand zu setzen?

„Komm mir bloß nicht mit dieser Ana-Scheiße. Sieh zu, dass du deine Scheiße in den Griff kriegst, Grey!“ sagt sie. Dies sind ihre letzten Worte und sie sind völlig wütend, verbittert, fassungslos und verletzt. In diesem Moment realisiere ich, dass ich die Menschen wirklich verletze. Ich bin durch und durch schlecht! Ich verletze die Menschen, die sich um kümmern! Ich verletze die einzige Frau, die ich wirklich liebe! Und an dem Punkt, wo ich es endlich verstanden habe, verletzt sie mich womöglich.

Sie greift nach der Türklinke und schließt sie leise und als ob sie aufgegeben hätte hinter sich.

Was mache ich nur? Ich kann nicht ohne sie leben! Ich … Ich kann einfach nicht! Ich bin ein beschissener Typ, der zu nichts fähig ist, der nichts wert ist und dann will ich auch noch ihre Zuneigung, ihre Liebe. Ich brauche sie, hier bei mir. Ich würde alles tun, alles für sie tun, damit sie bei mir bleibt.

Sie hat mich gerade verlassen. Bestürzt wandern meine Hände in meine Haare. Aber diesmal ziehen meine Finger verzweifelt an ihnen. Oh mein Gott! Ich … ich fange an zu hyperventilieren. Ich habe gerade, die einzige Frau, die ich je geliebt habe, weggejagt! Was zur Hölle ist falsch mit mir?

Ich bin durch und durch abgefuckt! Fünfzig Facetten? Ich bin das Schlimmste, das die verdammte Cracknutte, je gebären konnte! Das hast du dir selbst eingebrockt, du Hurensohn! Oh, Gott! Was habe ich getan? Kann ich mich je wieder reinwaschen? Ich bin völlig starr und unfähig mich zu bewegen. Was mache ich nur? Sie hasst mich! Sie hasst mich wirklich! Bitte, Gott! Ich kann es nicht ertragen! Erhöre mich! Hilf mir! Ich bin wertlos, aber ich bitte dich nun, um deine Hilfe! Bitte! Hilf mir! Erlöse mich von meinem Elend! Sie ist die einzige, die ich jemals geliebt habe und jetzt verabscheut sie mich …

„Bitte“, entweicht es meinen Lippen mit leiser Stimme. „Bitte, lieber Gott … Ich habe niemanden, den ich um Hilfe bitten könnte. Hilf mir! Sie wird mich verlassen!“

Schließlich bringe ich die Kraft auf, mich zu bewegen. Ich gehe zur Tür und öffne sie. Sie ist nicht hier. Ich gehe in mein Zimmer und in mein Masterbad, um eine Dose mit Schmerzmitteln und eine Lotion zu holen, um ihren Schmerz zu lindern. Dann ertappe ich mich dabei, wie ich zu ihrem Zimmer gehe. Langsam gehe ich zur Tür und betrete den Raum. Es dämmert bereits, aber es kommt mir so vor, als ob die Sonne untergegangen ist und nie mehr für mich aufgehen wird. Sie liegt zusammengerollt auf der Seite, da ihr Hinterteil zu sehr schmerzt. Sie leidet, ihr Kopf ist in einem Kissen vergraben und sie schluchzt. Die Worte ihrer Mitbewohnerin Kate kommen mir wieder in den Sinn, „Seitdem sie dich getroffen hat, weint sie nur noch!“ Innerlich bin ich in tausend Stücke zerrissen. Sie hasst mich wirklich … Ich  hasse mich! Warum sollte sie es also nicht tun?

Ich lege die Schmerztabletten und die Arnikasalbe auf den Nachttisch und setze mich auf das Bett. Es senkt sich unter meinem Gewicht, als ich hinter sie klettere - näher an sie heran, näher an ihre endlosen Schluchzer.

„Shhh“, flüstere ich. Sie ist wie gelähmt, rührt sich überhaupt nicht und ist völlig starr. Mein Herz bricht erneut. Ich habe sie gebrochen! „Stoß mich nicht weg, Ana, bitte”, flüstere ich. Ich kann es nicht ertragen. Behutsam ziehe ich sie in meine Arme, vergrabe meine Nase in ihrem Haar, küsse ihren Nacken. Ich kann es nicht ertragen, sie zu verlieren. Ich kann einfach nicht.

„Hass mich nicht“, ich kann kaum flüstern, „bitte“, flüstere ich gegen ihre zarte Haut. 

Hard to Say I’m Sorry by Boys 2 Men

Meine Seele schmerzt und ich bin verloren. Sie beginnt wieder leise zu schluchzen. Wieder küsse ich sie sanft und zärtlich, aber ich habe das Gefühl, dass sie mich nicht mehr will.

