Kapitel IX
Nimm mich wie ich bin
Meine
Augen verengen sich zu Schlitzen, als ich Sawyers schießfreudige Reaktion sehe
und sage ihm, dass alles in Ordnung ist. Ich betrete das Foyer und
augenblicklich wirkt Sawyer betreten. Er steckt seine Waffe weg und lässt mich
eintreten.
„Taylor
übertreibt“, sage ich, um Anastasia zu besänftigen und strecke ihr meine Hand
entgegen. Anastasia sieht geschockt, verängstigt, besorgt und beunruhigt aus.
Ihr Blick wandert über meinen Körper, überprüft jeden Zentimeter davon, bemerkt
meine geöffneten Hemdknöpfe und versucht auszumachen, ob ich verletzt bin. Ich
versuche die Anspannung in meinem Körper zu verbergen, schaffe es aber nicht.
Ich sehe mein Mädchen bekümmert an, ich mache mir Sorgen um sie.
„Es
ist alles in Ordnung, Baby“, sage ich, gehe auf sie zu und öffne meine Arme, um
sie in eine schützende Umarmung zu ziehen.
(Hysteria by Def Leppard)
Nun ist sie sicher und geborgen in meinen Armen. Diese letzte Stunde hat mich
um einiges altern lassen. Ich habe Angst, dass Anastasia irgendetwas zustoßen
könnte, wie gering es auch sein mag. Ich wollte sie beschützen, aber
gleichzeitig Leila finden, damit sie die Hilfe bekommt, die sie benötigt und
die Gefahr, die möglicherweise von ihr ausgeht, beseitigt wird.
„Ich habe mir solche Sorgen gemacht“, flüstert
sie und scheint sich in meiner Umarmung endlich sicher zu fühlen. Die
Anspannung weicht aus ihrem Körper. Sie saugt meinen Duft in sich auf, spürt
meine Präsenz und umarmt mich fester.
„Ich weiß. Wir sind alle etwas nervös.“
Sawyer verlässt das Foyer, um sich mit dem Rest
des Sicherheitsteams zu beratschlagen.
„Ehrlich, Mr. Grey, Ihre Exfreundinnen erweisen
sich als ziemliche Herausforderung“, murmelt sie. Ihre scherzhafte Aussage
entspannt mich, nach dem Schrecken, den wir gerade erlebt haben. Ich habe mir
solchen Sorgen gemacht, dass diese Angelegenheit neuen Druck auf Anastasia
aufbauen könnte, und das nach allem, was Elena bei der Spendengala getan hat.
Ich habe gerade erst bemerkt, dass ich eine unglaubliche Angst in mir hatte,
dass Anastasia mich verlassen würde, wenn sie für sich entscheiden würde, dass
sie meine Exfreundinnen unerträglich findet.
„Ja, das stimmt“, sage ich und stimme ihr damit
zu. Ich muss in beiden Angelegenheiten die Kontrolle bewahren. Nachdem ich sie
nun in meinen Armen gehalten habe und ihre Wärme spüre, fühle ich mich
schließlich sicher genug, sie hier bei mir zu haben. Ich lasse sie los, doch
nur um ihre Hand in meine zu nehmen. Während ich sie ins Wohnzimmer führe,
erkläre ich ihr, was Taylor und seine Leute machen: „Taylor und seine Männer
überprüfen sämtliche Schränke. Ich glaube nicht, dass sie hier ist.“
„Warum sollte sie hier sein? Das ergibt keinen
Sinn“, fragt sie. Ich habe keine Antwort auf ihre Frage und ich sehe auch
keinen Grund, warum sie hier in meinem Apartment sein sollte.
„Genau“, antworte ich.
„Könnte sie denn reinkommen?“ fragt Anastasia.
Das Sicherheitssystem im Apartment ist auf dem neuesten Stand, ich wüsste
nicht, wie sie hereingelangen könnte.
„Ich wüsste nicht, wie. Taylor ist manchmal
übervorsichtig“, sage ich, da ich Taylors totale Hingabe zu seinem Job kenne.
„Hast du im Spielzimmer nachgeschaut?“ fragt
Anastasia mit leiser Stimme. Ich weiß, was sie damit andeuten will. Leila war
oft genug mit mir in meinem Spielzimmer, als meine Sub. Und natürlich kommen
die Gedanken an mich und Leila ungebeten in Anastasias Kopf. Ich weiß, wie
eifersüchtig sie ist. Ich runzele die Stirn, antworte jedoch auf ihre Frage:
„Ja, es ist verschlossen. Taylor und ich haben es
überprüft“, sage ich und erinnere mich wieder an Taylors Überreaktion.
Sie atmet schaudernd ein, als würde sie die
Anspannung und Angst der letzten Stunde damit wegwaschen wollen. Ich möchte, dass sie sich entspannt.
„Möchtest du einen Drink?“ frage ich sie.
„Nein“, sagt sie und schließlich weicht auch das
letzte bisschen Adrenalin, das ihr der Stress beschert hat, aus dem Körper. Sie
ist hundemüde und kaum noch in der Lage auf ihren Füßen zu stehen.
„Komm. Lass mich dich ins Bett bringen. Du siehst
erschöpft aus”, sage ich, als wäre sie ein kleines Kind. Ich nehme ihre Hand
und führe sie in mein Schlafzimmer.
Sie nimmt ihre Handtasche und legt sie auf die
Kommode, ehe sie deren Inhalt ausleert. Als sie nach einem Stück Papier greift,
hält sie es mir hin. „Hier“, sagt sie, „Keine Ahnung, ob du ihn lesen willst. Ich
werde nicht darauf eingehen.“
Ich lese mir den kurzen Text durch und was dort
steht, verärgert mich:
Vielleicht habe ich Sie falsch eingeschätzt.
Und Sie täuschen sich definitiv in mir. Rufen Sie
mich an, wenn Sie
mehr erfahren wollen – wir könnten uns zum Lunch
treffen. Christian
möchte nicht, dass ich mit Ihnen spreche, doch
ich würde Ihnen sehr
gern helfen.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich gebe
Ihnen wirklich meinen
Segen, aber wenn Sie ihm wehtun … Er hat genug
Verletzungen erlitten.
Rufen Sie mich an unter der Nummer: (206)
279-6261
Mrs. Robinson
Vor Anastasia, die bereits rot sieht, wenn sie
allein den Buchstaben „R“ hört oder sieht, möchte ich den Inhalt dieses Briefes
keineswegs auswerten.
„Ich wüsste nicht, welche Informationen sie dir
geben könnte“, sage ich abweisend. Ich werde mich deswegen noch mit ihr
unterhalten und sie zurechtstutzen. „Ich muss mit Taylor sprechen“, sage ich,
um das Thema zu wechseln. Ich möchte nicht, dass sie sich den Kopf über Elena
zerbricht und noch ihren eigenen Beitrag zu dieser verdammten Nacht leistet.
„Komm, ich mach dir den Reißverschluss von deinem
Kleid auf“, sage ich und blicke sie an. Sie sollte ins Bett gehen. Sie sieht
todmüde aus.
„Wirst du die Polizei wegen dem Wagen
benachrichtigen?“ fragt sie mich, während ich den Reißverschluss ihres Kleides
öffne. Diese Option besteht für mich gar nicht. Ich streiche ihr loses Haar zur
Seite und meine Finger streichen über ihren nackten Rücken.
„Nein, ich werde die Polizei nicht verständigen.
Leila braucht Hilfe, keine Polizei. Wir müssen unsere Bemühungen, sie zu
finden, verdoppeln“, sage ich, beuge mich herunter und küsse sie auf die
Schulter. Ich möchte nicht, dass Anastasia sich darüber Sorgen macht. Das ist
mein Problem, welches ich nun bis an unsere Türschwelle gebracht habe. Leila
macht zurzeit einiges durch und ich muss ihr unbedingt Hilfe verschaffen; das
schulde ich ihr. Ich kann sie sich nicht selbst überlassen. Doch mir gefällt es
nicht, dass auch Anastasia nun in die Sache hereingezogen wurde. Ich weiß, dass
sie ziemlich eifersüchtig werden kann. Sie ist bereits eifersüchtig auf Elena,
und jetzt auch auf Leila, die sogar schon zu ihr auf Arbeit gekommen ist, um
sie zu treffen. Ich wollte dieses Problem bereits lösen, bevor es so weit hätte
kommen können. Meine oberste Priorität zurzeit ist Leila zu finden und ihr Hilfe
zu beschaffen und natürlich den Schaden bei Anastasia so gering wie möglich zu
halten.
„Geh ins Bett“, weise ich Anastasia an und mache
mich auf den Weg zu Taylor. Dieser wartet stoisch in meinem Büro.
„Taylor, was haben Sie gefunden?“
„Keine Spur von ihr, Sir.“
„Glauben Sie, dass sie das Haus betreten hat?“
„Wir haben keinerlei Einbruchsspuren gefunden,
Sir. Wir haben das Apartment zweimal durchsucht. Keine Spur. Ich habe mir die
Farbe auf dem Auto angesehen. Sie wurde auf Öl-Basis hergestellt, Sir, und sie
ist weiß, das bedeutet, dass sie schnell trocknet. Der Luftfeuchtigkeit in
Seattle nach zu urteilen, würde ich sagen, dass die Farbe etwa vor 3 Stunden
oder auch etwas mehr auf Miss Steeles Auto gekippt wurde. Sie könnte schon über
alle Berge sein“, sagt er und ich nicke. Taylor sieht besorgt aus.
„Aber?“ hake ich nach und meine Augenbrauen
kräuseln sich. Taylors Instinkte versagen nie und ich bin ganz aufmerksam.
„Sie hat diese Fähigkeit uns immer zu entwischen,
Sir. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie Ihnen oder Miss Steele auf
irgendeine Art und Weise folgt. Sie hat dafür gesorgt, dass wir alle weg sind,
als sie den Schaden angerichtet hat. Ihr Timing ist bestimmt kein Zufall. Sie
wusste, dass wir weg sind und sie hat sicherlich vermutet, dass es für längere
Zeit ist, da wir alle so schick angezogen waren. Das hat ihr die nötige Zeit
gegeben, einen Plan zu schmieden, Farbe zu besorgen, das Auto zu verunstalten
und die Reifen zu zerstechen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass sie nicht weit
weg vom Escala ist. Aber ‚wo‘ ist die Frage. Es ärgert mich,
dass wir sie noch nicht finden konnten“, sagt er und verlagert nervös sein
Gewicht vom einen auf den anderen Fuß.
„Was noch?“ frage ich mit entschiedener Stimme.
„Entschuldigung, Sir?“
„Taylor, Sie arbeiten seit vier Jahren für mich.
Sie kennen mich gut und ich habe gelernt, sie wie ein Buch zu lesen. Sie und
ich können mit einem einzigen Blick kommunizieren. Da ist noch etwas anderes.
Ich möchte wissen, was das ist!“ Er nickt.
„Ich denke bereits darüber nach, seitdem sie
hergekommen ist und vor Gail eine Szene gemacht hat. Leila hat ihre Taktik
geändert. Zuerst wollte sie nur Ihre Aufmerksamkeit. Jetzt schenken Sie ihr
Ihre Aufmerksamkeit. Nun möchte Sie Ihnen zeigen, was sie alles kann. Sieh den
Schmerz, den ich verursachen kann, erwäge, was noch kommen kann. Für sie ist es
wie ein Katz und Maus Spiel. Ich bin mir bloß nicht sicher, ob sie die Katze
oder die Maus ist! Sie spielt beides. Und dann ist da noch die Tatsache, dass
sie unsäglichen Kummer in sich trägt. Darüber mache ich mir auch Sorgen, weil
es sie labil macht. Es interessiert sie nicht, was passiert. Das bereitet mir
große Sorgen. Aber sie ist stabil genug, um einen Plan zu schmieden, egal wie
übereilt und spontan dieser auch sein mag.“ Anastasias angsterfülltes Gesicht
kommt mir wieder in den Sinn. Ich schließe meine Augen und atme tief ein. Die
letzten paar Stunden, seitdem Elena uns mit ihrer Scheiße belastet hat, waren
grauenhaft.