So liegen wir eine gefühlte Ewigkeit. Ich halte sie einfach und bete im Stillen, dass sie mich nicht verlässt, dass sie mir vergibt, und mich nicht mehr hasst. Ich weiß, dass das eine ziemlich lange Liste ist, aber ich liebe sie! Schließlich entspannt sie sich ein wenig und ist nicht mehr ganz so starr. Sie hört auch auf zu weinen. Die Dämmerung ist langsam vorüber und bringt einen neuen Morgen mit sich, der sanfte Lichter zu uns hereinscheinen lässt. Wir liegen immer noch still.

„Ich habe dir ein paar Schmerztabletten und Arnikasalbe mitgebracht“, sage ich nach einer Ewigkeit.

Sie dreht sich langsam in meinen Armen um und blickt mich an. Ihr Kopf ruht auf meinem Arm. Meine Augen sind eisern und geben meine Gedanken nicht preis. Meine Ängste sind gut hinter meiner Fassade versteckt.

Sie sieht mich an, als würde sie mich zum letzten Mal sehen. Oh, nein! Ich versuche, mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen, sehe sie an, ohne zu blinzeln. Sie streckt ihre Hand aus und streichelt meine Wange, streicht mit ihren Fingern durch meine Stoppeln. Ich schließe meine Augen und atme aus, als sie mich berührt. Ihre Berührung ist zu meinem Rettungsanker geworden.

„Es tut mir leid“, flüstert sie. Was? Warum? War‘s das? Erklärt sie mir jetzt, dass das mit uns nichts wird?

Ich öffne meine Augen und sehe sie verwirrt an.

„Was tut dir leid?“

„Was ich gesagt habe“, sagt sie und Erleichterung durchströmt mich. Vielleicht verlässt sie mich doch nicht. Vielleicht können wir gemeinsam eine Lösung finden.

„Du hast nichts gesagt, was ich nicht längst weiß“, sage ich mit sanftem Blick. „Mir tut es leid, dass ich dir wehgetan habe“, sage ich.

Zur Antwort zuckt sie mit den Schultern.

„Ich wollte es schließlich so.“ Dann sieht sie mich an und schluckt. Das heißt nichts Gutes.

„Ich glaube nicht, dass ich dir alles sein kann, was du dir wünschst“, flüstert sie. Meine Augen weiten sich etwas und ich blinzele, als mich die Angst mit aller Kraft übermannt.

„Du bist alles, was ich mir wünsche“, sage ich zu ihr. Ich habe so lange darauf gewartet, sie zu finden. Irgendeine wunderbare göttliche Führung hat uns aufeinander treffen lassen. 

A Thousand Years by Christina Perri

Und nun bin ich verdammt noch mal kurz davor sie zu verlieren. In mir klafft ein riesiges Loch und ich ertrage es einfach nicht. Sie ist hier, aber dennoch weit weg. Sie sieht verwirrt aus.

„Das verstehe ich nicht. Ich bin nicht gehorsam, und ich werde ganz bestimmt nicht zulassen, dass du das noch einmal tust. Das kann ich dir verdammt nochmal versichern. Aber genau das brauchst du. Das hast du selbst gesagt.“

Wieder schließe ich meine Augen und kämpfe mit dem klügeren Teil meines Gehirns. Ich habe gerade erst gemerkt, dass ich in sie verliebt bin. Verlangt die Liebe nicht, dass ich das tue, was am besten für sie ist und nicht für mich? Hat Dr. Flynn mir nicht erst vor kurzem gesagt, „C’est cela l’amouor, tout donner, tout sacrifier, sans espoir de retour.“ Erst jetzt verstehe ich es und nun ist es zu spät. „Liebe bedeutet, alles zu geben und alles zu opfern, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten“ und ich muss das tun, was für sie das Beste ist und für Christian Grey. Ich treffe eine Entscheidung. Ich muss sie gehen lassen. Ich muss das tun, was am besten für sie ist, da ich weiß, dass ich mich nur schwer ändern kann.

„Du hast Recht. Ich sollte dich gehen lassen. Ich bin nicht gut für dich“, gebe ich tief am Boden zerstört zu. 

You Know I’m No Good by Amy Winehouse

Liebe bedeutet, alles zu geben, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten. Du wirst mein Herz und meine Seele mit dir nehmen; wenn sie weg ist, werde ich nicht mehr komplett sein, weniger, als bevor ich sie getroffen habe.

Als sie meine Antwort hört, weiten sich ihre Augen. „Ich will nicht gehen“, flüstert sie und ihre Augen füllen sich wieder mit Tränen. Wieder durchströmt mich die Erleichterung.

„Ich will auch nicht, dass du gehst“, flüstere ich mit heiserer Stimme. Ich strecke meine Hand aus und streiche mit meinem Daumen über ihre Wange, um ihre Tränen wegzuwischen. „Seit ich dich kenne, fühle ich mich, als würde ich zum ersten Mal wirklich leben.“ Es ist kaum mehr als ein Wispern. Mein Daumen fährt die Kontur ihrer Unterlippe nach.

„Ich auch“, flüstert sie zurück. „Ich habe mich in dich verliebt, Christian“, erklärt sie. Das aus ihrem Mund zu hören, wenn sie bei vollem Bewusstsein und wach ist, raubt mir den Atem und macht mich sprachlos. Sie liebt mich? Diesen wertlosen Scheißkerl? Das kann nicht sein! Sie darf mich nicht lieben! Ich bin nichts! Ich bin nicht gut für sie. Meine Augen weiten sich und spiegeln meine pure und ungetrübte Angst wider. Das ist wirklich, wirklich falsch! Falsch für sie und falsch für mich.

„Nein“, flüstere ich, als hätte ich die schlimmste Liebeserklärung auf der ganzen Welt gehört. Ich fühle mich, als ob sämtliches Leben in mir ausgelöscht ist.

„Du kannst mich nicht lieben, Ana. Nein … das ist falsch“, sage ich zutiefst entsetzt.

„Falsch? Warum falsch?“ fragt sie.

„Sieh dich doch an. Ich kann dich nicht glücklich machen“ sage ich mit von Schmerz geplagter Stimme.

„Aber du machst mich doch glücklich“, sagt sie stirnrunzelnd.

„Im Augenblick nicht. Und nicht mit dem, was ich tue“, und das ist der Knackpunkt an der ganzen Sache. Ich bin abgefuckt und ich will ihr wehtun. Sie sieht traurig und verzweifelt aus.

„Wir kriegen es nicht in den Griff, stimmt’s?“  flüstert sie mit angstvoller Stimme, als sie realisiert, was hier passiert. Niedergeschlagen schüttele ich meinen Kopf. Sie schließt die Augen, als könnte sie es nicht ertragen, mich anzusehen. Ich bin ein verdammt beschissener Hurensohn! Warum mache ich alles gute, was mir passiert, zunichte?

„Tja … dann sollte ich jetzt wohl besser gehen“, murmelt sie und zuckt zusammen, als sie sich aufsetzt.

„Nein, geh nicht“, sage ich und die Angst übermannt mich völlig.

„Zu bleiben würde nichts bringen.“  Sie sieht aus, als wäre sie in den letzten Stunden um zehn Jahre gealtert, als würde die Last der Welt sie niederdrücken. Sie klettert aus dem Bett und ich tue es ihr gleich.

„Ich werde mich jetzt anziehen und hätte gern ein bisschen Privatsphäre“, sagt sie mit tonloser Stimme, als hätte jemand, als hätte ich ihr das Leben ausgesaugt. Sie lässt mich im Schlafzimmer stehen.

Oh, lieber Gott! Was zur Hölle habe ich getan? Sie verlässt mich! Sie verlässt mich wirklich! Ich kann nicht atmen! Ich gehe im Raum auf und ab … Was kann ich tun? Wie kann ich sie aufhalten?  Ich bin zutiefst und unwiderruflich zerbrochen … nichts außer ihr kann mich retten!

Unbreak my heart by Toni Braxton

Ich gehe in mein Büro und rufe Taylor an. Er antwortet nach dem ersten Klingeln. Meine Stimme klingt verzerrt, gestört und zum ersten Mal nach langer, langer Zeit, kann ich meine Gefühle nicht kontrollieren.

„Taylor“, sage ich. Und mit diesem einen Wort schrillen all seine Alarmglocken.

„Ich komme, Sir“, und knapp 15 Sekunden später steht er vor mir. Als er in meinem Büro ankommt, ist er bereits angezogen und bereit, alles zu tun.

„Was ist los, Sir? Geht es Ihnen gut? Ist mit Miss Steele alles in Ordnung?“

„Sie verlässt mich, Taylor. Ich möchte, dass Sie sie nach Hause fahren“, sage ich und erkenne nicht einmal meine eigene Stimme wieder. Sie ist voller Verzweiflung. Ich muss meine Mauern wieder errichten. „Ich möchte, dass sie sich bereithalten. Das ist alles“, sage ich mit tonloser Stimme. Das ist die einzige Art Stimme, zu der ich in der Lage bin.

Er verlässt mein Büro.

In meinem Büro sind ein paar Sachen, sodass ich mir Jeans und ein schwarzes T-Shirt anziehen kann. Meine Füße sind nackt. Ich verlasse mein Büro und gehe in den Wohnbereich, um Anastasia ein letztes Mal zum Bleiben zu überreden.