Ich hätte gedacht, Anastasia würde weglaufen,
nachdem mir Taylor von der Begegnung erzählt hatte. Glücklicherweise hat Elena
nicht das ausgeplaudert, wovor ich mich gefürchtet habe. Auch die Zeit, in der
sie mit Dr. Flynn getanzt, hat mich beunruhigt. Aber John ist professionell und
schließlich bezahle ich ihn gut. Er breitet die Belange seiner Patienten nicht
vor deren Nahestehenden aus.
„Mittlerweile sind sie zu viert und können
viermal so viel Kraft aufwenden, um sie zu finden, Taylor. Ich möchte nichts
dem Zufall überlassen. Sawyer wird Anastasia überall hin folgen. Ihre
Sicherheit hat oberste Priorität. Leila muss unbedingt gefunden werden. Finden
Sie heraus, ob sie zu Freunden, die hier leben oder ihrer Familie im Osten,
Kontakt aufgenommen hat. Ich habe genug andere Dinge, über die ich mir Sorgen
machen muss. Dieses Problem muss schnellstmöglich gelöst werden!“ sage ich.
Taylor nickt stoisch.
„Wenn Sie mich nicht mehr brauchen, Sir, würde
ich jetzt gern in mein Büro gehen und die anderen auf den neusten Stand
bringen.“
„In Ordnung“, sage ich kurz und Taylor verlässt
mein Büro.
Ich fahre mir mit den Händen durchs Haar. Wo
könnte Leila sein? Was will sie von Anastasia? Ich hatte vor und auch noch nach
ihr andere Subs. Warum Anastasia? Mein Telefon klingelt und durchbricht die
nächtliche Stille in meinem Büro. Ich zucke zusammen. Wer zum Teufel ruft mich
mitten in der Nacht an? Ist das ein weiterer verdammter Notfall? Als hätte ich
diese Nacht nicht schon genug davon gehabt.
Ich blicke auf mein Telefon und sehe, dass es
Elena ist. Großartig! Diese Nacht wird immer besser!
„Was?“ blaffe ich ohne weiteres ins Telefon. Sie
ist überrascht von mir zu hören.
„Oh, Christian, ich habe nicht gedacht, dass du
noch wach sein würdest. Es tut mir leid, dass ich so spät anrufe.“
„Also, ich bin wach und bin stinksauer auf dich!
Ich habe dir gesagt, dass du Anastasia in Ruhe lassen sollst und was tust du? Hinter
meinem Rücken gehst du zu ihr und hinterlässt ihr eine Nachricht, wohlwissend,
dass ich davon erfahren werde! Was wolltest du ihr damit sagen? Welche
Informationen, die ich ihr nicht selbst geben kann, wolltest du ihr geben?“ Ich
merke, wie sie am anderen Ende der Leitung erschaudert.
„Uhm … ich wollte mit dir sprechen“, sagt sie.
„Um zwei Uhr nachts? Ich weiß nicht, warum du
mich um diese Zeit sprechen musst. Ich habe dir nichts zu sagen …“, ich koche
vor Wut. Nicht nachdem sie hinter meinem Rücken Kontakt zu Anastasia
aufgenommen hat, obwohl ich ihr gesagt habe, sie soll sie in Ruhe lassen. Ich
hasse es, wenn Leute mich hintergehen.
„Ich weiß, wie spät es ist. Ich dachte, du
würdest schlafen und ich wollte dir eine Nachricht hinterlassen. Ich kann morgen
noch einmal anrufen, wenn du möchtest …“
„Du kannst es mir auch jetzt sagen. Du musst mir
keine Nachricht hinterlassen.“
„Ich wollte nicht, dass Anastasia so schlecht von
mir denkt. Sie kennt die Grundfehden unserer Beziehung nicht. Und sie hat mich
falsch eingeschätzt. Es ärgert mich, dass sie mich als pädophil betrachtet. Du
weißt, dass ich das nicht bin, Christian! Ich wollte dir nur helfen und das
waren die einzigen Mittel, die ich kannte! Und ich werde es nicht hinnehmen,
dass Anastasia dich verletzt! Hör mir zu, Christian … sie hat das Potenzial
dich ziemlich schlimm zu verletzen!“ sagt sie, aber ich unterbreche sie.
„Nein, hör du lieber mir zu. Zuerst habe ich dich
gebeten und jetzt werde ich mich noch einmal klar und deutlich ausdrücken. Lass
sie in Ruhe! Sie hat nichts mit dir zu tun. Verstehst du?” sage ich mit
bedrohlicher Stimme.
„Christian, bitte. Du bist mir ungemein wichtig!”
fleht sie mich an.
„Ich weiß, dass ich dir wichtig bin. Aber ich
meine es ernst, Elena. Lass sie in Ruhe. Muss ich es dir noch ein drittes Mal
sagen?“
„Du hast schon genug durchgemacht, Christian! Du
weißt gar nicht, was sie dir alles antun kann, sollte sie dich noch einmal
verletzen. Ich weiß, dass du es nicht ertragen könntest. Ich habe das dringende
Bedürfnis, dich zu beschützen!“
„Hörst du mich?“ frage ich aufgebracht.
„Ja. Ist ja gut! Ich werde sie in Ruhe lassen“,
sagt sie resigniert.
„Gut. Gute Nacht!“ Ich knalle das verdammte
Telefon auf meinen Schreibtisch.
Die Wut bahnt sich ihren Weg durch meinen Körper;
Ich bin kurz davor, irgendetwas zu zerbrechen. Ich lege meinen Kopf in meine
Hände. Ich habe mein Limit erreicht. Ich hasse es, wenn andere sich in mein
Leben einmischen. Leila tut es, weil sie wegen ihrem Kummer das Gefühl hat,
sich an mir rächen zu müssen und Elena tut es, weil sie ein falsches Verlangen
hat, mich beschützen zu müssen! Und dann ist da noch Anastasia, die sich
inmitten dieses Shitstorms befindet und ich habe solche Angst, dass sie mich
wegen dieser ganzen Probleme verlassen wird. An meiner Tür klopft es leise. Wer
zum Teufel ist das denn jetzt?
„Was?“ knurre ich wie ein wütendes Biest, das
bereit ist, alles und jeden hinter dieser Tür mit einem einzigen gigantischen
Bissen zu verschlingen. Langsam öffnet
sich die Tür. Ich blicke auf und sehe einen Schimmer des Himmels mitten in
meiner persönlichen Hölle. In diesem Moment, als ich ihre blauen, spähenden
Augen erblicke, finden mein Gesicht und meine Seele Trost. Ich will nicht, dass
sie sich vor mir fürchtet. Ich bin nun ganz behutsam. Ich bin so verdammt müde
und erschöpft. Ich möchte einfach nur mein Mädchen halten und in diesem
Hurrikan zur Ruhe kommen.
Als sich mein Verstand langsam beruhigt, blinzele
ich, um das auszulöschen, was mich die ganze Zeit geärgert hat und blicke auf
die Schönheit vor mir. Anastasia trägt eines meiner T-Shirts und sieht darin
aus wie ein Teenager.
„Du solltest dich in Satin und Seide kleiden,
Anastasia“, sage ich völlig außer Atem, als hätte ich an einem Marathon
teilgenommen. „Aber auch in meinem T-Shirt bist du wunderschön.“ Sie wird rot
und ihre Wangen werden von dieser reizenden Farbe geziert.
„Du fehlst mir. Komm ins Bett“, flüstert sie
sanft. Ihre Stimme ist wie ein Lockruf, wie der Ruf einer Sirene.
(Bliss by Muse)
Ich kann
dem Drang nicht widerstehen, erhebe mich von meinem Stuhl und gehe auf sie zu. Meine
Augen sind voller Versprechungen und Begierde für sie, aber sie sind dennoch
von dieser übriggebliebenen Tristesse getrübt, die die Ereignisse dieses Abends
hinterlassen habe. Sie ist wie mein Kerzenlicht in der dunkelsten Ecke meiner
Seele. Sie ist der einzige Funke Hoffnung, auf den ich mich konzentrieren kann.
Ich fühle mich zu ihr hingezogen und ohne sie bin ich verloren. Wenn man wie
ich in der Dunkelheit geboren wurde, wird sie zu deinem Begleiter. Das ist
alles, was man dann kennt. Es ist aber angenehm, da man nichts anderes kennt.
Und die Rettungsversuche waren allesamt erfolglos. Mein Körper hat sich
möglicherweise aus dieser Dunkelheit befreit, aber meine Seele nicht. Nicht,
bis ich dieses kleine Fünkchen Licht gesehen habe. Es war nicht stark, nur ein
Punkt in der Dunkelheit, der nach mir gerufen hat, mich leise zu ihm geführt
hat. Ich bin hilflos, aber ich bin dennoch zu diesem kleinen Kerzenschein
gegangen. Als ich es erreicht habe, hat es mich verzehrt, mich in seiner Gewalt
gehalten und mir nur Gutes versprochen, mich aus dem Käfig der Dunkelheit
gezogen und mich mit seinem Licht vereint. Genauso mühelos befreit sie mich von
meinen dunklen Gedanken, meiner Wut und meinem Elend.
„Weißt du, wie viel du mir bedeutest?“ murmele
ich kaum hörbar und versuche meine Angst, sie zu verlieren, zu verstecken. „Wenn
dir durch meine Schuld etwas zustoßen würde …“, Den Rest meiner Gedanken kann
ich nicht mehr in Worte fassen; es ist einfach zu schmerzhaft, sich solch einen
Gedanken vorzustellen. Ich versuche meinen Kummer unter Kontrolle zu halten,
indem ich meine Stirn runzele, aber der Schmerz ist allgegenwärtig. Ich habe
schon einmal fast verloren, als sie sechs Tage lang weg war, und jetzt war sie
nur 10 Minuten entfernt von mir. Wenn irgendetwas passiert wäre und Anastasia
und ich nicht mehr im selben Universum existieren würden, würde ich schlichtweg
vor Qual sterben! Ich würde meine nun schon zur Hälfte zurückerlangte Seele
verlieren. Ich brauche sie mehr als meinen nächsten Atemzug! Sie ist mir zu wichtig.
Ich bin kaum in der Lage sie anzusehen, als würde sie jeden Moment vor meinen
Augen verschwinden, einfach verdampfen.
„Mir passiert schon nichts“, sagt sie mit
beruhigender, melodischer Stimme und versucht mich zu beschwichtigen, obwohl
sie doch selbst so zerbrechlich ist. Sie sieht mich an und ich erkenne die
Liebe in ihrem Blick, während sie ihre Hände ausstreckt, um sanft über mein
Gesicht zu streichen. Sie fährt mit ihren Fingern durch meinen einen Tag alten
Bart auf meinen Wangen.
„Dein Bart wächst schnell“, flüstert sie und
führt mich damit aus der Gefahrenzone.