Mein Blackberry klingelt. Verdammt! Es muss natürlich ausgerechnet jetzt klingeln! Es ist Welch.

„Sir, ich habe Neuigkeiten“, sagt er.

„Und wie lauten sie?“ sage ich voller Ungeduld.

„Wir haben Leilas Ehemann überzeugen können, uns einige Informationen über sie zu geben. Sie hatte Kontakt zu ihm. Sie hat ihn angerufen. Irgendetwas Tragisches ist ihr passiert und sie hat ihn gebeten, ihr zu helfen. Aber er hat ihr gesagt, dass er sie in Ruhe lassen soll und sich selbst ficken soll und es ihn nicht interessiert, was mit ihr passiert.“

„Was hat er gesagt?“ schreie ich und sehe aus dem Augenwinkel, dass Anastasia den Raum betritt. Ich sehe, wie sie zusammenzuckt, als ich schreie.

„Er hätte uns verdammt nochmal die Scheißwahrheit sagen können. Wie ist seine Nummer? Ich muss ihn anrufen. Welch, das Ganze ist eine einzige riesige Katastrophe.“ Ich blicke auf und nehme meine dunklen, grüblerischen Augen keinen Moment von ihr. „Findet sie“, blaffe ich ihn an und lege auf.

Anastasia geht zur Couch und packt ihren Rucksack und ignoriert mich dabei völlig. Zu meinem völligen Entsetzen nimmt sie den Mac heraus, geht in die Küche und stellt ihn vorsichtig auf der Frühstückstheke ab. Zudem legt sie ihr Blackberry und den Autoschlüssel daneben. Sie dreht sich um und blickt in mein bestürztes und völlig entsetztes Gesicht. Warum verletzt sie mich so? Ich habe ihr diese Sachen geschenkt … Ich will sie nicht zurück!

„Ich brauche das Geld, das Taylor für meinen Beetle bekommen hat“,  sagt sie mit klarer und ruhiger Stimme. Sie ist frei von jeglichem Gefühl, völlig auf Autopilot geschaltet. Ich kenne diese Stimme gut, ich habe sie gerade erst bei Taylor benutzt.

„Ana, ich will die Sachen nicht“, sage ich ungläubig und bin kaum in der Lage das Brechen meiner Stimme zu kontrollieren. „Bitte behalt sie.“

„Nein, Christian. Ich habe sie nur angenommen, weil du darauf bestanden hast. Und ich will sie nicht mehr.“

„Ana, sei doch vernünftig“, tadele ich sie.


„Ich will nichts, was mich an dich erinnert. Ich brauche nur das Geld, das Taylor für meinen Wagen bekommen hat“, antwortet sie mit monotoner Stimme.

Ich ringe ungläubig nach Luft. Sie versucht mich völlig aus ihrem Leben zu verbannen. Sie will jegliche Verbindung zerstören. Sie will nichts von mir! Nicht einmal eine Erinnerung. Oh Gott!

„Willst du mich so sehr kränken?“ flüstere ich mit sehnlicher Stimme.

„Nein“, sie runzelt die Stirn und starrt mich an. Trotz der unendlichen Traurigkeit in ihren Augen, erkenne ich auch ihre Liebe. „Das will ich nicht“, flüstert sie traurig. „Ich versuche nur, mich selbst zu schützen“, und diese Aussage verletzt mich an meisten.


 I Have Nothing - Whitney Houston

„Bitte, Ana, nimm die Sachen.“

„Christian, ich will mich nicht streiten – ich brauche nur das Geld.“

Ich blicke sie mit zusammengekniffenen Augen an. Ich will, dass sie die Sachen nimmt. Sie blickt mich ausdrucklos an und blinzelt nicht einmal. Sie wird nicht nachgeben und ich werde sie auch nicht drängen.

„Nimmst du auch einen Scheck?“ frage ich bissig.

„Ja. Das wird genügen.“

Das ist der schlimmste Tag meines Lebens. Leilas verdammter Ehemann hatte Kontakt zu ihr und er hat uns nichts davon gesagt.  Sie ist irgendwo da draußen und wahrscheinlich kurz davor, sich etwas anzutun oder anderen Schaden zuzufügen. Und meine Freundin, das einzige Mädchen, das ich je geliebt habe, verlässt mich heute! Ich gehe in mein Büro und schreibe Anastasia einen Scheck für ihr Auto. Ich stecke ihn in einen Umschlag und gehe zurück ins Wohnzimmer. Sie wird mir nicht glauben, dass das die Summe ist, die Taylor für das Auto bekommen hat. Aber es ist wahr.