Ihr Zeigefinger streicht so sanft wie immer über
meine Unterlippe, ehe sie mit ihrem Nagel ganz wenig Druck aufbringt und die
Linie meiner Lippen nachzeichnet. Ihre Finger wandern zu meiner Kehle hinab.
Dann verwendet sie zwei Finger für dieselbe Aufgabe. Dann drei. Und dann vier. Ihre
Finger wandern über meine Kehle zu meinem Hals und an der Grenze zu meiner
verbotenen Zone entlang. Meine Augen sind weit aufgerissen, während ich auf sie
hinab sehe, von ihrem Zauber gefangen bin. Sie fasst mich wirklich an. Ich bin
ganz reglos. Ein Mond, der seinen Planeten umkreist. Völlig gefesselt. Ihre
Finger erreichen schließlich meinen Hemdkragen und wandern die Linie der Knöpfe
langsam und gemächlich auf und ab.
„Ich werde dich nicht anfassen. Ich will nur dein
Hemd aufknöpfen“, flüstert sie, beruhigt mich und lindert meine Ängste.
(By Your Side by Tenth Avenue North)
Ich kann nicht. Es ist immer noch schwer für mich. Meine Augen
werden noch größer vor Angst, aber ich möchte in ihrer Nähe bleiben. Ich stehe
reglos da und ich will sie meinen Körper erkunden lassen. Langsam und zögernd
öffnet sie den obersten Knopf und zieht dabei den Hemdkragen und den Stoff von
meiner Haut weg, sorgfältig darauf bedacht, mich nicht zu berühren. Sie
wiederholt diesen Prozess beim zweiten Knopf. Mein Blick ruht gebannt auf ihr.
Wie Ikarus zur Sonne. Immer noch ängstlich, aber nicht in der Lage dem Sog zu
entkommen. Ich bin ihren Händen schonungslos ausgeliefert. Sie öffnet einen
weiteren Knopf. Dann noch einen. Sie ist ganz auf ihre Aufgabe konzentriert.
Als sie auch diesen geöffnet hat, wendet sie sich den nächsten in der Reihe zu.
Sobald sie diesen geöffnet hat, kommt die restliche Lippenstiftlinie zum
Vorschein. Sie lächelt und blickt zu mir auf.
„Zurück auf vertrautem Gebiet“, sagt sie und zeichnet
weiter die Linie mit den
Fingern nach, bevor sie den letzten Knopf öffnet.
Mein Atem geht nur noch ganz flach. Warum zur Hölle ist das so beängstigend und
heiß zugleich? Dann zieht sie das Hemd aus meiner Hose, zieht es völlig
auseinander und entblößt damit meine Brust. Sie entfernt die Manschettenknöpfe,
eine sexy, sinnliche Bewegung auf einmal.
„Darf ich dir aus dem Hemd helfen?“, fragt sie
mit leiser, begieriger, sinnlicher Stimme. Ich bin sprachlos; solch Obszönität,
ganz aufmerksam. Ich kann nur noch nicken. Sie streckt sich und zieht das Hemd
über meine Schultern. Mein Hemd hängt nur noch an meinen Händen, die ich mit
einem Zug befreie. Nun bin ich von der Hüfte aufwärts nackt. Das ist nun wieder
vertrautes Gebiet für mich. Ich bin wieder in meinem Element und grinse auf
Anastasia herab.
„Was ist mit meiner Hose, Miss Steele?“ frage ich
süffisant.
„Im Schlafzimmer. Ich will dich in deinem Bett“,
sagt sie mit verheißungsvoller Stimme.
„Tatsächlich? Miss Steele, Sie sind wirklich
unersättlich“, sage ich vergnügt.
„Warum wohl?“ sagt sie unschuldig, greift nach
meiner Hand und übernimmt damit die Führung. Sie führt mich weg von dem ganzen
Elend, dass sich meterhoch in meinem Büro stapelt und führt mich ins
Schlafzimmer. Automatisch merke ich,
dass irgendetwas anders ist. Es ist kalt. Normalerweise halten wir die
Temperatur im Apartment konstant. Mein Blick wandert zügig durch den Raum und
ich bemerke schließlich die geöffnete Balkontür. Ich runzele die Stirn und
blicke Anastasia fragend an.
„Du hast die Balkontür aufgemacht?“ frage ich.
„Nein“, antwortet sie genauso überrascht wie ich.
Dann ändert sich ihr Gesichtsausdruck. Das Blut weicht aus ihrem Gesicht, sie
wird blass, kreidebleich. Ihr Mund öffnet sich. Was ist passiert? Was
beschäftigt sie?
„Was?“ blaffe ich und kann die Ungewissheit kaum
ertragen. Ich starre sie an.
„Als ich aufgewacht bin“, sagt sie, hält inne und
versucht sich zu erinnern, „war jemand hier drin“, flüstert sie und zeigt zum
Ende des Bettes. „Ich dachte, ich hätte mir das bloß eingebildet.“
„Was?“ brülle ich entsetzt. Ich haste zur
Balkontür, sehe hinaus und suche die Umgebung nach irgendeinem Anzeichen ab.
Sie ist hier. Irgendwo in der Nähe! Und verdammt! Sie war in meinem
Schlafzimmer, während mein Mädchen dort geschlafen hat! Fuck! Sie hätte sie
verletzen können. Ich gehe zurück in den Raum und verschließe die Tür. „Bist du
sicher? Wo?“ frage ich mit verzerrter Stimme. Angespannt blicke ich ihr in die
Augen.
„Ich glaube, eine Frau. Es war dunkel, und ich
war noch im Halbschlaf“, erklärt sie. Meine Ängste haben sich bestätigt. Leila
ist hier irgendwo.
„Zieh dich an“, herrsche ich sie an. „Auf der
Stelle!“ schreie ich und sie springt.
„Meine Sachen sind oben“, jammert sie.
Ich gehe zu meiner Kommode und ziehe eine meiner
Jogginghosen heraus.
„Zieh die an“, befehle ich ihr.
Dann ziehe ich eines meiner T-Shirts hervor und
ziehe es an. Ich greife nach dem Telefon und wähle Taylors Nummer. Er antwortet
nach dem ersten Klingeln.
„Verdammt, sie ist hier“, zische ich, bevor er
überhaupt ‚Hallo‘ sagen kann.
(Dangerous by
Michael Jackson)
Taylor knallt das Telefon hin und ist wenige Sekunden später, gefolgt
von Ryan, in meinem Schlafzimmer.
In wenigen Worten erkläre ich ihm, was passiert
ist; wie Leila hier in meinem Schlafzimmer war und wie wir die Balkontür offen
vorgefunden haben. Taylor ist ganz professionell. „Wie lange ist das her?“, fragt
er Anastasia.
„Etwa zehn Minuten“, sagt sie und klingt schwach.
„Sie kennt die Wohnung wie ihre Westentasche“,
sage ich. „Ich bringe Anastasia weg. Sie versteckt sich hier irgendwo. Finden
Sie sie. Wann kommt Gail wieder?“ frage ich.
„Morgen Abend, Sir.“
„Sie darf keinen Fuß in die Wohnung setzen, bevor
diese nicht gründlich überprüft ist. Verstanden?“ blaffe ich und verliere fast
den Verstand.
„Ja, Sir. Wollen Sie nach Bellevue?“
„Ich werde meine Eltern nicht in die Sache
hineinziehen. Reservieren Sie irgendwo was für mich“, weise ich ihn an.
„Ja. Ich gebe Ihnen telefonisch Bescheid.“
Dann dreht sich Anastasia zu mir und sagt das
Idiotischste überhaupt.
„Reagieren wir nicht alle ein bisschen über?“
Meine Augen glühen wie Asche und wenn ich damit
Feuer schießen könnte, würde ich es vermutlich tun. Ich starre sie an und kann
meine Wut kaum verbergen. „Sie könnte eine Waffe haben«, knurre ich. Glaubt
sie, ich würde ihr Leben aufs Spiel setzen?
„Christian, sie stand am Fußende des Bettes und
hätte mich ganz leicht erschießen können, wenn sie das gewollt hätte.“
Einatmen. Ausatmen. Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf.
Sechs. Sieben. Acht. Neun. Zehn. Scheiße! Es funktioniert nicht.
„Ich bin nicht bereit, das Risiko einzugehen. Taylor,
Anastasia braucht Schuhe!“ Taylor macht sich auf den Weg, um Schuhe aus ihrem
Zimmer zu holen.
Zügig gehe ich zu meinem Kleiderschrank und lasse
Anastasia unter Ryans wachsamen Augen und seinem Schutz. Ich hole eine
Kuriertasche aus Leder hervor und fülle sie mit Sachen, die ich in den nächsten
Tagen tragen könnte. Ich nehme auch meine Jeansjacke, die Anastasia tragen
kann. Ich ziehe meine schwarze Anzughose aus, meine Jeans und ein
Nadelstreifenjackett über mein weißes T-Shirt. Ich greife nach der Kuriertasche
und der Jeansjacke und gehe zurück ins Schlafzimmer. Anastasia steht noch immer
an derselben Stelle. Ich lege ihr die Jeansjacke um die Schultern.
„Komm“, sage
ich, nehme ihre Hand besitzergreifend in meine und gehe mit schnellen
Schritten, sodass ich Anastasia quasi hinter mir her ziehe.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich
hier irgendwo versteckt hält“, murmelt sie, während sie noch einen Blick auf
die Balkontür wirft.
„Es ist eine große Wohnung. Du weißt nicht, wie
groß.“
„Warum rufst du sie nicht einfach … und sagst
ihr, dass du mit ihr reden möchtest?“ fragt Anastasia.
„Anastasia, sie ist psychisch labil und hat
möglicherweise eine Waffe“, sage ich. Warum sollte ich dieses Risiko eingehen?
„Das heißt, wir laufen einfach weg?“ fragt sie
ungläubig.
„Erst einmal – ja.“
„Angenommen, sie versucht, Taylor zu erschießen?“
fragt sie besorgt.
„Taylor kennt sich mit Waffen aus“, sage ich
missbilligend. „Er ist allemal schneller als sie.“
„Ray war beim Militär. Er hat mir das Schießen
beigebracht.“
Ich
drehe mich um und sehe Anastasia fassungslos an. Ein weiterer Waffenliebhaber
in meinem zu Hause?
„Du
mit einer Waffe?“ frage ich entsetzt. Das habe ich nicht gewusst.
„Ja“, sagt sie
beleidigt, als hätte ich gesagt, dass sie einer Waffe nicht würdig oder
unfähig wäre. Gewissermaßen kann ich mir eine Waffe in ihren reizenden Händen
auch nicht vorstellen. Diese Neuigkeit muss ich erst einmal verdauen. „Ich kann
schießen, Mr. Grey, also nehmen Sie sich vor mir in Acht. Sie müssen sich nicht
nur über verrückten Exsubs Gedanken machen.“
Es
ist süß, dass meine Freundin nicht komplett hilflos ist. „Das werde ich im
Hinterkopf behalten, Miss Steele“, antworte ich trocken und lächele sie an.
Ihre Hartnäckigkeit und ihre unbeirrte Art sind einfach ohnegleichen.
Als
wir das Foyer erreichen, wartet Taylor dort mit einem kleinen Koffer mit
Anastasias Sachen und ihren schwarzen Converse Sneakers in der Hand. Ein
schüchternes Lächeln breitet sich auf Anastasias Gesicht aus und kurz darauf
bringt ihre persönliche Aura auch Taylor zu einem beschwichtigenden Lächeln.
Sie lässt meine Hand los, geht zu Taylor und umarmt ihn. Taylor sieht plötzlich
ganz verlegen aus und wird rot.