„Taylor hat einen guten Preis dafür bekommen. Der Wagen ist ein Klassiker. Du kannst ihn gern fragen. Er wird dich nach Hause fahren“, sage ich und nicke in Richtung der Diele. Sie dreht sich um und sieht Taylor im Türrahmen stehen. Er trägt seinen Anzug und ist bereit zu fahren.

„Nicht nötig. Ich komme schon allein nach Hause, danke“, antwortet sie. Sie dreht sich um und starrt mich an. Ich kann die Wut in mir kaum zügeln. Warum hört sie einfach nie auf mich? Warum kann sie nicht eine letzte Geste von mir annehmen? Warum Ana? Warum tust du mir das an? Warum verlässt du mich?

„Musst du mir bei allem widersprechen?“ frage ich eisig.

„Weshalb ausgerechnet jetzt mit einer lebenslangen Gewohnheit brechen?“ sagt sie und zuckt entschuldigend mit den Achseln.

Ich schließe frustriert die Augen fahre mir völlig aufgebracht mit meinen Händen durch meine Haare.

„Bitte, Ana, lass dich von Taylor nach Hause fahren“, flehe ich.

„Ich hole den Wagen, Miss Steele“, erklärt Taylor bestimmt. Vielleicht hört sie ja auf ihn. Sie hat ihn immer für eine Art Onkel gehalten. Ich nicke Taylor zu und er macht sich auf den Weg, das Auto zu holen.

Sie dreht sich um und sieht mich an. Sie ist ungefähr einen Meter von mir entfernt. Ich mache einen Schritt auf sie zu. Ich will sie noch einmal im Arm halten, obwohl ich weiß, dass ich wahrscheinlich nicht in der Lage sein würde, sie wieder loszulassen. Automatisch tritt sie einen Schritt zurück und mit diesem Schritt ist es, als ob sie in mich hineingegriffen, mein Herz herausreißen und auf den Boden werfen würde. Ich halte inne. Sie rennt vor mir davon und ich fühle mich, als würde ich jeden Moment zusammenbrechen. Oh Gott! Sie will mich nicht! Das schmerzt am meisten. Ich habe sie tief verletzt und jetzt erträgt sie nicht einmal mehr meine Nähe. Schmerz und herzzerreißende Qual dringt aus meinen Poren, aus meinem ganzen Dasein, als ob es konkrete Formen annehmen und mit Händen greifbar sein würde. Meine Augen brennen vor Verlangen und Verzweiflung. Ich möchte einfach zu ihr gehen, sie halten und nie wieder loslassen! Bitte, Ana, lass mich!

Run to You by Whitney Houston

„Ich will nicht, dass du gehst“, flehe ich sie ein letztes Mal an. Bitte Baby! Geht nicht. Ich blicke sie sehnsüchtig an. Ich bin ihr nahe genug, um sie zu berühren und doch so weit davon entfernt, weil sie eine unsichtbare Mauer zwischen uns errichtet hat.

„Ich kann aber nicht bleiben. Ich weiß, was ich brauche, und du kannst es mir nicht geben. Und ich kann dir nicht geben, was du brauchst“, sagt sie mit verzweifelter Stimme.

Ich mache einen weiteren Schritt auf sie zu, aber sie hält die Hände hoch und bedeutet mir anzuhalten.

„Nicht. Bitte.“ Zu sehen, wie sie vor mir zurückweicht, ist einfach schrecklich. Sie kann nicht einmal mehr meine Berührung tolerieren. Ich fühle mich, als ob ich langsam an tausenden von Schnitten sterben würde. „Ich kann das nicht.“

Sie greift nach ihrem Koffer und ihrem Rucksack und geht in Richtung Foyer. Ich folge ihr, halte jedoch Abstand. Ich drücke den Rufknopf. Die Türen öffnen sich und sie steigt ein.

„Auf Wiedersehen, Christian”, murmelt sie.

„Ana, auf Wiedersehen“, sage ich leise. Ich bin ein gebrochener Mann und erleide im Moment unerträgliche Schmerzen. Als sie ihren Blick von mir abwendet, bin ich völlig zerschmettert. Sie hätte auch alles mit sich nehmen können, denn in dem Moment, in dem sich die Aufzugtüren schließen, hat mich meine Seele mit Anastasia verlassen, als ob ich ohne sie nie eine gehabt hätte.

Take My Love With You - Bonnie Raitt

Die einzige Frau, die ich je geliebt habe, hat mich gerade verlassen … Ich fühle mich völlig leer. Es fühlt sich an, als ob jemand die Lichter ausgemacht hat, als sie gegangen ist, als ob jemand die Sonne weggenommen hätte. Ich falle auf meine Knie und werde völlig schlapp, wie Atlas, der die Welt auf seinen Schultern getragen hat und zum ersten Mal, seitdem ich erwachsen bin, fange ich an zu weinen. Ich vergrabe den Kopf in meinen Händen und weine.