„Seien Sie vorsichtig“, murmelt Anastasia
besorgt.
„Ja, Miss Steele“, ist das einzige, was Taylor
hervorbringt. Ich mag es nicht, wenn meine Freundin anderen gegenüber ihre
Zuneigung zeigt, selbst wenn es nur ist, weil sie sich Sorgen macht. Sie gehört
mir, verdammt noch mal! Ich blicke Taylor abschätzend an und dieser zupft nervös
und verlegen seine Krawatte zu Recht.
„Sagen Sie mir, wo ich hinmuss“, sage ich zu
Taylor. Er holt seine Brieftasche aus seinem Jackett, zieht seine Kreditkarte
hervor und gibt sie mir. Er wird das Hotel unter seinem Namen buchen.
Großartige Idee.
„Gut mitgedacht“, sage ich anerkennend.
Ryan betritt das Foyer und wendet sich Taylor zu,
„Sawyer und Reynolds haben nichts gefunden“, erklärt er. Die Wohnung ist
sicher, aber ich werde kein Risiko eingehen. Die Schlösser müssen ausgetauscht
werden, bevor wir zurückkönnen.
„Begleiten
Sie Mr. Grey und Miss Steele zur Garage“, weist Taylor Ryan an.
Die Fahrt in
die Tiefgarage ist still, fast schon unheilbringend. Es ist mitten in der
Nacht. In der Garage befindet sich keine Menschenseele, da alle Bewohner des
Escalas schlafen. Es ist schließlich 3:00 Uhr. Ich führe Anastasia zu meinem R8
und stelle ihren Koffer und meine Tasche in den Kofferraum. Ich kann Anastasia
den Anblick ihres zerstörten Autos leider nicht ersparen. Die Reifen ihres
Audis sind zerstochen, er ist von weißer Farbe überzogen. Laut Taylor wurde
diese Farbe auf Öl-Basis hergestellt und nun verunstaltet sie das Auto. Es
sieht so aus wie ein Missbrauchsopfer, dass unwiderruflich von einem
verachteten Liebhaber zerstört wurde. Der Anblick lässt mich erschaudern. Ist
es das, was Leila mit Anastasia anstellen will? Sie unwiderruflich zerstören?
Wut steigt in mir auf. Ich wende meinen Blick vom Auto ab und steige in mein
Auto.
„Am Montag wird ein neues Auto geliefert“, sage
ich beschwichtigend zu Anastasia, aber ich kann den grimmigen Ton in meiner
Stimme nicht verbergen.
„Woher konnte sie wissen, dass das mein Wagen
ist?“ fragt Anastasia ratlos.
Oh, nein! Ich muss es ihr erklären! Ich rutsche
nervös auf meinem Sitz hin und her und entscheide mich für die Wahrheit.
„Sie hatte auch einen Audi A3. Das Modell kaufe
ich all meinen Sklavinnen – es ist eines der sichersten seiner Klasse“,
versuche ich ihr zu erklären.
Anastasia blinzelt. Sie ist zu schlau, ich kann
ihr einfach nichts vormachen.
„Dann war er also doch kein richtiges Geschenk
zum Abschluss“, stellt sie korrekterweise fest.
„Anastasia, meinen Hoffnungen zum Trotz bist du
nie meine Sub gewesen, also handelt es sich faktisch um ein Abschlussgeschenk“,
sage ich, als ich das Auto aus der Parkbucht lenke und zum Ausgang fahre. Ihr
Ausdruck fällt in sich zusammen. Ich kann erkennen, wie sie nachdenkt. In ihrem
Blick flackern die Ausdrücke und in ihrem Kopf rattert es.
„Machst du dir nach wie vor Hoffnungen?“ fragt
sie ganz leise.
Ich habe nicht die Möglichkeit ihr zu antworten.
Glücklicherweise klingelt in diesem Moment das Telefon über das Bluetooth
System im Auto.
„Grey“, blaffe ich zur Antwort.
„Fairmont Olympic. Auf meinen Namen“, sagt Taylor
und kommt direkt auf den Punkt.
„Danke, Taylor. Und Taylor, seien Sie
vorsichtig.“ Taylor hält inne. Es ist diese
‘Ich-bin-zu-schockiert-und-weiß-nicht-wie-ich-mit-der-Besorgnis-von-Grey-umgehen-soll‘-Stille.
Er ist überrascht, dass ich mich um sein Wohlergehen sorge.
„Ja, Sir“, sagt er leise und überwältigt. Ich
lege auf.
Zu dieser unheilbringenden Stunde, ist es
menschenleer auf den Straßen. Ich fahre die Fifth Avenue in Richtung der I-5
entlang. Als ich auf die Schnellstraße auffahre, drücke ich das Gaspedal durch
und fahre Richtung Norden. Ich bin unglaublich wütend. Was wäre, wenn Leila die
Geduld verloren hätte, als sie Anastasia im Bett liegen sah und auf sie
geschossen hätte? Meine Gedanken wandern zu unserem letzten Tag zurück. Ich
habe Leila dafür bestraft, dass sie in der Nacht davor in mein Bett gekommen
ist. Ich habe auf ihr Verhalten wie auf die Beulenpest reagiert. Das war auch
der Tag, an dem sie, nach mehreren Hinweisen und Zeichen, erklärt hat, dass sie
meine Freundin sein möchte. Ich habe sie abgewiesen. Ich wollte nie eine
Freundin. Ich habe nie das Verlangen verspürt, jemanden für immer in meinem
Leben halten zu wollen. Nicht bis ich Anastasia kennengelernt habe!
(No Ordinary Love by Sade)
Meine
Gefühle für sie sind so stark, dass sie mir Angst machen. Die Angst, sie zu
verlieren, ist mein schlimmster Albtraum. Ich werde alles in meiner Macht
stehende tun, um das zu verhindern.
Gott! Vor meinem geistigen Auge sehe ich, wie
Anastasia in der Dunkelheit schläft und sich ihrer Umgebung völlig unbewusst
ist. Sie ist hilflos. Ich befinde mich im selben Haus mit vier
Sicherheitsleuten, die bereits beim Militär waren und um Himmels willen, hätte
sie erschossen werden können! Verdammt! Mein Blick wandert zum Rückspiegel.
Folgt Leila uns? Ich werde so unruhig, als hätte ich zehn doppelte Espresso
getrunken!
Mein Blick ruht auf der Straße, aber ich sehe,
dass Anastasia aus dem Fenster blickt und sich die Traurigkeit in ihr ausbreitet,
da ich ihre Frage noch immer nicht beantwortet habe. Ich weiß, dass sie sich
Sorgen macht, dass ich sie immer noch als Sub will. Schließlich antworte ich
auf ihre Frage.
„Nein. Darauf mache ich mir keine Hoffnungen
mehr. Ich dachte, das wäre klar“, antworte ich mit sanfter, beruhigender
Stimme.
Sie dreht sich um und sieht mich an. Ihr Blick
ruht auf mir, sie sagt aber kein Wort. Sie zieht ihre Jacke enger um sich, als
würde sie sich dafür schützen, auseinander zu fallen. Kälte breitet sich zwischen
uns aus.
„Ich habe Angst, dass … ich dir nicht genüge.“
Gott! Nicht schon wieder! Nicht heute Nacht!
Nicht nach all der Scheiße, die wir in den letzten paar Stunden durchgemacht
haben.
„Du bist mehr als genug. Um Himmels Willen,
Anastasia! Wie soll ich dir das noch beweisen?“
Ein paar
unausgesprochene Emotionen huschen über ihr Gesicht.
„Warum hast du befürchtet, dass ich dich verlasse,
als ich dir vorgeflunkert habe, Dr. Flynn hätte mir alles über dich erzählt?“
Wie soll ich ihr erklären, dass meine Seele so
lange in einem Käfig gefangen war? Sie das Licht nicht gesehen hat, bis ich sie
gefunden habe! Was glaubt sie denn, wie eine Person so abgefuckt werden kann,
wie ich? Meine Probleme sind tief in meiner Seele verankert. Was du siehst, ist
nicht gleich das, was du auch bekommst. Du bekommst nämlich eine ganze
Wagenladung an Problemen mitserviert. Dinge, für die ich mich so sehr schäme,
dass ich sie nicht ausspreche … die so dunkel sind. Sie wird vor mir weglaufen
und das ist etwas, womit ich nicht umgehen kann! Das kann ich ihr einfach nicht
erzählen. Ich seufze, als wäre in meinen Lungen nicht genug Luft für den
nächsten Atemzug. Ich blicke nach draußen. Sie sieht mich immer noch an. Sucht
nach einer Antwort.
„Du hast keine Ahnung, wie verdorben ich bin,
Anastasia. Und du sollst es auch nicht erfahren“, sage ich. Sie sollte mir so
viel Freiheit geben.
„Meinst du wirklich, ich würde dich verlassen,
wenn ich es wüsste?“ fragt sie mit hoher Stimme. Ihr Ton verrät mir, was sie
denkt – ‚Vertraust du mir wirklich so wenig?‘
„Hast du so wenig Vertrauen zu mir?“ fragt sie
leise.
„Ich weiß, dass du gehen würdest“, sage ich und
kenne meine eigenen verdammten Geheimnisse gut genug.
(When You’re Gone by the Cranberries)
„Christian, das glaube
ich nicht. Ich kann
mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen.“
„Du hast mich schon einmal verlassen – das möchte
ich nicht wieder erleben.“ Niemals!
„Elena hat gesagt, sie hätte sich letzten Samstag
mit dir getroffen“, flüstert sie. beschuldigend.
„Das stimmt nicht!“ Ich runzele die Stirn.
„Du bist also, nachdem ich dich verlassen hatte,
nicht zu ihr gegangen?“ Verdammt, Ana! Du glaubst einer Frau, die du
verabscheust, aber mein Wort ist dir nicht genug?
„Nein“, zische ich zurück. „Das habe ich dir doch
schon gesagt. Ich mag es nicht, wenn jemand meine Aussagen anzweifelt“, tadele
ich sie. „Ich bin letztes Wochenende nirgendswohin gegangen. Ich habe zuhause
den Segelflieger von dir zusammengebaut und ziemlich lange dazu gebraucht“,
sage ich leise. Es war ein Tag, an dem mir mein Herz und meine Seele geraubt
wurden. Ich war zerbrochen. Warum sollte ich zu Elena gehen? Ich wollte da
sein, wo ich Anastasia am nächsten sein konnte. Und zu diesem Zeitpunkt war der
Segelflieger, den sie mir hinterlassen hat, dass was ihren Händen, ihrem
Herzen, ihren Gedanken und ihrer Seele am nächsten war.
Sie sieht mich immer noch zweifelnd an.
„Elena denkt, ich würde mit all meinen Problemen
zu ihr laufen, aber das stimmt nicht, Anastasia. Ich laufe zu niemandem. Dir
dürfte aufgefallen sein, dass ich mich nicht jedem öffne“, sage ich und die Wut
packt meine Seele und ich umklammere das Lenkrad so fest, dass das Blut aus
meinen Händen weicht.
„Carrick hat mir erzählt, dass du zwei Jahre lang
nicht gesprochen hast“, gibt sie preis.
„Hat er das?“ sage ich. Kann er denn gar kein
Geheimnis für sich behalten?
„Ich hab ihn ausgefragt“, gibt sie zu.
„Und was hat Daddy noch gesagt?“ frage ich, um
herauszufinden, was sie noch alles entdeckt hat.
„Er hat gesagt, dass deine Mom Dienst hatte, als
man dich damals ins Krankenhaus gebracht
hat.“
Das ist natürlich alles richtig, aber ich bin
völlig verblüfft, wie sie solche Informationen über mich so bereitwillig
preisgeben können.
„Und dass das Klavierspielen und Mia dir geholfen
haben“, fügt sie hinzu.
Mia. Meine Schwester war das Beste was mir in
dieser Zeit passieren konnte. Ihr Name zaubert ein Lächeln auf meine Lippen.
Ich erinnere mich wie klein sie war. Wie hilflos … sie war jemand, der mich
brauchen konnte. Ich konnte sie beschützen. „Sie war ungefähr
sechs Monate alt, als sie zu uns gekommen ist.
Ich war begeistert, Elliot weniger. Der hatte sich ja schon mit mir
auseinandersetzen müssen. Sie war einfach perfekt.“ Niedlich, liebenswürdig.
Ein Baby! Ich habe sie von dem Moment, als ich sie das erste Mal gesehen habe,
geliebt. Aber als ich mich an ihre ‚Unterbrechungen‘ von gestern erinnere, füge
ich hinzu, „Jetzt ist sie das natürlich nicht mehr.“ Daraufhin kichert
Anastasia. Einer der besten Klänge der Welt! Friedlich! Glücklich!
Ich blicke sie neckend an, „Sie finden das
amüsant, Miss Steele?“
„Bei dem Fest wollte sie uns unbedingt
auseinanderbringen“, antwortet sie.
Ich lache. „Ja, das kann sie ziemlich gut. Aber
am Ende haben wir es doch noch geschafft“, sage ich, während ich meine Hand
ausstrecke und ihr Knie drücke, um sie daran zu erinnern, wie viel Spaß es
gemacht hat, das Endziel zu erreichen. Dieses Mal ist mein Lächeln echt. Ich
werfe einen Blick in den Rückspiegel, um sicherzugehen, dass uns niemand folgt.
„Ich glaube nicht, dass uns jemand folgt“, sage
ich und fahre von der Autobahn ab und zurück ins Zentrum von Seattle.
„Darf ich dir eine Frage über Elena stellen?“
stößt Anastasia hervor, als wir an einer roten Ampel halten. Nicht schon
wieder!
„Wenn es sein muss“, sage ich besorgt.
„Du hast mir ganz am Anfang gesagt, dass sie dich
auf eine Weise liebt, die du annehmen kannst. Wie hast du das gemeint?“
„Liegt das denn nicht auf der Hand?“ frage ich.
Ich war sowieso schon verkorkst und würde eh in die Hölle kommen. Sie hat mich
davor bewahrt, mich selbst zu zerstören.
„Für mich nicht“, antwortet sie.
„Ich konnte damals keinerlei Berührung ertragen.
Letztlich kann ich es immer noch nicht. Für einen vierzehn-, fünfzehnjährigen
Jungen, den die Hormone plagen, ist das ziemlich schwierig. Sie hat mir eine
Möglichkeit gezeigt, Dampf abzulassen“, erkläre ich. Ich glaube wirklich, dass
mich ihr Eingreifen rettete, auch wenn es mich auf andere Weise geschädigt hat.
Aber Anastasia kann das nicht verstehen. Sie hat solche Qualen, die ich
durchlebt habe, nicht erlebt und ich glaube nicht, dass ich es ertragen könnte,
wenn sie jemand so gequält hätte, wie ich gequält wurde.
„Mia sagt, du hättest dich ständig geprügelt.“
Was
zur Hölle! Was ist mit diesen Leuten los, dass sie so bereitwillig
Informationen über mich preisgeben?
„Herrgott“, knurre ich. „Ist diese Familie geschwätzig.
Nein, du bist schuld!“ Als wir wieder an einer roten Ampel halten, drehe ich
mich zu ihr und blicke sie mit zusammengekniffenen Augen an.
„Du entlockst den Menschen Informationen“, sage
ich mit gespieltem Entsetzen.
„Mia hat mir das von sich aus gesagt, weil sie
Angst hatte, dass du einen Streit anfängst, wenn du es nicht schaffst, mich zu ersteigern“,
murmelt sie bockig.
„Oh, Baby, die Gefahr bestand gar nicht. Ich
hätte es niemals zugelassen, dass ein anderer mit dir tanzt. Ich habe dir doch
gesagt, dass das Tanzen für mich ein vertikaler Ausdruck einer horizontalen
Mission ist.“
„Und Dr. Flynn?“ fragt sie.
„Bei
dem mache ich immer eine Ausnahme.“ John ist nicht nur mein Therapeut, sondern
auch mein Freund. Und natürlich weiß ich, dass er seine Frau liebt.
Schließlich
erreichen wir das Fairmont Olympic Hotel und ich halte nah beim Eingang.
„Komm“,
sage ich zu Anastasia, während ich aussteige und unser Gepäck aus dem
Kofferraum hole. Ein Hotelangestellter eilt zu uns, steigt in meinen R8 und
fährt ihn davon. Ich nehme die Hand von meinem Mädchen und mit unseren Taschen
in der anderen, betreten wir die Lobby.
Wir
gehen zur Rezeption. Die Empfangsdame wird rot, als sie mich sieht.
„Ich
habe reserviert. Auf den Namen Taylor, zwei Leute.“ Sie ist nervös und vergisst
ihr professionelles Auftreten, dass eigentlich von ihr in einem Hotel dieser
Art erwartet wird. Sie überprüft ihren Computer und findet unsere Reservierung.
Sie schluckt und sagt, „Brauchen Sie … Hilfe …
mit dem Gepäck, Mr. Taylor?“
„Nein. Wir kommen allein zurecht“, sage ich
barsch. „Wo sind die Aufzüge?“
Die nun schon knallrote Empfangsdame zeigt uns
die Richtung. Ich nehme Anastasias Hand und wir gehen durch die geschmackvoll
eingerichtete Lobby zu den Aufzügen.
Der Aufzug bringt uns in die richtige Etage und wir
gehen den Rest zu unserer Suite. Sie verfügt über zwei Schlafzimmer, ein
offizielles Esszimmer und ein großes Piano. Standard für das, was ich immer
aussuche. Im Wohnzimmer gibt es eine Feuerstelle mit Holzscheiten, in dem ein
warmes, orangenes Feuer brennt.
„Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, Mrs.
Taylor, aber ich könnte einen Drink vertragen“, sage ich, als ich die Tür
schließe und verriegele. Nach all dem Stress brauche ich etwas hochprozentiges,
was mich entspannt. Ich gehe mit den Taschen in der einen und meinem Mädchen in
der anderen Hand ins Schlafzimmer. Ich stelle unsere Taschen auf den
Polsterhocker vor dem übergroßen Himmelbett und kehre zurück ins Wohnzimmer,
Anastasias Hand ruht noch immer in meiner. Anastasia geht zur Feuerstelle, um
ihre Hände zu wärmen, als versuche sie, sich die Kälte, die die
nervenaufreibenden Ereignisse der Nacht verursacht haben, auszutreiben.
Ich gehe zur Bar und inspiziere die Drinks.
„Armagnac?“ frage ich Anastasia. Dieser Brandy
würde auch dem kältesten Bergsteiger auf den österreichischen Alpen einheizen.
Es sollte also für uns genügen.
„Gern“, antwortet Anastasia.
„Was für ein Tag.“
Sie nickt, ohne etwas zu erwidern. Ich blicke sie
besorgt an und suche nach einem Anzeichen auf Angst, Empörung, Besorgnis,
irgendetwas, dass sie dazu bringen würde, vor mir davon zu laufen.
„Alles okay“, flüstert sie, um mich zu beruhigen.
Kann ich überhaupt beruhigt werden? „Und du?“ fragt sie und gibt mir meine
Frage zurück.
„Ich würde gern das Glas leeren und mich dann,
wenn du nicht zu müde dazu bist, im Bett in dir verlieren“, sage
ich mit fiebernden Augen, die aus meiner brennenden Seele leuchten und sich
nach ihr verzehren.
(I’m on Fire by
Bruce Springsteen)
„Ich denke, das lässt sich machen, Mr. Taylor“, sagt
sie und schenkt mir eines ihrer schüchternen, mädchenhaften Lächeln. Ich beuge
mich herab und ziehe meine Schuhe und Socken aus. Als ich wieder zu Anastasia
aufblicke, bemerke ich, dass sie auf ihrer Lippe kaut.
„Mrs.
Taylor, kauen Sie bitte nicht auf Ihrer Lippe herum“, flüstere ich. Ich brauche
sie, wenn es mir wie jetzt geht. Ich brauche sie, wenn ich wütend bin. Ich
brauche sie, wenn ich traurig bin … wenn ich verzweifelt bin … ich brauche sie,
wenn ich verloren bin … ich brauche sie jetzt!
Sie
wird rot. Ich nippe an meinem Brandy und beobachte mein Mädchen mit hungrigen
Augen.
„Du überraschst mich immer wieder, Anastasia.
Selbst nach so einem Tag, bzw. eher gestern, wie heute läufst du nicht jammernd
oder schreiend davon. Alle Achtung. Du bist eine sehr starke Frau“, bemerke ich
mit anerkennendem Blick.
„Und du bist ein guter Grund zu bleiben“, murmelt
sie. „Ich habe dir doch erklärt, dass ich dich nicht verlasse, Christian. Du weißt,
was ich für dich empfinde.“
Ich wünschte, ich könnte es einfach glauben. Ich
wünschte, ich könnte. Ich wünschte, deine Liebe wäre stark genug für uns beide.
Stark genug, um all den Scheiß, der unter der Oberfläche, in meiner Seele ruht,
durchzustehen. Ich muss einfach daran zweifeln. Wenn ich nicht mehr daran
zweifele, verliere ich dich vielleicht! Das kann ich nicht ertragen! Sie sieht
mich mit einem Blick an, der mich überzeugen soll. Erst einmal werden wir es
dabei belassen.
„Wo willst du Josés Porträts von mir aufhängen?“
fragt sie und wechselt damit das Thema.
„Kommt
drauf an“, sage ich und meine Lippen verziehen sich zu einem unterdrückten
Lächeln. Ich habe Pläne. Aber im Gegensatz zu meiner Familie, habe ich nicht
vor, die einfach vor der geschicktesten Schnüfflerin Seattles auszuplaudern.
„Worauf?“ hakt sie nach.
„Auf die Umstände“, sage ich, ohne etwas
preiszugeben. „Die Ausstellung läuft noch, also muss ich mich nicht sofort
entscheiden.“
Sie legt ihren Kopf schief, ahmt mich damit nach
und kneift ihre Augen fragend zusammen.
„Sie können so streng schauen, wie Sie wollen,
Mrs. Taylor. Aus mir bekommen Sie nichts heraus“, necke ich sie.
„Vielleicht muss ich die Wahrheit aus Ihnen
herausprügeln?“ droht sie. Oh Baby, wie süß.
Ich hebe eine Augenbraue und sage, „Anastasia,
keine Versprechungen, die du nicht halten kannst.“
„Hmm …“,
entweicht es ihren Lippen. Sie nimmt ihr Glas und stellt es auf den Kamin. Dann
streckt sie ihre Hand nach meiner aus, nimmt mir mein Glas aus den Händen und
stellt es direkt neben ihres, auf der Kaminverkleidung.
„Das werden wir gleich sehen“, murmelt sie. Sie
nimmt meine Hand, übernimmt die Führung und zieht mich in Richtung des
Schlafzimmers. Ihre mutige Aktion amüsiert mich. Sie bringt mich zum Fußende
des Bettes und bleibt stehen.