Das ist ganz allein mein Fehler! Ich bin ein abgefuckter Hurensohn! Eine Schlampe wäre noch etwas Besseres als ich; es ist übel … Hurensohn! Wie kann ich jemals diese Scheiße von mir abwaschen, sodass ich niemanden mehr verderben kann? Ich habe mein Baby, meine Freundin, meine Frau, meine einzige Liebe verdorben und verletzt!

Entschlossen stehe ich auf. Die Tränen laufen mir übers Gesicht, ohne, dass ich etwas dagegen machen kann. Vielleicht bin ich auch in Mrs. Jones hineingelaufen, deren Mund weit offen stand. Aber wer kann das schon genau sagen? Ich sehe kaum, wo ich hinlaufe, meine Augen und mein Verstand sind völlig vernebelt.

Ich gehe ins Schlafzimmer und weiter ins Bad. Die Tränen laufen mir immer noch über die Wangen, aber die Schluchzer haben nun aufgehört. Ich reiße mir fast das Shirt vom Leib und ziehe meine Hose aus. Ich drehe das Wasser viel zu heiß auf und steige in die Dusche. Ich greife nach einer Bürste und seife sie mit Duschgel ein. Dann beginne ich den ganzen Dreck, den der Zuhälter der Hure auf mir haften gelassen hat, weg zu schrubben und abzuwaschen. Über die Jahre hat er mir so viel angetan. Ich schrubbe und schrubbe und schrubbe all die kleinen Narben, die die Zigaretten hinterlassen haben und all die Stellen, an denen Anastasia mich nicht anfassen durfte, weil ich es ihr nicht erlaubt habe. Ich ekele mich vor mir selbst! Ich hasse mich! Schrubben, schrubben, schrubben, schrubben … Meine Brust ist wund und rot … Als nächstes mache ich mit meinen Armen und Händen weiter. Das sind die Hände, die Anastasia verletzen wollen! Schrubben … schrubben … schrubben … immer und immer weiter. Meinen Rücken erreiche ich nicht! Irgendwo habe ich auch eine Bürste mit Stil. Ich steige aus der Dusche und verteile das tropfende Wasser und die Seife überall, aber es ist mir egal. Ich suche in einem der Schränke und finde sie. Ich stoße die Tür des Schrankes mit solcher Wucht zu, dass sie noch einige Male hin und her springt, bevor sie geschlossen bleibt.

Ich seife die Bürste ein und schrubbe nun meinen Rücken. Immer und immer wieder. Bis er wund ist und weh tut. Schmerz ist gut. Damit komme ich klar, er ist mir vertraut. Ich existiere immer noch auf dem Planeten, auf dem Anastasia lebt. Ich stehe eine Ewigkeit unter dem heißen Wasser und die Gewissheit, dass Anastasia mich verlassen hat, erfasst mich erneut mit aller Wucht. Wieder bekomme ich zittrige Knie und sinke auf den Boden der Dusche. Mein Rücken lehnt an der Wand. Ich umschließe meine Knie und lasse mich von meinem Schmerz verzehren. Mein unendliches Leid legt einen Sturzflug hin, wie ein Flugzeug, das außer Kontrolle ist.

Ich sehe nichts, denke nichts und kann keinen klaren Gedanken fassen. Mein einziger Gedanke umfasst allein Anastasia.

„Mr. Grey?“ höre ich eine zögernde Stimme von der Tür. Ich antworte nicht. Die Stimme ist sanft, aber kühl. Ich bin nicht hier. Ich fühle mich, als hätte ich meinen Körper verlassen. Wie ein Beobachter meiner selbst, der mich aus einiger Entfernung wahrnimmt. Ich bin wie ein Zombie in meiner eigenen Haut.

Zombie by the Cranberries

„Mr. Grey?“ Dieses Mal klingt die weibliche Stimme näher.

„Ach du lieber Himmel!“ Die Stimme klingt nun entsetzt, besorgt und verängstigt. Sie ist bestimmt nicht mir gewidmet …

„Taylor!“ Oh, plötzlich ist die Stimme laut.

„Taylor! Jason Taylor! Schwing deinen Arsch hierher!” Diese Frau hat ja einen unglaublichen Tonfall! Wer ist das?

Ich höre Schritte. Nein, schnelle, rennende Schritte. Sie werden lauter und stoppen schließlich am Eingang zum Badezimmer. Jemand tritt in die Dusche. Was für ein grober Typ! Man tritt nicht einfach unerlaubt in eine Dusche mit einem anderen Mann!

„Sir! Sir!“ schreit er. „Sir. Können Sie mich hören?”

Er stellt das Wasser aus und ich merke, dass sein dunkler Anzug klatschnass ist.