„Jetzt, wo du mich hier hast, Anastasia, was wirst
du mit mir anstellen?“ frage ich sie mit leiser, neckender Stimme.
„Ich werde dich ausziehen und das zu Ende führen,
was ich vorhin angefangen habe“, sagt sie und erinnert mich an ihre Tätigkeiten
in meinem Büro. Sie greift nach dem Revers meines Jacketts und sehr darauf
bedacht, mich nicht zu berühren, streift sie es mir über meine Schultern.
Natürlich zucke ich zusammen und halte meinen Atem an. Aber ich bleibe stehen. Ich
will es! Sehr sogar! Ich will so sehr, dass sie mich anfasst! Ich will ihre
Berührungen nicht nur ertragen, ich will sie genießen! Ich sehne mich nach
ihnen. Meine Augen haften auf ihr. Sie sind riesig und brennen sich in sie
hinein. Ich bin besorgt und unsicher, aber ich brauche das. Ich brauche sie! Schließlich
zieht sie mir die Jacke ganz herunter und legt sie auf den Polsterhocker.
„Und jetzt dein T-Shirt“, flüstert sie und greift
nach dem Saum. Ich hebe meine Arme und trete einen Schritt zurück, während sie
mir das T-Shirt über den Kopf zieht. Nun bin ich hüftaufwärts nackt, genau wie
in dem Moment, als wir festgestellt haben, dass Leila eingebrochen ist. Jetzt
trage ich nur noch meine Jeans, die auf meinen Hüften hängt und die Spur feiner
Härchen oberhalb meiner Boxershorts offenbart. Ein Blick genügt, um Anastasias
Begehren für mich zu wecken.
(attn. ILE)
„Und jetzt?“, flüstere ich mit glühendem Blick.
„Ich will dich da küssen“, sagt sie und streicht
mit ihrem Finger von einem Hüftknochen zum anderen. Ihre Finger hinterlassen
ein Feuer in mir und ich lechze nach ihr.
Ich atme tief ein, um den Drang und die Lust in
mir auszugleichen. „Ich werde dich nicht aufhalten. Mach“, hauche ich. Sie
streckt ihre Hand aus und legt meine in ihre. „Leg dich lieber hin“, sagt sie
und führt mich neben das Bett. Ich bin ein wenig besorgt. Es hat noch nie jemand die
Kontrolle über mich übernommen.
(Take the Lead
– Tango Scene – Asi se baila el tango)
Ich habe
während des Geschlechtsaktes noch nie die Zügel aus der Hand gegeben – nicht
seit Elena.
Ich schiebe die Bettdecke weg und setze mich auf
den Rand des Bettes. Mein Blick ruht auf Anastasia und ist voller Erwartung,
Skepsis und Ernsthaftigkeit. Anastasia steht vor mir und zieht sich zuerst die
Jeansjacke von ihren Schultern, ehe sie auch ihre Jogginghose auszieht.
Verdammt! Ich weiß, dass sie nichts unter meinem T-Shirt trägt! Ich sehne mich
so sehr danach, sie anzufassen. Ich muss mir sogar mit meinem Daumen über die
Fingerspitzen streichen, um das Verlangen, sie anzufassen, zu unterdrücken. Sie
blickt mich an, atmet einmal tief ein und greift dann nach dem Saum des
T-Shirts, um es sich über den Kopf zu ziehen. Nun steht sie in ihrer ganzen
nackten Pracht vor mir. Ich sehe sie an, als hätte ich eine Göttin vor mir. Ich
kann meine Augen nicht von ihr abwenden und schlucke. Meine Lippen öffnen sich
vor Begierde.
„Du bist Aphrodite, Anastasia“, flüstere ich.
(She’s So High by Tal Bachman)
Sie streckt
ihre Hände aus und umfasst mein Gesicht, neigt meinen Kopf, damit unsere Blicke
sich begegnen und sie mich besser küssen kann. Es ist so unglaublich heiß! Ich
kann ein tiefes Stöhnen nicht länger unterdrücken. Als wir uns küssen, habe ich
mein Limit schon fast erreicht. Ich bin kurz davor, in Flammen aufzugehen. Ich
umschließe ihre Hüften und eine Sekunde später liegt sie unter mir, meine Beine
drängen ihre auseinander. Ihre Beine umschließen meine und hüllen mich ein.
Unser Kuss dauert weiter an und ich übernehme wieder die Führung, sauge an ihrer
Zunge, ihren Lippen, ihrem Mund; ich kann einfach nicht genug von ihr bekommen!
Meine Hände wandern zu ihren Oberschenkeln, ihren Hüften und zu ihrem Bauch.
Ich verfolge die Kontur ihres Körpers, knete ihre Haut und bringe sie dazu,
mich noch mehr zu wollen. Meiner Finger gleiten weiter zu ihren Brüsten und
umschließen sie, kneten daran und ziehen an ihren Brustwarzen und entlocken ihr
so ein Stöhnen. Sie brennt, ist begierig und keucht vor Lust. Sie hebt ihr
Becken und reibt sich an meiner wachsenden Männlichkeit, die sich immer noch in
meiner Hose befindet. Meine Erektion drückt ungeduldig gegen meine Hose. Ich
lasse mich ein wenig nach unten sinken und presse mich gegen sie, reibe an
ihrem Geschlecht. Sie stöhnt vor Verzückung. Ich ziehe mich wieder zurück, doch
ihr Becken sucht immer noch nach mir. Ich presse meine Hüften noch einmal gegen
sie. Ihr erwiderndes Stöhnen zwingt mich dazu, erneut ihren Mund in Besitz zu
nehmen, ihn zu erkunden und sie leidenschaftlich zu küssen. Dieser quälend
langsame, leidenschaftliche Betttango hört nicht auf, ich verliere mich in ihr und
sie sich in mir. All die Angst und Besorgnis ist wie verdampft und einfach
verschwunden. Es gibt nur Anastasia und mich, wie wir zusammen Liebe machen –
hier und jetzt.
Zögernd streckt
sie ihre Hand aus, greift in meine Haare und zieht meinen Mund auf ihren,
versucht in ihn einzudringen. Sie will mich erobern und mich mit ihrem Mund
besitzen. Während sich ihr Mund zauberhaft mit meinen Lippen vereint, wandern
ihre Finger meine Arme entlang und zu meinem Rücken. Ihre Hände gleiten in
meine Jeans, kneten meine Pobacken, drücken sie nach unten, drängen mich dazu,
sie zu erobern, mich mit ihr zu vereinen – eins zu sein.
„Du entmannst
mich noch, Ana“, flüstere ich und löse mich von ihr. Wenn ich sie nicht sofort
nehme, werde ich explodieren. Ich ziehe ein Kondompäckchen aus meiner
Hosentasche und gebe es ihr, während ich damit beschäftigt bin, meine Jeans
auszuziehen.
„Du willst mich, Baby, und ich will dich ganz sicher auch. Du weißt, was zu
tun ist.“
(Sweet Child
O’Mine by Guns’N Roses)
Sie zerreißt
die Folie und rollt das Kondom über meine stetig wachsende Männlichkeit. Ich
grinse auf sie herab und genieße das Gefühl ihrer Hände auf meiner Haut, wie
sie meine Länge streichelt und darüber gleitet. Ich beuge mich herab und reibe
mit meiner Nase an ihrer. Als ich in Anastasia eindringe übermannt mich dieses
köstliche, erlesene Gefühl, bringt mich dazu, meine Augen zu schließen und das
Gefühl, in ihr zu sein, zu genießen. Zögernd umschließt Anastasia meine Arme
mit ihren Händen, wölbt ihren Rücken und wirft ihren Kopf in den Nacken, um all
die Empfindungen, die ich ihr beschere, aufzunehmen. Ich bewege mich, gleite
langsam in sie hinein und wieder heraus, wie ein Liebender, ganz zärtlich. Als
ich meinen Körper auf sie presse, mich mit ihr verbinde und vereine, halte ich
ihren Kopf in meinen Händen.
„Mit dir vergesse ich die Welt. Du bist die beste
Therapie für mich“, raune ich, während meine Länge langsam in sie hinein und
wieder herausgleitet, als würde sie das allerköstlichste Mahl probieren, eine
erlesene und feine Köstlichkeit.
„Bitte, Christian – schneller“, bettelt sie um
eine schnelle Erlösung.
„Oh, nein, Baby. Ich will es langsam“, sage ich
und küsse sie, beiße zärtlich in ihre Unterlippe, während sie in meinen Mund
stöhnt.
Ihre Hände wandern in meine Haare, sie sieht mich
bewundernd an, passt sich meinem Rhythmus an, gibt sich mir ganz hin. Ich
merke, die köstliche Spannung ihrer Muskeln, als diese beginnen, sich
zusammenzuziehen. Als sie ihren Höhepunkt erreicht, rollen ihre Augen zurück
und bringen mich zum stöhnen, „Oh, Ana“, und so erreiche auch ich meine
Erfüllung, mit ihrem Namen als Litanei auf meinen Lippen.
Nach unserem Liebesspiel lasse ich mich auf sie
herabsinken, schlinge meine Arme um sie und lege meinen Kopf auf ihren Bauch.
So gehalten zu werden, fühlt sich seltsamer Weise noch intimer an als Sex. Es
ist beruhigend und wertschätzend. Ich habe meine Seele noch nie offen gelegt.
Noch nie so wie in diesem Moment. In diesem Moment, während Anastasia mich
liebkost, mein Haar streichelt, hält sie mein Herz und meine Seele in ihren
kleinen Händen.
(Closer by Kings
of Leon)
In dieser zerbrechlichen Blase fürchte ich mich
davor, dies zu verlieren … Ich hatte nie gedacht, dass ich jemanden so lieben
könnte, das Verlangen habe, alles von mir zu geben, einen Vorstoß zu wagen. Im
Auge des Storms bin ich gelassen und heiter und das nur, weil sie mein sicherer
Hafen ist. Es gibt zwei Dinge, die mir Angst bereiten: Die Angst, dass
Anastasia durch mich Schaden erleiden könnte und die Angst, dass Anastasia mich
verlässt. Gegen die erste Angst kann ich etwas machen. Ich kann sie beschützen.
Aber die zweite, hängt allein von Anastasia ab. Und das ist auch meine größte
Angst.
„Ich werde nie genug von dir bekommen. Verlass
mich nicht“, murmele ich und küsse ihren Bauch.
„Keine Sorge, Christian, ich bleibe bei dir. Und
ich glaube mich zu erinnern, dass ich deinen Bauch küssen wollte“, sagt sie mit
schläfriger Stimme. Ihre Erklärung bringt mich zum schmunzeln. „Niemand hindert
dich daran, Baby“, sage ich.
„Ich glaube, ich schaffe es nicht mehr, mich zu
rühren … Ich bin hundemüde.“
Sie hatte einen ziemlich anstrengenden Abend. Ich
seufze und rolle mich neben sie, ehe ich die Bettdecke über uns ziehe. Mit all
meiner Liebe, vereint in einem Blick, sehe ich auf sie herab.
„Schlaf jetzt, Baby“, flüstere ich. Ich beuge
mich herunter und küsse ihr Haar. Schließlich schlinge ich meine Arme um sie
und wir beide driften in einen friedvollen Schlaf.
(Lullaby by
Dixie Chix)
Am nächsten Morgen wache ich ganz von allein auf.
Die Sonne ist bereits aufgegangen und ich blicke auf die Uhr. Es ist fast 10:00
Uhr. Ich stehe auf und ziehe mich an. Ich kehre zurück zum Bett, lege mich
darauf und beobachte Anastasia beim Schlafen. Sie sieht friedlich aus, so jung
und unschuldig. Ihre Sorgenfalten sind verschwunden. Am liebsten würde ich sie
berühren und einfach im Arm halten, aber ich will sich nicht wecken. Plötzlich
rührt sie sich ein wenig. Ich könnte Anastasia Ewigkeiten beim Schlafen zusehen.
Sie blinzelt und öffnet ihre Augen schließlich einen Spalt breit. Sie sieht
aus, als hätte sie einen Kater. Aber es sind nur die Nachwehen der langen
Nacht, die wir hatten.
„Hi“, murmele ich und lächele sie an.
„Hi“, flüstert sie zurück und sie klingt noch
ganz schläfrig.
„Wie lange beobachtest du mich schon?“ fragt sie.
„Erst seit ungefähr fünf Minuten. Ich könnte dir
stundenlang beim Schlafen zuschauen, Anastasia.“ Sie lächelt und ich beuge mich
nach unten, um sie zu küssen. „Dr. Greene kommt bald“, erinnere ich sie.
„Oh“, antwortet sie und es klingt so, als hätte
sie es vergessen.
„Hast du gut geschlafen?“ erkundige ich mich. „Hat
sich jedenfalls so angehört, du hast ganz schön geschnarcht“, necke ich sie.
Natürlich schnarcht sie nicht.
„Ich schnarche nicht!“ schmollt sie.
„Stimmt“, sage ich und lasse sie vom Haken.
„Hast du schon geduscht?“
„Nein. Ich habe auf dich gewartet“, antworte ich.
„Ah … okay.“
„Wie spät ist es?“
„Viertel nach zehn. Ich hab’s nicht übers Herz
gebracht, dich früher zu wecken“, sage ich.
„Du hast doch mal behauptet, du hättest kein
Herz.“
Das ist ein Fakt. Ich habe kein Herz. Aber wenn
Anastasia bei mir ist, ist auch mein Herz hier, es schlägt, liebt, schmerzt und
fühlt. Sie muss der Grund sein, warum ich eine Seele und ein Herz habe. Woraus
auch immer Seelen gemacht sind, ihre und meine sind aus dem gleichen Stoff. Sie
findet und bringt das zum Vorschein, was ich verloren habe. Weil sie der Hüter
von beidem ist. Wo auch immer sie hingeht, dort ist auch mein Herz zu finden.
„Wir frühstücken im Zimmer – Pfannkuchen und Speck
für dich. Komm, steh auf. Ich fühle mich einsam ohne dich“, sage ich und
schlage auf ihr Hinterteil. Dies ist eine ziemlich effektive Methode, sie aus
dem Bett zu kriegen.
Anastasia streckt sich und geht ins Bad. Ich
kehre zurück ins Wohnzimmer und warte auf sie, während ich mein Frühstück esse.
Sobald ich mit frühstücken fertig bin, lese ich die Sonntagsausgabe der Zeitung
und trinke meinen Kaffee. Anastasia kommt aus dem Schlafzimmer. Frisch
gewaschen und in einer der Hotelbademäntel. Ihr Anblick zaubert mir ein Lächeln
aufs Gesicht.
„Iss. Heute wirst du Kraft brauchen“, necke ich
sie. Ich habe große Pläne für heute.
„Wieso? Willst du mich im Schlafzimmer
einsperren?“ fragt sie.
„So verführerisch das auch wäre – ich dachte,
heute gehen wir raus an die frische Luft.“
„Hast du keine Bedenken wegen der Sicherheit?“
fragt Anastasia unschuldig.
Die Sorge macht sich wieder in mir breit. So
sieht nun meine Realität aus und ich muss immer wachsam sein. „Da, wo wir
hinwollen, ist es sicher. Und mit so etwas scherzt man
nicht“, füge ich ernst hinzu. Ich blicke
Anastasia gezielt an, sodass sie den Ernst der Situation erkennt. Ich möchte
nicht, dass sie die ganze Sache auf die leichte Schulter nimmt und unachtsam
wird und dadurch möglicherweise auch noch verletzt wird.
Sie wird rot und blickt auf ihren Teller herab,
als würde dieser die Antwort auf all unsere Probleme enthalten. Nachdem
Anastasia nur wenige Bissen gegessen hat, klopft es an der Tür.
„Das wird die gute Dr. Greene sein“, brumme ich.
Ich stehe auf und gehe zur Tür. Ich lasse Dr. Greene herein und führe sie ins
Schlafzimmer. Dieses Mal möchte ich es erst gar nicht soweit kommen lassen,
dass mich Dr. Greene extra herausbitten muss.
(Dr. Greene – eine unsere Leserinnen)
Während
Anastasia und Dr. Greene im Schlafzimmer
sind, lese ich die Sonntagszeitung und einige Geschäftsberichte. Dieses Mal
dauert das Gespräch aber länger als beim ersten Mal. Was machen sie nur dort
drin? Mein Blick schweift einige Male über die Tür. Ich bin in der richtigen
Stimmung, um einfach in den Raum zu platzen und zu sehen, was los ist. Aber die
sachliche Dr. Greene würde mich sofort rauswerfen. Ich gehe im Raum auf und ab
und blicke immer wieder nervös zur Tür. Es kommt noch immer keiner heraus. Ich
sehe auf meine Uhr. Die Zeit scheint stillzustehen.
Schließlich
kommen beide aus dem Schlafzimmer. Anastasia sieht wie betäubt aus und Dr.
Greene ist schweigsam wie immer, blickt düster drein. Ihr Anblick überrascht
mich und automatisch beginne ich mir Sorgen zu machen. Niemand sagt etwas. Es
ist Sonntag, deshalb möchte Dr. Greene so schnell wie möglich los. Verwirrt
schüttele ich ihre Hand und bringe sie zur Tür. Nachdem ich die Tür hinter ihr
geschlossen habe, drehe ich mich um und blicke Anastasia argwöhnisch an. „Alles
in Ordnung?“ frage ich.
Stillschweigend
nickt sie. Ich lege meinen Kopf schief. Ich bin plötzlich ganz besorgt.
Irgendetwas stimmt nicht mit Anastasia. Sonst ist sie nie so still. Nach Dr.
Greenes letztem Besuch hat sie noch mit mir gescherzt.
„Anastasia, was ist los? Was hat Dr. Greene
gesagt?“ frage ich.
Sie schüttelt ihren Kopf und scheint sich von
irgendeinem Schock erholen zu müssen. „In sieben Tagen wird das Leben für dich
leichter“, murmelt sie und blickt in die Ferne.
„In sieben Tagen?“
„Ja“, antwortet sie einsilbig.
„Ana, was ist?“ frage ich wieder und bin dieses
Mal wirklich besorgt.
(The Sound of
Silence by Simon and Garfunkel)
Sie blickt mich mit weiten, argwöhnischen Augen
an. Sie schluckt, als müsste sie irgendwelche schlechten Neuigkeiten
unterdrücken und verdauen. „Mach dir keine Sorgen. Bitte, Christian, lass mich
einfach in Ruhe“, antwortet sie.
Was zur Hölle?
Ich soll mir keine Sorgen machen? Sie in Ruhe lassen? Sie versteckt doch etwas
vor mir. Oh mein Gott! Irgendetwas stimmt nicht mit ihr! Ist sie krank? Hat sie ein gesundheitliches Problem? Die
Doktorin war so schweigsam. Diese ganze Verschwiegenheitsscheiße! Und Anastasia
wird mir nichts sagen! Ich werde noch verrückt! Ich baue mich genau vor ihr
auf, umfasse ihr Kinn und drücke es nach oben, sodass sie gezwungen ist, mir in
die Augen zu sehen. Entschieden untersuche ich ihr Gesicht. Ihre Augen sind
ganz panisch und versuchen das Geheimnis zu verstehen. Meine Sorge wächst von
Sekunde zu Sekunde. Was zum Teufel ist nur los mit ihr?
„Sag es mir!“
blaffe ich sie an.
„Es gibt nichts zu sagen. Ich würde mich jetzt
gern anziehen“, sagt sie und geht aus meiner Reichweite. Ich bin besorgt und
aufgebracht. Sie ist nicht gerade entgegenkommend, und diese ganzen Szenarios,
die sich vor meinem inneren Auge abspielen, machen mich verrückt. Gereizt fahre
ich mir mit den Händen durch mein Haar.
„Lass uns duschen“, sage ich schließlich.
„Okay“, murmelt sie. Mit ihren Gedanken ist sie
ganz weit weg. Ich mache mir immer größere Sorgen und bekomme langsam Angst.
„Komm”, sage ich mürrisch; greife nach ihrer Hand
und halte sie fest, als würde sie jeden Moment dahinschwinden. Der Weg ins Bad
ist still. Ich gehe voraus und ziehe Anastasia, deren Gedanken wahrscheinlich
auf einem anderen Planten sind, hinter mir her. Es scheint ganz so, als hätte
sie ihren Körper verlassen. Gott! Was ist los mit ihr?
Ich gehe ins Badezimmer, lasse Anastasias Hand
los, und drehe das Wasser in der Dusche auf, ehe ich mich schließlich ausziehe.
Dann wende ich mich Anastasia zu und löse den Gürtel ihres Bademantels. „Ich
weiß nicht, was für eine Laus dir über die Leber gelaufen ist oder ob du nur
schlechte Laune hast, weil du zu wenig geschlafen hast“, sage ich und blicke
sie besorgt an. „Aber, bitte sprich mit mir, sonst befürchte ich das Schlimmste“,
sage ich schließlich und offenbare ihr meine Ängste, sodass sie offen mit mir
sprechen kann. Daraufhin verdreht sie einfach die Augen! Was zur Hölle? Ich
starre sie an und blicke sie finster an. Meine Augen sind kaum noch zu sehen!
Sie seufzt und antwortet:
„Dr. Greene hat mich geschimpft, weil ich die
Pille vergessen habe, und gesagt, ich könnte schwanger sein.“
„Was?“ stoße ich hervor. Ich kann es gar nicht
fassen. Das Blut weicht aus meinem Gesicht und ich erstarre, während ich sie
fragend ansehe. Langsam sickert die Gewissheit, dass sie schwanger sein könnte
durch. Verdammt! Das kann doch nicht sein!
„Zum Glück bin ich es nicht. Sie hat einen Test
gemacht. Es war ein Schock, das ist alles. Wie konnte ich nur so dumm sein?“
erklärt sie und eine zenterschwere Last fällt mir von den Schultern. Innerliche
sacke ich zusammen. „Bist du sicher?“
„Ja“, bestätigt sie.
Erleichtert atme ich aus. „Gut. Ich kann
verstehen, dass dich das aus der Fassung bringt“, sage ich erleichtert.
Sie sieht mich finster an, als wäre sie über
meine Reaktion nicht gerade glücklich. „Ich hatte eher Angst vor deiner
Reaktion“, sagt sie.
Ich bin verwirrt und sehe sie stirnrunzelnd an. „Vor
meiner Reaktion? Na ja, natürlich bin
ich erleichtert … Es wäre höchst unachtsam und
obendrein schlechter Stil, dich zu schwängern.“
„Dann sollten wir vielleicht enthaltsam leben“,
blafft sie mich an. Warum ist sie wütend auf mich? Ich bin verwirrt. Ich sehe
sie an und versuche das Geheimnis hinter ihrem Wutausbruch zu ergründen.
„Du hast ziemlich schlechte Laune heute Morgen“,
stelle ich fest.