„Gayle, reich mir bitte ein paar Handtücher!“ blafft er, effizient wie ein Soldat.

Plötzlich werde ich auf meine Füße gezogen und ein großes, flauschiges Handtuch wird mir um die Hüfte geschwungen. Ein weiteres um meinen Oberkörper.

„Geh in mein Büro und hol meinen Erste Hilfe Koffer“, blafft er einen weiteren Befehl. Dann antwortet er auf eine Frage, die ich nicht hören konnte.

„Sie sind  beschriftet. Erste Hilfe und Verbrennung.“

Ich höre wie sich schnelle Schritte entfernen.

„Sir, ich werde Sie jetzt aufs Bett legen“, er spricht behutsam mit mir, als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. Ich nicke. Er bringt mich zu meinem Bett und dort liegt eine Box auf meinem Kissen. Jason ist gerade dabei es wegzupacken, als er inne hält.

„Das ist von Miss Steele“, sagt er leise. Und plötzlich bin ich wieder bei vollem Verstand.

„Das gehört mir!“ sage ich und reiße es aus Taylors Händen, als würde seine Berührung einen heiligen Gegenstand schänden.

Ich presse es an meine Brust. Taylor sieht mich mit einem Ausdruck an, den ich noch nie vorher auf seinem Gesicht gesehen habe. Ist es Mitgefühl? Als ich das Päckchen schließlich auf das Bett zurückstelle, erkenne ich eine Notiz darauf.



Das hier hat mich an eine glückliche Zeit erinnert.

Danke.

Ana


Ich starre das Päckchen eine Ewigkeit an. Dann höre ich ein komisches Geräusch. Ein würgendes Geräusch. Ich blicke auf und sehe, wie sich Taylor und Mrs. Jones anstarren. Auf ihren Gesichtern zeichnet sich Besorgnis ab. Wer zur Hülle macht dieses Geräusch? Als zwei große Tropfen auf das Päckchen, das einen Blanik L23 Segelflugzeug-Kit enthält, fallen, merke ich, dass ich derjenige bin, der diese würgenden Geräusche macht.

Taylor verlagert vor Unbehagen das Gewicht auf seinen Füßen. Er nickt Mrs. Jones zu und sie verlässt den Raum mit einem besorgten Gesichtsausdruck.

„Mr. Grey?“ fragt Taylor.

„Hmmm…“ ist alles was ich erwidern kann.

„Ich muss Ihnen Erste  Hilfe leisten, Sir“, sagt er ausdrucklos.

„Warum?“

„Ihre Haut sieht ein wenig wund aus, Sir. Es wird den Heilungsprozess beschleunigen.“

„Das werde ich selbst tun, Taylor“, sage ich und finde schließlich meine ausdruckslose Stimme, vielleicht auch einen befehlenden, bestimmten Ton. Ich höre wie Taylor erleichtert ausatmet. Wenn Anastasia mich schon nicht anfassen kann, dann werde ich Taylor bestimmt nicht erlauben, mir Erste Hilfe zu leisten. Es ist auf jeden Fall nicht so schlimm wie Anastasias Hintern.

„Kommen Sie zu Recht, Sir?“ fragt Taylor zögernd.

Nein, denke ich mir. Ich werde ohne Anastasia nie zu Recht kommen.

„Wie ging es Miss Steele?“ frage ich ihn.

„Sir …“ er zögert. „Ihr … ging es nicht gut, Sir“, sagt er langsam. Ich sehe ihn an, um ihm zu bedeuten mehr zu erzählen. Er war der letzte, der die einzige Frau, die ich je geliebt habe, gesehen hat. Ich möchte es hören, egal wie schmerzhaft es sein mag!

Er zögert.

„Taylor, ich möchte, dass Sie es mir sagen! Wie ging es ihr? Wie sah sie aus? Hat sie irgendetwas zu Ihnen gesagt?”

Taylor sieht mich an, als würde er Anastasias Vertrauen missbrauchen, wenn er etwas sagen würde. Er ist still.

„Taylor?“ frage ich scharf. Er zuckt nicht zusammen.

„Sie war am Boden zerstört, Sir. Sie hat den ganzen Weg über geweint und geschluchzt. Sie hat sich auf dem Rücksitz zusammengerollt und geweint“, sagt er. Seine Worte fühlen sich an, als würde er mir in eine frische Wunde stechen.