„Es war ein Schock, das ist alles“, sagt sie
beleidigt. Ich liebe sie, egal in welcher Stimmung sie ist. Gut, böse,
stinksauer, traurig, launisch … alles an ihr ist heiß! Ich greife nach den
Aufschlägen ihres Bademantels und ziehe sie in meine Arme, umschließe sie. Ich
halte sie und genieße das Gefühl ihrer nackten Vorderseite gegen meinen nackten
Körper. Ich atme ihren Duft ein und schließe meine Augen, küsse ihr Haar und
drücke ihren Kopf gegen meine Brust. Ich will nicht, dass sie wütend auf mich
ist.
„Ana, das bin ich nicht gewohnt“, murmele ich
unsicher, da ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll. „Mein Instinkt rät
mir, es aus dir herauszuprügeln, aber ich bezweifle, dass du das möchtest“,
sage ich wahrheitsgemäß. Das ist nun einmal das, was ich kenne. Ich bin es
nicht gewohnt, im Dunkeln zu stehen und mich mit weiblichen Eigenheiten
auseinanderzusetzen, vor allem nicht mit Anastasias.
„Allerdings. Das hier ist besser“, sagt sie und
schlingt ihre Arme fester um mich. Während wir so dastehen und uns gegenseitig
halten, merke ich, wie ich mich langsam entspanne und sich etwas in mir
verändert. Es gibt also auch andere Möglichkeiten, als die, die ich bisher
gekannt habe und diese haben eine viel angenehmere Auswirkung. Als ich spüre,
wie sich Anastasias Körper entspannt, löse ich mich von ihr und sage, „Komm,
lass uns duschen.“
Ich ziehe ihren
Bademantel aus, sodass er sich um ihre Füße auf dem Boden ergießt. Beide
betreten wir die Dusche. Die Dusche ist ziemlich groß und der gewaltige
Duschkopf lässt genug Wasser für uns beide herunterprasseln. Ich halte meinen
Kopf unters Wasser und greife schließlich nach dem Shampoo. Ich drücke etwas in
meine Handfläche und reiche Anastasia das Shampoo. Sie ahmt meine Bewegungen
nach. Nachdem sie das Shampoo fast schon lustvoll in ihre Haare einmassiert
hat, sieht sie ziemlich entspannt aus. Mit geschlossenen Augen lässt sie sich
das Shampoo aus dem Haar waschen. Der Schaum rinnt ihren Rücken und ihre Beine
herab und sammelt sich schließlich im Abfluss. Ich drücke etwas Duschgel in
meine Hand und reibe meine Hände aneinander, um es aufzuschäumen. Ich strecke
meine Hände aus und beginne Anastasias Körper einzuseifen. Ich beginne an ihren
Schultern, weiter über ihre Arme, ihre Unterarme, über ihre Brüste und ihren
Rücken. Ohne ein Wort drehe ich sie vorsichtig um; ziehe sie gegen mich, Haut
an haut, und beginne ihren Bauch, zwischen ihren Beinen, ihr Geschlecht und
ihren Hintern zu waschen.
Wieder drehe
ich sie herum, sodass wir uns in die Augen blicken. Ihr Blick ruht bewundernd
auf mir, sieht mich erwartend an.
„Hier“, sage ich und reiche ihr das Duschgel. „Ich
möchte, dass du mir die Lippenstiftreste abwäschst.“ Sie blickt mich ängstlich
an. Ich sehe sie fest entschlossen an.
„Entfern dich nicht zu weit von der Linie“,
murmele ich nervös.
„Okay“,
flüstert sie. Ich beobachte sie, ohne zu blinzeln. Sie drückt etwas Duschgel in
ihre Handfläche und verreibt es zwischen ihren Händen bis es schäumt. Langsam,
aber entschieden wandern ihre Hände über meine Schultern und beginnen sanft an
der verbliebenen Lippenstiftlinie zu reiben. Mein Körper spannt sich an. Ich
muss mich konzentrieren und schließe deshalb die Augen. Ich muss mir fröhliche
Gedanken machen, damit sie ihre Aufgabe problemlos machen kann. Meine Atemzüge
werden schneller und auch mein Herzschlag beschleunigt sich, als ob mein Herz
versuchen würde, aus meiner Brust zu gelangen. Meine Angst wird immer größer
und ich versuche den kleinen Jungen, der sich in mir versteckt, zu beruhigen.
Ich erzähle ihm, dass alles in Ordnung ist. Es ist schließlich nur Anastasia,
die uns liebt, sowohl den kleinen Jungen, als auch den abgefuckten Mann. Ihre
Finger zittern, aber sie verfolgt entschlossen die übriggebliebene Linie auf
meiner Haut. Sie seift meine Brust ganz sanft ein und obwohl die Bewegungen
ganz leicht, heilsam und voller Liebe sind, merke ich, wie ich nervös schlucke,
mich anspanne und meine Zähne aufeinander beiße.
Ihre
Hände verlassen meinen Körper für einen kurzen Moment und geben mir die
Möglichkeit mich innerlich zu entspannen. Sie gibt mehr Duschgel auf ihre Hand
und fragt, „Bereit?“ mit angespannter Stimme, die gut zu meiner passt.
„Ja“,
lautet meine Antwort. Sie ist nicht mehr als ein Flüstern, kaum hörbar und
voller Angst.
Wieder
platziert sie ihre Hand auf meiner Brust und ich bin augenblicklich wie erstarrt,
ganz hilflos. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich sie wegschieben und
davonlaufen sollte; weit wegrennen sollte, weit weg von ihr, aus ihrer
Reichweite. Meine Atemzüge werden ganz flach und schnell, um die Angst zu
lösen, aber mein Körper wird noch verkrampfter, fast schon starr. Jede ihrer
Bewegungen steigert meine Angst, als würde sie jeden Moment die verbotene Zone
betreten und in mein dunkles Territorium eindringen, mich verletzlich machen.
Der Schmerz und die Angst sind unerträglich! Ich blicke auf sie herab und sehe
wie ihr die Tränen über die Wangen strömen wie Sturzbäche und mit dem
Wasserstrahl wetteifern. Ich kann es nicht ertragen, dass sie wegen mir weint.
Ich bin es nicht wert.
„Nein. Bitte, weine nicht“, bettele ich mit qualvoller, leiser Stimme.
(Don’t Cry by Guns’N Roses)
Ich
schlinge meine Arme um sie und drücke sie fest gegen mich. „Bitte, weine nicht
wegen mir, Ana.“ Daraufhin fängt sie an zu schluchzen und vergräbt ihr
schmerzerfülltes Gesicht an meinem Hals. Ich kann es nicht ertragen, sie so zu
sehen! Ich löse mich von ihr, nehme ihr Gesicht zwischen meine Hände. Ich senke
meinen Kopf und presse meine Lippen auf ihre, verliere mich ganz in diesem
Kuss.
„Weine nicht, Ana, bitte“, flehe ich gegen ihre
Lippen. Das ist lange her. Ich sehne mich nach deiner Berührung, kann sie aber
nicht ertragen. Es ist zu viel. Bitte, bitte, nicht weinen, Baby.“
„Ich würde dich so gern anfassen. Mehr als du dir
vorstellen kannst. Dich so zu erleben, so verletzt und voller Angst, Christian
… das tut mir unglaublich weh. Ich liebe dich so
sehr.“
Ihre Liebesbekundung entspannt mich. Endlich bin
ich wieder an meinem sichersten Ort. Mit meinem Daumen streiche ich über ihre
Unterlippe. „Ich weiß, ich weiß“, flüstere ich.
„Es ist sehr leicht, dich zu lieben, begreifst du
das denn nicht?“
„Nein, Ana, das begreife ich nicht“, sage ich
ungläubig. An mir gibt es nichts, was man lieben könnte.
„Doch. Ich liebe dich wie deine Familie. Und
Elena und Leila, obwohl sie eine merkwürdige Art haben, es zu zeigen. Du bist
unserer Liebe würdig“, sagt sie.
Jedes ihrer Worte ist wie ein Messerstich in
meine dunkle Seele, egal wie liebevoll sie auch sind. Ich bin der Liebe und
Zuneigung der anderen nicht würdig. Von niemandem. Ich bin zutiefst schlecht! Sie
weiß gar nicht, was ich am liebsten mit ihr anstellen würde! Sie hat überhaupt
keine Ahnung! Würde sie mich immer noch lieben, wenn sie es wüsste?
„Hör auf“, sage ich. Ich kann ihre Worte nicht
ertragen. Ich lege meinen Finger auf ihre Lippen und schüttele meinen Kopf,
damit sie aufhört. In mir tobt ein
heftiger Sturm purer Qual. „Das ertrage ich nicht. Ich bin ein Nichts,
Anastasia, der Schatten eines Menschen. Ich habe kein Herz.“
„Oh doch. Und dieses Herz will ich, und zwar
ganz. Du bist ein guter Mensch, Christian, ein sehr guter Mann. Daran darfst du
nicht zweifeln. Sieh doch nur, was du getan hast … was du erreicht hast“, sagt
sie leidenschaftlich. „Was du für mich
getan, worauf du für mich verzichtet hast“, sagt sie voller Bewunderung. „Ich
weiß es. Ich weiß, was du für mich empfindest“, sagt sie. Ich blicke zu ihr auf
und die Angst schnürt meine Kehle zu. Es ist eine Sache, dass ich es weiß; aber
eine andere, dass sie es weiß! Ich bin ihrer nicht würdig. Sie kann es nicht
wissen! Sie sollte es nicht wissen!
Ich gerate in Panik, bleibe aber stehen. Ich
blicke auf sie hinab und bin ganz bestürzt.
„Du liebst mich“, flüstert sie.
Sie weiß es! Sie weiß es! Meine Augen weiten sich
panisch. Mein Mund öffnet sich und dennoch bin ich unfähig ein Wort
herauszubringen. Ich kann nichts verleugnen, was in meiner Seele schon längst
besiegelt ist. Ich bin unwürdig, gequält und in diesem Moment lege ich ihr
meine Seele zu Füßen. Ich gehöre ganz ihr. Nimm mich wie ich bin, Ana.
„Ja“, flüstere ich. „Das tue ich.“
(Truly Madly Deeply by Savage
Garden)
Das Kapitel ist wieder sooo klasse....
ReplyDeleteMan schaut man tief in Christians Seele und es ist als ob man seine Ängste, seine Liebe und seine Qualen regelrecht fühlen kann.
Großel Lob an die Verfasser und auch an dich...
Gruß und schönen Sonntag
Ich find es ganz toll das du dir die zeit nimmst, um das alles zu übersetzen... Vielen lieben dank dafür...Kann es kaum abwarten das es weiter geht...schau schon jeden Tag nach ob ein neues update da ist ;-) vlg
ReplyDeleteVielen lieben Dank für eure Kommentare. Ich freue mich immer wenn ich eure Meinungen lese :)
ReplyDeleteLeider müsst ihr euch noch ein wenig gedulden. Das nächste Kapitel ist gar nicht so einfach und es liegen noch einige Seiten Übersetzung vor mir.
Hinterlasst mir gern alle eure Kommentare. Das ist zusätzliche Motivation für mich und bringt mich vielleicht dazu, schneller zu übersetzen :D
Liebe Grüße
Hi Janine,
ReplyDeletewir wollen dich doch nicht unter Druck setzten, es gibt ja (leider) auch das wahre Leben, mit dem man sich ab und an beschäftigen muß.
Ich (wir) trinken einen Eistee, und warten gespannt auf das nächste Kapitel,
schönen Sonntag