„Haben Sie sie in ihre Wohnung gebracht?“

„Sie wollte keine Hilfe, Sir … Sie ist …“ er hält inne und sieht weg, „Sie ist einfach langsam davongestolpert.“

„Danke, Taylor“, murmele ich. „Ich werde heute den ganzen Tag zu Hause bleiben. Ich muss dieses Modellsegelflugzeug zusammenbauen, dass Anastasia mir gekauft hat. Wir gehen heute Abend also nicht auf den Ball. Bitten Sie Mrs. Jones mir eine Kleinigkeit zuzubereiten.“

„Ja, Sir!“ sagt er ein wenig zu enthusiastisch. Taylor verlässt den Raum. Ich nehme eine der Lotionen, die Mrs. Jones gebracht hat und reibe meine Brust damit ein. Ich ziehe ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Hose an, um meinem Kummer Ausdruck zu verleihen.

Ich nehme das Päckchen mit der Blanik L23 in den Arm und gehe ins Wohnzimmer. Mrs. Jones bereitet mir eifrig ein Sandwich zu.

„Was möchten Sie trinken, Sir?“

„Wein, bitte“, sage ich.

Mein Blackberry klingelt auf der Frühstückstheke. Ich renne und hoffe tief in mir drin, dass es Anastasia ist. Mrs. Jones sieht mich ebenso hoffnungsvoll an.

„Ana!“ sage ich außer Atem.

„Hi Christian! Hier ist Elena …“, lautet ihre Antwort.

„Was zur Hölle willst du?“ sage ich und meine Stimme ist eiskalt.

„Ist es gerade ungünstig?“ fragt sie.

„Mehr als ungünstig! Du bist die letzte Person, mit der ich im Moment sprechen möchte, Elena!“ knurre ich sie an.

„Christian, habe ich dich irgendwie beleidigt?“ fragt sie kleinlaut.

„Wenn du es unbedingt wissen willst. Meine Freundin Anastasia hat mich verlassen!“

„Aber warum? Ich dachte, ihr kommt so gut miteinander zu Recht …“ sagt sie.

„Warum? Weil ich ein abgefuckter Hurensohn bin! Deshalb! Ich habe dir doch gesagt, dass sie ein Engel ist und ich die Ausgeburt des Teufels! Ich mache alles kaputt!“

„Christian, sei nicht so streng mit dir! Sie war ohnehin keine gute Sub. Ich wusste, dass sie nicht mit unserem Lebensstil zu Recht kommt. Ich habe dir doch gesagt, dass du Schluss machen sollst. Sieh nur, was sie dir antut! Ich habe dir gesagt, dass Liebe eine unnütze Emotion ist und dich völlig von der Rolle bringt, mein Lieber …“ sagt sie und ich habe genug von ihrem Mist!

„Halt den Mund, Elena! Wenn ich deine Meinung hören will, werde ich dich fragen. Ich habe dir gerade erzählt, dass meine Freundin mich verlassen hat und du sagst, ich soll Schluss machen. Und jetzt stell dir vor! Dein Wunsch ist wahr geworden. Sie hat mich sitzen lassen und ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so beschissen gefühlt! Sie hat die Sonne mit sich fort genommen! Sie hat meine Seele mitgenommen! Ich bin in der Hölle verloren! Hast du überhaupt eine Vorstellung, was ich im Moment durchmache? Natürlich nicht! Du hast noch nie jemanden geliebt, außer dich selbst! Und jetzt erlaubst du dir, zu sagen, dass es gut ist, dass ich sie los bin!“

„Aber Christian…“

„Kein aber, Elena. Ich bin durch damit! Ich muss erstmal mein eigenes Leben auf die Reihe kriegen! Sie ist mein Leben! Meine Seele! Wie soll ich ohne mein Leben, ohne meine Seele leben!”

„Es tut mir leid Christian! Ich kann es nicht ertragen, dich so zu sehen!“

„Heb dir dein Mitleid für jemanden auf, den es interessiert! Ich muss gehen. Meine Freundin hat mir einen Modellsegelflieger geschenkt, den ich jetzt zusammen bauen muss. Ruf mich nicht an, bis ich dich anrufe!“ Ich lege auf.

Mrs. Jones ist für einen Moment zu einer Salzsäule erstarrt. Doch sie sammelt sich wieder und bringt mir einen Teller mit Essen und ein Glas Wein zur Frühstückstheke. Dann geht sie leise davon.

Heute muss ich den Segelflieger bauen. Und morgen, muss ich entweder einen Weg finden, wie ich Anastasia vergessen kann … oder … ich kann den Rest des Gedankens nichts über mich bringen. Ich kann nicht einmal daran denken, wie jemand anders sie in den Armen hält, sie berührt, sie liebt.

Heute muss ich den Segelflieger bauen. Das werde ich heute machen. Und morgen, werde ich mein Leben in den Griff kriegen und eine Möglichkeit finden, wie ich meine Freundin zurückbekomme. Alles ist düster und wertlos ohne sie, genau wie ich.

When You’re Gone by The Cranberries


Ende von Buch 1




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